Der Praetor schaute zum Angeklagten und dessen Advocatus. Jener war in seinem Stuhl zusammengesunken und versuchte möglichst nicht gesehen zu werden. Danach drehte er sich zu seinen Beratern um. Nach kurzem Austausch nickte reihum jeder der dort sitzenden. Dann erhob sich der Praetor.
"Im Namen des Kaisers, des Senates und des Volkes von Rom ergeht folgendes Urteil. Die Ehe des Gnaeus Betucius Lepta mit Albina Calvia bleibt rechtsgültig."
Als dieser Satz gefallen war, brach ein Tumult auf der Bank der Verlierer aus.
"Du bist nicht länger meine Tochter!" brüllte Sixtus Albinus Tullus wutentbrannt in den Saal, versuchte sich gegen die ihn zurückhaltenden Arme seines Advocatus zu erheben und sich auf seine Tochter zu stürzen.
Sogleich eilten die für das Gericht zuständigen Soldaten herbei, zerrten ihn zurück auf seine Bank und hielten ihn dort unter Bewachung fest.
Der Praetor trat auf ihn zu und blickte den Mann streng an.
"Bis soeben gab es keinen Anlass, Sixtus Albinus Tullus, um dir deine Patria Potestas über deine Tochter abzuerkennen, auch wenn dies von der Gegenseite gefordert worden war. Eine Ehe führt nicht zwingend sofort zur Emanzipation der Braut von ihrem Vater, auch wenn sie de iure nicht durch den Vater geschieden werden kann. In diesem Punkt hat Aulus Iunius Tacitus nämlich recht. Die Lex Iulia et Papia hält fest, dass eine Ehe nur durch die Eheleute geschieden werden kann, ausser es lässt sich nachweisen, dass diese nicht intakt ist. Nur im Falle einer missbräulichen oder nicht intakten Ehe kann der Vater seine Tochter aus der Ehe zurückholen. Dieser Fall liegt hier aber nicht vor. Daher bleibt die Ehe bestehen."
Der Praetor machte eine kurze Pause und fixierte den wütenden Vater erneut.
"Durch deine soeben getätigte Äusserung, vor Zeugen und in Anwesenheit eines Praetors, befürchte ich jedoch, dass deine Tochter unter deiner Patria Potestas nicht sicher wäre. Ich entnehme deinen Worten den Willen, deine Tochter zu manzipieren und deine Patria Potestas aufzugeben."
Der Mann schreckte auf als er dies hörte, sank jedoch, als er die Hände der Wachen auf seinen Schultern spürte wieder zurück auf seinen Platz.
"Dein Schweigen spricht Bände, Sixtus Albinus Tullus. Als amtierender Praetor erkläre ich hiermit, vor all diesen Zeugen, dass ich deine Tochter, Albina Calvia, mit dem heutigen Tage sui iuris erkläre und deine Patria Potestas hiermit, gemäss deinem eigenen Willen, aufhebe."
Dann wandte er sich dem ganzen Saal zu.
"Es muss jedoch festgehalten werden, dass dies lediglich auf das Verhalten des Angeklagten zurückzuführen ist und nicht als Teil dieses Prozesses zu betrachten ist. Die Lex Iulia et Papia legt fest, dass die Ehe nicht durch den Vater geschieden werden kann. Sie legt jedoch nicht fest, dass die Patria Potestas mit Eingehen einer Ehe erlischt. In diesem Punkt sind unsere gültigen Gesetze inkonsequent. Die Dos geht hiermit definitiv in die Ehegemeinschaft ein.
Hiermit ist diese Verhandlung geschlossen."
Der Praetor warf einen letzten abschätzigen Blick in Richtung des Häufchen Elends, welches vom stolzen Vater übrig geblieben war. Dann zog er sich mit seinem Beraterstab zurück.