Große dunkelbraune Kulleraugen, die der beiden Mädchen, ruhten sehr aufmerksam auf dem Brautpaar. Das Sonnenlicht durchdrang das feine Tuch des Flammeum und ließ es wie ätherische Feuerzungen aus tiefroter Farbe um Medeia erleuchten. Kühl und hauchzart lag die Hand von Medeia auf der von Plautius. Die laute Stimme ihres Verlobten holte Medeia fort von Gedanken um alte Reminiszenzen, sie sah ihm in die Augen und ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Ein Augenblick schwieg Medeia nach der Willenserklärung von Plautius, lächelte weiterhin und erst dann sprach sie:
„Wo und wann Du Gaius bist, dort und dann bin ich Gaia!“
Die beiden Mädchen quiekten in dem Augenblick vergnügt auf und warfen zahlreiche weiße Rosenblätter über das Brautpaar. Der Priester sah aufmerksam auf das Paar hinab, neigte zustimmend den Kopf und wandte sich abermals um, hob den Togazipfel wieder sorgfältig über sein Haupt, ehe er begann die Litanei fortzusetzen. Zwischenzeitlich hatte er seine Hände in einer Wasserschale gereinigt, so dass seine Fingerspitzen keine Spuren von Blut mehr aufwiesen. Ein laues Lüftchen strich über den Innenhof, spielte mit den Blumengirlanden und der Toga des Priesters.
„Pater Jupiter, Mater Juno, Mater Venus,
Mater Suadela, Mater Diana,
Pater Jupiter, Mater Juno,
Mater Venus, Mater Suadela, Mater Diana,
Dico ut vos autiatis oblatae dato!“
Tiefer Resonanz und schmeichlerisch angenehm war seine Stimme selbst bis zum letzten Gast zu hören, wenn er auch nicht laut sprach. Seine Hand griff nach einem goldsilbernen Pokal. Vorsichtig tropfte er etwas Wein auf den Foculus, dazu legte er einige helle Dinkelkekse.
„Dico ut vos autiatis oblatae dato,
ut benidictionim maritum et maritam donatis!“
Ein braunhaariger junge Mann spähte hinter dem Altar hervor, wartete auf den richtigen Augenblick, wo er auf den Plan treten würden, denn er war der Popa des Priesters und wartete mit dem zweiten Opfer im Arm auf die einleitenden Worte. Verklärten Blickes sah der Priester in den wolkenlosen Himmel, einige Tauben, die Unerschrockenen ihrer Gattung, saßen immer noch auf dem Dachsims. Der Priester hielt es für ein gutes Zeichen und intonierte.
“Mater Juno, Mater Ceres!“
Der Popa trat nach vorne und setzte ein helles Ferkel vor die Füße des Priesters, strich dem mit Wollbinden verziertem Tier beruhigend über den Rücken. Das Tier sah aufmerksam über die Gäste hinweg, spitzte die Ohren und wedelte freudig mit dem Schwanz, ahnte es doch noch nicht von dem bösen Ende, was für ihn kommen würde.
Mater Juno, Mater Ceres,
Dico ut vos autiatis suovetauriliae dato
Te hoc ferto obmovendo
Bonas preces percor
Uti sies volens propitia
Mihi liberisque meis domo
Familiae que meae macta
Hoc ferto!”
Der Priester beugte sich hinab, löste mit seinem schmalen Opferdolch die Wollbinden, die sanft hin abglitten und unter dem Ferkel auf dem Boden zu Ruhen kamen. Wie eine bittersüße Liebkosung strich der Dolch über den Rücken entlang, dann erhob sich der Priester und sah auf den Popa hinab. „Agone?“, fragte der junge Mann atemlos, denn es war sein erstes Opfer, wo er den Helfer darstellen durfte. Der Priester schwieg einen Moment, dann nickte er. „Age!“ Das Messer drang in den Hals des Tieres, genau an der Stelle der Schlagader, das Blut floss über den steinernen Boden des Innenhofes und das Tier sank in die Arme des Popa, der es zur Seite legte und mit einer Bewegung den Bauch aufschlitzte. Seine Hände griffen in den Bauchraum und blutigrot kamen sie wieder zum Vorschein, die dampfende Leber auf eine Schüssel legend, die er dann an den Sacerdos weiter reichte. Dieser spähte auf die frische Leber des Ferkels hinab und wendete zum zweiten Mal das Innere des Tieres vor sich hin und her. Den Rücken hatte er dabei den Gästen zugewandt und seine Augenbrauen zogen sich ein wenig zusammen, denn die Leber war auf der Rückseite unbedeutend dunkler als die Vorderseite, an sich kein Verunreinigung des Organs, aber auch nicht die beste Leber, die ein Tier haben konnte. Unsicherheit, was er verkünden sollte, hatte der Priester indes nicht. Dennoch und weil er noch nie tatsächlich eine göttliche Bestätigung erhalten hatte, sein Glaube und sein Wissen als Priester vermutete nur den göttlichen Willen, drehte sich der Priester um und sprach feierlich. „Litatio!“ Er reichte die Schale an den Popa, wusch seine Fingerspitzen und hob die Hände. Mit erhabener Miene, schließlich musste er das als Priester ausstrahlen, verkündete er:
„Ligamen conectet, matrimonium statuet!“
Die Mädchen warfen wieder die Blumen und die junge Frau, die die Braut zum Opferschrein geführt hatte, rief: „Felicitas!“ Medeia lächelte noch mal Plautius an, umschloss mit ihren Fingern seine Hand und wandte sich dann den Gästen zu. Von außerhalb meinte Medeia die kräftige Stimme eines Soldaten zu hören, gepaart mit dem durchdringenden, aber leutseligen Ton eines Horns. Verwundert sah Medeia zu Plautius, womöglich war das eine soldatische Tradition, die sie nicht kannte.