Beiträge von Lucius Decimus Maximian

    Maximian schmunzelte. Hispania war ein schönes Land, wie er fand, und er fühlte sich geschmeichelt, wenn jemand nachfragte und wissen wollte, wie es dort war. Manchmal überlegte er, ob er regelrecht in Schwärmerei ausbrechen sollte, wenn er über seine Heimat sprach, doch meist war er dafür in unpassender Gesellschaft. Man hätte ihn unschwer als Trottel abgetan und das wollte er eigentlich vermeiden.


    "Hispania.", sagte er noch einmal und räusperte sich, während er sich an die Interpretation ihrer neugierigen Frage machte. "Ich nehme an, du hast es noch nicht mit den eigenen Augen gesehen?"
    Er wollte nicht gleich drauf los plaudern, deshalb glich die Gegenfrage wohl eher dem Abstecken des Interesses seines Gegenübers.


    Dann lauschte er, als sie ihm antwortete, dass sie natürlich noch keine Beschäftigung gefunden hatte und immer noch im Begriff war Mogontiacum kennen zu lernen. Maximian dachte an seine ersten Tage hier, keine sonderlichen schönen Tage, aber Tage, an denen er ziellos durch die Straßen gelaufen war, manchmal mit stadtkundiger Begleitung, manchmal auch einfach auf eigene Faust.
    Dann folgte er ihrem Blick auf den Trümmerhaufen, auf dem sein Blick eine ganze Weile lang haften blieb. Plötzlich verglich er die abgebrandte Taverne mit sich. Sein Leben war derzeit ein Trümmerhaufen, wie der, vor dem er gerade stand. Ausgelöst durch eine Frau.


    Der junge Mann richtete sich augenblicklich wieder kerzengerade auf und zwang sich, die Gedanken ganz schnell in den Müllkorb seines komposterfähigen Gedankenguts zu schieben und sich nichts anmerken zu lassen für diesen kurzen Moment der Schwäche.
    "Ja, gehen wir.", antwortete er also unbeschwert und deutete mit gerunzelter Stirn in eine Richtung, die schnell vom Gedränge und der Ruine wegführte.


    "Ich bin eine Niete in germanischer Geografie, du könntest mir einmal auf die Sprünge helfen. Dieses Bonna... Ich glaube, ich habe den Namen schon einmal gehört. Wo liegt es?"

    Bonna. Maximian überlegte, ob er diesen Namen schon einmal gehört hatte. Er glaubte schon, allerdings hatte er keinen blassen Schimmer, wo dieser Ort liegen mochte. Er würde sich wohl oder übel doch mal mit der germanischen Geografie befassen müssen.
    Aufmerksam war sein Blick trotz dieser Gedanken. Sein Gegenüber verstand es gut sich nicht anmerken zu lassen, dass es innerlich nicht halb so geordnet war, wie es nach Außen hin den Anschein hatte. Er reimte sich dennoch zusammen, dass diese junge Frau wohl plötzlich ganz allein auf sich gestellt war und deshalb nach Mogontiacum gekommen. Sie konte dort, wo sie bislang gelebt hatte, nicht allein für sich sorgen, aus welchen Gründen auch immer. Hm. Hatte sie denn nicht Familie? Die meisten römischen Familien waren doch sehr groß... Es wunderte ihn, dass sie nicht gesagt hatte, sie wäre auf der Suche nach dem und dem.


    Eine Frage und ein kleines Lächeln ließen Maximian seine Gedanken hinten anstellen. Dann lächelte auch er leicht und nahm einen Arm aus der Verschränkung, um sich hinterm Ohrläppchen zu jucken, obwohl es da gar nicht kratzte.
    "Nein. Ich komme aus Hispania und bin hier... ehm... weil mein Vater beruflich hier zu tun hat.", umschrieb er und grinste ein wenig schief, dann wechselte er das Standbein und runzelte die Strirn.


