Beiträge von Narrator Italiae

    Venox war selbst überrascht von dem Schwung, mit dem er sich hatte hochkatapultieren können. Er hatte den Prätorianer gar nicht wirklich berühren wollen, nur seine Aufmerksamkeit erregen, um ihn abzulenken, ihn an seinem Vorhaben zu hindern... Stattdessen verlor der die Kontrolle über seinen eigenen Schwung, wurde weiter voran getragen, versuchte noch sich zu stoppen und stolperte dabei beinahe, bis er schließlich gegen den Centurio prallte.
    Und prompt die Quittung dafür aufgetischt bekam. Krachend knallte er gegen eine Wand, als der Prätorianer ihn packte und durch die Gegend schleuderte, so heftig, dass ihm die Luft wegblieb und er für Momente nicht mehr wusste wo oben und unten war, und bevor er seine fünf Sinne wieder sammeln konnte, wurde er erneut gepackt – und bekam eine verpasst, die ihm nun wirklich die Luft raubte. Mit blutenden Lippen sackte er gegen die Wand und sank daran entlang nach unten. Der kurze Ausbruch hatte ihn einen großen Teil der jämmerlichen Reserven gekostet, die er noch hatte, und was noch übrig war, darauf schien er im Moment nicht zugreifen zu können – er wirkte vielmehr wie eine Marionette, deren Fäden urplötzlich durchgeschnitten worden waren. Nur wie durch einen Nebel hörte er, was der Prätorianer sagte, bekam undeutlich mit, dass er den Befehl wiederholte, dass er seine Familie haben wollte... „Bitte...“ wimmerte er. Er hatte ja damit gerechnet, dass sie ihn foltern würden, aber dass sie das einfach übersprangen und sofort seine Familie holten? Warum hatte er sie nicht in Sicherheit gebracht? Warum war er nur so blöd gewesen und hatte sie in Rom gelassen, hatte darauf vertraut, dass sich niemand um sie kümmern würde, dass niemand die Spur zu ihm zurück verfolgen würde? Es hätte doch alles glatt gehen sollen, hatte man ihm gesagt... niemand würde auf ihn kommen, wenn alles glatt ging... und er hatte darauf vertraut. Deswegen hatte er seine Familie in Rom gelassen, und deswegen war er selbst nur nach Sicilia geflohen, und nicht in irgendeine entlegene Provinz, oder gar jenseits der Grenzen des Imperiums. „Ich bin... ich weiß es nicht“, wimmerte er weiter. „Ich hab nur einen getroffen, nur einen, und der hat mir gesagt, dass ein mächtiger Mann in Rom den Kaiser aus dem Weg haben will.“

    Stunden vergingen... reihten sich aneinander, eine nach der anderen, bis die Nacht schließlich verging. Und nie wachte der Mann auf. Manches Mal gab er Unverständliches von sich im Fieberwahn, oft wimmerte er, nur selten schrie er lauter, aber nie wachte er tatsächlich auf, nie so, dass er klar im Kopf gewesen wäre.
    Immerhin: er überstand die Nacht. Nicht sonderlich gut... aber als der Morgen anbrach, lebte er noch. Doch der Blutverlust war hoch gewesen und kostete ihn nach wie vor viel Kraft, und das Fieber tobte weiter in ihm... und wer nach ihm sah, wer ihn ein wenig eingehender untersuchte, konnte spüren, dass nicht nur die Brandwunden an seinen Beinen noch unnatürlicher glühten als seine Haut vor Fieber, sondern dass auch der kümmerliche Stumpf, der von seinem Arm noch geblieben war, heiß und heißer wurde, und dass unter dem Verband eine undefinierbare, ekelerregende Flüssigkeit aus der Wunde zu treten begann.

