Beiträge von Octavia Margarita

    Schwermütig sah Margarita den rituellen Handlungen zu, doch ihr Blick glitt in die Ferne. Erinnerungen kamen in ihr hoch, Trauer und Schmerz längst vergangener Tage, und vermischten sich mit den Gedanken an die Ereignisse der letzten Zeit. Tränen rannen über ihre Wangen, doch sie kümmerte sich nicht darum. Sie wollte nicht länger hier bleiben, wollte fort von Schmerz und Trauer. Sie wandte sich an Maximus und teilte ihm mit knappen Worten mit, dass sie es nicht mehr aushielte, dass er sich jedoch keine Sorgen machen sollte. Danach verließ sie fluchtartig den Landsitz.

    Margarita verspürte einen Stich, bei Victors Worten über den Verfall der Gens. Und doch wusste sie, dass er recht hatte. Sie wusste nicht, was alles vorgefallen war, doch als sie nach Rom zurückgekehrt war hatte sie eine Familie vorgefunden, die keine mehr war. Doch vielleicht war die Erinnerung an eine perfekte Familie soweiso nur ein Wunschtraum aus ihrer Kindheit.
    "Momentan ist es sehr ruhig. Nur der Kaiser selbst ist in Rom und der Palast daher ein wenig leer." Sie warf einen Blick auf Maximus und Constantius und schaute dann wieder ihren Cousin an. "Ich hoffe, du findest in Germania, was du suchst. Und irgendwann werden vielleicht auch wieder bessere Tage für die Gens Octavia aufziehen."

    Margarita setzte sich auf einen der Korbsessel neben Victor und zuckte mit den Schultern. Wie es ihr ging, das war eine gute Frage. Sie freute sich so sehr, dass sie Maximus wiedersah und doch lag die Trauer in diesem Haus wie ein schweres Tuch über allem, auch über ihren Gefühlen.
    "Ich kann es immer noch nicht glauben, dass Anton uns verlassen hat." antwortete sie ihm ebenso leise. "Er war so lange der beständigste Teil dieser Familie, ich habe wohl immer geglaubt, er würde ewig leben." Sie versuchte zu lächeln, doch es gelang ihr nicht. "Und du? Jentia hat erzählt, dass du sehr überstürzt nach Germanien aufgebrochen bist."

    Nachdem Margarita Constantius mit einem knappen Nicken begrüßt hatte, tauchte ihr Cousin Victor auf. Er schien nicht gerade erfreut, dass Maximus ihn zum bleiben aufforderte. Margarita musterte ihn. Der Tod Antons schien auch ihn sehr mitgenommen zu haben. Von einem Tisch an der Seite nahm Margarita eine Kanne und goss Wein in ein Glas. Sie ging zu Victor, legte ihm eine Hand auf die Schulter und reichte ihm Wortlos den Wein.

    Sehnsuchtsvoll blickte Margarita hinauf in den blauen Himmel. Manchmal wünschte auch sie sich, zu wissen, was die Zukunft bringt. Es würde so manche Entscheidung um einiges einfacher machen und sicher den ein oder anderen Fehler verhindern.
    Maximus riss sie aus ihren Gedanken, als er aufstand. Auch Margaria erhob sich. "Ein Glas Wein könnte ich auch vertragen." seufzte sie. "Und ich danke dir für dein Angebot, ich weiß, dass ich immer auf dich zählen kann." Sie gingen zurück in den Speisesaal.

    Gemeinsam mit der Familie folgte auch Margarita der Bahre mit dem Toten. Neben ihr ging ihre Cousine Helena fast wie im Traum. Margarita verstand nur zu gut, wie sie sich fühlte. Und sie wusste ebenso gut, dass nichts diesen Schmerz lindern würde. Nicht der Gedanke daran, dass man sich im Elysium wiedersehen würde, nicht der Gedanke, dass es dort vielleicht sogar besser war als hier. Und erst recht nicht die mitfühlenden Worte anderer, so gut diese auch gemeint sein mochten. Egal wie viel Zeit verstreichen würde, die Erinnerung würde immer auch einen Teil des Schmerzes mit sich bringen.

    "Es wird sie sehr freuen, das zu hören." Margarita verabschiedete sich und verließ das Officium, vor welchem noch immer Amatia wartete.
    "Willkommen im Palast." sagte sie lächelnd zu ihr gewandt. "Wir werden dir ein Zimmer einrichten. Danach kannst du erledigen gehen, was du noch tun möchtest und wenn du soweit bist, dann kommst du wieder in den Palast und wir werden sehen, welche Arbeit du vorerst übrnehmen kannst."

