Beiträge von Herius Claudius Menecrates

    "Sondereinsatz Tiberufer. Durchgeführte Personenkontrollen. Keine besonderen Vorkommnisse. Bitte darum wegtreten zu dürfen", antwortete Purgitius.

    Im Moment, als Menecrates der Bitte eine Absage erteilen wollte, überlegte es sich Purgitius anders. Plötzlich sprudelte alles aus ihm heraus. Der Präfekt unterbrach aus Höflichkeit nicht, aber folgen konnte er dem Redeschwall auch nicht. Er löste sich bereits mittendrin aus seiner bequemen Haltung.


    "Eins nach dem anderen. Wir bleiben zunächst beim Thema und erörtern die Razzia, bevor wir über die Ausbildung sprechen. Dir ist aber hoffentlich klar, dass ich meine Entscheidung bezüglich der von dir angebotenen Ausbildung nicht begründen muss." Er hob die Brauen, senkte den Kopf und fixierte Purgitius nur durch einen Schlitz seiner Augen, um seiner Verwunderung Ausdruck zu verleihen, dann sprach er weiter.

    "Es fällt im Übrigen nicht in deinen Aufgabenbereich, die Arbeit anderer Offiziere zu bewerten." Eine unerwünschte Eigenschaft, wie Menecrates fand.


    "Kommen wir zur Razzia. Mich interessiert, in welcher Situation die Gruppe vorgefunden wurde, aus wie vielen Personen sie bestand und wie viele von diesen Personen einen Fischanhänger trugen." Bezugnehmend auf die - wie er fand - nicht sonderlich kluge Aussage "Genaueres war nicht spezifiziert" fügte Menecrates an: "Es empfiehlt sich, bei der Schilderung vom Ablauf der Razzia ebenso detailliert zu erläutern wie bei der von mir NICHT angeforderten Bewertung deines Ausbildungskollegen Octavius. Ich erinnere zudem daran, dass du als einziger Offizier bei der Unterredung mit dem Kaiser dabei gewesen bist, wo es explizit um den Fischanhänger der Vestallinnenmörderin ging, und ich angekündigt hatte, zusammen mit den Prätorianern einen Einsatz zu planen. Du höchst persönlich hast den Christen im Carcer verhört und ich hoffe, du erinnerst dich noch, was du dort erfragen solltest. Ich habe dich sogar ein zweites Mal zum Verhör geschickt, um ganz genau in Erfahrung zu bringen, wie so ein Fischanhänger aussieht. Keiner der anderen Offiziere besaß so viel Wissen wie du, daher hoffe ich, dass ich mich verhört oder dich falsch verstanden habe, dass dir nicht spezifisch klar war, worum es bei den Razzien ging."

    In Vorbereitung auf das Gespräch mit Cornicularius Purgitius ließ sich Menecrates am Vortag die Einträge in den Ausbildungsbüchern zeigen, sowie die Aufzeichnungen der neu Inhaftierten; er ließ Tirones und Augenzeugen der Ausbildung befragen, sowie den Centurio der beiden Contubernia, die an der Razzia unter dem Kommando des Purgitier teilgenommen hatten. Derart gerüstet begab er sich zum Besprechungsraum und nahm bereits Platz.

    Er grüßte zurück, als Purgitius eintrat, wies auf den Stuhl auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches und blickte den Cornicularius an.

    "Bevor ich auf die von dir zur Sprache gebrachten Themen eingehe, zwei Anmerkungen in eigener Sache. Zum einen sieht der übliche Ablauf bei Beförderungen die Empfehlung eines Vorgesetzten vor, oder alternativ die augenfällige Bewährung eines Kandidaten, auf die ich aufmerksam werde. Es kommt in der Regel der Vorgesetzte auf den Kandidaten zu und nicht umgekehrt. Zum anderen ist unter augenfälliger Bewährung im Fall von Ausbildung der Nachweis von EIGNUNG zur Ausbildung von Tirones zu verstehen, und keinesfalls die bloße Ableistung." Nach einer Atempause, fügte er an: "Du bist jung und unerfahren, daher nehme ich die teils falsche Herangehensweise nicht krumm, empfehle aber, sie zukünftig zu beachten."

    Er zog zwei Wachstafeln heran. "Beginnen wir mit der Ausbildung." Er suchte wieder den Blickkontakt und fuhr fort. "Nach Sichtung der Ausbildungsbücher liegt die Ausbildungszeit deiner Tirones weit unter dem Durchschnitt.

