Beiträge von Samira

    Samira rollte mit den Augen. Dass sich Männer immer so produzieren mussten ... vor allem germanische Männer. Assindius hätte sie inzwischen aus dem Kopf zeichnen können, so oft er hatte er sich bereits vor ihr bewusst entblättert. Sie stemmte die Hände in die Hüften, stellte sich etwas breitbeinig auf und neigte den Kopf abschätzend zur Seite, als sie die "Pracht" in Augenschein nahm. Sicherlich war er gar nicht so schlecht gebaut, aber sie wollte ihn von seinem Angebersockel stoßen.


    "Hat jemand von euch was Besonderes gesehen? Also ich nicht." Samira schaute triumphierend in die Runde. Immerhin war er aus dem Teich gekommen, mehr wollte sie ja nicht.
    Sie trat an Nordwin heran und senkte unwillkürlich die Stimme.


    "Ich habe einen schwierigen Auftrag erhalten, der zudem vertraulich zu behandeln ist. Fiona hatte die Idee, dass du jemanden kennen könntest, der mir was besorgen kann. Etwas, ähm ... Unübliches."


    Sie schaute ihn beschwörend an.

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    Sharif staunte nicht schlecht, als er anstelle eines Besuchers eine junge Frau erkannte, die zwar einerseits seine Blicke durch ihre Optik band, aber an der er andererseits auch unzweifelhaft Merkmale einer Sklavin erkannte. Er verrenkte den Kopf, um die zugehörige Herrin oder den Herrn, der normalerweise im Hintergund wartete, zu entdecken, aber vergeblich. Sie war alleine gekommen und stand nun wie ein Gast vor der Tür.


    Du möchtest etwas ausrichten, oder?, fragte er skeptisch.

    Samira blickte zunächst, wie Minna, irritiert, als Fiona mit der negativen Nachricht kam. Sie konnten doch unmöglich im Garten so einen Auflauf veranstalten. Sowas fiel doch auf! Da hatte Minna vollkommen Recht.


    "Was mache ich denn jetzt?", dachte sie laut, während Fiona stehenden Fußes kehrt machte und bereits wieder nach draußen ging. Sie forderte Minna mit einem Winken auf, ihr zu folgen, bevor sie zu laufen anfing. "Fiona! So warte doch!"


    Kurz vor dem Hinterausgang hatte sie Fiona eingeholt.


    "Dieser Dummschädel! Er bringt noch alles in Gefahr", fluchte sie und sah sich dabei nach Minna um. "Uns bleibt nichts anderes übrig, wir müssen wohl nachgeben, aber irgendetwas lasse ich mir einfallen, das steht fest."


    Mit diesen Worten trat Samira aus dem Haus. Sie ließ sich durch Fiona zeigen, an welcher Stelle des Gartens Norwin steckte. Als sie am Teich angekommen war, hatte sie auch bereits eine Idee. Sie entdeckte Wäschestücke am Uferrand, die sie zwar nicht auf Anhieb als Kleidung oder Tuch zum Abtrocknen identifizieren konnte, aber letztlich war das auch egal. Hauptsache war, dass Nordwin das Zeugs brauchen würde. Sie schritt energisch darauf zu, griff sich die Sachen und hielt sie hoch.


    "Kommst du nun und bist uns behilflich?"

    Samira fand die Verzögerung nicht gut, konnte aber nichts anderes machen, als warten bis Nordwin endlich eintraf. Währendessen grübelte sie darüber nach, wohin sie sich zuerst wenden sollte. Sie besaß keinerlei Erfahrung in solchen Aufträgen, wusste nur, dass sie diskret vorgehen musste.


    Die Sklavin Minna wirkte auf sie schüchtern, weil sie kaum etwas sagte und aus ihren Worten zudem wenig Mut sprach. Wird schon noch werden mit der Kleinen, dachte sie bei sich, während sie aus der Tür spähte, um nach Fiona und Nordwin zu schauen. Kurz nachdem sie wieder in das Zimmer gegangen war, hörte sie jedoch Schritte. Sofort war sie erneut an der Tür und begrüßte Fiona beim Eintreffen mit einem Nicken.

    Samira zupfte sich mehrmals an der Nase, weil sie so besser nachdenken konnte. Nordwin. Sie kannte ihn damals aus Mantua, das war gut zwei Jahre her. Einen schlechten Eindruck hatte er nicht auf sie gemacht, aber ob das gut war, wenn zu viele von ihrem Auftrag wussten? Andererseits blieb es ja unter den claudischen Sklaven, was Sicherheit gab. Schließlich hatte sie sich durchgerungen.


