Beiträge von Sica

    Ja, Herr.


    Sica verneigte sich leicht, was er bei sonst niemandem tat und schloss die Tür wieder, nachdem der Senator eingetreten war. Anschließend machte er sich auf den Weg, die Anweisungen auszuführen und die Sklaven der Villa entsprechend anzutreiben.

    Sica war gerade in seinem Zimmer damit beschäftigt gewesen, einige Berichte abzuschließen. Als ihm die Tinte jedoch ausging, erhob er sich von seinem Schreibtisch und machte sich auf den Weg durch die Villa, um Nachschub zu holen. Als er an der Tür vorbei ging, hörte er das Klopfen. Da der Ianitor gerade wieder einmal nicht an seinem Platz war, ging er selbst zur Tür und öffnete. Ohne sichtbare Regung in seiner Miene musterte er den Senator und öffnete gleich so weit, dass sein Herr eintreten konnte.


    Salve, Herr. Habt Ihr Anweisungen für mich?

    Der Herr wird auch in nächster Zeit nicht ansprechbar sein. Wenn ihr euch bis dahin nicht für einen anderen Ansprechpartner oder eine schriftliche Mitteilung entscheidet, werdet ihr auch dann wieder unverrichteter Dinge gehen müssen.


    Sica zuckte gleichgültig mit den Schultern. Die Angelegenheit schien ohnehin nicht so wichtig zu sein, wenn der Tiberier so schnell aufgab. Er verschloss die Tür der Villa wieder und wandte sich erneut seiner Schriftrolle zu.

    Sica schüttelte entschieden den Kopf. Seine Anweisungen waren eindeutig.


    Nicht in absehbarer Zeit. Du wirst mit mir oder einem der anderen Flavier sprechen müssen.

    Der Senator ist nicht zu sprechen. Wenn du ihm eine Mitteilung machst, kann dies nur über mich geschehen. Ich bin sein Vilicus. Soll ich ihm etwas ausrichten?

    Gut, das soll mir reichen. Diese Männer werden sich um dich kümmern. Falls du dich dazu im Stande fühlst und dir ein Zubrot verdienen möchtest, können sie dich auch mit Aufträgen betrauen.


    Unwillige Helfer konnte Sica nicht gebrauchen. Hannibal würde tatsächlich nur dann auf irgendwelche Botengänge geschickt werden, wenn dieser es wirklich ganz von sich aus wollte. Bei den ersten Aufträgen würde man ihn selbstverständlich unauffällig beobachten und ihm nur unkritische Aufgaben übertragen. Sica hatte da schon seine Ideen, doch all dies brauchte noch Zeit. Er winkte die wartenden Gestalten näher heran und wandte sich ihnen zu. Es waren zwei unauffällige Männer mittleren Alters. Sie waren in farblose, abgenutzte Kleidung gehüllt und machten für die Verhältnisse in der Cloaca Maxima einen einigermaßen gepflegten Eindruck. Einer der beiden war klein und drahtig, der andere zeigte einen leichten Bauchansatz und war von mittlerer Größe. Insgesamt sahen sie auch wie typischer Pöbel. Sie musterten Hannibal misstrauisch und sahen dann abweisend zu Sica, der sie sogleich instruierte.


    Kümmert euch um ihn. Er gehört nun zu uns. In der nächsten Zeit muss er aus der Öffentlichkeit verschwinden und darf sich nicht zeigen. Sorgt dafür, dass er verpflegt wird und man ihn in Ruhe lässt. Falls notwendig, lasst den Medicus nach ihm sehen. Bevor er allerdings einen Auftrag erhält, bestehe ich auf einer Rücksprache mit mir. Ist das klar?


    Sie nickten etwas zögerlich, mit einem weiteren skeptischen Seitenblick auf Hannibal. Die Sache war ihnen sichtlich nicht geheuer, doch sie verließen sich auf Sicas Wort. Falls der Neue Dummheiten machen würde, würde das auf Sica zurückfallen. Und der ließ soetwas nie auf sich sitzen. Also richteten sie sich auf und bedeuteten Hannibal, ihnen zu folgen. Sica nickte zufrieden und sah den Sklaven eindringlich an.


    Falls es Probleme gibt, kannst du mich benachrichtigen lassen. Hier unten dürfte ich allen bekannt sein. Noch Fragen?

    Sica musterte den Besucher eingehend von Kopf bis Fuß und zögerte einige Sekunden mit seiner Antwort. Seine Tonfall war gleichgültig. Er beantwortete diese Frage merklich nicht zum ersten Mal.


