Beiträge von Vibius Valerius Victor

    Einen Tag nach der Versammlung des Collegium der Septemviri macht sich Victor auf den Weg, seine Aufgabe zu erfüllen. Da eine Entscheidung über die curulischen Aedile immer noch aussteht und der Aedilis Plebis auf jeden Fall der richtige Ansprechpartner ist, führt ihn sein erster Weg zum Officium dieses Magistraten. Er fragt sich vom Eingang der Basilica aus bis zum entsprechenden Officium durch und klopft da an die Tür.

    Was die mehr Patrizier auf dem Weg durch den Cursus Honorum bringen, das hat man anscheinend an der Rostra gesehen. Doch Victor will sich zu dem Thema nicht weiter äußern. Patrizier, die über Patrizier reden und dabei keinen Hehl darum machen, dass sie über Patrizier reden und nicht einfach nur über irgendwen, sind ihm suspekt, wie ihm auch die meisten Patrizier überhaupt eher suspekt sind, da man nie genau wissen kann, woran man bei ihnen ist. Drum schweigt er und trinkt etwas gelangweilt von seinem Wein.

    ... dann bringt Hulc die Post. Er kommt am Abend ins Atrium hinein, wo Vic mit einer Schriftrolle und einem Becher Wein auf seiner Kline liegt und im letzten Tageslicht liest. Langsam beginnt sich Hulc ernsthaft zu wundern, denn statt dem gedrehten Papyrus sieht er seinen Besitzer immer öfter mit einem beschriebenen.


    "Es ist ein Brief gekommen."
    "Jetzt nich... Von wem isser?"
    "Von einer gewissen Iulia Helena."
    "Wat? Her damit!"


    Vic reißt Hulc den Brief aus der Hand. "Wat, wieso denn für Sev und Decius? Moment ma, wieso überhaupt Decius, woher kennt sie den denn? Egal, hrhr, schau, ich steh ganz oben, obwohl ich eigentlich mit allen Namen ganz unten stehen müsst. Hmm, nen zwangloses Gastmahl, ououou. Am sechsten Tach vor den Nonen schon, dat is ja schon... übermorgen. Ououou." Die Aussicht Helena wiederzusehen lässt Vic die Knie ganz weich werden. Wenn er ehrlich wäre, dann hätte er sogar Angst davor, aber so ehrlich ist er natürlich nicht. Er hält Hulc den Brief hin. "Bring dat in die Castra zum Sev und wenn du den Decius siehst, dann sach ihm auch Bescheid. Und besorg ne Amphore besonders guten Falerner, die wir mitbringen können."


    Nachdem der Sklave aus dem Atrium ist, versucht sich Victor wieder der Schriftrolle zu widmen. Vergebens, denn kaum ist Helena in seinem Kopf geht sie nicht mehr raus. Und als hätten sich die Frauen der Welt gegen ihn verbündet, taucht direkt Vio daneben auf. So häufig wie in der letzen Zeit hat er in den letzten Jahren noch nie an seiner Frau gedacht. "Verdammt, die Weiber bringen aber auch nix als Ärger."

    Victors Bericht wird von den übrigen Septemviri so hingenommen und der Magister gibt das Wort an den Septemvir Fulvius Frugi zur Besprechung der anstehenden Aufgaben weiter. Der schon etwas ältere Priester bleibt sitzen und fängt mit einer Stimme, die wie raschelndes Papyrus klingt, an, über die kommenden Ludi zu sprechen. "Im Iulius warten die Ludi Apollinares auf uns. Die betroffenen Priesterschaften sollten kaum vergessen sich darauf vorzubereiten, aber wir sollten sie trotzdem darauf hinweisen. Hat sich ein Aedil für die Ausrichtung gefunden? Oder werden wir das Volk aufrufen müssen, dass es sich nicht nur traditionell an den Kosten für das lectisternium sondern auch an denen für die Spiele beteiligt?" Fulvius Frugi wirft einen fragenden Blick in die Runde und erntet dafür promt eine Antwort von dem gut vorbereiteten Scriba. "Helvetius Tacitus hat die Ausrichtung der Ludi Apollinares angekündigt, wenn möglich in Aussprache mit seinem Amtskollegen. Tiberia Honoria kündigte ebenfalls große Wagenrennen an, Aurelius Antoninus wollte nur eine kleine Festivität inszenieren und sich den Ludi Romani im September widmen. Damit dürften die Kosten für die Spiele in jedem Fall gesichert sein, unabhängig davon ob ein Aedilis Curulis gewählt wird, oder nicht." Der alte Septemvir reibt sich die Hände und schaut erfreut drein. "Gut, gut, prima. Dann sollte einer von uns mit Helvetius Tacitus sprechen."