    "Ich merke schon, mehrere Köpfe denken besser als einer. Es ist gut, dass ich mich mit euch absprechen kann, so kommen wir schneller zu Lösungen. Fiona, gehst du fix Nordwin holen?"

    "Nun ja.", antwortete Samira auf die Auskunft, dass sich Fiona nicht auskannte. Sie hatte es ja bereits vermutet gehabt. "Ich kenne mich zwar aus, aber das wird uns auch nicht großartig helfen, weil ich mich nämlich nicht darin auskenne, Hinterhofwohnungen zu finden, wo man an Waren kommt, die nicht üblicherweise auf dem Markt vertrieben werden."


    Samira seufzte. Es musste sich eben alles ergeben.


    "Eines lass dir aber gleich zu Beginn einmal gesagt sein, und Minna betrifft das ebenso: Eine Sklavin stellt niemals Fragen, sie führt still die Anweisungen aus. Ich habe den Auftrag erhalten und nicht nachgefragt, so ist das.
    Hat jemand von euch Erfahrung darin, wo man Vertreiber von derart ausgefallenen Produkten finden kann? Wie man sie findet? Zu einem seriösen "Händler" brauchen wir erst gar nicht gehen, er würde nur viele Fragen stellen. Wir müssen, so denke ich mir das jedenfalls, auf den schwarzen Markt."

    Als Minna eintraf, nickte Samira zufrieden. Zwar wartete sie immer noch auf eine Antwort, ob die anderen sich in Rom auskannten, aber im Grunde wollte sie recht schnell losgehen. Sie wollte sich bereits umdrehen und mit einem Wink Minna und Fiona zum Folgen animieren, da stockte sie im Schritt. Wie sollten ihr die beiden behilflich sein, wenn sie nicht einmal im Ansatz wussten, was oder wen sie suchte? Samira stand in einem Gewissenskonflikt, sagte sich aber letztlich, dass jede Schwatzhaftigkeit vom Hausherrn auf das strengste geahndet wurde. Sicherlich wussten das die beiden bereits, also entschied sie sich für das Risiko bei gleichzeitig sich bietender Unterstützung.


    Sie winkte die beiden nahe zu sich heran, damit kein Unbefugter etwas hören konnte. Als sie ganz nahe standen, flüsterte sie:


    „Wir müssen jemand in Rom finden, der Gift verkauft. Es soll wirksam sein, und wir müssen die Angelegenheit ganz vertraulich behandeln. Ihr dürft mit niemand darüber reden!“


    Samira hatte eindringlich gesprochen und dabei große Augen gemacht, um die Worte zu unterstreichen.

    „Wunderbar, dann fehlt nur noch Minna. Kommt sie gleich?“


    Samira reckte sich und schaute Fiona über die Schulter. Als sie niemanden in ihrem Rücken entdeckte, stellte sie sich wieder hin. Ihr war klar, dass sie sich langsam überlegen musste, ob sie ihren Begleiterinnen den eigentlichen Grund der geplanten Unternehmung sagen sollte oder doch lieber nicht. Sie war unschlüssig. Erst einmal kennen lernen, dachte sie bei sich, dann entscheiden.


    „Wir müssen eine Anlaufstelle finden, von der ich leider bisher selbst nicht weiß, wo sie ist. Wir müssen uns durchfragen.“


    Samira zuckte mit den Schultern. Wie sollte sie plausibel erläutern, was sie geplant hatte, ohne jedoch zunächst allzu viel zu verraten?


    „Du kennst dich nicht in Rom aus, oder?“

    Samira traf spät am Abend ein. Sie war von der Reise derart ermüdet, dass sie sogar auf das Essen verzichtete und sich sofort zum Schlafen hinlegte. Später als sonst erhob sie sich am Morgen, aber da niemand mit ihrer Anwesenheit gerechnet hatte, fiel es auch keinem der Herren auf. Nach dem Ankleiden meldete sie sich dennoch beim Hausherrn, erstattet ihm Bericht und setzte ihn über den Wunsch ihrer Herrin in Kenntnis, für den sie zumindest für den heutigen Tag freien Bewegungsspielraum benötigte. Sie bemühte sich, die Informationen bezüglich ihres Auftrages nur in der Weise fließen zu lassen, wie es unbedingt nötig war. Ihrer Bitte, ihm für die Besorgungen weitere Sklavinnen zur Seite zu stellen, kam er nach. Je nachdem, wie gut oder schlecht sich das Vorhaben realisieren ließ, würde sie ihre Herrin im schlechtesten Fall in Italia erwarten. Ziel der Bestrebungen war jedoch, noch rechtzeitig nach Germania zurückzukehren.


