Beiträge von IUNO

    Irritiert sah Iuno auf die Sterbliche hinab. Keine Blumen? Keine wohlriechenden Düfte? Kein schmackhaftes Gebäck sollte ihr geopfert werden? Statt dessen das Zweitgeborene? Also das kam wirklich nicht alle Tage vor. Obwohl der Gedanke durchaus seinen Reiz hatte.


    Kurze Zeit überlegte sie, ob sie einen der herumschwirrenden Vögel ihren Willen aufzwingen sollte - das wäre für die oberste Göttin selbstverständlich ein Leichtes gewesen und hätte nicht mehr Mühe gekostet als ein Fingerschnippen - der sich dann vor der Sterblichen niederlassen und von links nach rechts humpeln sollte. Aber sie wusste natürlich, dass dieses Zeichen von den Sterblichen nie und nimmer richtig gedeutet wurde, also beschränkte sie sich darauf, der wirklich üppigen Sterblichen lediglich ein gutes Gefühl zu schicken.

    Wenn Iuno auch nur im geringsten Zeit und Interesse gehabt hätte, dann hätte sie es putzig gefunden, wie die klitzekleinen Spermien munter hin- und herschwammen. Millionen kleiner Kerlchen, die genauso lustig wie instinktiv ihren Weg suchten, bis einer von ihnen, der große Gewinner, das ersehnte Ziel, die Eizelle erreichte und sich erfolgreich einnistete. Welches Geschlecht jedoch das zukünftige Mitglied der Gens Flavius haben wird, das wusste in diesem Moment nur die Göttin, und die plauderte dies bekanntlich nicht aus.

    Wenn Iuno sich auch nur im geringsten für die Mühe interessiert hätte, die die junge Sterbliche für eine endlich erfolgreiche Schwangerschaft auf sich nahm, dann hätte sie anerkennend genickt. Doch sie bewertete niemals die Mühen oder die Freuden oder gar die Leiden eines Aktes, das Spannen war ihr zuwider und einer Göttin unwürdig. Und so würde es auch in Zukunft Kinder geben, die nicht aus Liebe gezeugt wurden und werden. Allerdings nicht bei diesem Paar in diesem Moment. Manchmal musste zu einer erfolgreichen Zeugung öfter probiert werden als nur einmal in ein paar Monaten.

    Es ist für die höchste aller Göttinnen immer wieder erfreulich, wenn die Sterblichen auch einfach so in den Tempel kommen und nur beten, nicht bitten. Mit wohlwollendem Auge betrachtete sie die Szenerie, das Opfer wurde in jedem Fall angenommen.

    Den "sanften", "unaufdringlichen" Geruch von Schwefel in der Nase ließ Iuno daran erinnern, dass sie dem Gott der Unterwelt ein Aqua Colonia besorgen wollte. Aber wenigstens war er gerade weg, so musste sie seinen Gestank nicht aushalten. Geruch des Todes... den man nicht abwaschen könne... so ein Blödsinn.


    Mit Zufriedenheit blickte sie über die erschöpfte Senatorenschar, Mitleid hatte sie keines, die Herren würden sich bald erholen und wenn nicht, so fiel es auch nicht in ihren Bereich. Daher ließ sie die Senatoren sprichwörtlich links liegen und wandte ihre Aufmerksamkeit auf die Opferhandlung. Rein aus Spaß an der Freude versteckte sie da und dort kleinere Knötchen, doch nichts weltbewegendes. Sie war zufriedengestellt.

    Die Leiden einer werdenden Mutter kann man nur erleben, beschreiben oder gar nachfühlen so gut wie gar nicht. Iuno selbstverständlich konnte es, war sie doch selber Mutter, und dazu noch die Göttin der Geburten, deswegen hatte sie Mitleid mit dieser Sterblichen hier, die sich abmühte. Doch es ging nicht anders, nur auf diese Weise wurde die für die Menschheit absolut unerlässliche Mutterliebe gewährleistet, die den Fortbestand der Menschen sicherte.


    Der zweite Erdenbürger machte sich auf den Weg durch den Geburtskanal, ein Junge erblickte das Licht der Welt und rief durch sein den Neugeborenen eigenes Plärren sein Recht auf diese Mutterliebe ein.

    Die Sonne hatte ihren Zenit schon längst überschritten, als Iuno, die Göttin der Ehe und der Geburten, sich auch zu dieser Niederkunft bequemte. Oh ja, sie war vielbeschäftigt. Die Frühlingsgefühle des letzten Jahres hinterließen nicht nur bei der Gebärenden hier sondern auch bei vielen, vielen, vielen anderen Frauen ihre Spuren.


