Macer dankte der Aedilin für ihr rasches Erscheinen und erläuterte ihr den Grund der Vorladung.
"Ich möchte euch die selbe Frage stellen, die ich bereits der Klägerin gestellt habe und die sich auf die Vorschriften zur Amtsausübung bezieht:
Das Amt des Aedilis ist wie alle Ämter des Cursus Honorum ein kollegiales Amt. Müssen alle Entscheidungen von beiden Aedilen einstimmig getroffen werden oder ist jeder Aedil für sich entscheidungsbefugt?"
"Die Verhandlung wird nicht vertagt. Sollte hier ein Meineid geschworen worden sein, so würde dies ohnehin in jedem Fall ein gesondertes Verfahren nach sich ziehen.
Ich darf nun also feststellen, dass sich beide Seiten mit der Formulierung 'ein Angestellter und eine Sklave des Vibullius' einverstanden erklären.
Wir haben bisher also folgenden Stand:
Der Kläger behauptet, auf dem Mercatus zweimal von einem Angestellten und einem Skalven des Vibullius am Arm gepackt und über den Platz getragen worden zu sein und sich dabei eine Verletzungen am Arm zugezogen zu haben.
Widerspricht die Verteidigung dieser Darstellung des Tathergangs?"
"Das Gericht hat die Gründe des Zeugen vernommen und wird keine Mutmaßungen über weitere, nicht genannte Gründe anstellen oder kommentieren.
Da die Klägerin keine weiteren Zeugen benennen will, wünscht das Gericht nun die zweite Aedilin Adria Vinicia in diesem Fall zu hören."
"Ich stelle erfreut fest, dass beiden Seiten nach eigenem Bekunden an einer außergerichtlichen Lösung interessiert sind.
Des weiteren scheinen sich beide Seiten sehr konstruktiv mit den einzelnen Vorwürfen befasst zu haben. Ich erkenne darin ein ernsthaftes Bemühen, eine pauschale Ablehnung der Gegenmeinung zu vermeiden.
Wie beiden Seiten wohl bekannt sein dürfte, liegt dem Gericht in einer anderen Sache eine Anzeige des Vibullius gegen Avarus vor. Der Fall wartet auf die Eröffnung der ersten Anhörung.
Das Gericht schlägt vor, dass beide Seiten guten Willen zeigen und ihre jeweiligen Klagen zurück ziehen und sie hier im Gericht die Hand zur Versöhnung reichen."
Freundlich blickte Macer zwischen den beiden Seiten hin und her und wartete auf Reaktionen.
"Der Kläger braucht auf die Fragen der Verteidigung jetzt noch nicht zu antworten!
Die von der Verteidigung mit 'A' bezeichnete Aussage bezieht sich massgeblich auf den Prätor und wird nicht weiter Gegenstand der Verhandlung sein.
Ich erwarte noch eine Aussage der Verteidigung zur Anschuldigung 'C'."
"Das Gericht akzeptiert dies. Der Zeuge ist entlassen. Eine erneute Vorladung ist allerdings nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
Sollte die Klägerin Einwände gegen diese Entscheidung haben, so kann sie diese jetzt zu Protokoll geben. Sie darf danach auch weitere Zeugen benennen, sofern sie dies möchte."
"Abgelehnt. Das Gericht erkennt keine Fluchtgefahr."
"RUHE!
Die Klägerin wird wegen Missachtung des Gerichts verwarnt, da sie ohne Aufforderung sprach.
Und der Zeuge wird verwarnt, weil das Gericht etwas mehr Höflichkeit erwartet.
Beim nächsten Mal gibt's Geldstrafen.
Gehe ich also Recht in der Annahme, dass der Zeuge nicht zu einer Aussage bereit ist?"
"Das Gericht wird angesichts des Umfangs der Klage eine gewisse Bedenkzeit benötigen, bevor eine Entscheidung über Annahme oder Ablehung der Anklage bekannt gegeben wird."
Während der Aquila und das Imago wieder zurück getragen wurden, trat Macer zu Nepos: "Hiermit gebe ich bekannt, dass Lucius Syagrius Nepos wieder im Range eines riterlichen Tribunen in die LEGIO I aufgenommen wird.
