Beiträge von Didia Caesonia


    Frisch gewaschen, gut duftend und neu eingekleidet übersah ich die reich gedeckten Speisen und hoffte, mein Magen würde nicht laut knurren, während das Gebet gesprochen wurde. Schließlich griffen alle zu und ich konnte meinen hungrigen Magen versorgen, während sich mehrstimmiges Gemurmel erhob.
    Ich saß meinem Vater nicht fern und beobachtete ihn, wenn er gerade wegsah. Was kam mir vertraut vor, was war neu an ihm? Vieles erkannte ich wieder, als ich kurzzeitig schrumpfte und zu einem kleinen Mädchen wurde, das seinen Vater vergöttert hatte. Ich lächelte und ließ meinen Blick beruhigt schweifen.


    "Sind die Wahlen, von denen du schriebst, jetzt eigentlich schon entschieden?", meinte ich an ihn gewandt.


    Von meiner Leibsklavin flankiert fand ich auf beinahe direktem Weg zur Piscina. Der Anblick, der sich mir bot, war wunderbar. Türkis waberte das Wasser, das Licht war angenehm sanft und die Bilder an der Wand von feinen, klaren Linien. Ich spürte schon, wie die Entspannung meine angespannten Muskel lockerte und allein der Duft mir neue Lebensenergie einhauchte.
    Sempronia band mir mein Haar zusammen und half mir aus meinen Kleidern. Mit einem Handwink deutete ich ihr an, mir frisches Gewand zu holen, woraufhin sie die alten aufnahm und flinken Schrittes verschwand. Unterdessen war ich über die Stufen ins Wasser geglitten und schwamm mit ruhigen Zügen, ehe ich mich an den Rand auf eine Stufe setzte, den Kopf anlehnte und die Augen schloss, während das warme Nass den Dreck von meiner Haut spülte.
    Die Ruhe und die Wärme verleiteten mich dazu der Müdigkeit nachzugeben, und so fiel ich in einen oberflächlichen Schlummer.


    "Da werde ich nicht widersprechen", antwortete ich, als Falco Begriffe ins Gespräch brachte, die das Hunger- und Müdigkeitsgefühl wieder weckten, das ich schon in der Sänfte gespürt hatte. Ich setzte mich und lächelte glückselig vor mich hin. Zuhause!


    Der Sklave nickte und hieß Aelius Tubero eintreten.


    "Folgt mir ins Atrium. Ich werde sehen, was ich für Euch tun kann."


    Er geleitete den Besucher ins Atrium und entfernte sich, um seinen Herrn über den Wartenden zu informieren.


    Kaum später kam der Sklave wieder und noch ehe er etwas sagen konnte, stellte ich fest:


    "Ein Brief von dem Unbekannten, habe ich Recht?"


    Der Sklave nickte und überreichte mir das Schreiben. Ich entrollte es und las.



    Wieder lächelte ich und legte den Brief auf meinen Schoß. Da schien es aber jemanden ganz schön erwischt zu haben, dachte ich mir und sah geistesabwesend auf eine Blume, die in meinem Zimmer stand. Ich würde ja sehen, ob derjenige ausreichend Mut hatte mich aufzusuchen. Ich rollte auch diesen Brief wieder zusammen, legte ihn zu den anderen, die einen kleine Reihe bildeten und verließ das Zimmer, um in den Garten zu gehen. Vielleicht würde ich ja auf wen treffen, den ich noch nicht kannte.


    ..und es sollten tatsächlich noch mehr Briefe kommen. Diesen hier erhielt ich direkt von dem Sklaven, der den Brief entgegengenommen hatte.



    Wieder zierte ein Lächeln meinen Mund, doch allmählich entlockten mir die drei Punkte der >Signatur< ein zartes Gefühl der Enttäuschung. Wer steckte dahinter?
    Von Neugier getrieben der Sache auf den Grund zu gehen, stellte ich dem Sklaven, der die Post entgegennahm, einige Fragen: Wie sah der Bote aus? Sagte er etwas bestimmtes? Wohin entschwand er wieder? Die Antworten waren wie erwartet: Ein ganz gewöhnlicher Bote. Nein, er sagte nichts bestimmtes und aus welcher Richtung er gekommen oder in welche er gegangen war, habe er nicht behalten.
    Ich hieß ihm den Boten bei seinem nächsten Erscheinen nach seinem Herren zu fragen und trug den dritten Brief des unbekannten Dichters eigenhändig zu den anderen, nachdem ich dem Sklaven eine schnell notierte Nachricht an den Boten übergab.