    Eingeschüchtert machte der Mann einen Schritt zurück. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, einfach zu verschwinden... nicht jetzt, natürlich, denn dass die Urbaner mittlerweile niemanden mehr durchließen, das war freilich aufgefallen. Der Mann sah sich ein wenig nervös um, und wurde dann noch ein wenig nervöser, als er sah, dass sich ihm zwei weitere Soldaten genähert hatten. Oh ja, er hätte wohl verschwinden sollen, als er noch Gelegenheit dazu gehabt hatte, kurz nachdem der Brand ausgebrochen war... wer wusste schon, ob die nicht ihm das Ganze anhängen wollen? Und wenn es nur war, dass sie ihm und seinen Leuten vorwarfen, das Gebäude nicht gut genug bewacht zu haben... „Also, äh... ich... wir“, er machte eine Kopfbewegung zu den anderen Männern etwas weiter hinter ihm – die nicht vollzählig waren, das wusste er, aber er konnte noch nicht sagen, wie viele tatsächlich so schlau gewesen und abgehauen waren, als sie es noch konnten – denen konnte er es nicht mal verübeln... –, und wie viele von den Urbanern vorhin fortgeschafft worden waren, „warn angeheuert, um den Speicher zu bewachen in der Nacht. Un ich hab vorhin mitgekriegt, wie da welche von meinen Leut weggebracht wurdn. Die... würd ich gern sehn.“

    Der Centurio schaute sowohl der einen als auch der anderen Gruppe bei ihren Bemühungen zu, ohne sie zu kommentieren. Manche der Rekruten schimpften, fluchten oder schnauften bei ihren Übungen, andere feuerten sich gegenseitig an, wieder andere verrichteten still und fast emotionslos ihren Auftrag. Nachdem alle ihre Aufgabe beendet hatten und wieder angetreten waren, machte auch der Centurio nicht viele Worte. "Positionen tauschen und Übungen wiederholen. Ausführen!"

    „Lass sie in Ruhe, sie wissen nichts, sie wissen überhaupt nichts!“ Erneut kam das Krächzen, noch ungeachtet dessen, was der Prätorianer zuvor geantwortet hatte, und es klang fast noch schlimmer diesmal, weil Venox lauter wurde. Mit einer Kraft, von der er nicht wusste wo er sie hernahm, katapultierte er sich von dem Stuhl auch und stürzte zu dem Mann, der gerade an der Tür irgendeinem seiner Soldaten eine Anweisung gab, die Anweisung, seine Familie her zu holen, seine Familie, seine Frau, und seine Kinder, sein Sohn und Erbe, seine Tochter, seine süße, kleine Tochter... er musste das verhindern. Er musste verhindern, dass sie da mit hineingezogen wurden. Also stürzte er sich zu dem Prätorianer, nicht einmal in der Absicht, ihn anzugreifen, nur um ihn aufzuhalten, um ihn dazu zu bringen zuzuhören, seine Entscheidung zu revidieren – auch wenn es wohl mehr wie ein Verzweiflungsangriff wirken mochte, so wie er vorschnellte.

    Die gleißenden Schmerzen, als das Brandeisen auf seine Wunde gedrückt wurde, rissen an seinem Bewusstsein, rissen ihn aus der Ohnmacht, ohne dass der Verletzte wirklich mitbekam, wie er wach wurde. Das einzige, was er wahrnahm, das einzige, was existierte, war brüllender Schmerz, aus dem seine sämtlichen Glieder zu bestehen schien. Und tatsächlich glühte nicht nur die Wunde, die mit dem Brandeisen nun geschlossen worden war, sondern der ganze Körper des Mannes, glühte vor Fieber, das in ihm zu wüten begann. Er wachte auch nach der Behandlung mit dem Brandeisen nicht wirklich auf... gelegentlich kam ein Stöhnen über seine Lippen, gelegentlich zuckte sein Körper, als wolle er sich im Fieberwahn hin und her werfen, aber er war zu schwach, um sich wirklich zu rühren. Die nächsten Stunden, so viel war klar, würde er auf jeden Fall nicht aufwachen, und auch sein Schicksal – ob er lebte oder starb –, würde frühestens am nächsten Tag vielleicht ein wenig klarer werden.