    Als hätten sie sich abgesprochen, und vielleicht haben sie das, wandern auf einmal alle Blicke zu Victor, sogar die der Scribae. Vic unterdrückt ein "Ähh..." und nickt unwillkürlich. "Das kann ich übernehmen."


    "Gut, gut, prima." Fulvius Frugi erweckt den Anschein, als wollte er sich gleich nochmal die Hände reiben, legt sie aber stattdessen nur auf den Tisch. "Was steht noch an? Vor den Ludi die Popifugalia, da brauchen wir uns nicht drum zu kümmern. Anschließend die Nonae Caprotinae, auch nicht unsere Sache, auch wenn wir uns sicher am Fest beteiligen." Ein winziges Grinsen taucht im Gesicht des Septemvir auf. "Außerdem sollten wir die Priesterschaft der Iuno nochmal darauf hinweisen. Für die Neptunalia gilt das gleiche, auch wenn ich kaum glaube, dass die Neptunpriester ihr Fest vergessen. Um die Lucaria brauchen wir uns nicht zu kümmern, ebenso die Furrinalia, womit der Inuius dann auch beendet wäre."


    Die allgemeine Zufriedenheit resultiert daher, dass man sich um nichts weiter groß kümmern muss und dass das, was getan werden muss, Victor übernimmt. Da es keine weiteren Tagesordnungspunkte gibt, beendet der Magister Opimius Naso die Sitzung und die Septemviri verlassen den Saal. Victor kritzelt einige letzte Notizen auf deine Wachstafel, als Fulvius Frugi vor ihm stehen bleibt und ihm grinsend auf die Schulter klopft. Ohne ein weiteres Wort dreht sich der alte Septemvir um und verlässt den Raum.


    Victor kratzt sich nachdenklich am Hinterkopf und schließt dann seine Wachstafel. Er steht auf und ist der letzte der leise murmelnd den Raum verlässt. "Na also, war doch gar nich so schimm... Vielleicht wird das ja doch noch was hier."


    Hinter Vic schließt der Sklave die Tür.

    Vic schaut dem seltsamen Paar hinterher und seufzt dann. Damit ist sein Dienst als Sacerdos im Tempel des Mars Ultor endgültig beendet. Sein zweiter Discipulus ist nun Sacerdos und selbst für einen Tempel verantwortlich. Mit einem leichten Gefühl von Stolz denkt Victor daran, dass sein erster Discipulus mittlerweile Pontifex Germania ist, auch wenn der dem Merkur weiße Stiere opfert. Bedauerlich ist nur, dass die anderen Discipuli nicht durchgehalten haben. Doch Fähigkeiten sind nicht alles und ohne Willen und Freude ist es so sicher besser gewesen. Vic nimmt seine Wachstafel und die von Gracchus und verlässt den Raum. Auf dem Platz vor dem Tempel schaut er schich nochmal wehmütig um, bevor er den Weg zur Regia des Cultus Deorum antritt.

