Beiträge von Narrator Italiae

    "Heute, zu Beginn der elften Stunde", wiederholte der Bote die erste Option. Man hatte ihm keine weiteren Einschränkungen mitgeteilt, so dass er die erste Wahl bestätigen konnte. Aber die Duumviri hatten es ja auch leichter: Sie waren zu zweiten, aber man brauchte wohl kaum beide für dieses Geschäft. Das machte es einfacher.


    "Ich werde dein Kommen bei den Duumviri ankündigen", ergänzte er dann und leitete damit die Verabschiedung ein.

    Der Praetor nahm die Tafel, die ihm gereicht wurde, entgegen und überflog kurz die darauf aufgeführten Namen. Da ihm nichts bemerkenswertes daran auffiel, nickte er nur und reichte sie an einen seiner Schreiber weiter. "Danke. Ich werde die Daten entsprechend aktualisieren lassen", versprach er dann. Mehr gab es dazu schließlich auch nicht zu sagen, den eine Vormundschaft endete logischerweise mit dem Tod eines der Beteiligten, ohne dass dazu allzu viel weitere Nachforschung notwendig war.

    Der Bote mochte das Militär. Man musste sich nicht mit langen Vorreden aufhalten und wurde nicht erst umständlich begrüßt und herein gebeten, sondern man kam gleich zur Sache. "Die Duumviri haben dein Angebot angenommen und möchten das Grundstücksgeschäft durchführen, sobald dir dies möglich ist", spulte er daher seinen Text ab. "Ich soll ihnen mitteilen, wann die deshalb in die Stadt zu kommen gedenkst."

    Unter den Namen, die von den Rängen gerufen wurden, war auch der Name Tanco, und immer wenn er besonders deutlich zu hören war, winkte von unten ein junger Mann in die entsprechende Richtung. Er wirkte durchschnittlich groß und nicht allzu kräftig, in seinen Bewegungen aber geschmeidig und durchtrainiert. Und er wirkte gelassen, indem er ganz in Ruhe sein Gespann bereit machte, anderen Fahrern offenbar ein paar vergnügte Worte zurief und auch einmal seine eigenen Aktivitäten unterbrach, um den Start oder die Vorbeifahrt eines anderen Gespanns zu beobachten, bevor er selber auf seinen eigenen Wagen kletterte und zu einer ersten Runde aufbrach, in der sich die Pferde erst einmal warm laufen sollten.

    Der Anschlag an der Gerichtstafel gab bekannt, dass heute ein Iuridicum Privatum unter Vorsitz des Praetors Fundanius Fenestella eine Feststellungsklage des Iulius Dives verhandeln würde. Genauer gesagt ging es um die Feststellung, ob das Vermögen des Aelius Archias Gegenstand einer Erbschaft sein kann oder ob es rechtmäßig auf Anweisung des Praefectus Urbi Vescularius Salinator konfisziert wurde. So lautete jedenfalls die Klageformel, die der Praetor für diese Verhandlung zugelassen hatte.


    Der Praetor war anwesend, ebenso einige seiner Mitarbeiter und ein Mann, der offenbar zum Büro des Praefectus Urbi gehörte, denn er hatte sich bereits auf der passenden Seite des Saales postiert. Fehlte nur noch der Kläger.

    "Eine Feststellungsklage also", wiederholte der Praetor laut und deutlich, damit sein Schreiber das auch auf jeden Fall so festhalten konnte. "Iulius Dives klagt um feststellen zu lassen, ob das Vermögen des Aelius Archias Gegenstand einer Erbschaft sein kann oder ob es rechtmäßig auf Anweisung des Praefectus Urbi Vescularius Salinator konfisziert wurde" wiederholte er dann noch einmal die Klage, die er mit der Festsetzung der Verhandlung zulassen wollte. Zweifellos hätte ein gewiefter Anwalt in Frage ziehen können, ob ein Decemvir tatsächlich ein berechtigtes Interesse haben konnte, eine solche Klage überhaupt anzustrengen, aber die Definiton des Begriffs des "berechtigten Interesses" war zweifellos eine komplizierte Angelegenheit, über dfie man trefflich debattieren und mir drei Juristen zu vier verschiedenen Meinungen kommen konnte. Daher fuhr der Praetor gleich mit seiner Entscheidung zur Durchführung dieser Klage fort. "Die Verhandlung wird stattfinden vor einem Iuridicum Privatum, dessen Vorsitz ich selber führen werde. Die Verhandlung wird festgesetzt auf den ANTE DIEM IV NON FEB DCCCLXIV A.U.C. (2.2.2014/111 n.Chr.). Der Kläger hat persönlich in der Basilica Ulpia zu erscheinen." Damit war seine Tätigkeit für's erste abgeschlossen. Seine Mitarbeiter konnten sich um die Beschaffung von Unterlagen aus dem Büro des Praefectus Urbi bemühen beziehungsweise entsprechende Zeugen vorladen.