    Dem, der mutig ist, würde ich die Frage beantworten, ob er hoffen kann. Der, dessen Worte mir schmeicheln, kann mutig sein.


    Caesonia




    Auch ich fand den Weg hierher, wollte ich mich doch über die Priesterschaft genauer erkundigen. Oh, ich war offensichtlich nicht die einzige mit diesem Anliegen. Ich grüßte die Anwesenden und suchte mir dann einen Platz, auf den ich mich setzte.


    Ich hatte mich nach ettlichen Stunden eines erholsamen Schlafes aufgerafft und meine Leibsklavin gerufen, um mich anzukleiden und zu frisieren, als diese mit einem Brief für mich in den Händen mein Zimmer betrat und mir einen guten Morgen wünschte. Mein verwunderter Blick war zu dem Brief gewandert, den ich am Tage zuvor erhalten hatte, doch dann hatte ich kopfschüttelnd der Sklavin geheißen meine Bettstatt zu ordnen, hatte mich in einen Sessel gesetzt und den Brief entrollt.



    Als ich bei den drei Punkten angelangt war, zierte ein Lächeln mein Gesicht. Ich fühlte mich von den Worten eines Fremden geschmeichelt. Ich rollte den Brief wie den anderen wieder ein und setzte mich auf einen Schemel, damit die Sklavin mein Haar bearbeiten konnte. Während sie es ausgiebig kämmte, ging ich in Gedanken zurück nach Ostia. Wer auch immer diese Briefe schrieb, ich musste ihm dort begegnet sein, als ich aus Griechenland heimgekehrt war. Aber ich hatte so viele Gesichter gesehen, dass ich es bald aufgab zu versuchen mir jedes einzelne ins Gedächtnis zu rufen.
    Ob noch mehr dieser Briefe kommen würden? Ich biss mir lächelnd auf die Unterlippe und wandte mich meiner Sklavin zu, die mir die Haare in eine Frisur stecken wollte.


    Am Abend meines ersten Tages wieder daheim hatten die Sklaven bereits meine sieben Sachen entpackt. Ich sah mich in dem Zimmer um. Meinem Zimmer. Fremd war mir das alles, auch wenn ich wusste, dass das mein Zuhause war.
    Ich klatschte einmal wie mutmachend in die Hände, dann kontrollierte ich die Tiegel, die auf einem kleinen Tisch abgestellt waren. Sie hatte ich allesamt aus Griechenland mitgenommen: Gutriechende Salben und Cremes, die es hier nicht gab. Da entdeckte ich einen Sprung in einem der kostbaren Mitbringsel und nahm es auf, wobei ich mich über den Sklaven ausließ, der das verschuldet hatte und es mir nicht wenigstens gestand.
    Als ich den Tiegel wieder abstellte und mein Haar hinter ein Ohr strich, fiel mein Blick auf einen Brief, der auch auf dem Tisch lag. Verwundert las ich ihn.



    Kein Name, außer dem meinen. Gleich begann ich nachzudenken, von wem er hätte stammen können, doch mir wollte niemand einfallen. Zu lange war ich in Griechenland gewesen, die Gesichter unlängst verschwommen. Mit einem meine Lippen umschmunzelndem Lächeln schüttelte ich den Kopf und rollte den Brief wieder zusammen, um mich einer Webearbeit zuzuwenden. Hin und wieder flogen meine Blicke dabei zu dem Brief, meine Neugier war geweckt.


    Ein wenig irritierte mich das "Liebste" und dass sie mich küsste, schließlich kannte ich sie nur von den Worten meines Vaters, aber ich lächelte und half mir darüber hinweg, indem ich mir sagte, ich würde mich sicherlich schnell daran gewöhnen. Immerhin war sie meine Stiefmutter und ich würde mit ihr sicherlich weit mehr Zeit verbringen, als ich es mit meiner richtigen Mutter gedurft hatte.


    "Den Boden der Stadt habe ich vor weniger als einer Stunde betreten", antwortete ich. "Die Reise kam mir unendlich lang vor, aber die Götter schienen der Schifffahrt gewogen und schickten kaum eine Welle. Bei meiner Seekrankheit war ich sehr glücklich darüber. So konnt' ich mich allein auf die Vorfreude auf euch alle konzentrieren!"


    Ich schmunzelte beiden zu.


    Edit: Zeichenfehler


    Ich lächelte, geschmeichelt vom Stolz meines Vaters. Er hatte eine wunderschöne Frau, dachte ich, und fragte mich für den Bruchteil einer Sekunde, wie meine Mutter wohl gewesen war.


