Beiträge von Ganymed

    Ganymed sah etwas unschlüssig aus. Er fühlte, wie sehr sie der Kummer mitnahm. Und das tat ihm genauso weh, wie ihr. Er wollte doch nicht, dass Aemilia unglücklich war. Zu sehr liebte er sie dafür. Für einen Moment dachte er, ob es ihn Aemilia nicht näher brachte, wenn er ihre letzte Frage bejahte. Doch er sah kurz auf den Boden und ihm fiel wieder seine Bitte beim Opfer an Venus ein.


    Er hob den Blick wieder und nahm Aemilias Hand sanft in die Seine. "Nein, Domina, das glaube ich nicht. Er liebt Euch ganz bestimmt immer noch und ganz aufrichtig. Wie könnte er auch anders, Domina. Man muss Euch doch einfach lieben..." fügte er an. In dem Moment schoß es ihm durch den Kopf, dass es Ganymed selber verriet. Schnell fügte er deswegen an, obwohl er etwas rot wurde.


    "Aber das mit dem Mädchen ist nicht richtig, Domina. Hat er erklärt, warum er die junge Frau adoptiert hat? Und habt Ihr sie schon kennengelernt?" fragte er schnell hintereinander um Aemilia von seinem kleinen Ausrutscher abzulenken. Dabei hielt er immer noch ihre Hand und sah sie aufmerksam an.

    Auch Ganymed lachte mit Nadia und nickte. "Wie die Dame wünscht, so soll es geschehen!" Er verbeugte sich übertrieben dabei. Dann sah er auf das Pulver und schüttelte leicht den Kopf. "Ähm...nein, glaub ich nicht!" Er zögerte einen Moment. Er wußte schon, wie man soetwas benutzte, aber ob er dann nicht als seltsam in ihren Augen galt? Aber es war ja wichtig, dass Nadia nicht erkannt wurde.


    "Du musst das Pulver mit etwas Wasser verrühren und dann gleichmäßig auf Deine Haare verteilen. Dann muss das Henna mehrere Stunden wirken ehe Du es auswaschen kannst!" Ganymed setzte sich wieder auf den Strohsack und genoss die Sonne, die hereinstrahlte und ihn anwärmte. Die Insula war zwar schäbig, ihre Situation sehr gefährlich, aber trotzdem konnte sich Ganymed an solchen Kleinigkeiten erfreuen. So schloss er für einen Moment die Augen und öffnete sie erst nach einigen Herschlägen wieder.


    "Ich dachte mir, gleich zu den Hebräern auf der Insel zu gehen, um bei ihnen anzufragen, wie es mit Fluchtmöglichkeiten aussieht. Und natürlich auch, wieviel Geld sie haben wollen. Ich muss ja wissen, um wieviel ich meinen Herren erleichtern muss!" Ganymed lächelte dabei. "Meinst Du, Du könntest ein paar Stunden alleine hier zurecht kommen?"

    Am Rande hatte Ganymed von dem Tod des alten Patriarchen gehört. Auch von diesem Familienmitglied hatte Ganymed nicht wirklich kennen gelernt. Aber die Bestürzung der Familie hatte Ganymed durchaus mitbekommen. Aus diesem Grund hatte Ganymed Livianus in letzter Zeit etwas gemieden. Bei solchen Gelegenheiten wußte Ganymed nie so recht, was er tun sollte oder gar sagen.


    Aber das mit der neuen jungen Tochter von Livianus verdutzte ihn doch sehr. Das hätte er nicht von seinem Herren erwartet. Ob das Mädchen die Geliebte von Mercator war und Livianus wollte dem ebenfalls frönen? Ganymed hatte durchaus von ihrem Einzug mitbekommen, aber nicht wer sie war.