    Zum Vergleich: Eine der anderen Ausbildungen begann ANTE DIEM III NON FEB DCCCLXXII A.U.C. (3.2.2022/119 n.Chr.) und endete erst mit dem heutigen Antreten, während die von dir geleitete Gruppe den ersten Ausbildungsabschnitt erst ANTE DIEM VIII KAL APR DCCCLXXII A.U.C. (25.3.2022/119 n.Chr.) absolvierte, aber bereits ANTE DIEM VIII KAL MAI DCCCLXXII A.U.C. (24.4.2022/119 n.Chr.) als fertig ausgebildet gemeldet wurde - beide Ausbildungen selbstverständlich bei täglichem Training."

    Menecrates verschaffte durch eine Gesprächspause Purgitius die Möglichkeit, die Zeiträume zwischen den genannten Daten nachzurechnen.


    "Ich will nicht in Abrede stellen, dass du alles unterrichtet hast, aber um aus Tirones verlässliche Milites zu machen, bedarf es auch der Übung. Wir befinden uns nicht im Krieg, wir haben die Zeit dafür, und gerade die Razzien haben uns gezeigt, dass unsere Männer sämtliche Kampftechniken und Formationen bestens beherrschen müssen." Er warf einen Blick auf die oberste Wachstafel und gab in eigenen Worten wieder, was dort stand. "Sämtliche Übungsmärsche wurden korrekt abgeleistet. Zum Erreichen eines brauchbaren Ausbildungsstandes bedarf es aber noch einiger Trainingseinheiten bei allen Kampftechniken. Das Ausbildungssoll und somit auch dein Ausbildersoll sind noch nicht erfüllt. Das ist kein Beinbruch und lässt sich nachholen."

    Er legte die Tafel weg und griff zur zweiten.


    "Ein Hinweis noch. Die Mitteilung über ein Ausbildungsende ist in meinem Vorzimmer abzugeben. Der Vorschlag, einen Untergebenen zu befördern, ist ebenfalls in meinem Vorzimmer abzugeben. Mit anderen Worten: Es ist der Dienstweg einzuhalten.

    Durch deine Zuordnung 'Bekanntmachung' wurden die Tirones fälschlicherweise bereits in den Dienst übernommen. Das lässt sich kaum mehr rückgängig machen, deswegen müssen die noch abzuleistenden Trainingseinheiten unter der Bezeichnung Aufbautraining, Vertiefung oder ähnlichem laufen."

    Aus Menecrates' Sicht war alles geklärt. Er erwartete eine angemessene Nachbesserung der Tironesausbildung, legte die Tafel ab und kam zum nächsten Tagesordnungspunkt.


    "Auf das Thema Razzia konnte ich mich nicht vorbereiten, weil kein Bericht gefunden wurde, aber du sitzt ja hier und kannst mir Bericht erstatten."

    Er lehnte sich zurück, rutschte bequem zurecht und verschränkte die Arme. Erwartungsvoll blickte er Purgitius an.

    "So, so", entgegnete Menecrates auf Sabinas Erklärung, blickte streng, aber amüsierte sich gleichzeitig über die aufkommende Unsicherheit der jungen Frau. Nach der Entschuldigung konnte er nicht länger böse sein, denn Sabina traf noch nicht einmal Schuld, obwohl sie sich bemühte, dies glaubhaft zu behaupten. Ein Lächeln schummelte sich auf seine Lippen, die an den Enden - kaum merklich - einem Schwung nach oben bekamen. Nach seiner Ansicht reduzierten sich spätere Probleme, wenn bleibende Familienmitglieder mit einer gehörigen Spur an Respekt in die Wohngemeinschaft starteten. Der Grundstein diesbezüglich war gelegt, also lockerte sich der alte Claudier, während er Richtung Villa schritt und Sabinas Erklärung lauschte.


    "Tiberius Severus", wiederholte er, dabei kam ihm in den Sinn, dass er Onkel Myrtilus nicht sonderlich gut leiden mochte, was aber wohl daran lag, dass der Onkel scheinbar nie jung gewesen und demzufolge ausschließlich Spaßverderber war. "Mit meinem Cousin habe ich mich immer gut verstanden", entgegnete er, ohne zu bemerken, dass Sabina die Gedankenverknüpfung nicht kannte und demzufolge die Aussage komisch klingen musste. Vielleicht aber auch nicht.