    Nach der Mitteilung an Vesuvianus kehrte sie in die Sklavenquartiere zurück. Da sie den Herrn nur oberflächlich in ihr Vorhaben eingeweiht hatte, gab er ihr Minna und Fiona als Begleiterinnen mit. Unerfahrene Sklavinnen, deren Loyalität sich noch nicht erwiesen hatte. Samira musste vorsichtig sein.


    In den 18 Monaten in Germania wusste Samira natürlich nicht, wer von den neuen Sklaven Fiona und Minna hieß, daher war es das Einfachste, die Namen zu rufen:


    "Minna, Fiona?"

    Es war nichts Ungewöhnliches, dass Samira gerufen wurde, aber die Dringlichkeit, mit der dies geschah, war in diesem Landstrich, bei dem man eher einzuschlafen drohte als dass man sich hurtig bewegte, verwunderlich. So schnell sie konnte, eilte sie herbei, aber als sie anklopfte und das Zimmer betrat, wurde sie den Eindruck nicht los, dass es dennoch zu langsam war.


    „Herrin?“, fragte sie, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.

    Samira atmete erleichtert aus, als sie merkte, dass ihr Beitrag, auch wenn er keinen Gesang darstellte, angenommen wurde.


    "Du hattest auch schon einmal eine große Liebe? Was ist geschehen? Hast du sie verloren, ist sie entzwei gegangen?"
    Ich merkte, dass ich kaum etwas von Aintzane wusste, obwohl sie nun schon einige Monate bei uns lebte.



    "Wenn du möchtest, dann gebe ich noch eine kleine Zugabe. Hm, warte mal ...


    Ich habe gelernt, dass im Leben nicht zählt, was du hast, sondern wen du hast.


    Ich habe gelernt, dass ich mich nicht mit dem Besten, das Andere geben können, vergleichen darf, sondern mit dem Besten, das ich geben kann.


    Ich habe gelernt, dass ungeachtet dessen, wie wundervoll und einzigartig eine Beziehung ist, etwas anderes diesen Platz einnehmen kann, wenn der Andere es zulässt.


    Ich habe gelernt, dass zwei Leute, die genau die gleiche Sache
    betrachten, etwas total Unterschiedliches sehen können.


    Ich habe gelernt, dass, selbst wenn ich denke, ich habe nichts mehr zu
    geben, ich die Kraft finden werde zu helfen, wenn ein Freund nach mir ruft."

    "Ich möchte nicht singen", sagte Samira mit verzogenem Gesicht. "Irgendwann vor Jahren habe ich keine Freude mehr daran gefunden, anderen etwas vorzusingen. Das ist einfach so. Aber wenn ihr möchtet, werde ich euch ein paar Lebensweisheiten servieren, mal sehen, was ihr dazu sagt."


    Sie schloss für einen Moment die Augen, fühlte in sich hinein und begann schließlich zögerlich, später flüssiger ihren Beitrag für diesen geselligen Abend zu leisten. Die Ansichten konnten vielleicht die anderen anregen, ihre Erfahrungen und Meinungen kundzutun, sie war gespannt auf die Reaktionen.


    "Ich habe gelernt, dass es Jahre braucht, Vertrauen aufzubauen, aber nur Sekunden um es zu zerstören.


    Ich habe gelernt, dass egal wie gut ein Freund ist, er mich von Zeit zu Zeit verletzt und ich ihm verzeihen muss.


    Ich habe gelernt, dass es Übung braucht, Verzeihen zu erlernen.


    Ich habe gelernt, dass ich niemanden dazu bringen kann, mich zu lieben. Alles was ich tun kann ist, jemand zu sein, der liebenswert ist. Der Rest liegt an dem Anderen.


    Ich habe gelernt, dass es Menschen gibt, die mich aufrichtig lieben, aber nicht wissen, wie sie es zeigen sollen.


    Ich habe gelernt, dass, wenn zwei Menschen sich streiten, das nicht bedeutet, dass sie sich nicht lieben. Und nur weil sie sich nicht streiten, bedeutet es nicht, dass sie es tun.


    Ich habe gelernt, dass es viele Wege gibt, sich zu verlieben und verliebt zu bleiben. :)


    Ich habe gelernt, dass Menschen, die mir viel bedeuten, mir oft viel zu früh genommen werden."