    Wie üblich hat Victor das Gefühl, dass Mars ihn schon verstehen würde. Dass er das nicht tun könnte, war ihm noch nie eingefallen, daher ist es sicher auch nicht so. Nach einer kurzen schweigenden Pause packt Vic die Amphore zurück in die Kiste, dadrauf gibts immerhin noch Pfand zurück, schließt diese und nimmt sie auf. "Bis demnächst dann wieder." Wenn er es sich genau überlegt, dann weiß Vic, dass er nie von diesem Tempel wegkommen würde, Septemvir hin oder her. Das kleine Opfer schließt nach rechts ab und Victor verlässt das Gebäude. Kurz vor der Tür schlägt er mit einer Hand den Togazipfel zurück und grummelt, weil die Falten natürlich nicht so fallen, wie sie sollten. Aber einen Sklaven wird er nicht noch mit sich rumschleppen, es reicht schon, dass er ein Büro hat, in das er nun wieder zurückkehrt.

    "Wenn dus nicht eilig hast, dann werde ich direkt drüberlesen. Im Fall deines Bestehens geb ich das dann nur noch zur offiziellen Ernennung weiter." Er nimmt die erste Tafel zur Hand und fängt an zu lesen. Schnell ist er bei der nächsten und bald bei der letzten. Bei den letzten Sätzen murmelt er ein leises "Naja.", wiegt seinen Kopf hin und her und versucht Gracchus aus dem Augenwinkel zu beobachten. Er lässt ihn noch etwas zappeln, dann schaut er auf.


    "Den Rest des Tages kannst du frei machen. Morgen früh meldest du dich dann im Tempel des Iuppiter, Sacerdos Flavius Gracchus." Vic grinst breit. "Gratuliere."

    "Ich werde mich nicht darüber auslassen, ich bin sicher, du verstehst das." Victor legt soviel Neutralität in seine Stimme wie nur irgendwie möglich. Das Thema ist wirklich keins, was er mit Patriziern erörtern würde, nichtmal mit Factiokollegen, höchstens mit seinen Saufkumpanen oder Sev, was dann aufs gleiche rausläuft. "Allerdings werden sie dir sicher auffallen, wenn du dich ein wenig umschaust. Denn gerade zwischen denen, die ihre Arbeit erfüllen, fallen die anderen auf."


    Victor dreht den Becher in seiner Hand. "Dass der Name aber auch nicht immer hilft, das haben dann wohl die Kandidaten für den Aedilis Curulis gezeigt. Auch wenn ihr Scheitern anscheinend nicht am großen Namen lag, alles andere überdecken kann er auch nicht. Es gibt also solche und solche und es kann so und so passieren." Darauf ein großer Schluck.

    Etwas seltsam findet Victor die Reden seines Factiokollegen schon. Die Patrizier heutzutage können einfach nicht mehr nur Patrizier sein, in dem sie es sind, nein, die meisten müssen wieder und wieder darauf hinweisen. Einerseits merkwürdig, andererseits vielleicht logisch, denn sonst würde man sie als solche nicht mehr wahrnehmen. Über Emporkömmlinge lässt sich Vic nicht weiter aus, er ist von weit unten genug emporgekommen, um an der anderen Front mitreden zu können. Seine eigene Erfahrung ist, dass an der Spitze noch zu viele unverdiente Männer sitzen, die aufgrund ihres Namens oder ihrer Herkunft einen Posten bekommen haben, auf dem sie ihr Sitzfleisch absitzen, ihre Kohle kassieren und ansonsten rein gar nichts tun, während Emporkömmlinge von Anfang an gelernt haben, anzupacken und zu arbeiten und dies auch später nicht vergessen. Ganz kann er es aber nicht lassen, eine kleine Spitze abzulassen. "Ganz recht, es gibt lukrativere, weniger arbeitsintensive Posten, welche ein Mann mit guter Herkunft einfach durch seinen Namen bekommt, ohne, dass er dafür arbeiten oder sich einer Wahl durch das Volk stellen müsste."