    Dass Sabinas Mutter anschließend einen Ritter ehelichte, wäre in Menecrates' Familie unmöglich gewesen. In der Claudia heirateten alle standesgemäß.

    "Wie gut, dass du jetzt hier bist", rutschte ihm daher heraus. "Eine Claudia ist immer etwas Besonderes..." ...und gehörte in eine passende Obhut, fügte er in Gedanken an. Er warf einen Seitenblick auf Sisenna, um zu überprüfen, wie seine Aussage bei ihr ankam. Er wollte keinesfalls dem ohnehin großen Selbstbewusstsein des Mädchens weiteren Aufschwung verleihen.

    Die Gruppe gelangen zum Durchgang ins Peristylium und Menecrates strebte einer Sitzecke zu.

    "Ich möchte mir gern den Brief deiner Mutter durchlesen", erwiderte er, während er sich in einem Korbsessel niederließ. "Ich warte hier auf dich, und du Sisenna", sein Blick änderte sich von freundlich zu streng, "gehst auf dein Zimmer und denkst darüber nach, was du heute alles falsch gemacht hast."

    "Ja, Bescheidenheit ist eine der Tugenden dieses Kandidaten", behauptete Menecrates lächelnd, nachdem er die Freigabe zur Wortmeldung erhalten hatte. "Nicht weglaufen, Helvetius Faustus. Nimm den Raum ein, denn die Bühne gehört jetzt dir."

    Der Claudier wartete, bis Faustus wieder den Platz eingenommen hatte, dann fuhr er fort.


    "Ich kann bestätigen, dass Helvetius Faustus die Werte seiner Gens in hohem Maße vertritt. Abstriche würde ich beim Stolz machen, dafür ist er zu bescheiden, was wiederum gut mit der von ihm genannten Zurückhaltung harmoniert. Mut und Pflichtbewusstsein besitzt er beides, was er in der langen Zeit als mein Privatsekretär und Liktor unzählige Male unter Beweis gestellt hat. Zuverlässigkeit und Loyalität sind ihm ebenso zu eigen. Ich kann behaupten, dass niemand während meiner Praetur und dem Consulat hätte besser für mich arbeiten können, daher unterstütze ich schon alleine aus diesem Grund die Kandidatur, und es spielt keine Rolle, dass Helvetius mein Klient ist, denn das ist er wegen seiner Verdienste geworden. Rom kann nur profitieren, wenn er ein Amt übernimmt. "

    Nach kurzer Atempause entschloss sich Menecrates, etwas anzufügen. "Wegen der langjährigen bewährten Zusammenarbeit begrüße ich die Präferenz für den Tresviri capitales."

    Nach diesem Zusatz hielt Menecrates das Wesentliche für gesagt und setzte sich wieder.

    Ein Nicken erwiderte den Gruß, dann hörte sich Menecrates das Anliegen an, hob die Brauen und senkte sie aber wieder, bevor er sprach.

    "Das ist ja schön, dass du höflich darum bittest, dein Vorgehen entspricht aber nicht den Gepflogenheiten." Für ein solches Gespräch musste sich der Praefectus vorbereiten, schließlich hatte er nicht alles im Kopf und auf Selbstaussagen wollte er sich nicht verlassen.

    "Ich werde dein Anliegen prüfen. Du kannst morgen zur zweiten Stunde in den Besprechungsraum kommen. Für heute kannst du wegtreten."

    Der Innenausbau hatte vor Monaten begonnen und stand fast vor dem Abschluss. Erste Räume erhielten bereits ihre Einrichtung, während in anderen noch Türen eingebaut oder der Fußboden gelegt wurde. Die Böden wirkten trotz der guten Qualität einfach. Es gab keinen Luxus und keine Schnörkel, denn hier entstand eine Urbanerstation.

    Gerade traf ein Karren mit Stühlen ein, der von fleißigen Helfern abgeladen wurde. Die Räumlichkeiten im Erdgeschoss, der Wacheingang, der Altar und ein Raum zum Empfang für die Bürger oder Staatsangestellten erhielten das letzte Mobilar, bevor es im ersten Stockwerk weiterging. Bis zur Einweihung blieb nicht mehr viel Zeit, aber die Beteiligten zeigten sich zuversichtlich, zumal das Projekt bestens geplant wurde und die Sicherheitsvorkehrungen dafür sorgten, dass sich der Fertigstellung keinerlei Hindernisse in den Weg stellten. Die Wachposten hatten für eine reibungslose Bauphase gesorgt und zum jetzigen Zeitpunkt, wo der Zutritt nur noch über den Wacheingang erfolgte, erwiesen sich die Kontrollen als leicht.