    Da holte sich doch Livianus glatt eine Geliebte ins Haus, so war Ganymed in dem Moment felsenfest davon überzeugt. Und sein Gesichtsausdruck war auch dementsprechend. Erst entgeistert, dann zornig. "WAS?" fragte er und starrte Aemilia an. "Das hat er gemacht, ohne Euch zu fragen, Domina?" Er schüttelte den Kopf, so dass seine blonden Haare hin und her flogen. "Nein, das ist wirklich nicht fair, Domina. Er kann Euch doch nicht so eine..." Göre wollte Ganymed sagen, suchte jedoch schnell nach einer anderen Bezeichnung."...ein Mädchen vor Eure Nase setzen." Er schüttelte noch mal leicht den Kopf. "Und warum hat er das getan?" Ganymed glaubte zwar die Antwort zu wissen, aber er wollte schon gerne wissen, welchen Vorwand Livianus benutzt hatte.

    Weiterhin sein Brot essend betrachtete Ganymed Nadia. Er lächelte dabei leicht und schluckte den Bissen herunter. "Aber mit Henna Deine Haare zu färben hält wirklich höchstens ein paar Wochen. Mach Dir keine Gedanken, Nadia." Er lächelte weiter und nahm sich eines der Eier, was er schälte und sich dabei auf den Strohsack setzte. Das Heu raschelte unter dieser Bewegung und Ganymed aß weiter genüßlich. An Appetitlosikgeit litt er ganz bestimmt nicht, da soetwas wider seiner Natur wäre.


    Als er das Ei gegessen hatte, streckte er sich noch einmal. Irgendwie war er immer noch müde und doch auch ein wenig aufgeregt. Er dachte für einen Moment nach, ob es gut wäre, doch noch zu den Hebräern an diesem Tag zu gehen. Aber erst mal mussten er Wasser hochholen. Außerdem wäre es vielleicht sinnvoll noch ihren Unterschlupf zu wechseln. Zwar war die Insula leer und verlassen, aber aus diesem Grund auch sehr auffällig. Und Nachbarn liebten nichts so sehr als ihren öden Lebensinhalt mit Getratsche und mit dem Beobachten ihrer Umgebung zu füllen.


    Ganymed stand auf. "Gut, ich hole mal, Wasser! Ich habe hinten einen kleinen Brunnen gesehen, für die Insula hier und die Nachbarinsula." Er verschwand wieder aus dem Zimmer. Er brauchte auch einige Minuten ehe er mit einem Eimer Wasser zurück kehrte. Aus einer Ritze des Eimer tropfte etwas von dem Wasser hervor und auch schwappte ab und an bei seinen Schritten etwas über den Eimerrand. Er stellte ihn neben den Tisch ab. Dabei grinste er. "Du kannst Dir jedes Zimmer hier aussuchen als Frisierzimmer. Die Villa auf Capri bietet jeglichen Komfort, besonders Platz habe ich reichlich anzubieten."

    Überracht blinzelte Ganymed als Aemilia ihn umarmte. Er legte seine Arme um sie herum und hielt sie auch in der Umarmung. Sein Herz schlug höher, doch ihre Worte nahmen ihm schnell wieder das Glücksgefühl, das er fühlte, wenn Aemilia ihm so Nahe war. Und die weiteren Worte holten ihn dann ganz schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Freund? Das klang ganz und gar nicht gut. Er wollte doch nicht nur ihr Freund sein. Aber irgendwie kam ihm das durchaus bekannt vor. Anscheinend sahen die Frauen ihn ihm immer nur einen Freund. 'Wirkte er wie Ambrosius?', fragte sich Ganymed. Der beste Freund der Frauen. Schnell schob er die Überlegung als ziemlich abwegig zur Seite.


    Seine Enttäuschung musste er mühsam beherrschen. Statt dessen lächelte er leicht und setzte sich neben Aemilia auf die Bank. "Natürlich hab ich Zeit für Euch, Domina. Immer..." sagte er inbrünstig und ehrlich dabei an. "Was ist denn passiert?" fragte er mitfühlend. Sein Selbstmitleid verbannte er in dem Moment in sein hinterstes Stübchen und seine Gedanken galten nur Aemilias Kummer, der wirklich schrecklich sein musste, ihrem Gesichtsausdruck nach.