    Victor wendet sich Aquilius zu. "Es bedeutet nunmal eine Menge Arbeit und Verantwortung Praetor oder Consul zu sein. Daran, dass sich dafür niemand findet, kann man meiner Ansicht nach ablesen, dass es den Kandidaten oft nicht darum geht, etwas für das Imperium zu tun, sondern dass sie nur darauf aus sind, im Senat zu sitzen und die Vorzüge eines Senatorenlebens zu genießen."

    Victor verkneift sich das Hochziehen einer Augenbraue, als der Sklave mit dem Fächern anfängt, beobachtet den Flavier die esten Minuten und widmet sich dann ganz seinen Notizen. Eine Weile lang kritzelt er in seiner unleserlichen Schrift Sinnvolles hin, dann fällt ihm eine Aufgabe ein, die er in seinem Büro noch zu erledigen hat und von da aus gibt es keinen Weg, der an der Erinnerung an Helena vorbei führt. Seit dem Tag als sie dort war hat er nichts mehr von ihr gehört oder gesehen und Vic ist sich nicht sicher, ob das gut oder schlecht ist. Er denkt an die kurze Berührung ihrer hellen Haut, die ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen ist, an ihr tiefschwarzes Haar, das samtig glänzt, wenn sie es mal nicht unter iherer Palla versteckt, und an ihre Augen, die so tief wie das Mare Nostrum scheinen.


    Als würde der Sklave des Patriziers in seinen Gedanken lesen, bewegt er sich und das leise Geräusch reißt Vic aus seinen Gedanken. Schnell löscht er die Kritzeleien, die er währenddessen fabriziert hat, von der Tafel. Zwar würde außer ihm sowieso niemand die Kreise, Kästchenmuster und diffusen Wolkenknäule von seinem übrigen Geschreibsel unterscheiden können, aber sicher ist sicher.

    Mit seinem Gefasel hätte Vic den Flavier eher in den Merkurtempel geschickt, aber Gelübde ist Gelübde wie Traum Traum. Die Fragen auf den Tafel unterscheiden sich sowieso nur in einer einzigen Götterspezifischen Frage, denn Vic ist der Meinung, dass sich ein Sacerdos auf Grundlagen stützen können muss. Das Wissen um die Götter kennt sowieso jeder von Kindesbeinen an, vertiefen kann man das eigenständig, und jeder Priester sollte in der Lage sein, auch in anderen Tempeln Dienst zu tun, als in den von ihm präferierten.


    "Na dann leg los. Möge dir Fortuna beistehen, du ihre Hilfe aber nicht brauchen." Vic lehnt sich zurück und nimmt seine Wachstafel zur Hand. Sie enthält einige Ideen zur Umsätzung einiger Pläne und ist noch ergänzungsfähig.

    Jetzt wandert auch noch die zweite Augenbraue nach oben. "Du meinst also, ein Optio hat sich nicht um den Staat verdient gemacht? Er hat immerhin eine ganze Zeit lang sein Leben für den Staat riskiert. Nur weil einer aus einer Familie mit hervorragenden Ahnen stammt, muss das auch lange nichts heißen. Ich will ja nicht drauf rumreiten, gerade nicht in dieser Gesellschaft, doch die unsägliche Flavia Messalina stammte aus den Reihen der Tiberia und ihr Sohn war ein Produkt aus einer Ehe mit einem Flavier. Beides meiner Meinung nach Familien mit hervorragenden Ahnen, aber trotzdem war das Endergebnis ein Attentat auf den Kaiser."

    Vic begutachtet den Commentarius und dann seinen Sklaven. Der Patrizier war schon immer etwas sonderbar, aber in Rom hat jeder so seine Sonderlichkeiten, vor allem die Patrizier, also sagt er nichts weiter dazu. "Salve Flavius Gracchus. Ich hoffe, du bist gut vorbereitet, allerdings hat man mir gesagt, dass du deine Pflichten erfüllt hast, also sollte es nich allzu schwer werden. Du wolltest in den Kult des Iupiters, ja? Dieser Stapel hier beinhaltet die Fragen."