    An dieser Stelle stockte der Redefluss für einen Moment. Samira schluckte, fügte aber eine weitere Aussage an, denn sie wollte nicht mit Trauer, sondern mit Hoffnung ihre Beiträge beenden.



    "Ich habe gelernt, dass tiefe Liebe selbst über große Entfernungen hinweg Bestand hat, wenn beide wissen, wie viel man geben muss und nehmen darf."


    Hatte sie bisher mehr in den Raum hineingesprochen, blickte sie nun Assindius und Aintznane an. Ein Lächeln erschien.


    "Und denkt jetzt bloß nicht, dass ich melancholisch bin. Mir geht es gut! Melancholie gehört so wenig zu mir wie ein Tobsuchtanfall. :D Es sind einfach ein paar Gedanken, die mich sicherlich irgendwann einmal beschäftigt haben, aber die deswegen nicht aktuell sein müssen, mehr nicht."

    Samira klatschte laut Beifall. Um möglichst von sich abzulenken, begann sie zu labern:


    "Toll, dass du die Übersetzung mitgeliefert hast, Aintzane. Und es war ein seht tiefsinniges Lied. Sehr gefühlvoll, sehr zum Nachdenken anregend. Wie geht es dir denn damit? Also ich bin ja schon gerührt, wie muss es dir erst damit gehen?
    Und Assindius, deine Lieder haben einen großen Unterhaltungswert, auch wenn ich kein Wort verstehe. Mich wundert nur - so grob wie du dich manchmal gibst, so leise und gefühlvoll kannst du wiederum singen. Worum ging es denn nun in diesem Lied?"


    Sie dachte ja nicht im Traum daran, etwas zu singen. Stattdessen hatte sie eine Frage gestellt und wartete geduldig auf die Antwort. Die auffordernden Blicke störten sie zwar und sie schaute irritiert von Aintzane zu Assindius und wieder zurück, aber nachgeben? Nö. Auf keinen Fall. Erst mal musste Assindius ohnehin antworten.

    Samiras Augen weiteten sich bis zu einer unnatürlichen Größe. 8o


    "ICH? Nie im Leben!" :D


    Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Singen kam für sie überhaupt nicht in Frage, nicht mal für Geld, aber was Aintzane zu bieten hatte, interessierte sie doch. Sie wandte ihr erneut den Blick zu und wartete ab.

    Samira bekam einen Lachanfall, als sie Aintzane zu Gesicht bekam. Dieses Bildnis müsste man glatt festhalten, überlegte sie, wusste aber nicht, wie sie es am besten bewerkstelligen sollte.
    Als sie sich beruhigt hatte, begann Assindius mit seiner Darbietung. Aus Selbstschutz fanden die beiden Zeigefinger den Weg in die Ohren, konnten aber nur bedingt den "Hörgenuss" abschwächen. Mit säuerlicher Miene sah sie ihn am Ende an.


    "Großartig! Und was heißt das übersetzt?"


    Samira hoffte, dass sich Assindius an ihre römische Abstammung erinnerte.
    Jäh kamen ihr Aintzanes Worte wieder in den Sinn. Sie drehte sich der Baskin zu.


    "Hast du wenigstens eine liebliche Stimme?", fragte sie skeptisch, wies doch die Gefährtin einen für eine Frau beachtlichen Körperbau auf, der einen ebenso beachtlichen Stimmkörper vermuten ließ.

    „Du meinst den Geruch?“, fragte Samira überflüssiger Weise. Ihre Stirn runzelte sich und ihr Mund verzog sich ärgerlich.


    „Ich bin vorhin in irgendeinen Fladen getreten, weiß nicht mal, von was für einem Vieh der stammt. Meine schönen Schuhe!“ Ihre Augen blickten resigniert, denn auch die zweite Reinigung hatte kaum eine Verbesserung gebracht. Dabei verfügte sie nicht über eine stattliche Anzahl an Sandalen, zudem waren diese ihre liebsten.


    „Kann man in diesem Landstrich denn nirgends hinlaufen, ohne den Kopf permanent am Boden haften zu haben?“


    Samira war sauer und wäre am liebsten wieder nach Italia abgereist.

    Die Sklavin öffnete nach der Auskunft die Tür und trat hervor. Sie musterte den Fremden kurz, dann lud sie mit einer Geste ein, ihr zu folgen. Da der Besucher nicht angekündigt war und offensichtlich weder zur Familie noch zum Freundeskreis gehörte, brachte sie ihn in das Atrium des Hauses.