    Ganymed, der sich müde vom Tag in die Sklavenunterkunft zurück gezogen hatte, saß auf seinem Strohlager. In seiner Hand hielt er die Lyra und zupfte leise an den Seiten. Er übte eine verträumte Melodie. Sein Blick war leicht verklärt auf den Boden gerichtet, so dass er Aemilia noch nicht gleich bemerkte. Auch wußte er zu dieser Stunde noch nicht, dass ihm bald ein ziemliches Abenteuer in einer Insula bevorstand.


    So hob er lächelnd den Kopf und sah zu Aemilia. Etwas erstaunt sah er sie an. Ihr war gleich anzumerken, dass es ihr nicht gut ging. Sein Herz stockte kurz. Was konnte es sein? Schnell stand Ganymed auf und legte die Lyra zur Seite. "Domina? Alles in Ordnung?" fragte er besorgt als er auf Aemilia zutrat. Seine Augen zeigten auch die Besorgnis, die er spürte.

    Ob ihm etwas aufgefallen war? Ganymed dachte kurz darüber nach. Die Marktfrauen waren wie immer übel gelaunt, die bettelnden Kinder aufdringlich und die angeblich verkrüppelten Bettler auch nicht weniger schlecht verkleidet. Vigiles hatte Ganymed auch keine gesehen und nur die üblichen Kommentare gehört, wenn er auf der Tiberinsel war und die er nicht unbedingt Nadia erzählen wollte. So schüttelte er nur den Kopf. "Nein, eigentlich nicht! Ein ganz normaler Tag für alle jene da draußen." erwiderte Ganymed und deutete aus dem Fenster.


    Er hollte seinen Dolch hervor, den er immer bei sich trug, wenn er die Casa der Decimas verließ und zerteilte das Brot und den Käse. Sein Magen wollte wirklich nicht mehr länger die Fastenzeit hinnehmen. Doch er reichte zuerst Nadia ein Stück Brot und nahm sich dann selber eine Scheibe. Dann zog er den Strohsack an den Tisch, damit man sich auch setzen konnte. Erst dann hörte er auf seinen Magen und biss gierig in die Brotscheibe. Genüßlich kaute er das erste Stück. Dabei sah er auf das Hennapulver. Als er den Bissen herunter geschluckt hatte, fragte er Nadia: "Soll ich Dir Wasser aus dem Brunnen holen?"

    Was ist schon ein 'richtiger' Spartaner?


    Ihr kommt von Sparta, also seid ihr Spartaner...die heutigen Einwohner Roms nennen sich ja auch Römer, obwohl sie keine Toga mehr tragen ;)

    Die Römer gründeten Sparta nach ihrer Zerstörung neu. Wann das jedoch war, weiß ich auch nicht so genau ?(


    Aber die spartanischen Spartaner können sie tatsächlich nicht sein ;)

    "Das mache ich!" erwiderte Ganymed lächelnd. "Gut, Oliven und Brot!" Er lächelte und hob seine Hand. Um sie zu beruhigen, legte er sanft seine Fingerspitzen auf ihre Schulter. Für einige Herschläge blieb er stehen, berührte sie dabei ganz leicht und lächelte einfach. Die Sonne schien ihm dabei angenehm auf den Rücken und ließ auch seine Haare noch ein wenig heller erscheinen als sie es ohnehin waren. Seine blauen Augen sahen Nadia warm an. Und mehr als diese freundliche Wärme mischte sich in seinen Blick. Doch da sein Herz sowieso recht schnell schlug so wie sie bei ihm stand, verging der Moment auch schnell. Er ließ seine Hand sinken. "Und pass auch Du gut auf Dich auf..." murmelte er etwas verlegen. Er lächelte noch mal und ging schnellen Schrittes an Nadia vorbei und aus dem Zimmer hinaus. Man hörrte noch seine Schritte auf den Holztreppen und das Schaben der Tür unten.


