Plautius seufzte. Warum konnte es bei ihm in Sachen Frauen nicht mal unkompliziert laufen? Weder in seiner Eigenschaft als Lupanarbesitzer (das nächste Lupanar würde nur Knaben im Angebot haben dachte er mal wieder. Frauen waren schwerer zu hüten als ein Rudel ausgehungerter Wölfe), noch als zukünftiger Ehemann. Oder waren Frauen einfach nur kompliziert und seine Brüder hatten ihn all die Jahre belogen. Immerhin, Agrippa war Politiker und Senator. Da gehörte Lügen zum Beruf. Bei seinen Brüdern Agrippa und Fuscus hörte sich das Zusammenleben mit ihren Frauen immer so einfach an. Also wenn Plautius von Medeia jetzt mal auf den Rest der Frauenwelt schloss, dann verstärkte sich sein Verdacht, dass sein Bruder Fuscus seiner Verlobten Titania sicher Drogen verabreichte. Und Agrippa traute er noch zu, dass er die Frauen mittels Hexerei und Liebestränken bei der Stange hielt und mit Sesterzen satt fütterte. Oder in seiner Casa einsperrte, damit sie nicht weglaufen konnten.
Spontan fragte er sich warum er Medeia nach so einem Eigengeständnis noch heiraten sollte. Die schrie ja geradezu danach, dass er sie aus seiner Casa warf und nicht mehr sehen wollte. War er nur ein Spiel für sie? Aber bei Mars Eiern, Junos Titten, Venus Arsch und Juppiters Bart – er liebte diese Frau!
Dann verging der Moment des Zweifelns und machte der Entschlossenheit von Plautius Platz! Eine Doofe zum Poppen konnte jeder bekommen und halten. Da reichte es aus Macht und Geld zu haben. Agrippa war dafür der beste Beweis. Bei seinem dicken Bauch, den grauen Haaren und Falten im Gesicht konnte es keine andere Antwort geben. Aber er, Plautius, war intelligent, sah gut aus, hatte ein geregeltes Einkommen, war ein Held und würde es noch weit bringen. Und er wusste wen und was er wollte!
Entschlossen schob Plautius Medeia etwas von sich weg und schaute grimmig drein. Dann stand er schweigend auf und verließ er den Raum.
Wenig später kam er in den Raum und trug seine Waffen und seine Rüstung auf den Armen, eine dicke, lederne Mappe hatte er sich unter den Arm geklemmt. Er ließ alles auf den Boden fallen und setzte sich wieder neben Medeia. Grimmig musterte er Medeia, sein Tonfall war nun befehlsgewohnt und strenger, was auf Griechisch schon etwas ungewohnt wirkte. Das konnte aber auch an Plautius Akzent liegen. Nicht jeder griechische Hauslehrer kam aus Athen!
„So! Frau Artoria Medeia, jetzt reden wir mal ein paar ernste Worte. Ich, Camillus Matinius Plautius, habe noch nie vor Herausforderungen, Aufgaben und Schlachten gekniffen. Ich will nicht „jede Frau“ und „jede Frau“ hat mir bislang nicht die Tür eingerannt oder hat den langen Weg von Roma nach Mantua nur für ein paar Nächte mit gutem Sex auf sich genommen. Und „jede Frau“ war mit mir auch nicht in einem Theater oder stundenlang in einer Buchhandlung oder ist gebildet und interessiert sich für Literatur.“
Er hob die Ledermappe auf, welche mit Lederschnüren lose verbunden war und hielt sie vor Medeia hoch.