    Margarita trat in das Officium und nickte Mercator zu. "Valeria Amatia und ich haben unseren kleinen Rundgang durch den Palast beendet. Sie macht einen guten Eindruck auf mich und ich halte sie für geeignet, die Verantwortung eines Cubiculairus zu tragen. Von meiner Seite aus sollte ihrer Einstellung also nicht mehr im Wege stehen."

    "Momentan befindet sich die kaiserliche Familie nicht in Rom, daher ist es recht ruhig." erklärte Margarita. "Die Arbeit gefällt mir, ich war schon immer fasziniert davon, wie der Palast 'funktionniert'. Hinter den Kulissen sieht zwar alles ein wenig anders aus, aber es ist dennoch eine gute Arbeit." Sie hielt inne und überdachte Maximus' Worte bezüglich einer anderen Arbeitsstelle. Dann schüttelte sie fast unmerklich den Kopf. "Nein, ich denke nicht, dass ich so schnell etwas anderes machen möchte. Der einzig negative Aspekt ist, dass man immer an den Palast gebunden ist. Doch momentan stört mich das nicht, ich wüsste eh nicht, wo ich hingehen sollte." Sie dachte an Commodus und den Besuch in seiner Villa. Nein, dort hatte sie nichts mehr verloren. Einen Augenblick lang dachte sie daran, Maximus die Grüße seines ehemaligen Kampfgefährten auszurichten. Doch er würde wissen wollen, wann sie sich getroffen hatten und wenn Margarita über jemanden nicht reden wollte, dann war es über Commodus.

    "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht." Sie zuckte mit den Schultern. "Ich bin Praepositus Sacri Cubiculi im Palast des Kaisers und habe mich daher dort aufzuhalten. Jentia sandte mir eine Nachricht, dass Onkel Anton tod sei, woraufhin ich direkt hierher kam. Und außer Jentia war kein Octavia hier. Es kamen ein paar Gäste, welche Anton die letzte Ehre erwiesen und Jentia verschwand mit einem von ihnen in ihr Zimmer. Ich wechselte einige kurze Worte mit der Senatorin Adria Germanica, Anton hatte in seinem Testament bestimmt, dass sie den Trauerzug organisieren sollte. Ich wollte mit Jentia sprechen, doch sie kam nicht mehr aus ihrem Zimmer heraus, da bin ich zurück in den Palast. Ich... ich wollte nicht mehr hier sein." Sie schaute Maximus an. "Das ist noch nicht lange her. Dann kam Turia auch schon um mir auszurichten, dass du hier bist."

    Margarita schaute ihren Bruder aus großen Augen heraus an. "Ich denke, ich kann verstehen, warum es dich so wütend macht. In der Legion ist es eben auch nicht besser, als anderswo, obwohl man dies doch meinen sollte." Sie war sich nicht sicher, wie weit die Äußerungen ihrer Ansichten bei Maximus gehen durften. Doch was konnte er schon tun, außer ihr den Mund zu verbieten, wenn er anderer Meinung war. "Es kommt überall im Imperium nur nochauf das Katzbuckeln an. Leistung ist längst nicht mehr alles, das zählt. Man fragt dich, in welcher Factio du bist und steckt dich danach in eine Schublade. Man fragt dich, wer dein Vater war und beurteilt dich danach. Und wenn du wiedersprichst, dann bist du sowieso nicht gern gesehen." Sie schaute Maximus fest an. "Du wirst es sehen auf Antons Trauerzug. Wie viele werden wohl teilnehmen, vorgeben um ihn zu trauern, die ihn zu Lebzeiten angegriffen haben, nur weil er so manch unliebsame Wahrheit sprach. Ich habe unseren Onkel immer dafür bewundert, dass er sein Fähnchen nicht nach dem Wind gerichtet hat und ich bewundere auch dich dafür, dass du Unrecht gegenüber deinen Vorgesetzten anprangerst, Maximus. Die Octavia waren immer Freidenker und wir werden niemals kuschen, nur weil es irgendwer gerne sehen würde. Ich bin stolz auf dich, Bruder, und ich bin sicher, du wirst deinen Weg nach Oben gehen, auch ohne es dafür jedem recht zu machen."

    Einen Augenblick blieb Margarita verwundert stehen. Sie war so stolz gewesen, als sie ihren Bruder bei dem Zug gesehen hatte, als ruhmreichen Legionär, und nun erfuhr sie, dass er schon längst Höheres erreicht hatte. "Es interessiert mich und ich höre dir gerne zu." Sie setzte sich auf eine der Steinbänke und schaute gespannt zu Maximus auf, bereit, seinen Worten zu lauschen.