    "Und? Hast du schon eine Arbeit für dich gefunden?"

    Beinahe jeder freute sich Rom ansehen zu können. Warum sollte es sich da bei den Sklaven anders verhalten?
    Maximian nickte. Das Mahl würde ganz nach seinem Geschmack sein und so rieb er erwartungsvoll die Hände aneinander, während Phiobs ihm das Tablett brachte und es vor ihm, der auf der Seite quer im Bett lag, abstellte. Es duftete. Und wie es duftete! Maximian machte sich sogleich ans Speisen.


    Ein, zwei Minuten lang herrsche Stille, die nur hin und wieder von leisem Schmatzen erfüllt war. Dann sah Maximian am Brot nagend Phiobs an.


    "Erzähl mir etwas aus deiner Heimat.", bat er.

    "Ein Zweig unserer Familie lebt in Rom. Wenn ich sie einmal besuche, wirst du mich begleiten. Dann wirst du auch ein wenig mehr von der Stadt im Zentrum der Welt sehen."


    Maximian lächelte und schlüpfte die Arme voran in das einfache Hemd, das ihn zur Nacht hin wärmte. Während er den Stoff glättete, ließ er sich auf seine Lagerstatt fallen und machte sich daran, seine Sandalen los zu werden.
    Phiobs hatte also sein Lieblingsmahl zusammengestellt. Maximian lief das Wasser im Mund zusammen, wenn er an gegrillten Lammrücken dachte. Sehr gut, dass der Ägypter bereits wusste, wie er seinen Herrn leicht zufrieden stellen konnte.


    "Das hört sich gut an. Und was gibt es zu dem Lammrücken? Knoblauchbrot vielleicht? Bring mir das Essen hierher, ich möchte es jetzt gleich zu mir nehmen."

    Das gereichte Tuch nahm der junge Mann mit einem einfachen Nicken des Kopfes entgegen und trocknete sich damit Hände und Unterarme. Dann lächelte er und legte das Tuch neben die Schüssel, in der das Wasser wie wässriger Schwarztee schwomm.


    "Ja, es ist riesig. Aber warte, bis du einmal die Häuser und Bauten in Rom siehst. Du warst doch noch nicht dort?", fragte Maximian nach und öffnete zuerst die eine, dann die andere Fiebel, die die Tücher seiner Tunica zusammenhielten, und reicht sie nacheinander Phiobs. Beide Tuchquadrate waren umgeklappt, sodass Maximian jetzt mit freiem Oberkörper dastand und nur noch von einer Kordel, die Maximian sich locker um die Hüfte zu binden pflegte, gehalten wurde.
    Er suchte mit beiden Händen den Knoten und während er ihn öffnete und die beiden Tücher festhielt, um sie ebenfalls an Phiobs weiter zu reichen, fragte er mit hungrigem Blick zum Tischchen:


    "Was gibt es heute Gutes?"


    Hiterher wartete er darauf, dass ihm sein Nachtgewand gereicht wurde.

    Maximian ließ sich unterdrückt ätzend aus der Bahn Stoff wickeln, die in erster Linie dazu gedient hatte, dass er nicht fror und sich notfalls gegen einsetzenden Regen hätte schirmen können. Geregnet hatte es nicht, obwohl der Himmel über dem Gelände vor Mogontiacum tiefgrau gewesen und sogar noch dunkler geworden war. Wahrscheinlich hatte er nur mal wieder Glück gehabt und jeden Moment würde der Himmel seine Pforten öffnen, damit die traurigen Wolken ihre schwere Last verlieren konnten.


    "Danke, Phiobs", sagte Maximian, nachdem er um das klamme pallium erleichtert war und mit hungrigem Blick auf den Tisch zuging, auf dem ein reich gedecktes Tablett für ihn bereit stand. Das sah gut aus. Sehr gut sogar.