„Was deine Vergangenheit betrifft, so habe ich im Garten einiges unfreiwillig gehört. Anderes habe ich hier und da erfahren. Und der Rest waren kostenintensive Nachforschungen. Das steht alles hier drin. Ich kenne deine Vergangenheit, weiß was ich über Artoria Medeia wissen muß und werde sie vielleicht eines Tages von Dir erfahren. Du brauchst sie mir hier und jetzt nicht mehr zu erzählen. Glaubst du wir Matinier haben keine Leichen im Keller? Warum solltest du mich um Verständnis bitten für das, was in der Vergangenheit war. Glaubst du beispielsweise ich schäme mich Dir, der Familie oder dem Rest der Welt gegenüber, dass ich 2 Lupanare besitze, die bestens laufen. Mein Neffe Metellus hat bald einen Anfall bekommen, als er erfuhr, dass ich noch Zuhälter bin, was ja auf ihn negativ zurück fallen könnte. Gesellschaftlich anrüchig sind meine Betriebe, aber dennoch zählen selbst Senatoren zu meinen Kunden und befriedigen bei mir ihre Triebe und sonderbaren Neigungen. Wir sind die Gesamtheit unserer Erfahrungen. Was nutzt es jetzt noch diese als gut oder schlecht zu bewerten. Sie ändern sich dadurch nicht mehr. Es ist mir egal, was die Gesellschaft sagt. Ich stehe hinter bzw. vor meiner Frau, so wie ich erwarte, dass meine Frau hinter mir steht. Und zur Not kann ich immer noch über den ein oder anderen Lupanarbesucher indiskret werden, wenn er meint sich öffentlich über uns monieren zu müssen. Oder lasse deren Leichen ausgraben. Dann geben die schon Ruhe. Und wenn deine Vergangenheit zum Beispiel ein gutes Stück Ruhe findet, und du deinen Seelenfrieden, wenn diese alte Harpyie aus dem Garten an den Vinalia aus Altersgründen verstirbt, dann kann das auch angegangen werden. Als Soldat ist Feldarbeit nichts Neues.“
Plautius warf die Mappe achtlos zur Seite. Wie Medeia genau zu der alten Harpyie stand wusste er nicht, aber seinen Neffen hätte er an Agrippas Stelle schon ab und an problemlos den Hals umgedreht. Buckelige Verwandschaft.
„Es ist schön, dass du alles nur so einseitig von Dir aus siehst, warum du keine gute Wahl für mich bist und mich auf einen makellosen Sockel stellst.
Ich bin bei Nacht und Nebel aus der Casa Matinia ausgerückt und zur Legio IX Hispana geflohen um einer Ehe mit einer unglaublich hässlichen, unglaublich alten, unglaublich reichen Witwe zu entgehen.
Du bist eine Frau und warst Aedilis und Quaestorin. Warum solltest du also nicht lügen dürfen und immer ehrlich sein?
Unbeständig? Ich will keine Langweilerin als Frau. Alltagstrott habe ich in der Legio.
Treue ist mir wichtig. Davon hängt als Soldat mein Leben ab. Das prägt auch etwas das Privatleben. Außerdem weiß ich, dass keine Rüstung und keine dicke Haut einen schützt, wenn man betrogen wird. So etwas tut weh und darauf habe ich Lust mehr. Solche Wunden heilen sehr langsam. Was willst du von mir hören? Das versprechen, dass ich dich töte oder verunstalte, wenn ich dich beim Ehebrauch erwische? Mal sehen, wie ich dann reagiere. Mitunter bin ich ein sehr spontaner und aggressiver Mensch. Und eifersüchtig! Würdest du mich gerne mit ein paar anderen Frauen teilen und wollen, dass ich heimkomme und nach deren Duftwasser rieche? Oder Dir das Gefühl vermittele, dass du mir nicht reicht? Ich könnte mir vorstellen, dass du dann wie eine Furie mit dem Dolch vor mir stehst um mir was abzuschneiden. Oder irre ich mich und du bist die Toleranz in Person?
Du bist Dir deiner Freiheit bewusst, nun, ich hatte nicht vor dich in meiner Casa anzuketten oder Dir eine Sklavenplakette anzulegen. Es sei denn du magst solche intimen Spiele, wenn wir unter uns sind. Und ich werde dich auch nicht in der Casa einsperren, wenn ich auf Woche oder Monate in einen Krieg ziehe oder an einem Manöver teilnehme. So viel Vorräte habe ich bislang nie in der Casa eingelagert. Du kannst jederzeit kommen und gehen und das Recht einer Scheidung steht meines Wissens auch einer Frau zu. Vitamalacus kann uns das sicher beantworten, der ist auch Advocatus. Ich bezweifele, dass ich dich halten kann, wenn du gehen willst.
