Oh liebste Lucilla,
Tagtäglich stürze ich mich auf Ovid, lese Dir vor wo Du nicht da bist…
Keine Zeit passt so sehr wie der Frühling zu Venus: Im Frühling
Strahlt das Land, und vom Eis ist es im Frühling befreit!
Jetzt hebt das Gras seine Spitzen durchs gebrochene Erdreich,
Jetzt schwillt der Rebe der trieb unter dem Baste hervor!
Venus ist schön, also ist sie der Jahreszeit würdig;
Hier auch ist sie mit Mars, wie sie’s gewohnt ist, liiert.
Übers Meer, dem sie einst entstieg, lässt im Lenz die gewölbten
Schiffe sie fahrn und nicht mehr fürchten das Drohen des Sturms.
1.April
Latiums Mütter und Töchter, wie’s Brauch ist, ehrt ihr die Göttin, Ihr auch, die ihr nicht tragt Bänder und langes Gewand!
Nehmt ihr vom marmorweißen Hals ihre goldenen Bänder,
Nehmt von der Göttin den Schmuck: Ganz soll gebadet sie sein!
Trocknet den Hals ihr und legt ihr herum ihre goldenen Bänder!
Gebt andere Blumen ihr jetzt: Frisch muss die Rose sein!
Badet auch ihr unter grüner Myrte! Sie selber befiehlt’s euch!
Einen bestimmten Grund gibt es dafür – also hört:
Nackt noch, wollte am Ufer die triefenden Haare sie trocknen:
Satyrn, das schamlose Volk, sahen die Göttin dabei!
Sie aber hat es gemerkt und den Körper verdeckt mit der Myrte.
Das gab ihr Schutz, und sie will, dass ihr das ebenfalls tut!
Jetzt vernehmt auch, warum der Fortuna Virilis ihr Weihrauch
Spendet, dort, wo es stets feucht ist, weil Wasser verdampft:
Unbekleidet ist jede Frau an dem Ort hier, so das er
Nackte Körper und dort auch jeden Makel erblickt.
Den vor dem Mann zu verstecken ermöglicht Fortuna Virilis,
Tut es auch, wenn man’s erfleht und etwas Weihrauch ihr streut.
Laßt euch gestoßenen Mohn in weißer Milch schmecken; klarer
Honig komme hinzu, den aus der Wabe man presst.
Venus nahm diesen Trank, als zum lüsternen Bräutigam man sie
Führte: In diesem Moment wurde zur Ehefrau sie.
Stimmt mit euren Gebeten sie gnädig, denn wo sie verweilt, dort
Bleiben Schönheit und Ruf, bleiben Sitten gewahrt.
Einst in der Vorväter Zeit, kam in Rom die Keuschheit ins Wanken.
Da habt in Kumä ihr, Ahnen, die Greisin befragt.
Einen Tempel für Venus befiehlt sie zu bauen; das tut man:
Weil nun die ihren Sinn änderte, heißt sie danach.
Schau auf die Äneaden gnädig stets, Allerschönste!
Nimm unter deinen Schutz, Göttin, die Frauen des Stamms!
…und doch bleibt die Knospe zu.
Viel Zeit ist vergangen, einige Jahreszeiten haben Rom durchzogen. Es gibt soviel zu berichten, das es mir schwer fiel einen Anfang zu finden. Schon hat man im Haus gemunkelt ich würde die Feuerung im Winter auf Papyrus Blätter umstellen wollen. Doch auch Du gabst mir Anlass dazu die Stirn in Sorge zu tragen. Wenn ich heute auf die Monate zurück blicke, dann kommt es mir so vor als sei die Zeit stehen geblieben. Trotz dieser Einschätzung hat sich Rom in dieser Zeit gewandelt und ich frage mich immer wieder ob mein Platz nicht doch eher irgendwo da draußen ist, denn hier in diesem Zentrum von Habgier, Machtsucht, Intriganz und Neid.
