Beiträge von IUNO

    Es war gut, dass ihr göttlicher Ehemann die Assoziation mit einer Sterblichen in den Wechseljahren nicht aussprach, denn das hätte nur Öl ins Feuer bedeutet.


    "Mein lieber Mann... wenn du MIR zugehört hättest und zur Abwechslung mal das machen würdest, was ICH dir sage, dann würden wir diese Unterhaltung gar nicht führen. Außerdem... Corus... Du kannst nicht alle Arbeiten auf Corus schieben. Es ist immerhin dein Garten."


    Wenn Iuno nicht gerade so wütend auf ihren Ehemann gewesen, sie hätte ihn in diesem Moment putzig gefunden. Kuchen für ihn. Wie niedlich. Als ob sie nicht schon genug zu tun hätte. "Den Kuchen bekommt Ceres. Die arbeitet nämlich und ist produktiv." Der Ton in ihrer Stimme besagte etwas, was sie nicht aussprach, nämlich ein 'im Gegensatz zu dir'. Damit war die Unterhaltung für Iuno beendet und sie begab sich ins Innere des göttlichen Ehehaushalts.

    Trotz all der Zeit, in der sie miteinander verheiratet waren, hatte ihr Göttergatte Iuppiter eines wirklich nicht gelernt, nämlich, dass sie immer Recht hatte und er nicht.


    "Ach papperlapapp. Das ist nicht hübsch, das sieht schrecklich aus. Mach das weg! Und zwar noch heute! Ceres kommt nachher auf einen Kuchen vorbei und da will ich, dass der Garten gut aussieht." Streng war der Blick, mit dem sie ihren Mann bedachte. "Außerdem könntest du ruhig etwas mehr Bewegung machen. Das hier nämlich..." Sie klopfte etwas unsanft auf seinen Waschbärbauch, "... macht dich auch nicht gerade hübscher."

    Ooooh, Männer! Und besonders ihrer! Das war ja wieder mal so typisch! Selbst wenn sie mit der Nasenspitze auf etwas gestoßen werden, raffen sie es nicht. Da war ein Arm ihres Mannes um ihrer Hüfte? Richtig, da war! Iuno stieß nämliches weg.


    "Eichhörnchen... Pah! Hab ich dir nicht vor ein paar Tagen gesagt, dass du das Laub kehren solltest? Und die Thujen gehören auch wieder mal gestutzt, vom Rasen ganz zu schweigen. Muss ich dir eigentlich alles dreimal anschaffen? Für alles hast du Zeit, aber um den Garten, den DU haben wolltest, kümmerst du dich nicht?" Mittlerweile hatte Iuno ihre Hände wieder in ihre Hüften gestemmt.

    Als ihr Göttergatte samt Waschbärbauch sich endlich zu ihr gesellte und sich nicht einmal zu schade dafür war, sie zu umarmen, hätte man den Eindruck gewinnen können, dass hier ein glückliches Ehepaar in ihren besten Jahren ein trautes Heim geschaffen haben und nur eine reiche (und vor allem lärmende) Kinderschar hätte noch zu diesem idyllischen Bild gefehlt.


    "Sieh mal, mein Bärlibärchen, fällt dir etwas auf?" Sich an ihren Ehemann anschmiegend zeigte sie auf den Garten vor sich, darauf wartend, was ihr Angetrauter da erblickte.

    "Das war ja mal wieder klar. Wenn eine junge hübsche Sterbliche herumwandelt, da ist der Alte ja mal ganz fix. Aber wehe, die Ehefrau ruft, da hat er Zeit. Männer." zeterte sie leise, als ihr Alter... äh geliebter Ehemann sich endlich bequemte, sich zu Wort zu melden.


    "Schnuffelschnäutzchen? Kommst du mal bitte auf die Verandaaaaaa?" Nicht von ungefähr dehnte sie die letzte Silbe mit einer honigsüßen Stimme.

    Bevor die Sterblichen die Gewitterwolken überhaupt erblicken konnten, stand Iuno, die Göttermutter, die höchste aller Göttinnen und Götter (neben ihrem Göttergatten), seufzend auf der Veranda, die Hände in die Hüften gestemmt.


    "Iuppi? Iuppiter! Geliebter Ehemann!" flötete sie, dennoch mit einem deutlichen Unterton, der weder übermäßige Trödelei und schon gar nicht Widerworte zuließ.

    "Na also. Geht doch." sprach die oberste Göttin, als Pluto sozusagen von der Erde verschluckt wurde.


    Die Tochter würde also leben. Und eine Priesterin Iunos werden. Und wehe, die sterbliche Mutter würde nicht genug auf ihre Tochter acht geben...


    Zufrieden mit sich und ihrem Werken schwebte sie nun von dannen und verließ diesen Ort... weitaus eleganter als ihr Todeskollege.

    "Einen Moment, junger Mann!" Iuno stellte sich schützend vor Wöchnerin mit Kindern.


    "Die Kleine nimmst du mir jetzt nicht mit! Dieses Mädchen wird meine Priesterin. Basta!" Ihr wurde es versprochen, ihr, nicht ihm. Wie kam sie denn dazu, ihm etwas abzugeben, was ihr gehörte?