    Die Nacht war schon weit fortgeschritten, als die Vigiles nach und nach, unterstützt von mittlerweile zahlreichen freiwilligen Helfern, das Feuer in den Griff bekamen. Die Gefahr für die umliegenden Häuser schien gebannt... auch wenn die Flammen, die übergegriffen hatten, auch dort bereits einigen Schaden angerichtet hatten. Der Kornspeicher indes war nicht mehr zu retten. Sie schafften es nicht einmal, dort das Feuer tatsächlich löschen – aber sie hatten es eingedämmt, genug, um abwarten zu können, bis es herunter gebrannt war und keine neue Nahrung mehr fand. Der Hauptmann der Vigiles teilte seine Leute rund um das Gebäude zur Brandwache ein, um zu verhindern, dass das Feuer am Ende doch noch einmal übergriff, und rief ein paar Tirones, darunter auch Memnon, zu sich. „Ihr stellt sicher, dass die Feuerwachen hier bekommen was sie brauchen... und sorgt für eine regelmäßige Ablöse!“


    Unterdessen leerten sich Straßen ebenfalls wieder. Es war mittlerweile tiefste Nacht, die Menschen waren müde – umso mehr nach der Angst und Plackerei, die das Feuer bedeutet hatte. Außer den Vigiles und den Urbanern blieben nur wenige noch übrig, darunter ein paar Männer, von denen einer nun zu dem Urbaner trat, der offenbar hier das Sagen hatte. „Entschuldige“, räusperte er sich und rieb sich über die schmutzige Stirn. Sein gesamtes Gesicht war rußverschmiert, und die Augen leuchteten erschöpft und unnatürlich aus dem dunklen Dreck heraus. „Ich würd gern meine Leut sehn. Die du hast wegbringn lassn.“

    Der Haruspex langte sich an den Kopf und rieb sich die Schläfe. Ganz leise seufzte er.
    “Nungut, ganz wie du willst. Wenn du im Laufe der nächsten Wochen deine Meinung noch ändern solltest, vielleicht erübrige ich nochmal einen Moment Zeit, um mit dir zu reden. Du kannst die Wache danach fragen.“
    Er stand darauf hin kommentarlos auf und verließ den Raum. Es folgte erst die eine Wache und nahm den Stuhl mit, denn die zweite mit der Fackel. Die Tür schloss mit einem dumpfen Krachen, gefolgt von dem scharrenden Geräusch eines schweren Riegels, und ließ Classicus allein im Dunkeln zurück. Nur dann und wann huschte eine Ratte durch das Stroh, nur war das kaum Gesellschaft zu nennen.
    Folter hatte man gar nicht nötig.

    Sim-Off:

    Dass die Römer nicht Ihrzen und Euchzen, sondern nur duzen.


    Ganz leicht rieb sich der Haruspex die Schläfen, als ermüde ihn diese Konsultation jetzt schon. “Es ist keine Meinung, mein Urteil begründet sich allein aus deinen Worten. Als Lügner bist du wirklich... ungeschickt.“ Der Mann sprach das letzte Wort aus, als wäre es eine Anklage.
    “In Mantua ist die erste Legion stationiert, außerdem liegt es nahe bei Ravenna, wo die Classis stationiert ist, und am Padus, womit die Stadt einen Binnenhafen hat. Alles Gründe, warum die Stadt als militärisches Ziel von Interesse ist. Hättest du zu Verwandten gewollt, hättest du nicht erst mit dieser Bauer-will-Waren-verkaufen-Geschichte auf dem Markt angefangen und hättest dich hier gänzlich anders benommen. Vor allem hättest du es gleich erwähnt, und nicht erst, als du merktest, wie dein Lügengebilde der Wahrheit nicht standhält. Und du lügst schon wieder.
    Gehe ich also richtig in der Annahme, dass du nicht preisgeben willst, wer dich geschickt hat und zu welchem Zweck?“

    Sim-Off:

    Du, nicht Ihr ;)