    "Es ist mir eine große Freude, Liliana. Gratulation zur Geburt eures gesunden Sohnes."


    Eine junge Frau trat in das Atrium und ich wandte mich ihr zu. Auch lächelte ich und grüßte mit einem freundlichen "Salve!" zurück. Dass diese Frau die meines Vaters war, konnte ich wenn überhaupt nur an ihrem unsicheren Gang erkennen, deshalb fragte ich neugierig:


    "Die Frau meines glücklichen Vaters Liliana?"


    Ich lächelte und schüttelte dabei den Kopf.


    "Nach Jahren kehre ich zu meiner Familia zurück, da muss ich viel aufholen. Aber ich will dir gern berichten, wie es mir in Griechenland erging. Dort ist es so anders..."


    Mich meiner griechischen Freundinnen entsinnend, seufzte ich leise, aber fröhlich, denn ich war sicher, dass ich auch sie - vielleicht nicht alle, aber die ein oder andere bestimmt - wiedersehen würde.


    "Aristophanes war von Beginn an ein bemühter Gastgeber, geduldig und fürsorglich wie ein Vater. In seinem Haus fühlte ich mich beinahe wie in der Heimat. Er versicherte mir, dass ich ihm eine gute Leihtochter gewesen bin und zu seiner Zufriedenheit all das gelernt habe, was er mir vermitteln konnte. Und die Reise war angenehmer als die Reise vor Jahren nach Griechenland, wenn sie mir dieses mal auch länger vorkam."

    Meinem Vater stand die Freude über die Geburt seines Sohnes ins Gesicht geschrieben und ich freute mich mit ihm. Wussten die Götter - er hatte es gewiss von allen am meisten verdient.
    Dann aber berichtete er von seinem Bruder, meinem Onkel, an den ich mich jedoch nicht erinnern konnte. Voller ehrlichen Mitleids sah ich Falco an.


    "Bei allen Göttern, das tut mir leid. Und ich kannte ihn nicht einmal."


    Ich hielt eine respektvolle Pause ein.


    "Aber um die gut verlaufene Geburt meines Halbbruders Carus freut es mich. Ist hoffe, er ist wohlauf und ich werde ihn und seine Mutter bald kennenlernen dürfen."


    Ich lächelte stolz, schlug aber dennoch die Augen nieder. Jetzt versiegte auch der Tränenstrom, aber die Freude blieb.


    "Nicht alle, aber einige...", schmunzelte ich und musste mich zwingen, mir nicht erneut vor Augen zu halten, dass ich nach mehr Jahren, als ich an einer Hand zählen konnte, das erste mal mit meinem Vater sprach. Ich legte meinen Kopf schräg und musterte ihn.


    "Wie geht es dir? Und wie geht es deiner neuen Frau? Der letzte Brief liegt schon so lange zurück. Ich habe sie alle aufgehoben, vom ersten bis zum letzten."


    Tränen rannen mir die Wangen hinab. So häufig hatte ich mir diesen Moment vorgestellt, sogar geträumt hatte ich ihn. Noch zu gut erinnerte ich mich an die ersten Wochen in Griechenland, die mit einem unsagbaren Heimweh einhergingen. Dieses Heimweh hatte sich schließlich beruhigt, doch nach wie vor hatte ich in Gedanken die Heimat besucht und an ihr gehangen.


    Wie gut es tat Tochter genannt zu werden, dachte ich, als ich mich aus dem Armen meines Vaters löste und mit der Hand die Tränen wegwischte, die unentwegt nachströmten. Zu groß war die Wiedersehensfreude. Ich lächelte und sah meinen Vater an, versuchte mich zu beruhigen, konnte aber nicht anders und legte meine Hand auf seinen Unterarm.


    "Endlich. Ich konnte diesen Moment kaum mehr erwarten. Du hast dich kaum verändert", schniefte ich.


    Das Geschehen auf der Straße hatte mein Interesse gefesselt, als Schritte sich näherten. Ich wandte mich in freudiger Erwartung herum als mein Vater gerade den Raum betrat. Mit vor dem Schoß gefalteten Händen lächelte ich ihm zu. Er hatte sich kaum verändert, stellte ich fest, obgleich ich glaubte, seit dem Tage, an dem ich vor vielen Jahren nach Griechenland abreiste, sein Gesicht allmählch vergessen zu haben.
    Einen quitschenden Laut der Freude ausstoßend und die Hände lösend, merkte ich, wie mir Tränen in die Augen stiegen.


    "Vater!"