    Es dauerte eine Weile, in der das Treiben von Rom immer hektischer und belebter wurde, ehe unten wieder ein Schaben zu hören war. Die Sonne stand nun weit im Zenit und wieder waren Schritte zu hören. Dann ging die Tür auf. Ganymed trat wieder hinein. In seinen Armen hielt er ein Leinenbündel. Er lächelte leicht. "Ich bin's..." fügte er unsinnigerweise hinzu, da Nadia ihn dort auch so erkennen konnte. Er trat auf den Strohsack zu und legte dort den Sack ab. Suchend sah er sich um. "Warte mal kurz einen Augenblick..." Er ging wieder nach draußen und kam nur einen kurzen Moment danach mit einem kleinen Holztisch wieder. Er bugsierte ihn durch die Tür und stellte ihn an das Fenster, wo die Sonne noch hereinstrahlte. Der Tisch sah etwas schief und schäbig aus, konnte jedoch noch genutzt werden.


    Ganymed legte auf den Tich seine Beute vom Markt und öffnete den Leinenbeutel. Zum Vorschein kamen Brot, ein Beutel mit Oliven, Schafskäse und Eier. Außerdem noch ein weiterer Beutel. Ganymed hob ihn hoch. "Hennapulver!" fügte er lächelnd an.

    Ganymed sah Gabriel an und trank dann noch einen Schluck Wein. Seinen Steinvorrat hatte er inzwischen erschöpft und widmete sich inzwischen mit seiner anderen Hand dem Abzupfen von Efeublättern, die er kranzartig vor sich hinlegte. "Neinnein...nein!" meinte er entschieden zu Gabriels Versuch sich aus dem Staub zu machen. "Hier bleiben, Vigil!" fügte er bestimmt und mit dem Versuch, etwas Autorität in seine Stimme zu bringen, was jedoch fehl schlug, weil er dabei grinsen musste.


    Dann drehte er empört den Kopf zu Adara. "Im Suff?" gab er empört zurück. Unschlüssig sah er sie an. Was er von ihr halten sollte, war ihm immer noch nicht ganz klar. Deswegen war er sich auch nicht sicher, ob sie es ernst meinte oder nicht. So schüttelte er nur verwirrt den Kopf und sah wieder zu Gabriel. "Du musst doch nicht zum Dienst oder?"

    Ganymed lehnte sich gegen den Strohsack und stützte seine Ellbogen darauf ab. Dabei spielte ein Schmunzeln um Ganymeds Lippen. "Wir sind in einer Villa auf Capri..." scherzte er leise. "Guten Morgen, Nadia!" fügte er warm und freundlich an, als ob sie tatsächlich auf Capri waren und nicht in einer schäbigen und verfallenen Insula auf der verruchten Tiberinsel. Schelmisch zwinkerte er Nadia zu. Dann erhob er sich geschmeidig und ging zum Fenster. Er öffnete ein Fensterladen etwas weiter, so dass die Sonne, die ihnen beiden wohl den Tag versüssen wollte, prall ins Zimmer hinein schien. Einige Tauben flogen über den Himmel entlang. Ganymed betrachtete sie nachdenklich. Sein früherer Herr war mal Augur gewesen und in einem Anfall von 'Nettigkeit' hatte er mit seinen Voraussagungen vor Ganymed geprahlt gehabt. Aber was der Taubenflug jetzt bedeutete, wußte Ganymed trotzdem nicht zu deuten.