    Eine abwehrende Handbewegung deutete an, dass es dem Haruspex vollkommen gleich war, ob Classicus stand oder saß oder auch lag. Solange er selbst bequem sitzen konnte und sich nicht schmutzig machte, war es das in diesem Fall auch. Und solange er die Antworten bekam, die er haben wollte.
    “Jedes Tier flieht vor dem Feuer, das es schreckt. Du aber behauptest, mitten hinein flüchten zu wollen. Wolltest du dem Bürgerkrieg wirklich entkommen, würde dich deine Reise nach Süden führen, wegen dem Getreide wohl eher nach Sicilia mit seiner fruchtbaren Erde, aber nicht nach Norden und nach Etruria. Du lügst. Das ist jetzt schon die dritte Lüge.“
    Der Haruspex seufzte, und es klang richtig bedauernd. “Kein Mann tauscht die Sicherheit einer Stadt gegen die Gefahr einer Landstraße. Dutzende von Bauern versuchen, ihre Kinder bei Verwandten in der Stadt unterzubringen, unsere Mauern bersten fast vor Menschen. Aber du willst nach Norden, wo bald Schlachten geschlagen werden, und behauptest, Sicherheit und Schutz zu suchen? Nein, ganz sicher nicht. Du spionierst, und das nicht sehr geschickt. Ist nur die Frage, für wen du spionieren geschickt wurdest. Von einem Rom, das seinen Nachbarn nicht traut? Von einem aufstrebenden Usurpator, der ausloten möchte, wie willkommen er ist? Von den Parthern, die sehen wollen, ob Rom gerade schwach ist und so entzweit, dass sich ein Einfall lohnen würde? Von den Judäern, die in ihrer Verblendung noch immer von Unabhängigkeit träumen? Oder vielleicht von diesen Kannibalen, diesen Christen, die die Unruhe für einen Umsturz nutzen wollen?“
    Der Haruspex sah Classicus mit schiefgelegtem Kopf an. “Ich glaube nicht, dass du Ausländer bist. Also entweder kommst du aus Rom oder aus dem Osten her, um mich anzulügen.“

    Classicus machte nicht einmal einen Schritt auf seinen Gesprächspartner zu, ehe die Wache (die ohne Fackel) ihn mit einem kräftigen Schlag in die Magengrube zum stehen brachte. Ein weiterer Griff, und Classicus fand sich gegen die Wand gedrückt wieder.
    “Wenn du mit dem ehrwürdigen Haruspex sprichst, wirst du dich angemessen benehmen und Abstand halten“ wurde ihm mit beständigem Druck gegen seine Kehle eingebläut.
    Erst als ein “Danke, ich denke, das ist genug“ folgte, verminderte sich der Druck und die Wache ließ Classicus zu Boden sinken und los, blieb aber auch weiterhin zwischen dem gefangenen und dem vornehmen Redeführer positioniert.


    “Sollte die Tatsache, dass ich Etrusker bin, von dir beleidigend gemeint sein, verstehe ich nicht, worin die Beleidigung bestehen sollte, Latier.“ Der Haruspex blieb ganz ruhig sitzen, zuckte nicht einmal mit der Wimper. Überhaupt war die Zugehörigkeit zu dem Volk, dass den Römern am meisten beigebracht hatte und das nach wie vor als Sinnbild für frommes und würdevolles Handeln galt, sicher nichts beleidigendes. Man war ja kein Barbar.
    “Du bist also auf dem Weg in den Norden? Weswegen? Woher genau kommst du überhaupt? Diese Zeiten sind zum Reisen wenig geeignet.“ Der Mann blieb ganz ruhig. Von zwei gerüsteten, ausgebildeten und bewaffneten Männern umgeben, die hinter der Tür gar nicht mitgerechnet, konnte er das auch sehr wohl sein.

    Weitere Rekruten meldeten sich ebenfalls zu Wort und steuerten ihre Antworten bei, bis der Centurio am Ende zufrieden war. "Ich fasse zusammen: Mit Hakenstangen können Gebäudeteile nahe des Brandes zerstört werden, um Schneisen zu schaffen; brennbares Material aus dem Feuer gezogen werden, um das Feuer zu schwächen; und Eimer an tiefergelegene oder höhergelegene Stellen weitergereicht werden. Wir üben das jetzt. Je zwei Mann eine Stange. Die eine Hälfte tritt dort vorne an, die andere hier."


