Beiträge von Decima Lucilla

    Lucilla nickt noch immer etwas verwirrt. "Decima Lucilla."


    Sie mustert die Frau nun näher. Der Name Tiberia verrät zwar schon ihren Stand, doch wenn sich Lucilla sie nun genauer anschaut, so hätte sie es auch erkennen können. Tiberia Livias Haut ist von einer vornehmen Blässe und ihr Kleid schmiegt sich um einen perfekten Körper. Zusätzlich scheint ihr eleganter Schmuck perfekt auf die dunkelbraunen Augen und das dunkle Haar abgestimmt zu sein.


    Dann, nachdem Lucilla auffällt, wie kurz angebunden ihre Vorstellung wirken musste, fügt sie hinzu: "Ich bin erst seit kurzem wieder in Tarraco und nun Scriba in der Curia."

    "Nun, wenn du eine Pause einlegen willst, gerne. Aber nicht hier." Sie schaut sich suchend um. "Wie wäre es mit dem Triclinum? Dort ist um diese Zeit eh niemand und wir sehen, wenn Martinus wiederkommt."


    Lucilla klopft Maximian ein wenig Staub von der Schulter und sie gehen gemeinsam ins Triclinum.

    Lucilla betritt die Parkanlage und atmet tief durch. Die ganze Zeit dieses Gehämmer und Gerumpel im Atrium machte sie noch ganz verrückt. Und die Angelegenheit mit der Bestattung von Viola geht auch nicht spurlos an ihr vorbei. Zwar hatte sie die Frau nicht gekannt, doch es betrübte sie sehr. Dass Viola noch so jung gewesen war, erinnert Lucilla wieder daran, wie schnell das Leben in dieser Welt vorbei sein konnte. Beide Eltern waren gestorben, als Lucilla noch sehr jung war, ihren Vater hatte sie fast nicht gekannt. Dies war auch der Grund, warum Lucilla immer so sehr um ihre Familie fürchtete.


    Lucilla seufzt und übersieht beinahe die Frau, welche ihr entgegen kommt und ebenfalls in ihre eigenen Gedanken vertieft scheint.
    Kurz bevor sie sich gegenseitig umrennen, schaut Luiclla auf. Sie blickt in ein ebenmäßig geformtes Gesicht, welches Stolz und Würde ausstrahlt.

    "Nein, wieso?" fragte Lucilla skeptisch. "Außer du hast vor, mich danach zu fragen, ob ich ebenfalls auf diesem Gerüst herumturnen will, dann bin ich mit wichtigen Angelegenheiten beschäftigt." Sie grinste breit. "Ansonsten jedoch habe ich gerade nichts zu tun."

    "So?" fragte Lucilla streng. "Das sah mir aber nicht danach aus. Es sah eher danach aus, als würdest du schon in arge Bedrängnis geraten. Ich weiß ja nicht, was du gemacht hast, als du noch nicht hier wohntest, aber wenn du kein Akrobat gewesen bist..."


    Sie schüttelt missbilligend den Kopf. Er war genau so ein waghalsiger Draufgänger wie sein Vater in seiner Jugendzeit. Als Lucilla an Meridius dachte, musste sie schmunzeln. Nach dem Tod ihres Vateres hatte er für Lucilla die Vaterrolle übernommen, obwohl er selbst erst 14 gewesen war. Und genau wie Maximian hatte er immer zuviel ungenutzte Energie in sich gehabt.


    "Ich will nur nicht, dass dir etwas passiert, Maximian." fuhr Lucilla in einem milderen Tonfall fort. "Also pass besser auf dich und deinen Mantel auf." Sie lächelte nun schon wieder.

    Eine ganze Weile später betritt Lucilla erneut das Officium.


    "Martinus, ich habe Nachricht von Lucius Annaeus Florus bekommen." Sie zeigt ihm den Brief und ist ein wenig beschämt darüber, dass sie die Information über das Familiengrab nicht herausgefunden hatte.


    "Wenn du erst einmal nichts weiter für mich zu tun hast, dann werde ich nun veranlassen, dass Violas Leichnahm zu uns gebracht wird. Ich werde mich selbst um die Aufbahrung kümmern, wenn es dir recht ist."