    "Und? Was hast du heute gemacht?" Mit dieser Frage sah Maximian kurz seinen Sklaven an, ein Geschenk seines Vaters, und ging dann hinüber zur Waschschüssel, um sich die vom Dreck schwarz gefärbten Hände zu säubern. Die roten Rosenblätter am Boden der Schüssel waren hinterher nur noch spärlich durch das Trübe Wasser auszumachen.

    Es war ein ruhiger Tag gewesen, einer der wie die meisten gewesen war, seitdem er hier in Mogontiacum lebte. Er war aufgestanden, hatte gefrühstückt, sich ein wenig seinem selbstauflerlegten Studium der Architektur gewidmet, zum mittäglichen Gelage mit seiner Mutter geplaudert. Am Nachmittag hatte er sich sein Pferd geschnappt und war geritten. Stundenlang, damit er ausdauernder wurde und sich zugleich an die große Anstrengung gewöhnte.


    Pünktlich zu Einbruch der Dunkelheit jedoch hatte er das Ross in den Stallungen abgegeben. Er selbst hatte Phiobs zu sich gerufen, ihm aufgetragen mit einem sättigenden Mahl in sein Cubiculum zu folgen und war selbst schon einmal voraus gegangen, um seine Eltern zu informieren, dass er wieder anwesend war.


    Gerade hatte er sein Cubiculum betreten und dort auf einem Tischchen nachgesehen, ob er Post oder anderes erhalten hatte. Nichts. Na gut, dann musste er sich wenigstens nicht hinsetzen und sich mit dem Schreiben Abmühen.
    Ein Mosaik betrachtend, das er immer wieder gern ansah, machte er sich daran sein pallium abzulegen. Er war leicht verschwitzt und der Stoff hing schwer und ungeformt an ihm herab, sodass er ihm lästig war.

    Sim-Off:

    Macht rein gar nichts. Ich freue mich aber, dass es nun weitergeht! :)


    Soso, dann war sie also wie er ein Neuling in der Stadt. Gut, Maximian lebte bereits ein paar Wochen hier, aber er fühlte sich immer noch neu. Oftmals hatte er gesagt, dass er sich nur wenig zuhause fühlen konnte, hier in Germanien, wo es so viel an einem Tag regnete, wie in Hispania im ganzen Jahr, wo der Boden abseits der Straßen nur allzu häufig die reinste Pampe ist, wo die Temperaturen, so hatte er sich zumindest sagen lassen, eisig werden konnten.


    Maximian beobachtete die junge Frau unauffällig. Ihre Haltung und der Tonfall ihrer Stimme zeigten ihm deutlich, dass sie sich unbehaglich fühlte. Wahrscheinlich hatte sie im Leben noch nicht mit einem aus dem Senatorenstand respondiert und zeigte nun von ganz allein demütiges Verhalten, nur um dem gehobenen Mann nicht zu nahe zu treten.
    Er holte tief Luft und sah in die Gesichter vieler Umstehender. Die meisten von ihnen waren einfachstes Volk, so wie er vor etwas mehr als einem Jahr es auch noch gewesen war.


    In Erwartung, sie würde sich sogleich davonstehlen, machte auch Maximian Pläne, wieder heim zu gehen. Da jedoch fragte sie ihn, wo er lebte. Überrascht aber nicht unfreundlich wandte er ihr wieder seinen Kopf zu.


    "Ja", antwortete er und sah kurz an ihr vorbei in die Richtung, in der das riesige Gebäude der Regia zu erkennen war, "ich wohne ebenfalls unweit von hier. Von jenem Haus aus war die riesige Rauchsäule nicht zu übersehen, also musste ich früher oder später hierher kommen und es mir aus der Nähe ansehen."