    Der Senator Flavius Felix befindet sich nicht im Haus. Sein Sohn, Flavius Furianus, der zwischenzeitlich als Hausherr fungiert, hält sich momentan im Auftrag des Kaisers in der Provinz Hispania auf. Er benannte seinerseits keinen Vertreter. Sein Bruder Titus Flavius Milo hält sich noch in der Villa auf. Des weiteren sind der Sacerdos Publicus Flavius Gracchus und die Herren Flavius Aquilius und Flavius Lucullus zugegen.

    Ja, Herr.


    '...wenn es Deine Pflichten zulassen.' Sica wusste genau, was diese Formulierung zu bedeuten hatte und dass seine Pflichten dies zuzulassen hatten, wenn er sich nicht mit dem Flavier anlegen wollte. Vermutlich besaß jener einen ähnlichen Humor, wie Sicas eigentlicher Herr. Doch das kümmerte ihn wenig. Es passierte tagtäglich viel in der Villa Flavia, so dass es stets zahlreiche Belanglosigkeiten zu berichten gab. Es war ein leichtes, die wirklich relevanten Dinge dabei 'versehentlich' wegzulassen, ohne dass es auffallen würde, und die Geschehnisse so zu erzählen, wie es ihm passte.


    Nein, Herr. Ich habe alles, was ich brauche.


    Was Sica nicht hatte, benötigte er nicht oder er würde es sich anderweitig besorgen. Er wusste, dass dies eine verhängnisvolle Fangfrage war. Den Fehler irgendwelche Wünsche zu äußern, hatte er bereits bei einem seiner vorherigen Besitzer gemacht. Bedürfnisse und Wünsche waren ein sehr gutes Instrument, um jemanden in Schach zu halten. Sica selbst setzte es hin und wieder gerne ein.

    Sica hatte den Ianitor für einige Stunden für eine andere Arbeit eingeteilt und hielt sich daher selbst in der Nähe der Porta auf. Mit einer interessanten Schriftrolle hatte er es sich gerade bequem gemacht, als er beim Lesen gestört wurde. Unwillig legte er das Schrifstück beiseite und begab sich zur Tür. Er öffnete und musterte den davorstehenden Mann abweisend. Er erkannte, dass es sich um einen Patrizier handelte. Das Gesicht konnte er jedoch nicht zuordnen.


    Salve. Wer bist du und was willst du?

    Solche Bestrafungen hatte Sica von seinen früheren Besitzern nur allzu oft angedroht bekommen. Nur selten waren sie in der Lage gewesen, die korrekten Maßnahmen auszuwählen und diese noch konsequent durchzuziehen. Daher ließ die Drohung ihn auch in diesem Fall völlig kalt und er antwortete unbeeindruckt.


    Ja, Herr.


    Im Zweifel würde er Kontakt zu seinem eigentlichen Herrn aufnehmen. Sica hatte seine eigenen Möglichkeiten, seinen Posten auszunutzen und auch einen unbequemen Herrn zu bestrafen. Er wandte sich ab und verließ den Garten.

    Sicas Miene blieb weiterhin reglos und der Tonfall ungerührt. Zwar sah er die betreffende Sklavin nicht häufig, doch war ihm nichts aufgefallen, was bei ihr auf eine ernsthafte Verletzung schließen lassen würde. Er ahnte, dass die Probleme mit ihr allein auf bodenlose Faulheit und eine miserable Erziehung zurückzuführen waren. Da sie jedoch -wie ihm in diesem Moment erneut bewiesen wurde- unter dem direkten Schutz des Sohn seines Herrn stand, waren Sica in Bezug auf eine angemessene Bestrafung und weitergehende Erziehungsmaßnahmen zu seinem Bedauern die Hände gebunden. Er hatte daher mittlerweile aufgehört, das nichtsnutzige Ding als Teil des flavischen Haushaltes zu betrachten.


    Natürlich, Herr. Wir haben viele große Sklaven mit breiten Schultern. Falls Ihr es zu erfahren wünscht, werde ich Nachforschungen anstellen müssen. Um was für eine Beschädigung handelt es sich? Ist das der Grund, weshalb die Sklavin sich seit geraumer Zeit jeglicher Arbeit verweigert?