    Ein Bote überbring für Decurio Florus eine Nachricht aus der Curia in Tarraco. Sobald er das Siegel des Papyrus bricht und es entrollt, kann er Folgendes lesen:


    Decima Lucilla Lucio Annaeo Floro salutem.


    Die Verwaltung von Tarraco konnte kein Familengrab der Gens Annea im Imperium Romanum ausfindig machen. Daher werden wir uns darum kümmern, dass ein entsprechendes Grab in Tarraco bereit gestellt wird, sofern du nicht einen anderen Ort wünschst.
    Da Viola zuletzt Gast in der Casa Decima war, werden wir sie zur Aufbahrung aus dem Valetudinarium in unser Haus holen. Natürlich nur, mit deinem Einverständnis. Doch auch, wenn sie außer dir keine weiteren Verwandte hatte, sollte allen, die es wünschen, die Möglichkeit gegeben werden sich von ihr zu verabschieden.
    Um die Organisatin des Trauerzuges und die Verbrennung werden wir uns ebenfalls kümmern. Eine Beschreibung der Riten während der Feier liegt diesem Brief bei.


    Als Mitglied der Gens Decima möchte ich dir auch persönlich nochmals mein tiefes Beileid aussprechen.


    Vale bene in pace deorum!


    Decima Lucilla, Scriba Tarraco


    Dem Schreiben liegt eine Abschrift der Beschreibung der Begräbnisriten bei.


    /Edit: super Briefvorlage

    Es dauerte einige Zeit, bis Luiclla wieder in Martinus Officium erschien. Sie hatte eine Weile gebraucht, den genauen Ablauf der Riten herauszufinden, doch sie hatte keine Mühen gescheut um das gesamte Begräbnisritual zusammen zu fassen.


    "Ich bringe dir den Ablauf eines Begräbnisses. Soll ich es dir kurz auflisten?"


    Als Martinus nickte begann sie nüchtern von ihrem Papyrus zu lesen:
    "Normalerweise wird die Tote in der Casa ihrer Gens aufgebahrt, so dass alle, die es möchten, von ihr Abschied nehmen können. Am Tag des Begräbnisses dann wird sie mit einem Trauerzug auf einer Bahre zur Begräbnisstätte gebracht. Dort wird ihr ein Finger abgetrennt, welcher am Ort der Verbrennung in der Erde vergraben wird, um diesen Ort zu heiligen. Die Tote wird sodann mit ihren Kleidern, Schmuck, eventuell persönlichen Gegenständen und Speisen auf den Holzstoß gelegt und es werden ihr die Augen wieder geöffnet. Der Holzstoß wird entzündet und solange das Feuer brennt ist es üblich, dass die Verwandten beim Feuer wachen und klagen. Die letzten Funken in der heißen Asche werden mit Wein gelöscht."


    Lucilla atmete kurz durch und schluckte, ehe sie fortfuhr: "Die Gebeine und die Asche der Toten werden in einer Urne gesammelt, und samt einer Totenmünze und einem Salbfläschchen in das Familiengrab oder ein Erdgrab gelegt. Drei Handvoll Erde werden über die Urne geworfen umd anzuzeigen, dass niemand mehr die Götter und die Altäre beflecken darf. Danach darf das Grab nur noch durch die Angehörigen betreten werden. Es folgt ein Opferritual."


    Lucilla nahm das zweite Papyrus zur Hand und las weiter: "Die Gäste werden mit Wasser besprengt um sie zu reinigen. Anschließend werden die Opfer dargebracht. Zuerst eines, um das Grab zu weihen, danach eines für die Laren um die Familie zu reinigen."


    "Später findet ein Leichenmahl statt, an dem offiziell nur Familienmitglieder erscheinen." Lucillas Stimme wird nun wieder etwas lockerer. "Und neun Nächte nach dem Begräbnis gibt es eine Totenfeier in der Casa der Familie."


    Lucilla schaute zu Martinus: "Worum wir uns also womöglich kümmern müssen ist eine Grabstätte, die Leichenträger für den Trauerzug, die Vorbereitung der Verbrennung, persönliche Gegenstände zu besorgen, welche der Toten bei der Verbrennung beigelegt werden sollen, die Urne, ein Priester und die Opfertiere."