    Von der Torwache hierher geschickt, erreichte ein Bote der Duumviri der Stadt Mantua die Principia und dort das Büro des Praefectus Castrorum. Jetzt musste ihn die dortige Wache wohl nur noch einlassen und der Praefectus Castrorum auch tatsächlich anwesend sein. "Ich möchte zum Praefectus Castrorum, um eine Nachricht der Duumviri von Mantua auszurichten", teilte der Bote mit, um diese letzten beiden Hürden zu nehmen.

    Der Decemvir schien die Sache wesentlich grundsätzlicher angehen zu wollen, als der Praetor zunächst angenommen hatte. Das war ihm durchaus sympathisch, auch wenn es mehr Arbeit für ihn bedeutete. Ambitionierte junge Magistrate waren schließlich eine gute Sache für Rom. Trotzdem wollte er sichergehen, den jungen Mann korrekt verstanden zu haben. "Was du sagst, läuft also auf eine Anfechtungsklage heraus, die die Erben anstrengen müssten, um die Anweisung der Konfiszierung anzufechte. Oder strebst du als amtierender Decemvir eine Feststellungsklage an, um im eigenen Interesse festgestellt zu wissen, ob in diesem Fall ein Erbe zu verteilen ist oder nicht?" fragte er nach. Für ihn als Praetor machte beides wenig Unterschied, aber für die Betroffenen war es sicher ein großer Unterschied. Schließlich waren die Kläger in den beiden verschiedenen Varianten verschiedene Personen.

    Als Zeichen des Endes des Gesprächs erhob sich der Duumvir und führte die Verabschiedung fort, die der Praefectus begonnen hatte. "Nichts zu danken. Die Verwaltung der Güter der Stadt gehört ja zu meinen Aufgaben. Es freut mich, dass wir dabei so zügig verfahren konnten. Du hörst morgen von mir. Vale."

    Der Praetor Urbanus, der in der Liste der gewählten Amtsträger unter dem Namen Mamercus Fundanius Fenestella geführt wurde, hörte den Ausführungen aufmerksam zu und vergleich sie mit seinen Erinnerungen, sowohl an die damaligen Ereignisse als auch an die gesetzlichen Regelungen. "Eine interessante Position, die du in diesem Gutachten einnimmst", konstatierte er dann. "Sie setzt allerdings voraus, dass der Aelius bereits zum Zeitpunkt der Anordung verstorben war oder aber der Erbschaftsfall zum Zeitpunkt der Konfiszierung der Güter bereits rechtsgültig abgeschlossen war. Letzteres können wir ausschließen und ersteres wird schwerlich nachzuweisen sein, meinst du nicht?" fragte er dann. "Doch selbst wenn man es nachweisen könnte, ist dies kein Ausschlussgrund, denn unsere Gesetze verbieten es nicht, fällige Strafen auch noch von den Erben einzufordern. Gleichzeitig möchte ich jedoch annehmen, dass wir hier von Vermögenswerten sprechen, die den Betrag von 800 Sesterzen, welcher als Höchststrafe für üble Nachrede im Gesetz festgelegt ist, überschreiten, oder nicht?" wechselte er dann von den eher rhetorischen Fragen zu einer tatsächlichen Frage, denn die Höhe des zur Disposition stehenden Erbes war bisher nicht genannt worden.

    Der Praetor Urbanus, der ganz offensichtlich schon zu den älteren Semestern gehörte und seine Position deshalb mit einer recht gelassenen Würde ausfüllte, schaute tatsächlich etwas thronend von seiner Sella herunter, während ein Anliegen nach dem nächsten vor ihn vorgetragen wurde. Dass einer der Vigintiviri zu ihm kam, war eine nette Abwechslung im Strom der Klagen und sonstigen Anträge, aber auch keine Ausnahmesituation. Demensprechend fiel die Begrüßung wohlwollend, aber ensonsten nicht allzu emotional aus. "Salve, Decemvir Iulius." Dann hörte er gleich wieder zu, welches Anliegen als erstes auf der Liste stand. Sowohl der Name Aelius Archias als auch der Name Iunia Axilla sagten ihm dann etwas, denn trotz seines Alters verfügte der Mann über ein ausgezeichnetes Gedächtnis. "Möglicherweise ein in der Tat interessanter Fall. Ich höre", sagte er daher in der Erwartung eines vorläufigen Gutachtens, das der Decemvir über diesen Fall angefertigt hatte und das nun als Entscheidungsgrundlage dienen sollte.