    Octavius beobachtete den Praefectus bis er Platz genommen hatte. „Ich bemühe mich darum, doch um ehrlich zu sein habe ich aber gar nicht geschlafen. [...]

    Den Erklärungen lauschte Menecrates interessiert. Sein Terminplan erlaubte es nicht, zu den Zeiten, wo Faustus Wahlkampf betrieb, als Zuschauer zu fungieren. Abgesehen davon wollte er das auch nicht, denn der Helvetier sollte sich dem Volk derart präsentieren, dass sie ihm Eigenständigkeit attestierten.

    "Es freut mich, dass du als Wahlhelfer für Helvetius tätig bist. Natürlich darf das keine Auswirkungen auf deinen Dienst haben, aber grundsätzlich befürworte ich deinen Einsatz, weil ich die Kandidatur begrüße." Die Unterstützung des Claudiers würde im Senat stattfinden - dort, wo es darum ging, die erforderliche Anzahl an Wahlstimmen zu erreichen.

    Nicht minder interessiert hörte er den Ausführungen zum Stand der Ausbildung zu. Er benötigte Nachschub, weil nicht nur die Verpflichtungen generell stiegen, sondern auch die neuen Standorte besetzt werden mussten, um dem erhöhten Sicherheitsbedarf in Rom Rechnung zu tragen.

    Er überschlug die Zeit im Kopf und nickte. "Dann läuft ja alles planmäßig."

    Zusätzlich freute es ihn zu hören, dass die Neuzugänge eine gute Einstellung attestiert bekamen. Wer zeitnah viele Rekruten einzog, konnte sich dessen nicht immer sicher sein, auch wenn die Ausbildung selbst für Selektion sorgte.

    Menecrates überlegte kurz, während er sich einen Schluck des stets bereitstehenden Wassers genehmigte.

    "Gut möglich, dass ich noch abgehetzt vom Wechsel zwischen Castra und Praefectura Urbis und deswegen unkonzentriert bin, aber was war noch der Grund, weswegen du auf mich gewartet hast?" Ihm zu sagen, dass sein Vorzimmeroffizier müde den Dienst nachkam, konnte es kaum sein. Das hätten viele eher verheimlicht als gemeldet.

    Er selbst hatte keine weiteren Anliegen mehr, erwartete aber, dass noch etwas von Octavius' Seite kam.

    Ob es nun seine Freunde oder Gegner wussten, aber Menecrates konnte sehr leicht besänftigt werden. Einsicht und Reue, mehr brauchte es dafür nicht. Von einer Besserung in der Zukunft ging er stillschweigend aus.

    "Dann bin ich ja beruhigt", erwiderte er und ließ sich mit einem Seufzen auf den Stuhl plumpsen. "Nicht mehr solche Dinger am Morgen, Octavius!" Der mahnende Zeigefinger blieb eine Weile erhoben, bevor Menecrates die Hand auf die Tischplatte legte. "Das verdirbt den gesamten Tag." Er wiegte den Kopf und fügte an. "Vielleicht einfach mal zeitiger schlafen gehen, Octavius, und davor ein Aufenthalt im Freien. Bei Vogelgezwitscher kommen die Gedanken zur Ruhe und die Anspannung fällt ab. Danach kann zumindest ich immer gut schlafen." Der Claudier benötigte viel Schlaf, Zeit seines Lebens, und achtete darauf, dass er ihn bekam.


    "Wenn du aber einmal hier bist, kommen wir gleich zum Dienstlichen. Wie läuft es mit der Ausbildung? Wann hast du sie gestartet und wann schätzt du, wird sie abgeschlossen sein?"

    Fast hätte Menecrates die Begrüßung überhört, weil sie unscheinbar ausfiel. Er war ein anderes Auftreten gewohnt, er erwartete ein anderes und er bestand auf ein anderes. In seine aufkommende Unzufriedenheit sickerte die Verwunderung über den Namen, der in diesem Moment fiel. Er runzelte die Stirn, weil er sowohl das Auftreten seines Cornicularius unangebracht, als auch dessen Anliegen rätselhaft fand.