    "Und lege dir endlich ein Mundwasser zu. Das ist ja widerwärtig."

    Ach, wie sie diese theatralischen Auftritte von ihm hasste. Als ob er damit etwas kompensieren müsste... Männer. Sie sollte ihm wohl eine Frau suchen, aber erstens fiel das nicht in ihre Zuständigkeit und zweitens wer würde schon mit dem freiwillig etwas anfangen wollen? Und dann noch dieses geschwollene Dahergeschwafel. Schrecklich.


    "Richtig. Sie hat MIR die Tochter versprochen, von DIR war keine Rede." Das wäre ja noch schöner gewesen. "Wenn es dir unten zu dunkel ist, dann schalte einfach das Licht an." fügte sie mit beissendem Spott hinzu.

    Die nächste Geburt konnte als gelungen abgehakt werden. Schwangerschaften waren gefährlich, und nicht selten verlor bei der Geburt die Mutter oder das Kind oder sogar beide ihr Leben. Hier jedoch war alles in Ordnung, die Wöchnerin sollte sich in Ruhe erholen können.


    Doch warum die Tochter das Leben aushauchen sollte für das Leben ihres Bruders, das entzog sich dem Verständnis der Göttin. Bei besagtem Pakt, an den sich Iuno auch gut erinnerte (sie erinnerte sich selbstverständlich an alles, aber an diese Bitte besonders), war Iuno natürlich davon ausgegangen, daß die Tochter Priesterin werden sollte... Und in diesem Moment ahnte sie etwas...


    "PLUTO! Hast du hier wieder deine Griffel im Spiel?"

    Römer, Germane, Ägypter, Kelte, von ihr aus auch alle anderen sonstigen Völker, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie (oder auch zwei) war Iuno egal. Nicht egal war ihr hingegen der ordnungsgemäße Ablauf eines Opfers. Iuppiter, ihr Göttergatte, hatte sich schon mehr als einmal darüber lustig gemacht, wie strikt sie in dieser Beziehung war und nur in sehr seltenen Fällen eine Ausnahme zu gestatten gedenke. Warum aber sollte sie auch? Klare Strukturen verstanden die Sterblichen einfach am besten. In dieser Beziehung waren die Menschen wie Kleinkinder. Ein Opfer von Römern auf römischem Boden zu einer römischen Angelegenheit (wie eben einer römischen Hochzeit) hatte eben auf römische Art vonstatten zu gehen.


    Dies also war bei diesem Opfer nicht das Problem. Es fehlte allerdings etwas. Das Fell des Schafes hatte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr flauschig weich zu sein, denn das wurde durch den Einsatz der mola salsa oder des Weins, bekanntlich beide flüssiger Natur, verhindert. Das Tier war ihr also nicht geweiht! Wie konnte sie es daher annehmen? Gar nicht. Der junge Bräutigam hatte daher nur ein Gebet gesprochen und nebenbei irgendein Schaf schlachten lassen. Wie schade, denn das Schaf zeigte in seinen Innereien keinerlei Fehler.

    Iuno hatte hingegen nichts gegen blutige Fleischbatzen - es gehörte zu ihrem Dasein als Göttin einfach dazu. Und zusätzlich war sie ja auch eine Fruchtbarkeitsgöttin, daher hatte sie wegen der Menstruation auch so mit Blut zu tun. Das war Männern natürlich nicht zumutbar, die hatten ohnehin keine Ahnung, was bei einer Menstruation so vor sich ging. Frauen hingegen konnten - so sie regelmäßig war - ihre Menstruation vorausberechnen, geübte sogar 5 Monate im voraus, also von jetzt bis Oktober. Und das alles, weil sie - Iuno, die Göttin der Ehe - darauf acht gab.


    Doch es ging ja hier nicht wirklich um die Menstruation, sondern um die vitalia, die vom Priester begutachtet werden sollte. Diese waren in Ordnung, Iuno hatte das Opfer angenommen. Ihre niederen Mitgötter und -göttinnen ebenso.

    Der Frühling lag in der Luft. Iuno merkte das nicht nur an der langsam erwärmten Brise, die durch Rom wehte. Auch in der Anzahl an Entscheidungen, welche Frau schwanger werden sollte und welche nicht, wurde Iuno daran erinnert, wie sehr die wärmende Sonne die Menschen beeinflusste. Wenn Iuno im gleichen Maße wie Sterbliche an Zeit und Ort gebunden wäre, dann wäre sie sehr in Eile gewesen. Da dem jedoch nicht so war, konnte sie sich stattdessen gemütlich dem einzelnen Menschen widmen... wenn sie es wollte. So wie bei diesem Opfer. Sie blickte herab auf die Gaben, bemerkte die Zugabe des Weihrauchs und nickte. Der Weihrauch würde seiner Bestimmung nach vollständig verglimmen, das Opfer war angenommen.

