Hungaricus stand auf und begann mit seinen Ausführungen.
Zunächst einmal möchte ich uns alle einen schönen Tag und eine ebensolche Verhandlung wünschen.
Die Verteidigung kann leider keine "Beweise" vorlegen, wie die Anklage dies gerade tat. Wozu auch, denn der Angeklagte ist unschuldig.
Zunächst einmal stelle ich an die Anklage die Frage: Wie seid Ihr überhaupt zu Beweisstück Alpha gekommen? Wenn ich mir dieses Beweisstück so ansehe, ist dies ein Brief, gerichtet an den Imperator. Ich würde also gerne wissen, wie dieser Brief den Weg zu Eurem Schreibtisch gefunden hat und warte schon auf Eure Erläuterungen deswegen.
Doch was mich mehr erstaunte, als ich den Fall übernahm, war die Tatsache, daß die Anklage diesem Brief tatsächlich einen Tatbestand entnehmen konnte. Lasst mich den Tatbestand der Üblen Nachrede einmal zerpflücken:
Sehen wir uns einmal Absatz 1 an.
"Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet..." Ja, wo wird denn behauptet? Man möge es mir verzeihen, aber ich stelle mir eine Behauptung so vor: Jemand spricht etwas aus, von dem er überzeugt ist, daß es der Wahrheit entspricht, gleich ob dieser Jemand über den Wahrheitsgehalt der betreffenden Sache irrt oder nicht. Ist dies in unserem Falle passiert? Nein! Curio fragte lediglich beim Imperator an, wie es nun um die Jungfräulichkeit der Klägerin bestellt ist. Er hat angefragt in Sorge, ja in Sorge um den Orden der Vestalinnen. Doch dazu will ich später noch etwas sagen. Lesen wir weiter.
"... oder verbreitet,..." Hmmm, fand hier eine Verbreitung statt? In einem Brief, gerichtet an den Imperator? Ohne irgendeine Form der Öffentlichkeit? Wohl eher nicht!
"...welche denselben verächtlich zu machen..." Verächtlich? Wo? Ich lese in Beweisstück Alpha nirgends Verachtung. Ich lese hierin Sorge, Sorge über den Ruf des Vestalinnen-Ordens, Sorge auch über die Klägerin. Wie sonst kann man denn das verstehen, wenn der Angeklagte von seinem Gewissen schreibt, der ihn dazu zwingt, gegen ein Mitglied seiner politischen Richtung zu agieren? Wie sonst kann man denn das verstehen, wenn der Angeklagte den Imperator um Untersuchungen bezüglich der Jungfräulichkeit bittet? Ich sage, daß der Angeklagte, Gaius Scribonius Curio, wahrlich Sorge geäußert hat, auch wenn dies wahrscheinlich die Klagseite nicht glauben möchte.
"... oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet..." Tja, wie war das nochmal mit der Öffentlichkeit in einem Brief gerichtet an den Imperator persönlich? Hmm... achja, wie kann die öffentliche Meinung beeinflußt werden, wenn die Öffentlichkeit gar nicht gegeben ist? Mögen andere über diese Frage Traktate schreiben, ich sage, es ist nicht möglich.
"...wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr..." Ja, der wohl interessanteste Punkt. Um welche Tatsache geht es denn? Um die Jungfräulichkeit der Vestalin Sinona Matinia. Steht diese fest? Wohl kaum, denn meines Wissens nach wurde keine Jungfräulichkeitsprüfung an der Klägerin durchgeführt, folglich weiß niemand hier, ob die Klägerin tatsächlich noch Jungfrau ist oder nicht, natürlich mit Ausnahme der Klägerin selbst und bei Nichtmehrvorhandenheit der Jungfräulichkeit noch der oder die Sexualpartner.
Das war einmal Absatz 1 des besagten Paragraphen. Keine Angst, meine Ausführungen zu Absatz 2 sind kürzer, denn:
"Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person ..." Absatz 2 fällt ja ganz weg, denn zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin in keiner Weise im politischen Leben präsent.
Gehen wir zum nächsten Vorwurf über:
Ich finde es hochinteressant, wie die Anklage den Vorwurf der versuchten Körperverletzung hier konstruiert. Mein werter Kollege, der Rex Sacrorum, wird mir sicherlich beipflichten, daß zu einer Mißhandlung oder Gesundheitsschädigung im Sinne des § 59 Cod Iur ein Angriff, ein körperlicher Angriff, vonnöten ist. Denn wie sonst kann ich einen Menschen verletzen? Natürlich nur, in dem ich den anderen körperlich angreife! Daher frage ich: Hat denn Curio denn die Klägerin irgendwie angegriffen? Hat denn Curio die Klägerin auch nur BERÜHRT? Nein! Wozu also dieser Vorwurf?
Bevor ich mit meinen Ausführungen ende, möchte ich noch Beweisstück Phi diskutieren. Selbst nach mehrmaligen Lesen und überprüfen und subsumieren mit dem Sachtverhalt fällt mir zur Vorlage dieses Beweisstücks nur eins ein: Was in der Götter Namen hat dieses Beweisstück mit der Verhandlung zu tun? Natürlich nichts! Warum nicht? Weil in Beweisstück Phi die Frage der "Hochzeit" der Klägerin mit Quintus Caecilius Metellus Creticus behandelt wurde. Ja, Ihr habt richtig gehört, es ging um die "Hochzeit". Von einer "Hochzeitsnacht" oder welchen Namen auch man der Kopulation an sich geben möchte, steht darin nichts, kein noch so kleines Wörtchen.
Ich danke für Eure Aufmerksamkeit.