    "Ja, kenne ich. Ist ihm etwas passiert?" Wenn, dann musste es etwas Außerordentliches sein. Vielleicht saß Faustus ein?

    In Menecrates kam nicht der Gedanke auf, woher Octavius seinen Klient Faustus kannte. Bisher deutete nichts darauf hin.

    Froh darüber, keinen Schritt weiterlaufen zu müssen, erwartete der Claudier das ungleiche Gespann. Er legte sich Worte der Rüge für Sisenna zurecht, aber es kam anders, denn Sabina fand eine Menge Worte nach ihrem Gruß, den er nicht einmal erwidern konnte, weil ihn der Inhalt ihrer Aussage beschäftigte.

    "Also, nur dieser Teil ist wild", erklärte er und hob die Hände, als wäre es undenkbar, das gesamte Anwesen derart gestaltet Besuchern zu präsentieren. "Selbstverständlich existiert auch ein linear angelegter repräsentativer Garten innerhalb der Anlage mit Statuen, Lauben, Alleen, Wasserläufen und Wasserbecken." Menecrates befand sich in seinem Element, merkte aber zeitnah, dass er nicht einmal den Gruß erwidert hatte.

    "Ich grüße dich Sabina und heiße dich herzlich willkommen!" Er lächelte, was er vor Momenten nicht für möglich gehalten hätte, bevor er sich - wieder ernst - Sisenna zuwandte, die sich in das Gespräch der Erwachsenen mischte.

    "Kleines Fräulein, wann dürfen Kinder reden?" Er blickte streng. Er musste streng blicken, um ernst genommen zu werden, was er bei Sisenna oft anzweifelte. Das Kind teste beständig seine Grenzen aus.

    "Empfangen und umsorgen sieht bei mir anders aus und ich bin ganz sicher, dass ich meine Vorstellung immer verständlich kommuniziert habe. Du weißt außerdem, dass Ulf frei läuft." Er bemühte sich, noch eine Spur strenger zu blicken, bevor er sich wieder an Sabina wandte.

    "Claudia Sabina", wiederholte er und überlegte, weil er sich nicht auf die Begegnung vorbereiten konnte und demnach nicht auf Anhieb wusste, wie er mit Sabina verwandt war. Wäre sie in der Villa Claudia aufgewachsen, wüsste er es. "Wie geht es deinen Eltern?"

    Er wandte sich um, denn er wollte zur Villa zurück. Dabei setzte er voraus, dass es ihm die beiden gleich taten.

    Als der Praefectus Urbi kam, wurde er bereits erwartet. Das kam nicht oft vor. Um ehrlich zu sein, konnte sich Menecrates nicht erinnern, dass es jemals vorkam.

    "Salve Octavius. Na, probst du schon einmal für den Tag, an dem du mich ablöst?" Er schmunzelte auf dem Weg zu seinem Schreibtisch, legte die mitgebrachte Akte ab und blickte zu Octavius. "Ich nehme an, es gibt Redebedarf oder eine Meldung. Was ist es?" Er wies auf den freien Platz ihm gegenüber für den Fall, dass die Unterredung länger dauern sollte.

    Obwohl Menecrates seinen umfangreichen und verantwortungsvollen Dienst gern verrichtete, freute er sich auf den Feierabend, weil dieser Entspannung vom anstrengenden Tagesgeschäft versprach. Zwar traf das nicht auf jeden der Abende zu, aber auf die meisten. Einzelne Tage fielen besonders aus der Reihe, wozu der heutige zählte. Dazu gehörte nicht die Tatsache, dass der Hausherr unmittelbar nach seinem Eintreffen über die Anreise eines Familienmitgliedes informiert wurde, sondern die Mitteilung, dass sich die junge Claudia in Begleitung der vorwitzigen Sisenna im Garten aufhielt. Der Hausherr seufzte, bevor er sich ohne Aufenthalt Richtung Garten begab. Er hätte liebend gern die Toga abgelegt, aber den Zeitverzug wollte er nicht riskieren, weil nicht einmal er einzuschätzen wusste, wie der Wolf reagierte, wenn er Fremde sah.