    Er lächelte und versuchte der jungen Frau somit einen Teil ihrer Reserviertheit ihm gegenüber aufzuwärmen. Hätte er nun auch noch erwähnt, dass er der Sohn des gegenwärtigen Statthalters war, wäre sie wohl eher geflüchtet, als sich entspannen zu können. Ohnehin wussten eh so viele, wer er war, dass er es genoss einmal weniger gleich erkannt worden zu sein.
    Sie sprach anders. Ihr Latein war gut, aber es hatte einen anderen Ton als das der Römer. Sicherlich war sie germanischen Ursprungs. Er fragte sich, ob man ihm auch anhörte, dass er nicht aus Italia kam. Aber dann erschien es ihm eher unwahrscheinlich, zumal er nie eine andere Sprache gesprochen hatte, als eben Latein.


    "Von wo bist du hinzu gezogen?", fragte er, weil es ihn interessierte, was wohl auch daraus resultierte, dass er gar nicht gewusst hätte, was er gerade anderes hätte tun können. So, wie er das Du betonte, konnte man sich beinahe schon denken, dass auch er nicht von hier war.

    Maximian nickte. Er würde den Abend gern mit seinen Eltern verbringen, schließlich würde er die kommenden Abende wohl eher in den Unterkünften verbringen. So allmählich ergriff ihn eine beflügelnde Aufregung.


    "Also gut, dann bis später."


    Dann verließ Maximian den Hortus und das Domus.

    Zitat

    Original von Decima Valeria
    "Nein", sagte sie also mit fester Stimme.
    "Ich bleibe noch eine ganze Weile hier. Meine Schülerinnen sind noch nicht zu Sacerdotes ausgebildet. Außerdem habe ich mich vor nicht allzu langer Zeit nach Germanien versetzen lassen. Ich schlafe zur Zeit im Capitolinum, hinten in einer schmalen Kammer. Die Leute und der Cultus Deorum brauchen mich hier, nachdem der Pontifex zurückgetreten ist."


    Es verwunderte ihn. Nicht nur ein bisschen, sondern sehr, dass Valeria nicht auch umzog und es, wie sie selbst sagte, wohl nich eine ganze Weile lang so bleiben würde. Er wusste, dass sie in CCAA lebte, er wusste jedoch nicht, wer außer seinem vermaledeiten Verwandten bei ihr gelebt hatte. Maximian runzelte die Stirn und verschränkte die leicht trainierten Arme vor der Brust.


    "Dann bleibst du allein in CCAA? Ist das nicht zu riskant? Immerhin ist es von CCAA nach Mogontiacum nicht mal eben ein Katzensprung. Wer passt dort auf dich auf?"


    Wer passte heute, hier bei den Spielen auf sie auf? Mochte sein, dass Valeria nicht wirklich jemanden brauchte, der auf sie achtete. Allerdings war es eine unsichere Sache, wenn eine junge Frau ganz ohne Familienanschluss irgendwo lebte. Er konnte nicht verstehen, dass Livianus sie mehr oder weniger auf sich allein gestellt zurückgelassen hatte.

    Versprechen. Er würde Valeria nichts versprechen, weil zuletzt die wichtigsten Versprechen nicht eingehalten worden waren, selbst wenn sie keiner ausgesprochen hatte. Maximian sah einen Moment lang wehmütig auf den Ring, den Valeria um ihren Hals trug, dann lächelte er als Antwort.


    Sie passte auf sich auf. War das genug? Das Orakel hatte gesagt, dass sich viele von Valeria abwenden würden und das ihr irgendwer etwas Böses wollte. Er wusste nicht, ob er sich zufrieden geben durfte oder wollte und im Gegenzug nicht, ob er nich etwas sagen konnte oder durfte.
    Da verkündete Valeria, dass Livianus nach Mantua versetzt worden war.
    Die Nennung des Namens allein veranlasste, dass Maximian die Kiefer aufeinander biss und sein Gesichtsausdruck sich wieder härtete. Doch ehe er etwas im Affekt bissiges von sich geben konnte, kam ein Knabe von etwa 1/3 der Größe von Maximian vorbeigehüpft und stolperte gegen den jungen Decimus, der den Jungen flüchtig auf den Beinen hielt und ihm hinterher die Tüte Nüsse in die Hand drückte.


