Ad
Marcus Aurelius Corvinus
Villa Aurelia, Mogontiacum
Provincia Germania
Flavius Aquilius suo amico Marco Corvino s.d.
Wie lange ist es her, dass wir voneinander hörten, mein Freund? Es scheint mir eine halbe Ewigkeit vergangen, aber ein Teil dieses Empfindens liegt auch gut damit verbunden, dass ich mitnichten in Achaia weilte, wie es meine Familie und der Cultus Deorum glaubten. Vielleicht hat man Dir auch gesagt, dass ich mit Flavius Aristides aufgebrochen war, einen flüchtigen Sklaven zu fangen, der seine Tochter entführt hatte - inmitten eines heftigen Wolkenbruchs verlor ich Aristides aus den Augen und verirrte mich in einem fremden Waldgebiet. Ob der Nässe muss mich wohl ein heftiges Fieber befallen haben, an die Dinge, die nach meinem ziellosen Ritt durch den Wald geschehen sind, kann ich mich jedenfalls nur bruchstückhaft erinnern und wurde schließlich von meinem treuen Tier in Richtung des Meeres getragen, wo mich eine Fischersfamilie fand, pflegte und gesunden ließ. Da ich mich nicht an meine Herkunft entsann, nahmen sie mich als Teil der Familie auf und ließen mich in ihrer Mitte leben, als den Mann der Tochter des alten Fischers. Du wirst es sicherlich befremdlich finden, denn obwohl die Arbeit sehr hart und schwer war, die ich täglich verrichtete, fühlte ich mich nicht unzufrieden - und jene junge Frau an meiner Seite zu haben, als mein vorgebliches Eheweib, machte meine Welt vollkommen.
Die Erinnerung kehrte jedoch erst nach einem halben Jahr wieder, und ich war da schon der Mann im Haus geworden, da der alte Fischer nicht mehr stark genug war, die Familie gegen Räuber zu verteidigen - seit einem Abend, an dem ich mir mehrere Narben im Kampf gegen dieses Banditengesindel geholt habe, kam auch mein Wissen um mein Selbst wieder, und ich kehrte in mein Leben als Patrizier zurück. Vielleicht ist der größte Hohn der gesamten Sache, dass ich Vater werde, und die Geburt meines ersten Kindes unmittelbar bevorsteht, das Kind einer peregrina, der ich einen Fischereibetrieb nahe Ostia kaufte, damit mein Nachkomme in gesicherten Verhältnissen aufwächst und sowohl diese junge Frau als auch ihr Vater keine Not leiden müssen. Wie schnell Menschen doch in der Not bereit sind zu lügen, mein Freund, dieses halbe Jahr hat mich vieles gelehrt, auch, dass in meinem Leben hier in Roma vieles fehlt, und so manches zuviel ist.
Ich kann nur hoffen, dass Deine Zeit in Germania erquicklicher verlaufen ist als die meinige hier in Italia, und was du über Deine Liebe schreibst, scheint zumindest dieser Teil Deines Lebens erfreulicher zu verlaufen als in dem meinen. Deandra habe ich nie kennengelernt, aber ich muss nun eine gewisse Neugierde zugeben, sie dereinst an Deiner Seite zu sehen, denn eine Frau, die fähig ist, Dein Herz einzufangen, muss schon etwas besonderes sein und darob interessiert sie mich. Werde glücklich, Marcus, es wird einem im Leben nur wenig Glück geschenkt, sodass man das, was einem so von den Göttern gegeben wird, ohne einen Preis zu zahlen, festhalten sollte, so gut man kann.
Was mein eigenes Liebesleben angeht - nun, Du wirst es Dir denken können, ich lebe nach wie vor alleine, denn meine Liebe gilt jemandem, mit dem sie niemals erfüllt werden kann, und ich kann dieses Gefühl weder ignorieren noch leugnen noch aufgeben - Du hast es schon richtig erkannt, mein Herz war nicht frei, als wir uns kennenlernten, und es wird wohl niemals frei sein, umso mehr bin ich den Göttern dafür dankbar, in Dir einen Freund gefunden zu haben. Indes, es wird mir derzeitig leider nicht möglich sein, Dich in Germania zu besuchen, auch wenn ich sehr gerne wüsste, wie Du in dieser wilden Provinz lebst und wie es dort überhaupt aussieht - ich habe hier in Roma die Ausbildung einiger discipulae übernommen und bin leider nabkömmlich, sodass unser Treffen wohl so lange warten müssen, bis Du Dich wieder nach Rom begibst, um Deine politische Karriere weiter zu verfolgen. Dann werde ich auch gerne Deine Verlobte und Deine jungen Verwandten kennenlernen - Du ahnst es vielleicht, ich bin derzeit auf der Suche nach einer passenden Braut, vielleicht finde ich sie in den Reihen einer Familie, in der ich bereits einen Freund finden durfte.
Nach der Abreise des Kaisers in Richtung Ruhm und Ehre ist es hier in Roma still geworden, der Glanz scheint ein wenig zu fehlen, doch stört das die meisten Römer wenig, und so werden die Feiertage noch immer genossen und mit viel Prunk begangen - Du wirst feststellen, dass sich an dieser dreckigen, verhurten ewigen Stadt wenig verändert, wenn Du zurückgekehrt bist. Möge Dir Deine spärliche Freizeit die Gelegenheit zur Antwort geben, derer ich mit Freuden harren werde -
vale.
C' Flavius Aquilius
ROMA, ANTE DIEM VII ID IUL DCCCLVII A.U.C. (9.7.2007/104 n.Chr.)