    Leider verbarg sich Abfalls selbst nicht vor patrizischen Villen. Ein besonderer Umstand machte es, dass es auf der Straße vor dem Gebäude zu einem Missgeschick kam, wie es unangenehmer nicht sein konnte. Nach der Leerung von Senkgruben hatte sich ein Bauer eine ganze Menge Düngemittel auf seinen Karren geladen. Ein gutes Geschäft, wie er fand. So ließ Rom das umliegende Land wachsen und gedeihen. Offensichtlich hatte er es dabei etwas zu gut gemeint, denn ein Teil des sich auftürmende Mists verabschiedete sich unter dem Schwanken des Gefährts bei der ersten stärkeren Unebenheit, die der Bauer überfuhr. Natürlich hatte er kein Interesse daran, das Zeug wieder aufzuladen, nur damit es sich bald darauf wieder verabschiedete. So lag der Dreck nun vor der Villa Flavia herum. Der Gestank breitete sich aus und zog auch schon das erste Ungeziefer an.

    Der Esquilin war nicht gerade dafür bekannt, das letzte Dreckloch zu sein, doch wirklich sauber sah es hier auch schon lange nicht mehr aus. Selbst im Umkreis der Unterkünfte wohlsituierter Gentes konnte der Anblick der Straße nicht immer Heiterkeit auslösen. Wenn Asche und Abfälle aus der Küche nicht irgendwo in den hauseigenen Lehmboden getreten wurden, dann landeten sie auch gerne Mal einfach so auf der Straße. Erschwerend kam vor der Casa Iulier hinzu, dass sich wohl irgendwann am Abend zuvor ein paar Männer auf der Straße erleichtert hatten. Latrinen gab es in Rom genug und doch brachten es die römischen Einwohner tatsächlich fertig ihr Geschäft nicht an der dafür vorgesehenen Stelle zu verrichten. Somit war der Weg vor dem Eingang zur Casa Iulier auch durch einen auffälligen Geruch geprägt.

    Die Via Nomentana machte derzeit nicht den besten Eindruck. Eine Spur des Schmutzes zog sich über sie hinweg, auch wenn diese bei weitem noch nicht als Katastrophenfall zu bezeichnen war. Dennoch lagen hier tatsächlich auf dem Weg im Einzugsbereich der der Porta der Casa Sergia eine ganze Reihe verdorbene Essensreste herum. Sogar ein paar abgenagte Knochen verteilten sich auf der Straße. Dass sich dann auch noch die Fliegen darüber hermachten war nicht gerade ein schöner Anblick...

    "Gut, wir werden das besprechen. ich denke, ich kann dir morgen eine Nachricht zukommen lassen", versprach der Duumvir, der keinen Anlass für große Verzögerungen sah. "Dann können wir den Verkauf zügig beurkunden, sofern es keine Einwände gibt", schob er gleich hinterher und deutete damit an, dass er diesem Angebot wohl positiv gegenüber stand und sich nicht unbedingt noch allzu lange mit dieser Angelegenheit aufhalten wollte. Nicht, dass sie ihm lästig gewesen wäre, aber zu viel Gedanken wollte er einfach nicht an ein Stück Land verschwenden, das womöglichweiter von Mantua entfernt lag als Rom.

    Die Nachfrage brachte einige Vermutungen zu Tage, die vor allem auf Indizien basierten und die der Duumvir vollumfänglich nachvollziehen konnte. Das gab zwar keine definitive Antwort auf irgendeine der Fragen, aber sorgte zumindest für das halbwegs komfortable Gefühl, dass sich alle im Raum einig waren, nicht wirklich viel zu wissen und trotzdem etwas aus der Sache machen zu wollen. "Nun, dann müssen wir wohl annehmen, dass es sich um ein durchschnittliches Stück land handelt, für das wir einen durchschnittlichen Wert ansetzen dürfen." Extra einen Boten zu schicken, der genauere Erkundigungen einholte, womöglich sogar vor Ort, erschien dem Duumvir zu umständlich, selbst wenn er der Stadt damit einen höheren Ertrag erwirtschaften könnte. "Gemäß den Regularien unserer Stadt werde ich das Geschäft in jedem Fall mit meinem Kollegen besprechen müssen. Welches Gewbot deinerseits kann ich dabei zur DIskussion stellen?"

    Bovillae war nun auch nicht gerade eine Ortsangabe, mit der der Duumvir mehr anfangen konnte als mit Geneva. Auch in Bovillae war er noch nie gewesen. "Da müssen wir dann wohl auf eine solche Angabe vertrauen", stellte er daher fest. "Ist etwas über Bodenschätze in dieser Gegend bekannt?" Die vorgelegte Urkunde gab zwar nichts dazu her und der Duumvir hatte auch keine Ahnung, ob es in der Umgebung von Geneva Minen oder Steinbrüche gab, aber solange seine auf Halbwissen begründete Frage reichte, um für die Stadt einen guten Preis auszuhandeln, sollte ihm das recht sein. Zumal er vermutete, dass der Vergleich mit Bovillae schon aufgrund der völlig anderen Distanz zu Rom enorm hinkte.