    Dass der werte Herr Papa nicht zugegen war, verwunderte Iuno keinesfalls. Männer waren bei Geburten ohnehin nur hinderlich. Doch vielleicht war es schade, denn so verpasste er die Geburt seiner Tochter. Und die des zweiten Kindes, das gleich danach sein Recht auf das Licht der Welt einforderte.

    Zitat

    Original von Marcus Vinicius Hungaricus
    Sicher ist Iuno schuld an der Misere. Es sind ja immer die Weiber, die schuld sind. grummelte er fast unhörbar zu sich selbst...


    Fast unhörbar? Für sterbliche Ohren vielleicht, doch IUNO, die oberste Göttin, die hörte alles (wenn sie es so wollte). Und sie hörte auch diese Bemerkung (weil sie es so wollte).


    "Ich bin schuld? ICH BIN SCHULD??? Na warte, du kleines Togamännchen..."


    Welche Strafe sollte sie diesem anmaßendem Sterblichen geben? Seine Ehe zerstören? Nein, der Mann war ja verwitwet. Eine neue furchtbare Ehe einleiten? Wie langweilig und dauerte zudem zu lange. Nein, es musste etwas schmerzhaftes sein, etwas, das sofort eintreten sollte.


    So wartete sie, bis alle Senatoren wieder auf dem Weg waren und sich abmühten und verpasste dem hochmütigen Senator einen eingeklemmten Nerv im Rücken.

    Iuno rollte mit den Augen, als sie die Antwort des Unterweltgottes hörte. "Der liebliche Geruch des Todes... Soso. Wenn du schon zu faul zu einem Bad bist, stell dich das nächste Mal bitte so hin, dass meine Nase nicht mit deinem Geruch korrespondieren muss." Widerlich, wirklich widerlich.


    Und der Göttergatte war auch schon da. Iuno wollte gar nicht wissen, wo sich ihr Mann die ganze Zeit herumtrieb. Bei IHR gewiss nicht. Männer. "Na dann hoffe ich, dass du jetzt etwas anständiges zugelassen hast, Iuppiter. Das letzte Mal hattest du Magenschmerzen, weil du eher die Opfernde betrachtet hast als das Opfer."

    Auch Iuno durfte bei einer solchen Versammlung nicht fehlen und kam in ihrer üblichen majestätischen Art, würdevoll, hoch erhobenen Hauptes... bis ein gewisses Aroma in ihre göttliche Nase stieg.


    "Was stinkt hier denn so? Bei allen Opfern des letzten Jahres... PLUTO! Also wirklich! Kannst du dich nicht einmal baden? Das ist ja widerlich!"

    In manchen Fällen ist eine Erstgeburt eine leichte Sache. Der Muttermund ist genug offen, der Geburtskanal breit, das Kind findet leicht zum Ausgang. In solchen Fällen leidet die werdende Mutter nur verhältnismäßig wenig und vor allem kurz.


    In anderen Fällen kann eine Erstgeburt ein wahrer Alptraum sein. Die Mutter liegt entweder tagelang in den Wehen, weil das Kind nicht und nicht bereit ist, auf die Welt zu kommen, oder das Kind würde gerne, doch der Kopf findet den Geburtskanal nicht richtig und kann so nicht das Licht der Welt erblicken.


    Doch hier war es wohl eine eher einfache Geburt. Sie dauerte zwar, doch an sich lief es hier ohne Komplikationen ab. Die Schmerzen waren zwar noch präsent, doch die Mutter würde diese sofort vergessen, wenn sie ihre Tochter nun in den Armen halten würde.

    Hier war nun die Göttin gefragt. Sie trat - natürlich in einer Erscheinung, die kein Sterblicher vernehmen konnte - zum Opfer und blickte sich um. Ein Opfer unter freiem Himmel, das gefiel Iuno nicht wirklich. Schon alleine deswegen nicht, weil es eine Verlegenheitshandlung des Praefectus Aegypti war. Es fehlte ein Tempel, eines, das einer Göttin wie ihr standesgemäß war.


    Da sie aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wusste, dass die Sterblichen mit subtilen Anmerkungen kaum etwas anfangen konnten, in einer solchen Größenordnung erst recht nicht, musste die Göttin zu härteren Mitteln greifen. Sie gab der alten Priesterin eine Eingebung, ließ sie für einen kurzen Moment einen noch nicht gebauten Tempel erblicken, dann platzierte sie einen großen, schwarzen Knoten auf der Leber, den sie nicht übersehen oder gar überfühlen konnte.

    Ah, wieder ein Opfer. Doch die Frau war unsicher, das bemerkte Iuno natürlich, hatte sie als Göttin (und als Frau) natürlich einen besonderen Draht zur Gefühlswelt der Sterblichen. Mit der Zeit würde sich das geben, das wusste Iuno, schon aus Erfahrung mit anderen Opfernden.