    Er ließ sich die Richtung weisen, in der das ungleiche Paar die Exkursion durch die Anlage begonnen hatte und wenig später den Blicken der Angestellten entschwand, dann winkte er seinen Leibwächter heran und schickte eine junge Sklavin, die in der Regel das Füttern übernahm, halbrechts auf einen Parallelweg. Der Wolf wurde nicht täglich gefüttert, sondern - wie das für seine Art unabdingbar war - nur an jedem zweiten Tag und dann in Übermengen. Eine regelmäßige Fütterung, wie die von Hunden, vertrug ein Wolf nicht.

    Menecrates nahm den Hauptweg und trennte sich von Marco am nächsten Abzweig. Der gefächerte Suchtrupp sollte die Chancen des Auffindens erhöhen. Der Claudier versuchte, sich in die kleine Sisenna hineinzuversetzen, was ihm regelmäßig misslang, wenn es um Mädchenthemen ging, aber in Bezug auf Taktik lag die Kleine oft nicht schlecht, was an ihrem wachen Geist liegen mochte. Demzufolge betrat Menecrates den Teil der Parkanlage, die ursprünglich angelegt wurde, um dem Wildtier ausreichend Versteckplätze zu bieten. Allerdings erwies sich die Kombination 'Toga und Wildwuchs' als wenig ratsam. Menecrates unterdrückte diverse Flüche und die Götter belohnten ihn dafür mit der Sichtung eines Farbkleckses, der nicht zur natürlichen Umgebung gehörte. Sein Blick haftete auf dem Stoff, der soeben von einem Windhauch erfasst und etwas angehoben wurde, als er auch freie Sicht auf die gesamte Gestalt erhielt. Sisenna wirkte klein neben ihr.

    "Kehrt Marsch und vor mir antreten!"

    Als Ravilla das richtige Resümee zog, nickte Menecrates, ohne sein Lächeln aufzugeben. Er richtete den Kopf wieder auf und wurde ernst. Weder erwartete er eine vom Kaiser beauftragte Qualitätskontrolle, noch hielt er sie für angebracht oder notwendig. Er betrachtete das Thema daher für ausreichend erörtert und im beiderseitigen Einvernehmen für erledigt. Eine helfende Hand hätte er zur rechten Zeit gern in Anspruch genommen, allerdings hatte der Vigintivir diesen Zeitpunkt verpasst. Es würde sich zeigen, ob in der verbleibenden Amtszeit eine Gelegenheit zur Unterstützung mit dem Einsatz des Seius zeitlich zusammentraf.

    "Gut, dann wäre aus meiner Sicht alles geklärt." Er wartete auf ein Zeichen, ob dasselbe auf seinen Gast zutraf. In diesem Fall würde er die Unterredung zu einem Abschluss bringen. Er stellte zufrieden fest, dass keinerlei sensible Themen vertieft wurden, sodass der Begleiter des Seius im Raum verbleiben durfte, denn andernfalls hätte dieser - wie zuvor Purgitius - den Raum verlassen müssen.

    Das anfängliche Geplapper ließ Menecrates über sich ergehen, bis der Mann zur Sache kam. Ab da achtete der Claudier auf jedes Detail der Aussagen. Am Ende bestand für ihn kein Zweifel, dass der Fremde Tiberius und Linos getroffen haben musste, denn darauf deuteten die Schilderung der Charaktere in ihrem Auftreten. Zudem kannte niemand die Mission und obwohl Linos viel redete, wenn der Tag lang war, plauderte er nichts von Wichtigkeit aus. Der Fremde musste Zeitzeuge gewesen sein. Damit stand fest, Tiberius lebte und sie befanden sich bereits auf der Rückreise.

    Obwohl sich Menecrates freute, blieb er in seinem Äußeren ungerührt, denn es galt, eine Lösung für den Fremden in seinem Tablinum zu finden.

    "Dafür, dass ihr uns beobachtet und über uns redet, habt ihr erstaunlich wenig verstanden. Nimmst du im Ernst an, mein Leibwächter entscheidet darüber, ob du entsorgst wirst oder nicht?" Menecrates schüttelte den Kopf, obwohl es ihm egal sein könnte, was der Mann vor ihm dachte. Es spielte nicht einmal eine Rolle, ob der ihn wieder ansah oder weiter zu Marco blickte.

    "Du hast brauchbare und vor allem glaubhafte Informationen überbracht, allerdings glaube ich nicht, dass du noch mehr weißt. Du bist daher nicht mehr von Nutzen für mich und kannst gehen."