    Er mustert den Commentarius durchdringend. "Ich habe davon gehört, dass du schon des Öfteren im Tempel auf dem Capitol warst. Allerdings," er schaut etwas vorwurfsvoll. "Ich wäre kein guter Sacerdos Martialis... öhm, gewesen... wenn ich dir nicht auch die Fragen für den Cultus Martialis mitgebracht hätte. Es fehlt hier im Tempel ein fähiger Sacerdos und ich weiß, was du weißt, denn ich hab es dir beigebracht." Vic schiebt ihm den Stapel mit den Mars-Fragen hin.

    Gleich und gleich gesellt sich gern und Milo scheint die Patrizier anzuziehen. Nur Victor passt irgendwie nicht mehr ganz in die Runde, was ihn aber überhaupt nicht stört, schließlich stand er zuerst mit Milo da. 8) Er hört sich vorerst schweigend an, was die neu hinzugekommenen und dann sein Gesprächspartner zu sagen haben und nickt ab und zu nur. Beide Aedilen haben gute Arbeit geleistet, da gibt es nichts zu meckern dran. Vor allem Purgitius Macer hat auch Victor als durch und durch fähigen Mann kennen gelernt und ihn hat er auch noch nie vor der Rostra meckern gesehen, was seine Annahme über fähige Männer nur bestätigt.


    Über die Anhäufung des Namen Flavius wandert eine Augenbraue in Vics Gesicht nach oben. Bislang kennt er nur einen Flavius etwas näher und das ist sein Schüler Gracchus, den er ein bisschen seltsam findet. Allerdings weiß er nicht, wie die Beziehungen zwischen den ganzen Flaviern sind und bisher scheinen die beiden Anwesenden ganz in Ordnung zu sein.

    "Hmm." nickt Victor und notiert sich auf seiner geistigen Wachstafel, in dieser Richtung noch einmal nachzuforschen. Doch vorerst ist das Thema damit für ihn erledigt. "Nun, was in der Acta steht, ist auch manchmal etwas aufgebauscht. Erst kürzlich war zu lesen, dass man die Sacerdotes Vestales nicht mehr zu Gesicht bekommt und dass sie am Ende ihren Dienst nicht mehr tun würden. Das war natürlich nicht richtig, die Virgo Vestalis Maxima war einfach nur krank und die übrigen Sacerdotes hatten sie gepflegt und sich um das heilige Feuer gekümmert. Manchmal ist weniger dahinter, als es den Anschein hat." Victor trinkt noch einen Schluck, als ihm der Gedanke kommt, dass vielleicht gar nicht die Nacht auf dem kalten Steinboden für seine Erkältung verantwortlich war, sondern er sich möglicherweise bei der Verstalin angesteckt hatte.


    "Das scheint mir überhaupt oft der Fall zu sein. Viel zu viel wird heutzutage aufgebauscht, wobei in den seltensten Fällen die Acta damit zu tun hat. Die Leute regen sich über jeden Mist auf, ohne dass sie mal ihren Hintern heben und sich für etwas einsetzen würden. Es ist überall das gleiche, sobald es daran geht, etwas zu tun, sind plötzlich alle weg. Nuja, nicht alle, es gibt schon fähig Männer in Rom, aber die hab ich noch nie vor der Rostra laut schreien gehört."

    Victor legt eine kurze Pause ein, um Zwischenfragen oder Bemerkungen zu ermöglichen, doch die Septemviri scheinen soweit zufrieden. Also fährt er mit dem nächsten Punkt fort. "Weniger erfreulich waren meine Nachforschungen in Bezug auf die Ausbildungssituation des Cultus Deorum. Nicht, dass die schlechte Lage etwas neues wäre, im Gegenteil, ich bin mir wohl darüber bewusst, dass sich dies schon über Jahre zieht, wenn nicht sogar schon Jahrzehnte. Die Bemühungen diese Situation zu verbessern scheiterten ein um andere Mal und ich wage zu behaupten, dass es daran lag, weil es ein ums andere Mal nur Flickwerk war. Auf einen Schritt nach vorne folge ein halber, wenn nicht ein ganzer zurück."