Dein letzter Brief erschütterte mich. Du hast es vorgezogen Cossus seinen Vater für weitere Jahre zu entziehen. Wie soll er sich an mich gewöhnen, wenn er als gebildeter junger Mann zurückkehrt. Hat in seiner Kindheit seinen Vater nie gesehen, wird die Lehren der Ahnen und Neuzeit ohne seinen Vater begreifen lernen und womöglich auch Fortunas Gelüsten im fernen Aegyten erliegen. Wie soll aus unserem Sohn ein stattlicher Politiker werden, wenn er Rom in jungen Jahren nie zu Gesicht bekommt? Das frage ich mich abseits der Überlegung, ob es nicht angebracht gewesen wäre, das du als seine Mutter mir als seinen Vater diese Idee unterbreitest bevor der Junge das Schiff besteigt.
Noch dazu musste er im Winter reisen. Die gefährliche See hat seine feinsinnige Seele bedroht. Der Götter Anstrengung muss gigantisch gewesen sein, um Cossus zu beschützen und wohlbehalten im fernen Aegyptus an Land zu setzen. Wie steht es um ihn hat er Dir Kunde geschickt, Dir wo er seinen Vater nur aus den Erzählungen kennt?
Wie geht es Dir, jetzt da Du Narbo Martius Deiner Heimat Tarraco vorziehst?
Doch ich stelle nur Fragen, Dinge deren Antworten mir so sehnlichst fehlen.
Unsere Familie ist derweilen stattlich gewachsen. Das Haus wird von allerlei Kindern bevölkert, so kamen die Brüder Paullus Germanicus Aculeo und Marcus Germanicus Pius, letzterer nun ein Spielkamerad für Sedulus Tochter Sabina vor einigen Monaten ins Haus nach Rom. Die Brüder sind Söhne des Quintus Germanicus Impavida. Außerdem wohnt nun noch eine entfernte Verwandte Germanica Laevina, eine schrullige alte Dame bei uns. Sowie die Tochter des Octavius Germanicus Callidus, Germanica Calvena, welche wohl eher durch ein Versehen zur Welt kam, aber von dem Sohn des Traianus rechtmäßig anerkannt wurde. Du siehst ich muss mich nicht allein fühlen. Doch fühlt sich mein Laken jenseits meiner eigenen Knochen kalt und leer an. Wie lange hält das ein Mann aus?
Zu den Fontinalien hat Calvena ein wunderbares Fest in unserem Haus ausgerichtet. Du kannst Dir sicherlich vorstellen wie voll das Haus war. Nicht wenige Bekanntschaften sind daraus neu entstanden und auch für uns war es ein wertvoller Abend. Du kennst doch sicherlich noch Vinicius Lucianus , er hatte seine reizende Schwägerin Vinicia Petronilla mit dabei, wir haben uns politisch noch enger verbündet. Aber wie erst später zu erfahren war, gab es auch andere Bündnisse an diesem Abend. Eher familierer Natur. Du stimmst mir vielleicht zu, das eine Heirat des Sedulus nach dem Tod seiner Frau Paulina noch einige Monate hätte aufgeschoben werden müssen. Doch soweit ich informiert bin plant er mit seiner Nichte zusammen eine Doppelhochzeit. Er will dabei die geradeso dem Kindesalter entstiegene Iunia Serrana ehelichen. Eine politisch völlig unbedeutende Gens. Aber auf meinen Rat hört Sedulus schon lange nicht mehr. Du siehst mein Einfluss schwindet und ich bin es langsam leid diesem Verfall weiter zuzusehen.
Im Sommer möchte ich Mogontiacum besuchen. Ich hoffe, Du wirst mich empfangen, wenn ich einen Abstecher zu Dir mache. Unsere Reisegruppe wird einige Familienmitglieder umfassen. Auch die kleine Sabina darf mitkommen. Sie wird sich ein Pferd aussuchen dürfen, was sie mit nach Rom nimmt. Bei all dem Trubel wird es sicherlich nicht leicht zu entschwinden, aber meine Sehnsucht nach Dir lässt solch einen Plan nicht scheitern.
Ich kann mir nur wünschen, das es Dir gut geht. Ich werde zu Fortuna beten, das dies so bleibt und ich hoffe zutiefst, das Du in Deinen Gedanken genauso oft bei mir bist, wie ich in meinen Träumereien auf deinem Schoß liege.
Gehab Dich wohl meine Liebste, meine Schönste, in ewiger Liebe Dein
Medicus
Rom, KAL APR DCCCLX A.U.C. (1.4.2010/107 n.Chr.)