    So drehte er sich um und lächelte für einen Moment schweigend. "Ich geh am Besten gleich auf den Markt und hol uns erst mal etwas zu Essen." Er lehnte sich gegen das Fensterbrett, auf dem eine dicke Staubschicht lag und nur ihre Spuren von letzter Nacht zeigte. In Ganymeds Magen hatte sich schon vor einer Weile ein Hungergefühl eingestellt. Immerhin war er es gewöhnt, in den letzten Monaten regelmäßig ein recht gutes Frühstück zu bekommen. Und nach seiner Beschäftigung des Träumens, war Essen wohl eine weitere innige Leidenschaft, die Ganymed frönte, so oft es ging. "Magst Du etwas bestimmtes haben? Eier? Oliven?"

    Ganymed drehte den Kopf etwas weiter und versuchte dabei so wenig Geräusche wie möglich zu machen. Nur der Boden knarzte leicht bei seiner Bewegung. Ganymed streckte sich ein wenig. Der kurze Schlaf auf dem Boden steckte ihm schon im Kreuz und die Müdigkeit hing bleiern über ihn. Es war zwar früh am Morgen, aber die Morgensonne strahlte schon durch die Fensterläden. Er zog den Umhang von sich und erstarrte kurz als er diesen noch mal genauer ansah. War da nicht ein eingetrockneter, blutiger Fleck auf dem Rückenteil und ein großes Loch. Schnell warf er den Umhang in eine Ecke und rieb sich schaudernd über die Arme.


    Als sein Blick jedoch wieder auf die schlafende Nadia fiel, erhellte sich sein Gesicht wieder. Er sah sie lächelnd an und verharrte. Sie betrachtend ließ er Nadia weiterschlafen. Nach einer Weile, in der die Sonne schon ein Stück weiter gewandert war, beugte er sich etwas weiter vor. Eine Haarsträhne von Nadia streichelte sanft bei jeder Bewegung über ihre Nase. Vorsichtig hob er die Strähne an und legte sie zu den anderen Locken zurück. Dann zog er seine Hand zurück. Er wollte sie nicht im Schlaf stören. Immerhin schien sie inzwischen etwas ruhiger zu schlafen als noch vorher. 'Was sie wohl träumte?' fragte sich Ganymed in dem Moment. 'Vielleicht von ihrer grünen Insel?'

    Für einen Moment dachte Ganymed an den schrillen Ambrosius. In Milet kannte Ganymed einiger solcher Gestalten, weswegen ihn Ambrosius nicht sonderlich überrascht hatte. Aber bei den Römern war das noch ein bisschen anders. Und wie es im Norden aussah, wußte er nicht. Er hatte nur einmal gehört, dass dort jemand wie Ambrosius gleich aufgeknüpft wurde. Aber vielleicht wollte ihm der Erzähler damals nur Angst einjagen.


    Ganymed betrachtete Nadia nachdenklich. Sie roch sehr gut, fiel ihm dabei auf. Und sie war wirklich sehr schön. Wie alt sie wohl sein mochte? Ganymed versuchte sie einzuschätzen, hatte jedoch seine argen Schwierigkeiten. Und für alt sie Ganymed wohl halten würde? Doch er schüttelte den Gedanken ab. Und ihre Worte machten ihn selbst etwas zweifelnd. Was würde Aemilia tun? Und erst Livianus? Wenn Livianus der Ansicht war, dass Ganymed die Freiheit nicht mehr verdiente, dann wäre selbst Aemilia machtlos. Aber auch jenen Gedanken schüttelte er von sich ab und auch mit einem physischen Zeichen. "Nein, meine Herrin ist eine sehr großmütige Frau. Sie würde verstehen, warum Du geflohen bist und wäre es in ihrer Macht, würde sie Dir bestimmt auch helfen!" Dabei klang er recht zuversichtlich.