    Sica wandte seinen Blick vom Sohn seines Herrn ab, sah stattdessen wieder starr geradeaus und nahm wieder die gewohnt teilnahmslose Miene an. Auf eine Erwiderung zu der äußerst merkwürdigen Gütertrennung des Flaviers verzichtete er. Zumindest wusste Sica nun, wie es um das Verantwortungsbewusstsein des amtierenden 'Hausherrn' bestellt war.


    Mir ist kein Vorfall bekannt, bei dem diese Sklavin irgendwelchen Schaden erlitten hätte, Herr.

    Sica löste seinen Blick von der Ferne und sah den Sohn seines Herrn direkt und abweisend an. Er hasste es, wenn man ihm einfach nicht zuhörte.


    Nadia, Herr.


    Es war seinem Tonfall deutlich anzuhören, dass auch er die Geduld mit diesem Schatten von einem Herrn zu verlieren begann.

    Sica blieb ruhig an seinem Platz stehen und sah weiterhin unbeeindruckt geradeaus.


    Die Sklavin Nadia zerstörte eine beachtliche Menge Geschirr in der Culina. Der Schaden konnte inzwischen nach und nach aus dem regulären Haushaltsetat wieder ersetzt werden. Sie gab sich bei alldem leider äußerst uneinsichtig und stur. Um eine Beschädigung ihres Körpers zu vermeiden, sah ich bislang von einer harten Strafe gegen sie ab. Wenn du es es jedoch wünschst, werde ich sie angemessen für ihre Tat bestrafen, Herr.

    Sica nickte knapp. Der Name des anderen Sergiers war ihm als Klient seines Herrn bekannt.


    Ich werde den Herrn fragen, ob er dich empfängt. Folge mir.


    Er öffnete die Tür und führte den Mann ins Atrium.

    Sica brachte den Besucher in das Atrium, hieß ihn dort zu warten und begab sich dann zum anderen Sohn seines Herrn. Als er Milo gefunden hatte, näherte er sich respektvoll, räusperte sich kurz und sprach diesen dann an.


    Ein gewisser Titus Sergius Lupus wünscht Euch zu sprechen, Herr. Er wartet im Atrium.

    Sica starrte den Besucher mehrere Sekunden lang stumm an. Eine Störung seines Herrn hätte er ohnehin sehr wohl zu verhindern gewusst. Sica wunderte sich längst nicht mehr darüber, wie eklatant leicht es sich die meisten Römer vorzustellen schienen, zu einem Flavier vorgelassen zu werden.


    Der Senator hat zwei Söhne. Lucius Flavius Furianus und Titus Flavius Milo. An welchen von ihnen richtet sich deine Frage und um was für ein Anliegen handelt es sich?

    Wieder gab Sica mit monotoner Stimme die gleiche Antwort, die er auch so vielen anderen Besuchern der Villa schon gegeben hatte.


    Der Senator ist nicht zu sprechen. Er hält sich auf einem Landgut der Familie auf und empfängt dort keine Gäste. Falls du eine Nachricht für ihn hast, kann ich sie ihm überbringen.

    Sica fielen gleich mehrere Vorfälle in Bezug auf diese nichtsnutzige Sklavin ein. Bei keinem der Vorfälle hatte sie sich als besonders fleißig oder arbeitsam hervorgetan. Im Gegenteil. Der Vilicus hatte schon zu Beginn geahnt, dass sie ihm nichts als Ärger einbringen würde. Sogleich kamen ihm mehrere ansprechende Möglichkeiten einer angemessenen Bestrafung für sie in den Sinn. Er ließ sich vorerst jedoch nichts anmerken und blickte starr weiter geradeaus.


    Von welchem Vorfall sprecht Ihr, Herr?

    Jetzt wurde Sica klar, weshalb sich der Mann mit ihm gut stellen wollte. Der Dienst, den er von ihm verlangte, war bei weitem kein geringer. Der Sklave wusste nur allzu gut, wie wichtig und wie wertvoll Information sein konnte. Aus genau diesem Grund ging er damit gegenüber Fremden, zu denen er auch Aquilius zählte, auch äußerst sparsam um. Es kam für ihn natürlich nicht in Frage, dem Herrn zu wiedersprechen, doch ob und was er diesem tatsächlich an Wissen mitteilen würde, das stand noch auf einem ganz anderen Papyrus. Er kannte einfach zu viele Flavier zu gut, als dass er ihnen so einfach seine bedingungslose Loyalität gewähren würde. Diese galt letztlich einzig und allein seinem eigentlichen Herrn, dem Senator. Sica sah wieder unbeteiligt geradeaus.


    Ja, Herr. Wann wünscht Ihr diesen Bericht?