    Der Centurio deutete einmal auf eine Bretterwand, die auf dem Platz stand und einmal zu den Gebäuden seitlich des Platzes. Dann wartete er, bis sich die Männer ausgerüstet hatten und erklärte die Aufgabe. "Hier an der Bretterwand: Einreißen! So schnell wie möglich, ohne dabei diese Linie zu übertreten." Er deutete auf eine Linie auf dem Boden. "Ausführen!"


    Dann ging er zu der anderen Gruppe. "Euer Auftrag: 100 Eimer Wasser rauf auf's Dach! Keine Leitern! Ausführen!"

    Der Mann blickte Classicus eindeutig missbilligend an. “Du wurdest festgenommen, weil du behauptet hast, Bauer aus dem Umland zu sein und hier Waren verkauft zu haben. Allerdings bist du weder Bürger des von Arretium verwalteten Gebietes, noch hast du hier Waren verkauft. Du hast gelogen, und auch noch schlecht. Deswegen wurdest du verhaftet.“
    Der Mann sah sich in der Zelle leicht um und rümpfte die Nase. “Man bringe mir einen Stuhl“ befahl er an niemanden bestimmten durch die nur angelehnte Tür hindurch nach draußen. Dann trat er noch einen Schritt auf Classicus zu und bemühte sich, möglichst auf kein fleckiges Stroh zu treten oder seine kostbare Toga über den Boden zu schleifen.
    “Das Land um Arretium ist schon seit Generationen im Besitz derselben edlen Familien, und es gab auch keine neuen Pächter. Die Aemilii sind vielleicht in anderen Städten groß vertreten, doch nicht hier. Wir haben Bürgerlisten und können das auch nochmal nachprüfen. Oder du ersparst uns die Arbeit einfach und erklärst, warum du gelogen hast.
    Und hier sind nicht viele Soldaten unterwegs, sondern Stadtwachen. Falls es dir bislang entgangen sein sollte, wir befinden uns im Bürgerkrieg und von Norden kommt eine Armee heran nach allem, was man hört. Das Getreide wird knapp. Die Bürger haben Angst. Was glaubst du denn, was wir da machen sollen? Natürlich haben wir die Stadtwache aufgestockt, um Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten und Plünderungen erst gar keine Chance zu geben.! Ich hoffe doch, dass dies im ganzen Imperium auf ähnliche Weise geschehen ist.“
    Deutlich entgeistert blickte der Mann drein, als sei die frage schon ganz absurd. Eine Wache kam da auch gerade mit seinem Stuhl und stellte ihn im Raum ab. Mit einem Teil seiner Toga wischte der Mann zweimal noch über die Sitzfläche, als wolle er Staub hinunterwischen, ehe er sich darauf setze. “Also, wer bist du wirklich und weshalb hast du gelogen?“

    Es war ein gutes Stück durch die Stadt, bis die Gruppe den Carcer erreichte. Da wurde auch nicht lang gefackelt und Classicus wurde wie jeder Dieb erstmal einfach in eine der Zellen gesteckt. Sie war dunkel, roch muffig, und hatte ein paar pelzige Einwohner, die sich aber gleich aus dem Staub machten.


    Es dauerte einige Zeit, in der Classicus sich selbst überlassen war. Fliehen war aus dieser Zelle unmöglich. Die Kratzspuren an den Wänden zeugten von einigen Versuchen, das Gegenteil zu beweisen.
    Erst nach einiger Zeit in der Dunkelheit erschien das Licht einer Fackel unter dem schmalen Türspalt hindurch, und kurz darauf wurde sie auch geöffnet. Zwei schwer gerüstete und bewaffnete Stadtwachen traten ein, eine mit einer brennenden Fackel in der Hand, erst dahinter ein Mann in edler Kleidung, der beim Eintreten einmal leicht die Nase rümpfte.
    “Salve. Man erzählte mir, du wurdest auf dem Weg zum Markt aufgegriffen. Wie ist dein Name und woher kommst du?“ fragte der Vornehme.