    Ganymed versuchte in den darauffolgenden Momenten immer wieder Nadia Zuversicht zu vermitteln bis die Nacht schon recht weit fortgeschritten war. Er hielt an ihrer Seite in jener Nacht Wache und betrachtete sie sich immer wieder nachdenklich. Immer wieder fragte er sich, warum die Einen frei waren und die Andern nicht. Was unterschied Nadia von Aemilia, dass Nadia eine Sklavin sein musste und Aemilia eine freie Frau? Bei den Gedanken und seinem heftig pochenden Herzen fing er an Nadia etwas anders zu betrachten. Sie war wirklich schön. Er schloss die Augen. Ganymed atmete tief ein und aus. Venus meinte es ja sowieso nicht sonderlich gut mit ihm, also sollte er solche Gedanken gleich wieder vergessen. So sagte er es sich immer wieder in der Nacht.


    Als der Morgen dämmerte, war Ganymed doch eingeschlafen. Sein Kopf war auf seine Brust heruntergesunken und seine blonden Haare fielen ihm über die Stirn. Nach kurzer Zeit wachte er jedoch erschrocken auf. Er sah sich verschlafen zu Nadia um, ob sie schon wach war.

    Ganymed hielt Nadia sanft fest und strich ihr Gedanken verloren eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dabei lächelte er leicht. Seine Gedanken waren noch für einen Moment bei den Möglichkeiten, wohin eine Flucht am ungefährlichsten war. Aber die Gedanken schob er zur Seite, da sie das sehr wahrscheinlich vorher nicht planen konnten.


    "Oh, die Cousine meines Herren hat einen Sklaven. Der hat alle möglichen Sachen, um sich zu schminken oder auch die Haare zu färben. Ich denke, ich kann ihm etwas Henna stibizen. Er wird es eh nicht merken..." Ganymed meinte tatsächlich in den Sachen, die er beim auspacken in der Hand hatte, so etwas gesehen zu haben. "Oder wir kaufen die Farbe auf dem Markt. Das ist ja nichts aussergewöhnliches hier in Rom. Viele Frauen färben sich hier die Haare!"


    Er lächelte sie an und nickte auf ihre letzte Frage. Schließlich hatte Ganymed sein Wort gegeben, dass er Nadia helfen wollte und er wollte dazu auch stehen. "Ja, weißt Du, für mich ist es gar nicht so gefährlich." Er zuckte etwas verlegen mit der Schulter. "Ich kann meiner Herrin bitten, dass sie mich frei lässt. Sie hat es mir schon vor einigen Wochen angeboten. Ich war mir da jedoch noch unsicher."


    Ganymed betrachtete sie und zog den Umhang etwas mehr um Nadia herum, damit sie nicht fror. "Bist Du nicht müde?" fragte er dabei.

    Ganymed trank noch einen tiefen Schluck von dem Wein. Was waren sie doch für ein Haufen seltsamer Gestalten. Aber es schien eine Eigenheit des Kosmos zu sein, solche Gestalten aufeinander treffen zu lassen. Einige Sekunden dachte Ganymed darüber nach, was wohl der Zweck dieser Zusammenkunft war. Wahrscheinlich war dieser einzelne Faden der Moiren, der sie hier an das Tiberufer trieb, wichtig für ihr späteres Leben.


    Er sah von Nadia zu Adara und dann zu Gabriel und wußte nicht so recht, was das sein könnte. So zuckte er mit der Schulter und trank einen weiteren Schluck Wein, der ihn angenehm von Innen wärmte. Er lächelte Nadia an. "Komm, denk doch vielleicht erst mal nicht daran, was Dein Herr machen will! Du kannst im Moment daran nichts ändern. Aber vielleicht noch die einigermaßen frische Luft und diesen einigermaßen guten Wein genießen!"


    Nun reichte er doch den Wein an Gabriel weiter. Es wäre ja unfair, wenn er dessen Wein alleine weg trank. Dabei zupfte er an einer Efeuranke und warf weiter Steine in den Fluß oder versuchte Treibholz damit zu treffen. "Habt Ihr einen Traum...einen wirklich großen Wunsch?" fragte Ganymed unvermittelt. Dabei warf er einen weiteren Stein herunter und traf damit eine Flußratte, weswegen er kurz lächelte ehe er wieder in die melancholisch-philosophische Stimmung zurück fiel.