Gesellschaftlich bin ich eine kleine Nummer. Wenn es Dir um gesellschaftliche Anerkennung geht, dann halte dich besser an meinem Bruder in Hispania, obgleich sein Stern als Proconsul im Sinken ist. Ich bin die Zukunft der Gens Matinia!
Kinder, hm, also wenn ich mir meine missratenen Neffen anschaue, dann weiß ich, dass ich einen Sohn und Stammhalter besser adoptieren werde. Denn um seine Erziehung werde ich mich kaum kümmern können. Außerdem haben mir 2 Hexen in Hispania mal unabhängig voneinander prophezeit, dass ich nur Mädchen haben werde. Und mit einem Mädchen, welches deine Schönheit erbt, kann ich damit gut leben. Kinder schieben wir in unserer Planung besser mal nach hinten und überlassen das Thema dem Willen der Götter. Wenn diese es wollen, dann kriegen wir welche, um die sich dann eh zuerst eine Amme und dann ErzieherInnen kümmern. Da nutzt Dir auch dein ganzes Wissen um Verhütung nichts. Und schau nicht so überrascht. Als Besitzer von 2 Lupanaren weiß ich um Dinge, von denen die meisten Männer wohl noch nie was gehört haben. Aber wisse, dass ich zu Kindern aus unserer Beziehung stehen werde. Aber vor das Thema Kinder kommt eine Beziehung und deine Entscheidung, ob du mich heiraten willst. An einer losen Beziehung habe ich wenig Interesse. Das bringt dich in Verruf und ich empfinde das als unbefriedigend. Wenn es mir nur um einen schönen Körper und Sex gehen würde, dann wäre ich mein eigener Kunde in meinen Lupanaren.
Als Soldat bin ich ein Frühaufsteher und gemeinsame Spaziergänge bei Sonnenaufgang sind machbar, da ich die im Gegensatz zu dickbäuchigen Senatoren quasi nie verschlafe. Und mein Schreibtisch sollte tabu für dich sein. Neben militärischen Geheimnissen, die du als meine Frau mir besser im Bett oder am Tisch entlocken solltest, findest du dort jede Menge Legioschreibarbeit, unbeantwortete Familienpost und Betriebskalkulationen, die ich am Liebsten delegieren würde. Aber wenn du gerne meine Betriebe und die Bücher dafür führen möchtest …. Die Unordnung auf dem Schreibtisch hat ein System. Du bekommst gerne einen eigenen Schreibtisch. Und glaube ja nicht, dass ich dann nicht in deinen Sachen schnüffeln werde, wenn du es bei mir machst. Ich wollte schon immer mal in Ruhe deinen Kleiderschrank, deine Literatur und deine Kisten durchschnausen.“
Plautius schenkte Medeia ein verschmitztes Lächeln. Dann wurde sein Gesicht wieder ernst.
„Wenn du sehr religiös bist, dann ist das in Ordnung. Ich halte es überwiegend nur mit Mars und bin nicht sehr religiös. Ich sollte es sein, denn mein Überleben liegt auch in deren Hand. Kannst ja gerne für uns beide ein gutes Wort einlegen.
Das mit den seltsamen Anwandlungen bei Frauen kenne ich. Alle 3 Wochen oder so in regelmäßigen Abständen. Solange du sie mir mitunter erklärst oder wir darüber sprechen passt das schon.“
Plautius ergriff sanft Medeias Hände und seine Stimme wurde etwas sanfter, wenn auch der Redefluss etwas holpriger wurde. Während des Sprechens schien er gleichzeitig nach dem korrekten Vokabular auf Griechisch zu suchen.