    "Nein, soweit bin ich noch nicht gekommen." antwortete Lucilla etwas eingeschüchtert. Dennoch fragte sie sich, ob Martinus allen Ernstes erwartet hatte, dass sie nach dieser Zeit auch schon die Riten herausgesucht hatte. Es war ihr schon beinahe wie ein kleines Wunder vorgekommen, dass sie so schnell die Richtigen der unzähligen Verwaltungsakten gefunden hatte.


    "Ich werde mich jedoch sofort an die Arbeit machen." Damit verließ sie das Officium wieder.

    Lucilla strahlte übers ganze Gesicht. Vom Kaiser in den Ritterstand erhoben und an den kaiserlichen Hof gerufen! Welch eine Ehre für ihren Onkel.


    "Das ist wahrlich eine fabelhafte Nachricht, Onkel."


    Dann jedoch wurde ihr bewusst, was dies bedeutete. Rom war weit weg. Dies hatte sie selbst erleben müssen. Und kaum war sie hier, schien ihre ganze Familie nach Rom zu gehen.


    In ihrer Freude getrübt fuhr sie fort: "Doch es ist sehr schade, dass du Tarraco dafür verlassen musst."

    Auch Lucilla schloss sich dem Applaus an. Sie war unglaublich beeindruckt von ihrem Onkel und von dem, was er alles erreicht hatte. Und sie bedauerte es, dass er nun, da sie gerade erst in der Curia begonnen hatte, eben jene verließ.

    Auch Lucilla betrat das Tablinum, nachdem sie von Gallus benachrichtigt worden war. Neben ihrem Onkel war auch Martinus schon anwesend. Sie grüßte die beiden, neugierig, um was es bei dieser Familienversammlung gehen mochte.

    "Ich werde mich darum kümmern." Lucillas Stimme hatte einen ernsten Klang. Sie hatte die Verstorbene zwar nicht gekannt, doch den Toten gebührte Ehre.


    "Ich werde zuerst nach der Familiengrabstätte suchen. Am besten fange ich von Tarraco ausgehend an, weite die Suche bei Bedarf dann über Hispania, später Rom und dann die weiteren Provinzen aus."

    Lucilla eilte sofort zu Maximian, als sie seine Not erkannte. Mit einem Ruck befreite sie den Mantel und half dann ihrem Neffen mit dem Balken, so weit es ihr möglich war.


    Nachdem alles wieder stabilisiert war, wandte sich Lucilla vorwurfsvoll an ihn: "Maximian, hast du etwa ohne Martinus angefangen? Ich kann ja verstehen, dass du sehr froh bist, dass du ihm helfen kannst, aber in deinem jugendlichen Leichtsinn solltest du dich nicht überschätzen!"

    Lucilla betrat das Atrium. Auch, wenn Martinus und Maximian alles sorgfältig geplant hatten, für sie sah die Baustelle aus wie ein einziges Durcheinander von Baustoffen, vor allem Holz.


    Und mittendrin stand Maximian und schwankte bedenklich. Lucilla sah sich um, konnte Martinus jedoch nirgends erblicken.


    "Maximian, ist alles in Ordnung? Wo ist Martinus."

    Lucilla trat an den kleinen Altar heran. Sie hatte ein Schälchen Wein, etwas Brot und ein paar Früchte aus der Küche mitgebracht.


    Schweigend kniete sie sich nieder und platzierte die Speisen auf dem Altar. Dann begann Lucilla leise für das Wohl ihrer Familie, ganz besonders für das der Legionäre zu beten.


    Eine Weile später erhob sie sich und ging zum Atrium, wo die Renovierung in vollem Gange war.

    Lucilla dachte an ihre kurze Begegnung mit Commodus in der Curia. Er war ihr gegenüber ein wenig barsch gewesen, doch wahrscheinlich brachte das sein Amt mit sich. Immerhin kannte er Lucilla nicht schon seit seiner Kindheit, so wie Martinus, wusste nichts über sie und sorgte sich einfach nur darum, dass eine unfähige Person das Amt bekommen könnte. Was sie jedoch bisher über ihn und seine Fähigkeiten als Magistratus gehört hatte, das sprach für ihn. Er war ein ernstzunehmender Konkurrent für ihren Cousin.


    "Wie die Wahl auch ausgeht," warf Lucilla ein. "den Vorteil werden die Bewohner von Tarraco haben, denn sie werden auf jeden Fall einen guten Duumvir bekommen."