    Dann blickte sie zum Mann. Tatsächlich, seine Worte schadeten nicht... aber eine wirklich große Hilfe waren sie auch nicht. Männer. Also kümmerte sie sich nicht weiter um ihn.


    Die Flammen verzehrten die Opfergaben, also konnten die Sterblichen zumindest bei einem sicher sein: Iuno hatte nichts dagegen.

    Das Blut floss, wie es aufgrund physikalischer und anatomischer Gesetze fließen sollte. Es war nicht übermäßig viel, aber es war auch nicht wenig.


    Damit hatte Iuno allerdings nichts zu tun, genau so wenig wie irgend ein anderer Gott. Ihr großer Auftritt würde noch kommen.

    Ein Festtag zu ihren Ehren, da durfte Iuno nicht fehlen. Auch wenn sie überall im Reich gefeiert wurde, sie war überall dort präsent. Götter - und natürlich Göttinnen ebenso - waren ja nicht im gleichen Maße an Zeit und Ort gebunden wie Sterbliche.


    Also schaute sie interessiert zu, was hier folgen würde.

    Dieser Tag war einer der Tage, wo Iuno sich sehr unrund fühlte. Aber nicht aus irgendwelchen dubiosen Gründen oder gar weil sie ihre "Tage" hatte, wie ihr Göttergatte dann immer so künstlich süffisant bemerkte, sondern sie war aus einem bestimmten Grund schlecht gelaunt.


    Es war der Blutfleck. Der auf dem Marmorboden, von diesem furchtbaren Sterblichen da. Der Fleck war immer noch nicht weggewischt (symbolisch, denn physisch war er ja nicht mehr vorhanden) und solange dieser Fleck noch existent war, würde Iuno keine Opfer mehr annehmen. Da sie aber wusste, dass Sterbliche im Vergleich zu Göttern ungefähr die gleiche Auffassungsgabe hatten wie halbtote Amöben, musste sie sich etwas einfallen lassen. Kurz überlegte sie, ein Schild mit dem Text "Iuno nimmt keine Opfer an" aufzustellen, aber diesen Gedanken verwarf sie gleich wieder. Dann sah sie einen Mann in ihren Tempel eintreten mit dem typischen Streifen an der Kleidung eines Senators. Doch die Toga hatte er nicht lange an, denn schon im nächsten Moment kam ein starker Wind auf, der den Sitz der Toga nachhaltig zerstörte.


    Schon viel zufriedener verließ sie den Tempel, um an anderen Orten keine Opfer anzunehmen.

    Ohje, sie hatte sich zu früh gefreut. Kaum war das Wohl der Mutter sichergestellt, schon wurden die Sterblichen wieder ich-bezogen. Ein wirklich geschickter Schachzug. Wenn der Junge nicht nur so entzückend wäre... So würde auch dieses Tier keinen Makel, keine Abnormität oder sonstige beeinträchtigende Anzeichen aufweisen. Es war ein gutes Ferkel und sie gewillt den Wunsch zu unterstützen.

    Iuno war ganz entzückt von dem jungen Sterblichen, bereits dem Knabenalter entwachsen, doch noch kein Mann. Einer, der an seine Mutter dachte und nicht an größeren Erfolg bei irgendwelchen Weibergeschichten (ja, auch solche Gebete bekam sie zu hören...). Wohlwollend blickte sie auf sein Opfer herab und sorgte dafür, dass kein Makel an den Eingeweiden zu finden sei.

    Diesmal ließen die Flammen sich nicht lange bitten, das Fleisch wurde schnell von ihnen verzehrt. Zumindest, was die mageren Teile des Schweines anbelangte, denn Iuno hatte keine Hemmungen, ihre Gelüste zu befriedigen. Wozu auch, sie war eine Göttin und niemandem Rechenschaft schuldig. Nur bei den fetten Teile des Viehs, da zögerte Iuno. Sie wollte es nicht, aber es wäre doch schade um das gute Fleisch...


    "Convasus!" rief Iuno in die göttliche Sphäre, einmal, zweimal, bis der Genannte auftauchte. "Lieber Convasus, walte deines Amtes und packe mir da das Opfer für meinen Gatten ein, der wird es sicher essen." Der niedere Gott murmelte unzufrieden ob der zusätzlichen Arbeit, aber gegen Iuno traute er sich nichts sagen...


    Von der Unterhaltung bekamen die Sterblichen natürlich nichts mit. Sie konnten lediglich erkennen, dass das Fleisch mit der Zeit fast vollständig verbrannte...