    "So?", fragte Maximian, während er dem Jungen noch hinterher sah, wie er naschend und summend das Weite suchte. "Dann wirst du also demnächst Germanien verlassen."
    Er fragte nicht, er stellte fest, aber trotzdem war es irgendwie eine Frage.

    Zitat

    Original von Decima Valeria


    Nun seufzte sie unmerklich.
    "Das freut mich für dich. Du weißt...eine Frau sieht es nie gern, wenn ein ihr nahestehender Mann zur Legio geht. Vielleicht teilt deine Mutter diese Ansicht ebenfalls. Ob du es glaubst oder nicht, es macht mir etwas aus, wenn du mir nun davon erzählst. Aber es wird dir wahrscheinlich gleichgültig sein."


    Valerias Stimme war leise und leicht traurig. Sie machte einen weiteren Schritt auf Maximian zu und zeigte ein leicht betrübtes Lächeln.
    "Bitte versprich mir, dass du auf dich aufpasst, Maximian. Das ist alles, was ich möchte."


    War es ihm gleichgültig? Auf eine gewisse Art schon, denn schließlich war er ihr auch gleichgültig gewesen in verschiedenen Momenten, bevor er in Germania angekommen war. Trotzdem konnte er sich diese Frage so einfach nicht beantworten, wie vieles andere auch, was nun im Zusammenhang mit Valeria stand. Damit meinte er sie, Gefühle und auch sich selbst.


    Als sie noch einen Schritt näher kam und ihn um ein Versprechen bat, das er nicht so leicht geben konnte, sah er auf und ihr in die Augen. Vieles ging ihm durch den Kopf und viele Empfindungen suchten ihn heim - angefangen von einer leisen Wut darüber, wie sie ihm nach all dem solch ein Versprechen abringen konnte, über eine schleichende Traurigkeit, wegen diesem kleinen bisschen Liebe, das sie ihm damit offenbarte, bis hin zum totgeglaubten Verlangen eben zwei Schritte auf Valeria zuzutun und sie in den Arm zu nehmen, um sie um Verzeihung und eine zweite Chance zu bitten.
    Aber er stand wie angewurzelt.


    "Du weißt, dass ich dir kein solches Versprechen geben kann.", antwortete er nüchtern, fragte dann jedoch weicher: "Aber du passt auf dich auf, ja?"

    Zitat

    Original von Decima Valeria


    "Er wird auf uns warten, Maximian. Romanus wird auf ihn acht geben und ihm Dinge von..seiner vermeintlichen Schwester und seinem Adoptivbruder erzählen. Ich habe geopfert und um eine sichere Reise ins Elysium gebeten. Das Opfer wurde angenommen", erklärte sie ihm in einem warmen, freundlichen Ton. Es freute sie sehr, dass Maximian doch Interesse an ihrem gemeinsamen Kind hatte. Auch, wenn es niemals leben durfte. Valeria senkte den Blick.


    "Als ich...als es soweit war..." begann sie und nestelte an der Palla herum, sah dann wieder auf und Maximian an.
    "Ich habe mir so gewünscht, dass du dabei gewesen wärst. Aber du warst nicht da; und ich habe dich dafür verflucht. Und dir bitter Unrecht damit getan. Wenn es nicht so gewesen wäre....vielleicht wäre es nie soweit gekommen, wie es jetzt ist. Es ist meine Schuld und ich würde es verstehen, wenn du mich nie wieder sehen willst."