    Wieder folgt eine kurze Pause, doch es tut sich wenig im Collegium. Erst Victors nächste Worte reißen ein paar aus ihrem Halbschlaf, denn er donnert sie mit einer Stimme in die Halle, die es gewohnt ist, bei großen Opfern zu Ehren des Mars das Opfergebet zu sprechen oder vorzulesen. "Dieses Flickwerk muss ein Ende haben! Was der Cultus Deorum braucht ist eine Richtungsänderung." Mit normaler Stimlage und einem genugtuenden Lächeln, weil ihn nun mindestens drei Mitglieder des Collegiums erstaunt anschauen, fährt Victor fort. "Ich habe mir bereits umfassende Gedanken diesbezüglich gemacht und mir erlaubt, sie der entsprechenden Stelle vorzulegen." Zwei Septemvir beginnen miteinander zu tuscheln, ein paar fragende Blicke werden gewechselt, und nun, da Victor sich der Aufmerksamkeit des Collegiums sicher ist, spricht er den heikelsten Punkt an. Er wird es kurz machen und hofft darauf, dass derjenige, der pro collegio vor dem Collegium Pontificium den Bericht abgibt, diesen Punkt ansprechen und nicht unter die Kline kehren würde.


    "Es gibt einen weiteren wenig erfreulichen, wenn nicht gar Sorge bereitenden Punkt. Es geht um kultische Versäumnisse." Obwohl sich Victor bemüht keinerlei Emotion in seine Stimme zu legen und seine eigenen Ansichten aus den Worten heraus zu lassen, schweben diese wie ein Damoklesschwert über dem Collegium. Die Septemviri werden nicht zur interpretatio herangezogen, doch jeder von ihnen ist sich der Gefahr bewusst, welche vom Zorn der Götter ausgeht, sei es vom realen, oder auch nur den durch die Bevölkerung befürchteten. Leicht kann die Gefährdung der pax deorum auch auf die Stimmung des Volkes überschwappen. "Genauer gesagt geht es um die Quinquatrus Minusculae zu Ehren der Minerva. Anscheinend weilt die Flaminca seit einiger Zeit schon nicht in Rom." Es kostet Victor allerhand Mühe, noch immer ruhig zu bleiben und nur die Fakten aufzuzählen. Zu gerne würde er sich vor dem Collegium ereifern, Fragen in den Raum werfen, die einer Antwort bedürfen, doch dies ist weder der richtige Ort noch die richtige Zeit dazu. Daher gibt es für ihn dazu nicht mehr zu sagen.


    Er lässt auch den Septemviri keine Möglichkeit, sofort etwas darauf zu sagen, sondern schließt seinen Bericht mit einer erfreulichen Nachricht ab. "Traditionell gefeiert und wie kaum anders erwartet auch sehr gut vom Volk angenommen wurden dagegen die Fors Fortuna." Vic schaut nochmal auf seine Wachstafel, ob er auch nichts vergessen hat, und nickt dann leicht. "Das wäre alles, in Bezug auf die Aktivitäten des Cultus Deorum." Froh, dass es vorbei ist, setzt sich Victor wieder hin.

    "Quin-qua-trus?" So lang wie sich das Wort in Victors Mund dehnt, so schnell schießen ihm allerlei ungute Gedanken in Bezug auf die Feierlichkeit durch den Kopf. Durch die Quinquatrus Maiores hat seine Karriere ihren momentanen Höhepunkt und wahrscheinlichen Endpunkt gefunden, doch wie es dazu kam verursacht ihm Augenblicklich Kopfschmerzen.


