"Ich möchte nicht singen", sagte Samira mit verzogenem Gesicht. "Irgendwann vor Jahren habe ich keine Freude mehr daran gefunden, anderen etwas vorzusingen. Das ist einfach so. Aber wenn ihr möchtet, werde ich euch ein paar Lebensweisheiten servieren, mal sehen, was ihr dazu sagt."
Sie schloss für einen Moment die Augen, fühlte in sich hinein und begann schließlich zögerlich, später flüssiger ihren Beitrag für diesen geselligen Abend zu leisten. Die Ansichten konnten vielleicht die anderen anregen, ihre Erfahrungen und Meinungen kundzutun, sie war gespannt auf die Reaktionen.
"Ich habe gelernt, dass es Jahre braucht, Vertrauen aufzubauen, aber nur Sekunden um es zu zerstören.
Ich habe gelernt, dass egal wie gut ein Freund ist, er mich von Zeit zu Zeit verletzt und ich ihm verzeihen muss.
Ich habe gelernt, dass es Übung braucht, Verzeihen zu erlernen.
Ich habe gelernt, dass ich niemanden dazu bringen kann, mich zu lieben. Alles was ich tun kann ist, jemand zu sein, der liebenswert ist. Der Rest liegt an dem Anderen.
Ich habe gelernt, dass es Menschen gibt, die mich aufrichtig lieben, aber nicht wissen, wie sie es zeigen sollen.
Ich habe gelernt, dass, wenn zwei Menschen sich streiten, das nicht bedeutet, dass sie sich nicht lieben. Und nur weil sie sich nicht streiten, bedeutet es nicht, dass sie es tun.
Ich habe gelernt, dass es viele Wege gibt, sich zu verlieben und verliebt zu bleiben.
Ich habe gelernt, dass Menschen, die mir viel bedeuten, mir oft viel zu früh genommen werden."
An dieser Stelle stockte der Redefluss für einen Moment. Samira schluckte, fügte aber eine weitere Aussage an, denn sie wollte nicht mit Trauer, sondern mit Hoffnung ihre Beiträge beenden.
"Ich habe gelernt, dass tiefe Liebe selbst über große Entfernungen hinweg Bestand hat, wenn beide wissen, wie viel man geben muss und nehmen darf."
Hatte sie bisher mehr in den Raum hineingesprochen, blickte sie nun Assindius und Aintznane an. Ein Lächeln erschien.
"Und denkt jetzt bloß nicht, dass ich melancholisch bin. Mir geht es gut! Melancholie gehört so wenig zu mir wie ein Tobsuchtanfall. Es sind einfach ein paar Gedanken, die mich sicherlich irgendwann einmal beschäftigt haben, aber die deswegen nicht aktuell sein müssen, mehr nicht."