    Was für ein Gedanke, dass Romanus und das Kind nun beisammen waren. Das und das Opfer, von dem Valeria sprach, erleichterten Maximian in diesem Moment vielleicht ein bisschen. Dann hatte Romanus jemanden, abgesehen von den vielen Vorfahren. Ob dem wirklich so war? In der Tat verschwendete Maximian einen Gedanken daran, sich zu fragen, wann er sich davon überzeugen können würde. Er dachte so häufig an seinen Adoptivbruder. Und auch an seinen Sohn.


    Er sah auf und in Valerias Gesicht, als sie ihm nervös von der Todesstunde des Kindes und den daraus resultierenden Veränderungen in ihrer beider Leben berichtete. Es überraschte ihn immer wieder, bemerkte er, wie wenig er Valerias Vehralten verstehen konnte. Er hätte sowas nie von ihr erwartet. Schließlich senkte auch er den Blick wieder, sah auf die Nüsse herab und bewegte die Finger, die die Tüte hielten.
    Die Erkenntnis wog schwer, aber er sah ein, dass er sich schwer in Valeria getäuscht haben musste.


    "Wir werden uns so schnell auch nicht wiedersehen.", antwortete er und sah sie nicht direkt, dafür aber mit dem Blick einer Mischung aus unterdrückter Wut und stummer Zustimmung an.
    "Ich werde in den kommenden Tagen der Legio II Germanica beitreten und meine neuen Aufgaben mit gebührendem Ernst und voller Aufmerksamkeit wahrnehmen. Es ist soweit schon alles geregelt."

    Beinahe wäre Maximian zusammengezuckt, weil irgendjemand irgendwem drohte, er würde ihn auffressen, wenn er nicht schneller lief. Was waren denn das neuerdings für ulkige Schlachtrufe, die das Volk sich da ausdachte?


    In dem Moment jedoch zog Valeria ihren dünnen Mantel etwas fester um ihre Schulter. Somit war ihm der Blick auf seinen Ring verwehrt, aber es erleichterte ihn, denn letztlich hatte er ihn weggeben, damit er ihn nicht ständig sehen musste.
    Sie reihte Worte sinnlos aneinander, bis es schon beinahe so aussah, als würde sie einfach gehen. Maximian sah sie noch einen langen Moment starr an, die Schultern streng und das Kreuz gestreckt gerade, dann seufzte er und erinnerte sich an all das, was zwischen ihnen nicht angesprochen worden war, weil die Zeit dafür nie gereicht hatte. Weil sie nie hatte reichen sollen.


    "Ich habe... für unseren Sohn Gebete gesprochen.", sprach er und sah den Fuß der Säule an, vor der Valeria stand. "Dabei weiß ich nicht einmal, ob Säuglinge im Elysium... ob sie auch dorthin gehen."
    Er lachte ganz leise, was kaum mehr als einem Rucken gleichkam, das durch seinen Körper ging, aber es war ein bitteres Lachen. Hinterher verharrte er in Stille.

    Maximian folgte der Handbewegung, als sie scheinbar gar keine Luft mehr bekam. Sie verhielt sich seltsam und sie sah schlecht aus. Maximian zog die Augenbrauen ein wenig zusammen, dann nahm sie ihre Hand wieder weg. Was darunter zum Vorschein kam, ließ seinen Blick einen Moment lang erstarren. Der Ring. Sie trug den Ring an einer Kette, den sie ihm vor einigen Monaten geschenkt und den er ihr zuletzt entwertet zurückgegeben hatte.


    Schließlich sah er ihr wieder ins Gesicht, aber sie sah ihn in dort noch nicht an, erst später und versuchte dabei ein Lächeln. Die weiße Haut ihres Gesichtes ließ es zerbrechlich und schwach und unwirklich erscheinen.
    Er hatte ihr Lächeln ganz anders in Erinnerung. Sie hatte ihn häufig angelächelt, und wenn sie es getan hatte, dann hatten selbst die Augen gelächelt.
    Maximian seufzte. Diesmal war er es, der ihrem Blick auswich.