    In der Phase, wo die Wünsche und Bitten der Menschen per fumum Richtung Himmel aufstiegen und der Rauch die Verbindung zu den Göttern und Geistern herstellte, herrschte andächtiges Schweigen auf dem Platz. Da kein Windhauch aufkam, der den Rauch zu Boden drückte oder auch nur die Rauchsäule abknickte, durfte die Gesellschaft annehmen, dass ihrem Ansinnen Gehör geschenkt wurde. Und doch stand längst nicht fest, ob die Götter und Geister dem Anliegen der Bebauung gnädig gegenübergestanden, denn in einer Höhe von vier oder fünf Doppelschritten sammelte sich der Rauch und es zeichnete sich lange keine Richtung ab, in die diese unglaublich dicke Rauchwolke entschweben wollte. Es schien, als wären die ehemals hier Lebenden selbst unschlüssig, ob sie der Anfrage der hier Versammelten nachgeben sollten. Doch dann, endlich, lösten sich erste Rauchfetzen und zogen gen Himmel. Weitere folgten und schließlich stiegen die Schwaden in einer leicht gekräuselten Säule nach oben.

    Ohne Verzug folgten die Vorbereitungen für die Opferung an die Göttertrias, die als Zeuge für die Weihe des Bauplatzes und die soeben gegebene Zustimmung der Genii Loki diente. Der Praefectus Urbi traf im Vorfeld seine Wahl, welche drei Götter er anrufen wollte, und entschied sich für Iupiter, Quirinus und Mars - die altrömische Göttertrias. Nicht ohne Grund griff Menecrates auf diese drei männlichen Götter der Frühzeit zurück. Zum einen gab er immer wieder dem Bedürfnis nach, alte Traditionen aufzufrischen, und zum anderen bauten sie auf diesem Grund eine Castra, in der Soldaten stationiert sein würden. Er wählte den Gottvater und zwei Kriegsgötter aus. Der Hügel Quirinal, an den westlich der Campus Martius grenzte, trug zudem den Namen des Quirinus und genau hier würde die Castra Urbana einst stehen.


    In jede der drei kleineren Opferschalen gab Menecrates Getreide und Mola Salsa, beobachtete die Rauchentwicklung und öffnete zum Gebet die Handflächen nach oben.

    "Iupiter – Vater der Götter und Menschen, Regent des Weltalls. Du, der die höchste Macht, Weisheit und Gerechtigkeit besitzt. Du ordnest den Wechsel von Tag und Nacht und den der Jahreszeiten an, dir gehorchen die Winde, du sammelst und zerstreust die Wolken und lässt den fruchtbaren Saatregen auf die Felder und Fluren herabströmen. Doch du bist nicht nur höchster Herrscher im Donnergewölk, du nimmt dich auch den Menschen an.

    Mars – Schutzgott unseres Staates neben Iupiter. Wir, die Soldaten Roms, Söhne des Mars, rufen heute auch dich an. Nicht, weil wir in eine Schlacht ziehen und deine Wachsamkeit über unser Leben begehren. Auch nicht, weil wir dir Kriegsbeute darbringen wollen. Zeuge sollst du sein bei diesem unblutigem Akt der Besänftigung der Genii Loki.

    Quirinus – Anverwandter des Mars, sein alter Ego, als der du gesehen wirst. Einst großer Kriegsgott Roms und die Bürger Roms werden in Anlehnung an dich als Quiriten bezeichnet. Auch dich bitten wir als Zeuge."

    Mit einer Körperwendung nach rechts schloss er die Bitte ab, sprach noch einige Worte über seine Frömmigkeit und gelobte Sorge zu tragen, dass die römischen Götter stets geehrt werden würden, solange er das Amt des Praefectus Urbi innehatte, und er mit aller Macht gegen Gotteslästerer vorging, wozu diese Castra ebenfalls dienen würde.


    Die Opfergaben schmolzen in den Schalen dahin, dünner und dünner wurden die Rauchsäulen. Manch Funken sprang aus dem Kohlebecken, manch Rußpartikel flog durch die Luft, doch unbeirrt stieg der Rauch auf.

    Im Ergebnis wurde das Opfer angenommen, die ehemals hier lebenden Wesen zeigten sich dem Vorhaben gegenüber geneigt, die Göttertrias kam der Bitte nach Bezeugung nach. Der Akt war vollbracht und die Weihe abgeschlossen.