In Übereinkunft zwischen ihm, mir und Cicero Octavius Anton, dem Träger der zivilen Procura für die Provincia Italia, wird er hiermit abkommandiert auf den Posten des Regionarius der Regio Italia.
Nepos, ich wünsche Dir viel Erfolg auch diesem Posten."
Macer beendete die Zeremonie, die letzten Rauchschwaden des Opferfeuers zogen hinauf zu den Göttern und bald darauf verliessen die Offiziere wieder den Innenhof der Principia, um ihren Dienst fortzusetzen.
Macer registrierte erfreut das zeitige Eintreffen des Senators und begrüßte ihn. "Salve, Senator Avarus, es freut mich, dass Ihr es einrichteten konntet, heute bereits so zeitig als Zeuge zu erscheinen.
Wir verhandeln hier eine Feststellungsklage der Aedilin Flavia Messalina Oryxa, in der sie eure Aussage als Zeuge erbittet. Es geht darum festzustellen, ob sie mit der Veröffentlichung ihres EDICTI AEDILIS CURULES FMO/X gegen gesetzliche Pflichten ihres Amtes verstossen hat und sich somit des Amtsmißbrauchs schuldig gemacht hat.
Wenn ihr bereit seid, in diesem Verfahren auszusagen, so schwört bitte auf Jupiter, vor Gericht nur die Wahrheit zu sagen und nehmt dann bitte dort Platz. Ich nehme an, dass die Klägerin euch danach konkrete Fragen stellen möchte."
Der Offizier hob eine Augenbraue. "Guter Mann, ich tue hier nichts als meine Pflicht. Es soll schon Imperatoren gegeben haben, die von ihren Nachfolgern als ehrlos bezeichnet wurden..."
Der Offizier notierte einige weitere Angaben auf dem Meldebogen, rollte diesen dann zusammen und reichte ihn Catilina. "Du meldest dich erstmal auf der Tempestas hier im Hafen. Die gehört zwar nicht zur Classis Miseniensis, aber das soll dich nicht weiter stören."
Der Offizier gab einem der Soldaten einen Wink und dieser ging zur Tür. "Komm, Kamerad, ich zeig' Dir den Weg..."
Und als er mit Catilina aus der Tür heraus war setzte er noch hinzu
"... und verrate Dir gleich die besten Kneipen."
"Selbstverständlich nicht. Das Gericht tagt heute ohnehin nicht mehr. Ich wünsche noch einen angenehmen Abend."
Der Offizier notierte die Antworten. "Welchen Beruf hast Du bisher ausgeübt? Wurdest Du schon einmal wegen einer Straftat rechtskräftig verurteilt?"
Der Offizier blickt den neuen Rekruten freundlich an. "Salve. Das ist eine sehr gute Entscheidung, dich für die Classis zu bewerben! Tapfere junge Männer werden hier immer gerne genommen."
Er greift nach seinem Schreibwerkzeug.
"Wie ist dein Name? Woher stammst Du?"
"Keineswegs. Ich bitte um Entschuldigung für diese Frage", erwiederte der Liktor etwas irritiert, gewann aber rasch seine Fassung wieder. "Vor Gericht wird eine Feststellungsklage der Aedilin Flavia Messalina Oryxa verhandelt, die euch als Zeugen benannt hat. Der kommissarische Praetor Spurius Purgitius Macer erbittet daher nun eure Anwesenheit."
Der Liktor blickte Avarus überrascht an: "Sie sind Senator Avarus?"
"Das Gericht dankt für die umfangreichen Ausführungen des Klägers. Es werden nicht alle Aussagen berücksichtgt werden können, da in diesem Fall nur Geschehnisse verhandelt werden, die zum Zeitpunkt des Anzeigeeingangs bereits geschehen waren.
Die Verteidigung möge sich nun zu den Anschuldigungen äußern und ebenfalls bekannt geben, ob sie an einer außergerichtlichen Einigung Interesse hat. Insbesondere interessiert mich, ob der Beklagte zu einem versöhnenden Gespräch mit dem Kläger bereit ist."
Ein Liktor des kommissarischen Praetors klopft an die Tür. "Ist Senator Avarus zuhause?"