    Ganymed sah Nadia hinter her als sie aufstand und zum Fenster ging. Für einen Moment blieb er sitzen, doch dann schüttelte er den Umhang zur Seite, der sehr muffig roch und trat auf Nadia zu. Er blieb an ihrer Seite stehen und blickte auf die Strasse herunter. Doch dann wandte er seinen Kopf leicht zu ihr und als sie anfing zu weinen, legte er ihr einen Arm um die Schulter und zog sie tröstend an sich.


    "Du musst Dich nicht aufgeben, Nadia! Was die Anderen sehen, ist doch gleichgültig. Genausowenig wie ein Sklavenhalter jemals unseren Geist beherrschen kann, sowenig würdest Du Dich aufgeben, weil Du Deinen Haaren eine andere Farbe geben würdest!" Er lächelte leicht und wischte sanft mit seinem Daumen eine der Tränenspuren von ihrer Wange. "Außerdem wachsen sie doch wieder nach und Du wirst wieder Deine wunderschönen goldene Locken haben!"


    Ganymed merkte, dass er mit seinen Fragen und seinen immer wechselnden Vorschlägen, Nadia nur weiter verunsicherte. Sie sollten bei ihrer ersten Entscheidung bleiben. Das sprach er dann auch aus. "Wir werden schon eine Möglichkeit finden, aus der Stadt zu entkommen. Und weit jenseits von Rom ist es auch für entflohene Sklaven möglich, ein neues Leben zu beginnen und glücklich zu werden!"


    Er sprach leise und mit sanften Tonfall. Auch sprach er mit Überzeugung. Er wußte, dass man nicht viel im Leben brauchte, um doch glücklich zu werden. Aber die Freiheit gehörte dazu. Seine Eltern hatten es ihm durchaus vorgelebt. Ein einfaches Leben und bescheiden, aber trotzdem waren sie glücklich...glücklich bis die Römer kamen, fiel ihm ein. "Mach Dir jetzt keine Sorgen. Hier sind wir erst mal sicher!" sprach er zuversichtlich.

    Ganymed erwiderte den Blick ernst. Diese Flavier wurden in seinen Augen immer schlimmer. Aber so waren die Patrizier. Sie heirateten fast nur untereinander und es war kein Wunder, dass irgendwann nur noch ein Haufen Irrer übrig blieb. Er hatte das ja schon bei seinem früheren Herren erlebt. Dann blieb nur eins übrig. Nadia musste die nächsten Tage hier versteckt bleiben. Aber das war auch sehr riskant.


    "Also gut. Dann bleibst Du erst mal hier." Er betrachtete sie und ein Plan reifte in ihn heran. "Du könntest Dir deine Haare färben und ich besorge Dir morgen andere Kleidung, von meiner Herrin. Dann kannst Du Dich auch zur Not als jemand anders erstmal ausgeben." Er besah sie weiter und da er kein offentsichtliches Sklavenmal an ihr erkannte, nickte er zufrieden. "Ich werde dann mal sehen, wie wir am Besten aus der Stadt heraus kommen. Ob über die Hebräer oder auf eigene Faust werden wir dann entscheiden."


    Ihm kam der Gedanke, dass er, mit dem Vorwand auf die Lichtung zu gehen, sich durchaus mit Nadia an der Stadtwache vorbeischmuggeln könnte. "Vielleicht ist es aber auch besser, wenn wir das Ganze schon im Morgengrauen versuchen und beim ersten Licht die Stadt verlasse? Vielleicht brauchen die Flavier auch erst etwas Zeit um zu realisieren, dass Du geflohen bist?" Er sah sie hoffnungsvoll dabei an.