„Du siehst Geister? Hm, dann sind die Gerüchte, dass du eine Hexe bist wohl doch war. Aber kann sich ein Mann nicht eine Hexe als Frau wünschen, die Schutzzauber über die Familie und das Haus webt. Oder seid ihr etwas zu sparsam in der Casa Artoria mit den Bohnen für die Lemuren umgegangen. Aber keine Sorge, ich halte dich nicht für verrückt. Bei vielen barbarischen Völkern sind Geisterseher hoch angesehen und als Soldat tauchen auch ab und an in meinen Träumen die Geister der toten Feinde und gefallener Kameraden auf. Deshalb lasse ich diese Casa auch in regelmäßigen Abständen von einem Mars-Priester der Legio reinigen und an den Lemuria gibt es so viele Bohnen, dass die das ganze Jahr über satt und zufrieden sind. Ich vermute, dass dich hier die Geister weniger behelligen.“
Das war ein Punkt mit dem Plautius sehr intellektuell umgehen konnte. Geister kamen und gingen und da konnte man etwas tun. Eifersucht war ein anderes Thema. Aber sein Vorgarten würde Platz für einige Leichen von ungeliebten Konkurrenten bieten, wenn es sein musste. Und zur Not hatte Vitamalacus als Nachbar ja auch noch einen Garten. Und zu irgendetwas musste ein Patron ja gut sein.
Plautius erhob sich und schaute Medeia wieder ernst an. Dann zog er seine Tunika aus. Seine Stimme wurde ernst und kühl.
„Und wenn wir schon mal dabei sind uns Gründe zu liefern, warum wir einander nicht heiraten sollten. Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte: ich bin zur Zeit noch Berufssoldat, kein Mitglied im CH und Senator in Lauerstellung. Ich kann im Kampf getötet und verkrüppelt werden. Und manchmal sah schon es übel aus.“
Plautius wies mit den Fingern auf die Narbe im Gesicht, wo es ihn einmal beinahe das Auge gekostet hatte. Dann auf die üble Narbe am Bein, welche jedem Haiangriff zur Ehre gereicht hätte. Und dann die Narbe über den Bauch. Die vielen kleinen Narben ließ er mal heute weg. Dann hob er die Rüstung und die Waffe auf.
„Damit, Frau Artoria Medeia kann ich mich schützen und mir manches vom Leib halten, aber ein Restrisiko bleibt. Ich komme vielleicht nicht wieder zurück oder nicht in einem Stück. Und dann musst du damit auch Leben können und dich an die Zeit erinnern, wo es so wie jetzt war. Aber zumindest versichere ich Dir, dass du zu diesem Zeitpunkt für den Rest deines Lebens versorgt sein wirst. Auch wenn das mich nicht ersetzen wird.
Ich habe Dir die Frage gestellt, ob du mich heiraten willst. Vieles was du gesagt hast, habe ich geahnt oder gewusst. Du hast mir eine Gegenfrage gestellt, aber nimm bitte zur Kenntnis, dass ich es als Praefectus Castrorum nicht gewohnt bin mich zu wiederholen. Es bleibt bei meiner Frage an dich. Überlege Dir eine klare Antwort, vor allem im Hinblick auf meinen Beruf: Ja oder Nein!
Ich bin gleich wieder da. Und habe erst einmal nichts mehr zu sagen!“
Plautius verließ das Zimmer um seine Waffen und die Rüstung weg zu bringen. Er brummte leise vor sich hin wie ein Bär. Er hasste es alles auf den Venuswurf zu setzen.
Und um mal zu schauen, wo der Zwerg abgeblieben war. Den Geräuschen aus der Küche zu urteilen, fütterte er die Katze und betätigte sich dabei als Vorkoster des Weines und der Süssigkeiten, wie auch der ganzen anderen Delikatessen, welche Plautius für das Frühstück besorgt hatte. Dabei befand er sich in bester Gesellschaft, denn der dicke Rufus leistete den beiden Gesellschaft und half dem Zwerg auch beim Vorkosten, während er einen Würfelbecher vom Regal nahm.