    Strenggenommen hatten weder verschlossene Türen noch die Überprüfung verdächtiger Geräusche etwas mit Brandschutz zu tun, aber in der Tat gehörte beides auch zu den Pflichten der Vigiles. Der Centurio ließ die Antwort daher ohne negative Kommentar stehen. "Bei deiner nächsten Tagpatrouille wirst du mit deinen Kameraden auch weitere Vorschriften überwachen. Jedes Haus hat im Eingangsbereich Brandlöschutensilien bereitzuhalten. Achtet vor allem auf Eimer und Leitern. Mit den anderen Sachen können die Bewohner zu viel Unfug anstellen."


    Damit leitete er zum heutigen Ausbildungsthema über. "Hakenstangen zum Beispiel. Ich habe schon Nachbarn gesehen, die sich damit bekämpft haben. Aber dafür sind sie nicht gemacht. Dahinten liegen welche. Wer erklärt ihren Einsatz?"

    Die Stadtwache gab den anderen einen Wink, so dass sie den Kreis um Classicus schlossen. “Ich hab keine Ahnung, wer du bist, aber kein Bauer aus dem Umland. Die wissen nämlich alle, was hier los ist, und die haben ganz sicher keine Waren, die sie hier verkaufen, sondern bestenfalls zur Einlagerung anliefern.“
    Ein weiterer Wink folgte, und Classicus war eingekreist. “Wir bringen dich erstmal zum Carcer, dann wird sich dort jemand mit dir beschäftigen. Du“, deutete er noch auf einen seiner Männer “gehst zur Regia und sagst den Quattuoviri, dass wir einen Spion haben. Vielleicht möchte ja auch einer der hohen Herren sich da weiter unterhalten.“


    Iunius Avianus wurde unterdessen von den Wachen nicht bemerkt. Die waren vollauf damit beschäftigt, Bescheid zu geben und Classicus so unauffällig wie möglich zum befestigten Carcer zu schaffen.

    Die Antwort erschien dem Centurio etwas dürftig, auch wenn er ansonsten knappe Antworten mochte. Also fragte er weiter nach. "Was weißt du über die Brandschutzvorschriften, deren Einhaltung ihr während eurer Patrouille überprüft habt?"

    Der Centurio musterte die Reihe der Tirones und schien mit dem Bild zufrieden. "Memnon, du hattest diese Nacht deine erste Patrouille", begann er dann zu sprechen. "Berichte deinen Kameraden, wie diese abgelaufen ist!" Da die Kameraden zwar auch alle noch Tirones waren, aber schon länger dabei, hatten diese ihre jeweils erste Patrouille alle schon hinter sich. Es ging also offensichtlich weniger darum, diesen neue Einblicke zu vermitteln. Vielmehr wollte der Centurio überprüfen, wie der Neue den Dienstbetrieb wahrnahm.

    Die Augenbrauen der Wache zogen sich weiter nach oben. “Muss aber ein sehr entlegenes Stückchen Land am Arnus sein, dass da noch niemand vorbeigekommen ist. Immerhin hat Rom schon vor einiger Zeit riesige Mengen an Getreide und anderen Lebensmitteln für sich beansprucht und befohlen, dass man es einziehen soll.“
    Der Mann sah auffällig einmal links und einmal rechts an Classicus vorbei. “Und wo sind denn deine Waren, die du doch verkaufen willst?“

    Die Wache schaute den Fragenden mehr als irritiert an und sagte etwas – natürlich auch auf etruskisch und nicht in dem Latein, in dem sie angeredet wurde. Die anderen Wachen stoppten auch, immerhin ging man auch hier in Zweierreihen und sobald einer anhielt, merkte das der Rest sehr schnell. Ebenso wie sie die Frage alle mitbekommen hatten.
    “Und woher genau kommst du?“ fragte eine der Wachen, jetzt in Latein. Die anderen fächerten so ein klein wenig um Classicus aus, während die vorbeikommenden Menschen instinktiv einen Bogen um die Szene machten. Bewaffneten Männern ging man eben besser aus dem Weg.