    Nach ihrem kleinen Rundgang durch den kaiserlichen Wohntrakt kamen Amatia und Margarita wieder vor dem Officium des Magister Officiorum an. Margarita bedeutete Amatia kurz zu warten und klopfte an.

    Die Schönheit der blühenden Blumen und des saftigen Grünes schienen die Freude über das Ereignis des Wiedersehens zu unterstreichen, und doch schienen sie gleichzeit dem Anlass der Trauer zu spotten. Margarita fuhr mit der Hand über die Blätter eines Strauches und schaute Maxmius genau an. "Ich war mir nicht wirklich sicher, ob du es bist. Ich stand etwas weiter von der Straße weg, sonst hätte ich dich vielleicht gerufen. Dann verlor ich dich aus den Augen und bis ich am Endpunkt des Triumphzuges angekommen war, hatten sich die Soldaten schon in alle Winde zerstreut und ich erfuhr, dass die germanischen Truppen direkt nach Germanien zurückbeordert worden waren. Was war denn passiert? Und was hatte dich so verbittert? War es nicht ein Ehrentag für alle Legionäre?"

    Auch wenn 'fünf Kinder' und 'interessant' in Margaritas Kopf nicht so recht zusammenpassen wollten, nickte sie Amatia wohlwollend zu. "Es scheint mir, du bringst die besten Voraussetzungen mit um hier zu arbeiten. Lass uns zurück zum Magister Officiorum gehen. Ich werde ihm sagen, dass ich deine Einstellung mit Freude sehen würde. Die letzte Entscheidung liegt zwar nicht bei mir, doch ich glaube nicht, dass noch Gründe gibt, welche dagegen sprechen, dass du hier anfängst. Es sei denn, dem Kaiser ist just in diesem Moment das Geld ausgegangen." Sie schlug den Weg zurück zum Verwaltungstrakt des Palastes ein.

    "Ja, lass uns in den Garten gehen." antwortete sie ihm, schon wieder ein wenig gefasster. "Mein Zeit in Athen war sicher nicht halb so spannend wie das, was du alles erlebt haben musst, aber ich werde dir gerne davon berichten. Jedoch nur, wenn du mir auch ein wenig von dir erzählst. Ich habe dich beim Triumphzug gesehen." Gemeinsam gehen sie in den Garten.

    Das alles hörte sich schon sehr vielversprechend an. Margarita beschoss dem Magister Mercator mitzuteilen, dass sie sich für die Anstellung der Valeria Amatai aussprach, als sie an der Tür zum Garten vorbei kamen. "Das dort ist der Hippodromus Palatii, man findet in ganz Rom keinen schöneren Garten." erwähnte sie im Vorbeigehen. In Gedanken überlegte sie schon, welche Aufgabe Amatia übernehmen könnte, bis die kaiserliche Familie zurück in Rom war und ihr konkrete Pflichten zuweisen würde. "Hattest du schon einmal eine ähnliche Anstellung?"

    "Oh, Maximus." Sie trat an ihn heran und umarmte ihn nochmals. Tränen rannen ihre Wangen hinab und sie legte ihren Kopf an seine Schulter. "Es ist so furchtbar." brach es aus ihr heraus. "Er war... er war fast wie ein Vater zu uns. Warum? Warum nur? Was für ein Spiel treiben die Götter nur mit uns?" Schweigend hielt sie ihren Bruder fest. Sie spürte, dass sich nichts zwischen ihnen geändert hatte. Maximus war nicht immer der beste Bruder gewesen, doch er war immer für sie da gewesen, wenn sie ihn gebraucht hatte. Als sie sich wieder von ihm löste, wischte sie die Tränen von den Wangen und ein kleines Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. "Ich bin so froh, dass du da bist."

    Eilig trat Margarita in den Speisesaal und erblickte dort ihren Bruder. Sie blieb stehen und schaute ihn an. Erinnerungen an ihre Kindheit fluteten durch ihre Gedanken, an unbeschwerte Tage. Wie oft hatte sie darüber gegrübelt, wie es wohl sein würde, Maximus nach so langer Zeit wieder zu sehen. "Maximus." Es war fast nur ein Flüstern. Wie oft hatte sie sich überlegt, was sie tun, was sie ihm sagen würde, wenn sie sich begegneten. Und nun stand er vor ihr, ein Mann der nichts mehr mit dem kleinen Jungen gemein hatte, den sie kannte, und Margarita wusste nichts zu tun, nichts zu sagen.