Tribunus I. Quintilius Sermo
Legio XXII Deiatoriana
Nikopolis
Aegyptus
Salve Iullus,
es tut gut, von Dir zu hören. Entsetzlich, daß Dein Schiff untergegangen ist und welch ein Glück, daß Du dies unbeschadet überlebt hast. Die Götter müssen Dich lieben, werter Vetter. Dennoch werde ich ihnen zum Dank ein Opfer darbringen. Überhaupt kann es in diesen Zeiten nicht schaden, sich der Götter zu erinnern.
Du fragst, was in Rom geschehen ist und es ist kaum möglich, dies alles in Worte zu fassen. Zumal man dem Papier auch nicht alles anvertrauen kann, was an Gerüchten und Mutmaßungen im Umlauf ist. Sicherlich hast Du inzwischen erfahren, daß der Kaiser ermordet wurde. Wie seine Familie auch. Das scheint das einzige zu sein, was sicher ist. Angeblich haben einige Senatoren dies zu verschulden. Sie hätten eine Verschwörung gegen den Kaiser geschmiedet, heißt es. Der alte Tiberius Durus hat Selbstmord begangen, als die Praetorianer in sein Haus kamen. Dies wird wohl als Schuldgeständnis gewertet. Ich weiß aber nicht. Er war alt und von Schmerzen geplagt. Ein Verhör im Carcer der Praetorianer riskieren am Ende des Lebens? Ich mochte ihn nicht, das weißt Du sicher. Man kann sogar sagen, daß ich ihn ziemlich verabscheute, den eingebildeten, hochnäsigen Patrizier. Aber er hat immer Rom gedient, sich sehr stark dem Dienst für die Götter verschrieben, das muß man dem Alten lassen. Es erscheint mir unglaubwürdig, daß er für den Tod des Kaisers verantwortlich sein soll. Wäre der Praefectus Urbi das Opfer des Anschlages, ja, das würde ich dem alten Tiberius schon eher zutrauen.
Im Carcer sind Männer wie Flavius Furianus, Vinicius Hungaricus und Vinicius Lucianus inhaftiert. Auch das stimmt mich nachdenklich. Gerade die einflußreichsten unter den Senatoren, die zum Teil auch gegeneinander gearbeitet haben, sollen sich gemeinsam gegen den Kaiser verschworen haben? Als Staatsfeinde wurden ausgerufen: Manius Flavius Gracchus, Sextus Aurelius Lupus und Appius Cornelius Palma. Sie sind wohl auf der Flucht. Selbst Consular Aelius Quarto scheint unter Verdacht zu stehen und allerspätestens bei diesem Namen muß man doch wirklich aufhorchen, finde ich. Letzteres ist allerdings auch nicht allgemein bekannt, ich bitte Dich also, es nicht zu verbreiten, sonst bringt es unsere Familie vielleicht in Gefahr.
Im Moment scheinen wir noch sicher zu sein. Doch Du weißt, daß der Praefectus Urbi keine hohe Meinung von mir hat und so kann das jederzeit umschlagen. Calvena und Lucius halten sich zur Zeit in der Casa Germanica auf. Das schien Calvena die sicherste Möglichkeit zu sein, als die Ausgangssperre über Rom verhängt wurde. Ich schließe mich ihrer Meinung an. Die Germanicer haben sich nie eindeutig positioniert, scheinen also nicht auf der Feindesliste des Vesculariers zu stehen. Meine Familie in ihrem Haus zu wissen, gibt mir zumindest ein sicheres Gefühl.
Das Leben in Rom scheint oberflächlich in beinahe normalen Bahnen zu verlaufen, es ist fast unheimlich. Denn machen wir uns nichts vor: Die Welt ist aus den Angeln gehoben, solange es keinen neuen Kaiser gibt, der überall anerkannt wird. Es kann jederzeit das Chaos ausbrechen. Ich wünsche Dir für diesen Fall alles Gute. Vielleicht kommt die Welle der Gewalt auch nicht so ungebremst in Aegyptus an, wie sie hier zu befürchten ist. Sei bitte vorsichtig, was immer Du auch tust. Mögen die Götter weiterhin ihre Hände schützend über Dich halten.
Vale,
Lucius Quintilius Valerian
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PRIDIE ID FEB DCCCLXII A.U.C.
(12.2.2012/109 n.Chr.)