    Victor versucht sich selbst mit dem Gedanken zu beruhigen, dass er nun Septemvir ist, dass Quinquatrus nicht seine Aufgabe sind, dass er sich darum nicht kümmern muss. Genauso wenig, wie ein Sacerdos Martialis. Genau so wenig, wie sich sonst irgendjemand darum kümmert. 'Kultische Versäumnisse.' rauscht es weiter durch seinen Kopf. 'Prodigien. Seuchen, Kriege, Katastrophen.' Er hat eindeutig in der letzten Zeit zu viele kultische Schriftrollen studiert. Früher, als er sich noch nicht mit solchen Dingen befasst hatte, da war alles einfacher gewesen. Der Cultus Deorum macht das schon, hatte er immer gedacht. Doch heute steht er als Teil des Cultus Deorum da und schaut in die Gesichter der Menschen, die genau das denken. Victors Schultern sinken herab und er unterdrückt schicksalsergeben ein gequältes Ächzen. Vielleicht ist es gar nicht so schlimm, vielleicht erwartet der Patrizier einfach mehr als eine Kuh, die für einen einfachen Mann schon ein Vermögen wert ist, und ist daher enttäuscht. "Was war denn mit den Quinquatrus Minusculae? Wie schon erwähnt, ich habe leider die letzte Woche... verpasst. Wurde denn keine Kuh geopfert?"

    Mehrere Minuten steht der Septemvir Vibius Valerius Victor vor dem Versammlungssaal des Collegiums der Septemviri und atmet ein paar mal tief durch. Es ist die erste Sitzung seit er zum Septemvir berufen wurde und er würde wieder vor den kritischen Blicken stehen, um seinen Bericht abzuliefern. Ein ergrauter Septemvir schreitet an Vic vorbei und würdigt ihn keines Blicks. Ein Sklave öffnet die Tür, schließt sie nach dem Septemvir wieder und schaut Vic an. "Noch zwei fehlen, aber einer kommt in der Regel nicht." Victor strafft die Schultern und nickt. "Gut, dann sollte ich wohl so langsam auch mal reingehen." Er tritt auf die Tür zu und sobald sie offen ist hindurch. "Salvete, Collegae." Seine Stimme ist nicht ganz so fest, wie er sich das wünscht, als sich alle Augenpaare auf ihn richten und jeden seiner Schritte verfolgen, bis er endlich auf seinem Platz sitzt.


    Es dauert nicht lange, bis zwei weitere Septemviri den Raum betreten, das Collegium damit vollständig ist, und der Magister die Sitzung eröffnet. Nach der Begrüßung werden kurz einige Routineangelegenheiten abgehandelt, Zahlen, Fakten, keine Sensationen. Vic outet sich direkt als jüngstes Collegiumsmitglied, denn er ist der einzige, der neben dem Scriba Notizen auf einer Wachstafel macht. Er kommt sich vor, als wäre er wieder ein Discipulus, mit dem Unterschied, dass er als Discipulus nie etwas notiert hat. Doch heute trägt er Verantwortung und möchte nicht am Ende der Sitzung vor lauter Aufregung schon wieder alles vergessen haben. Der Magister Septemvirorum Opimius Naso quittiert den kurzen Vortrag eines Kollegiumsmitglieds mit einem Nicken und wendet sich Victor zu. Mit lauter Stimme fordert er ihn auf, aufzustehen und seinen Bericht abzugeben.


    Vic glaubt, ein hämisches Lächeln auszumachen, ist sich aber nicht sicher. Doch wieder ist er sich aller Augen bewusst, die wartend auf ihm ruhen, als er sich erhebt. Manche der zugehörigen Gesichter scheinen ihm wie die von Geiern, die nur auf einen Fehltritt warten, um auf ihn herab zu stürzen und ihn zu zerreißen. So ähnlich muss das Gefühl sein, wenn man auf die Rostrat tritt - mit dem Unterschied, dass die Geier dort zahlreicher sind, was im Vergleich mit den Septemviri aber nicht wirklich einen Unterschied macht. Victor räuspert sich und schaut auf seine Notizen. Als er wieder aufblickt, ist jede Spur von Unsicherheit gewichen. Er ist ein Valerius und er hat die Verantwortung eines Septemvir auf sich genommen - nicht, um einen wirklich beeindruckenden Titel und mehr Gehalt zu bekommen, sondern um seine Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen, und genau das würde er tun.