    Umbenennung der Kohorten


    Im Zuge der Aufstockung aller Stadteinheiten ändert sich bei den Cohortes Urbanae die Bezeichnung der Kohorten.


    Aus ehem. Cohors XI innerhalb der Castra wird: Coh I CU

    Aus ehem. Cohors XII innerhalb der Castra wird: Coh II CU

    Aus ehem. Cohors XIII innerhalb der Castra wird: Coh III CU

    Aus ehem. Cohors XIV innerhalb der Castra wird: Coh IV CU

    Die zusätzliche Einheit trägt die Bezeichnung: Coh V CU


    itcrom-praefectusurbi.png

    Wie so oft in der Vergangenheit, erzeugte Ravillas Auftreten in Kombination mit dessen Äußerungen ein unterhaltsames Vergnügen mit einer Spur Belustigung beim Claudier. Er hatte noch nie einen Römer diesen Schlags getroffen und führte das auf die fremdländischen Wurzeln zurück. Aus diesem Grund reagierte er mit Verständnis und ging auf die Aussagen nicht nur dienstlich, sondern vor allem zwanglos ein.

    "Selbstverständlich diente jeder deiner Handgriffe den Interessen Roms. Alles andere ist für einen Magistraten inakzeptabel." Menecrates bemühte sich um Ernsthaftigkeit, konnte aber nicht verhindern, dass in seinen Augen das Vergnügen aufblitzte. Keinesfalls durfte der vorwitzige rechte Mundwinkel an Breite und Höhe zulegen. Um die Kontrolle zu festigen, nahm er einen weiteren Schluck, stellte den Becher ab und tippte für einen Moment mit dem Zeigefinger in die Luft.

    "Allerdings - und vielleicht hilfst du mir auf die Sprünge - entdecke ich Roms Interesse an der Sichtung bereits abgeschlossener und ausgewerteter Fälle nicht." Er legte den Kopf schief, hob die Brauen und schmunzelte.


    Wieder ganz und gar ernst ging er auf die Frage nach der Zusammenarbeit ein.

    "Aber natürlich ist künftig die Zusammenarbeit der Cohortes Urbanae mit den Tresviri capitales erwünscht, das war sie immer. Sie möge für Rom und damit den Kaiser, aber genauso für die beteiligten Seiten nutzbringend und zielführend sein." Er lächelte wohlwollend und ohne jeden Anflug von Amüsement. "Vielleicht ergibt sich ja kurzfristig ein neuer Fall."

    Eigentlich hätte er darüber hinweghören können, aber er entschloss sich doch zu einer Bemerkung.

    "In welchen Kreisen erzählt man sich denn, dass Patrizier höflich zu Erpressern sind?" Er blickte dem Fremden an, ohne ihn ernst zu nehmen, und ließ die Frage nach dem Sitzplatz ebenfalls ungehört im Raum stehen. Da er nicht wusste, was an Erklärungen kam, konnte er auch nicht voraussehen, ob er sie unter Geschwätz oder wertvoll verbuchen konnten. Die Skepsis blieb, aber er hörte zu. Immerhin lautete so das Erste seiner Angebote: dem Mann zuhören, bewerten und im Falle von Glaubhaftigkeit laufen lassen.

    Die geschilderte Szenerie klang passend, denn der Fremde konnte weder von zwei Sklaven wissen noch von der Mission, auf die Menecrates sie geschickt hatte. Er kniff die Augen zu einem Spalt zusammen, überlegte und kam zu dem Schluss, seine zeit nicht zu verschwenden, wenn er weiterfragte.

    Ein wies auf einen leeren Stuhl in sicherem Abstand zu seinem, winkte einem Haussklaven, der die Geste als Wunsch nach einem Becher und Wein verstand, und signalisierte seinem Leibwächter Marco, hinter dem Fremden Position zu beziehen. Anschließend wartete er, bis der Mann sich gesetzt und einen Schluck vom Wein zu sich genommen hatte.

    "Von welchem Tiberius sprechen wir und woher beziehst du die Kenntnis, dass es sich um jenen handelt?" Menecrates schloss aus, dass sich sein Concordiabruder vorgestellt hatte. Linos kannte den Namen als Einziger, wusste aber nicht, wie der Gesuchte aussah.