    Es stand Samira nicht zu, sich darüber Gedanken zu machen, warum ihre Herrin, kaum dass sie in Germania eingetroffen waren, bereits Besuch bekam. Eigentlich hätte die Ankunft noch gar nicht durch die Klatschspalten gelaufen sein dürfen. Wie es ihre Aufgabe war, leitete die Sklavin den Besucher in das Atrium.


    "Ich werde die Herrin holen. Nimm so lange Platz."


    Samira eilte mit dem Gedanken davon, dass der Fremde unmöglich geladen sein konnte, denn dann wüsste sie davon. Daher sparte sie es sich zunächst, für eine Bewirtung zu sorgen. Sollte die Herrin das entscheiden.

    Am nächsten Tag begann für Samira wieder der alltägliche Dienst. Sie war für vielerlei zuständig, die Porta gehörte dazu. Als es klopfte, wandte sie sich ohne Verzögerung dieser Aufgabe zu, öffnete und steckte die Nase aus dem Türspalt. Sie war vorsichtig. In Germenien gab es immerhin einheimische Stämme, die den Römern nicht freundlich gesinnt waren.


    "Ja?" Sie war der Meinung, dass diese Bemerkung zunächst für den Besucher als Aufforderung reichen würde.

    Wüsste Samira von Assindius’ Gedanken, wäre sie durch Nachdenken reichlich abgelenkt gewesen. Er hatte Interessantes erwogen oder in Frage gestellt. Sie hätte ganz sicher befürwortet, dass es niemals nur einen Schuldigen gab. Jeder trug 50 Prozent des Anteils an allem, egal worum es ging. Ob bei einem Missverständnis, bei Verletzungen und selbst bei verbalen Grobheiten, die nur einer äußerte - stets gehörten zwei dazu, selbst bei einem Missverhältnis.


    Viel interessanter hätte Samira aber das Thema um die Wertigkeit verschiedener Lieben gefunden, denn sie fand nicht, dass jede gleichgroß und gleich wichtig war. Dafür waren sie einfach schon wegen der unterschiedlichen Beteiligten viel zu verschieden. Jeder Mensch war im Zusammenspiel mit einem neuen Partner eine Idee anders als mit jedem anderen zuvor. Einfach schon deswegen, weil der neue Partner mit seiner Persönlichkeit niemals dieselben Seiten anspricht wie sein Vorgänger. Hinzu kam, dass man Liebe ja auch noch verwechseln konnte. Nicht immer ist von Anbeginn klar, ob es sich um reine Liebe oder um eine Form von Abhängigkeit, dem übermächtigen Wunsch nach einer Zuflucht, einem starken Bedürfnis nach Geborgenheit, von tiefer Dankbarkeit oder sonst was handelt. Wichtig mag jede dieser Lieben für den jeweiligen Menschen sein, aber waren sie gleich wert? Oft genug geschah es, dass man den Trostpreis annimmt, wenn man eine große Liebe verloren hat, was nicht heißt, dass die neue Liebe schlechter ist, aber sie hat von vornherein nicht dieselbe Chance. Womöglich wäre sie unter anderen Umständen gar nicht zustande gekommen. Vielleicht aber lässt sich die eine Liebe auch deswegen nicht mit der anderen vergleichen, weil man stets neue Erfahrungen in die spätere einbringt. Und es gab Menschen, die konnten zudem bedeutend tiefer dringen als andere, denen man einst auch in Liebe verbunden war.


    Samira bemerkte Assindius’ Nachdenklichkeit, wartete aber geduldig, bis er sprach. Was er schließlich sagte, machte sie nachdenklich. Zuerst wollte sie aufbegehren, sah dann aber den Sinn der Worte ein. Seine nächste Bemerkung veranlasste sie zu einem Kopfnicken.


    „Das frage ich mich auch: Warum ist alles manchmal so kompliziert, wo es doch einfach nur schön sein könnte? Und in noch einem Punkt stimme ich zu: Man kann im Nachhinein nur dann ruhig schlafen, wenn man sich selbst sagen kann, ich habe alles probiert. Mal sehen, ob ich etwas unternehme, ich muss es erst überdenken. Ich glaube, man kann vieles verlieren, aber niemals sein Gesicht, selbst wenn man viel riskiert.“


    Sie seufzte, weil sie noch unschlüssig war, und doch hatte ihr das Gespräch sehr viel geholfen.