    "Zuerst die erfreulichen Nachrichten. Das von der Acta Diurna vor einiger Zeit befürchtete Verschwinden der Sacerdotes Vestales hat sich natürlich nur als aufgebauschte Sensationsmeldung herausgestellt. Die Virgo Vestalis Maxima war einige Zeit krank, daher hatten sich die Sacerdotes zurückgezogen. Es geht ihr jedoch wieder gut und wie wir alle bemerkt haben, wurde der Tempel der Vesta traditionsgemäß zu den Vestalia geöffnet." Ob das wirklich alle Anwesenden bemerkt hatten, sei dahin gestellt, doch Vic ist bemüht, nur das beste anzunehmen. "Das Interesse der Bevölkerung war anscheinend nur mäßig, doch das mag daran liegen, dass sie von den Diskussionen des Wahlkampfs, der ebenfalls in diesen Zeitraum fiel, eher an die Rostra gezogen wurden." Was nicht verwunderlich ist, wenn Victor an die Worte des Flaviers über den Wahlkampf denkt.

    Zitat

    Original von Titus Flavius Milo
    "Doch wie steht es mit dem Kult der Götter in Rom? Habt ihr mit den gleichen überflüssigen Problemen zu kämpfen, wie in der Politik? Arbeiten die Gremien zuverlässig wie immer?"


    Victor nimmt sich vor, später irgendwann noch eine Acta Diurna aufzutreiben. Damit und dem Bericht des Flaviers sollte er ausreichend informiert sein. Für die Wahl ist es sowieso zu spät. Das nächste Thema bereitet Victor schon eher Kopfzerbrechen, denn es ist aus seiner Sicht ein ziemlich heikles Thema. Nichts liegt Victor näher, als sich über die katastrophalen Zustände im Cultus Deorum auszulassen, doch nachdem er nun selbst eine nicht ungewichtige Rolle darin einnimmt, ist das nicht mehr ganz so einfach. Auf der anderen Seite hat der Cultus es lange Zeit nicht geschafft, aus sich selbst heraus eine Änderung zu bewirken, weshalb es vielleicht Zeit ist, dass auch von Außen ein paar Anstöße kommen.


    "Das Problem mit den Frauen haben wir zum Glück nicht, obwohl es im Cultus Deorum natürlich nicht anders ist, als im wahren Leben. Frauen machen immer irgendwie Probleme." Victor grinst, wird dann aber wieder ernst. "Das Problem des Cultus Deorum ist vor allem seine Trägheit." Er senkt etwas seine Stimme, es muss nicht gleich jeder Vorbeikommende mithören. "Die Collegien sind überaltet und verstecken sich hinter ihren dicken Mauern. Neue Impulse fehlen und wenn sie kommen, dann prallen sie an diesen Mauern ab. Der einzige Weg, etwas in Bewegung zu setzen, führt über den Pontifex Maximus. Doch wofür, frage ich dich, haben wir dann überhaupt das Collegium Pontificium?" Vic ertränkt ein aufkommendes Seufzen mit einem großen Schluck Wein. "Es ist manchmal schon frustrierend, aber man tut was man kann. Und solange die Götter sich noch nicht von uns abwenden, wirds nicht schlimmer werden."

    Das Fest scheint nicht nur beim Volk Anklang zu finden, es scheint auch eines der Lieblingsfeste von Patriziern zu sein, denn es tauchen immer mehr auf. Der Zuprostende, den Vic jedoch schon wieder fast vergessen hat, ist in diesen Stand einzuordnen und dann steht Durus auf einmal vor ihm. "Salve Tiberius." Victor prostet ihm zu, verzichtet jedoch darauf, schon wieder einen Schluck zu trinken, denn auch wenn er viel verträgt, nach seiner Erkältung sollte er es besser nicht übertreiben um nicht wie so manch anderer an diesem Tag zu enden.