    "Gut.", antwortete er nur kurz und nickte kaum merklich. "Wenn ich nicht an dich denke, gelingt es mir manchmal, dass es mir gut geht.", setzte er leiser hinterher, ehe er schließlich wieder den Blick hob, der zwar hart war, dennoch aber immer noch sehr verletzt wirkte. Mit einer kurzen Handbewegung schüttelte Maximian das, diese Schwäche, von sich ab und blickte kurz auf den Ring an Valerias Hals. Er irritierte ihn.


    "Soll ich.... soll ich dir etwas zu trinken holen?", fragte er, denn Valeria war für seinen Geschmack einfach zu blass.

    Der Krieg ist der Schrecken aller Mütter, besagte ein Sprichwort. Maximian dachte nur einen kurzen Moment darüber nach, denn es würde alles nichts nützen, dann stand er auf und umarmte seine Mutter. Er sah es ihr an, dass sie traurig war und er wollte sie wissen lassen, dass er ihr dankbar war, dass er sie ehrte, dass er da war und auch da sein würde, sollten die Götter selbst nichts dagegen haben.


    "Ich werde mich gleich morgen in der Frühe vorstellen gehen und dir berichten, wie es gelaufen ist. Aber jetzt gehe ich nochmal in die Thermen, um ein wenig Sport zu betreiben. Oder soll ich dir hier noch ein wenig Gesellschaft leisten, bevor ich gehe?"

    In einem der Läden hatte Maximian sich noch eine Packung gerösteter Nüsse gekauft, sodass er jetzt genüsslich schnurpsend auf dem Weg zurück auf die Loge war und sich ein wenig Zeit ließ, denn der Verteilung der Rufe nach zu urteilen hatte sich auch am Stand des Rennens nichts geändert.


    Nichtsahnend und gut gelaunt war er, bis er eine Frau an eine Säule gelehnt sah. Er konnte aus einigen Schritten Entfernung erkennen, dass sie sehr weiß war und schwer atmete, aber eben auch, dass es jene Frau war, der er so schnell nicht mehr hatte über den Weg laufen wollen.
    Er schluckte, bekam die Krümel beinahe in die falsche Röhre und drehte sich zuerst noch in die andere Richtung, um wieder wegzugehen, doch dann sah er wieder zu ihr.


    Einen Moment lang verweilte er dort, sah Valeria an und senkte dann den Kopf. Es tat immer noch unheimlich weh, wenn er sie ansah und gerade deshalb wäre es ihm lieber gewesen, er hätte sich in Luft auflösen können.
    Dann jedoch gab er sich einen Ruck und ging zu ihr. Er wagte es nicht, ihr zu nahe zu kommen oder sie gar anzufassen. Stattdessen wurden seine Hände ganz kalt.


    "Geht es dir nicht gut?", fragte er mit tonloser Stimme und räusperte sich hinterher, weil sie sich so seltsam angehört hatte.

    Es war irgendwie aussichtlos. Ob die Gespanne der Aurata noch aufholen würden? War es vielleicht nur Taktik? Hm, Maximian bezweifelte es, denn dieser Rothar war schon so weit weg. Seiner Meinung nach zu weit, um noch einmal aufgeholt zu werden. Vor allen von den letzten.


    Maximian stubste seinen Kameraden an und brüllte ihm ins Ohr, weil er sonst rein gar nichts verstanden hätte.
    "Das wird eh nichts mehr. Ich muss mal eben austreten."
    Der andere nickte.


    Der junge Decimus stand auf und wendete erst den Kopf vom Geschehen ab, da er die Loge verließ. Dann suchte er sich ein geeignetes Örtchen, nämlich die Latrinen der Arena, wenn es denn sowas gab, erledigte sein kleines Geschäft, wusch sich hinterher die Hände (!!! :D) und ging dann erleichtert zurück auf den Gang, der ihn zur Loge zurückführen würde. Das Gejubel und Anfeuern war immer noch lauter geworden.