    Eine Entscheidung zu fällen, welche Frau schwanger wurde und welche nicht, war oftmals weniger schwierig, als es der geringe geistige Horizont eines Sterblichen, auch eines sehr intelligenten, vermuten würde. Es war dies eine gelungene Mischung vom richtigen Zeitpunkt bei der Frau, zwischen den Blutungen, und der Potenz des Mannes, die geeigneten Spermien auf den Weg zu schicken. Zusätzlich spielten Nahrungsaufnahme und sonstige Umwelteinflüsse eine gewisse Rolle.


    Und das Wohlwollen von Iuno.


    Die oberste aller Göttinnen entschied aber selbstverständlich nicht einfach so mit einem Fingerschnippen. Sie hatte diverse Hilfsmittel, das wichtigste davon war eine Liste, die Liste. Und anhand dieser Liste (und anderen Faktoren, die hier nicht aufgeführt wurden, weil das nur die Göttin selbst etwas anging und die im Gegensatz zu Göttern geistig ohnehin beschränkten Sterblichen es nicht verstehen würden) entschied Iuno, dass hier an diesem Abend kein neues Leben entstehen würde.

    Keine nouvelle cuisine, sondern eine Kuh, eine schöne, große, ausgewachsene Kuh wurde ihr geopfert. Hübsch geschmückt und drapiert in rot und gold wurde die Kuh (die arme) zu ihrer letzten Lebensstätte geführt. Das Rot und Gold gefiel Iuno, es war zwar nicht so spektakulär wie das glitzernde Silber ein paar Opfer von irgendwelchen Sterblichen zuvor, aber auch nicht schlecht.


    Iuno sah keinen Grund, das Opfer nicht anzunehmen.

    Zitat

    Original von Manius Aurelius Orestes
    "O Mutter IUNO, neige Dein Ohr unserem Rufen und lass diesen Weihrauch als unsere Gabe zu Dir aufsteigen!"
    "O IUNO Pronuba, nimm die Blumen und diesen Kuchen entgegen, sie seien Dir geweiht zum Segen für Flavia Celerina und Marcus Aurelius Corvinus"
    "O Regina benigna, nimm auch diesen Wein entgegen, und schau gütig herab auf Deine Diener Marcus und Celerina."


    Iuno blickte interessiert auf das Voropfer. Eine Hochzeit war im Gange, aber solch ein Tamtam war selten dabei veranstaltet worden. Iuno kicherte ganz ungöttinnenhaft bei dem Gedanken, dass manche Gäste auch Neptun geopfert hatten und noch opfern werden.


    Das Voropfer war angenommen und Iuno wartete gespannt auf das Hauptopfer. Sie hoffte, es würde kein Nouvelle-cuisine-Opfer werden: viel Brimborium, aber im Endeffekt nichts auf dem Teller beziehungsweise Altar.

    Es kam nicht oft vor, dass zu ihren Ehren ein Ständchen gesungen wurde. Iuno störte das nicht, keineswegs, sie fand es manchmal sogar ganz entzückend, es sei denn, der Bittsteller oder die Bittstellerin verfügte über keine schöne und vor allem richtige Singstimme.


    Das Problem bei solchen Opfern war nur: sie konnte nicht wirklich anzeigen, ob sie das Opfer annahm oder nicht. Also tat sie, was sie in solchen Fällen immer tat: sie schickte der Sterblichen ein gutes Gefühl.

    Iuno mochte es durchaus ungewöhnlich. Es war eine wunderschöne Abwechslung zum sonstigen Leben einer höchsten Göttin. Die Anwesenheit eines Mannes in ihrem Tempel war jedoch keineswegs ungewöhnlich. Auch nicht, dass der Mann für Fruchtbarkeit seines Eheweibes bat. Viel eher war die "enorme" Anzahl der Worte des jungen Ehemannes das, was man ungewöhnlich nennen konnte. Das konnte man nicht einmal sparsam nennen, das grenzte schon fast an Geiz.


    Die Früchte und der Kuchen gingen in Flammen auf, das war unbestreitbar, denn der feine Duft von Karamell durchzog die Lüfte...

    Es war immer wieder putzig, wenn Brautleute den Segen einholen wollten für ihre kommende Ehe. Selbstverständlich kümmerte sich Iuno dabei nicht darum, wie sehr die Ehe von den beiden gewollt war, dafür war sie nicht zuständig. Sie war die Göttin der Ehe und damit verbunden des häuslichen Friedens. Wehe den Sterblichen, die sich mit ihr nicht gut stellten!


    Aber dieses Opfer fand Wohlgefallen vor der höchsten aller Göttinnen. Es war angenommen.

    Ah, das war ihr Stichwort. Ein gutes Opfer konnte einen Gott entspannen und zufrieden stimmen, ein schlechtes hingegen konnte unter Umständen (so dermaßen wichtig waren die Sterblichen auch nicht, dass man jedes einzelne schlechte Opfer wie eine Furie ahnden müsste) nicht so gute Folgen für den Opfernden haben.


    Doch hier war alles in Ordnung. Iuno war sogar so gnädig gestimmt, dass sie einen kleinen Knoten an der Leber, den die Kuh als Geburtsfehler hatte, für die Sterblichen und daher also erst recht für die Priesterin unsicht- und unfühlbar machte. Das Opfer war angenommen.