Beiträge von Dierna

    "Verschwinden kann ich nicht, ich habe keine Mittel. Und noch besser verstecken kann ich mich nicht. Ich weiß nicht, wie sie mir bis hierher folgen konnten."


    Sie seufzte, doch dann lächelte sie ihn an.


    "Darf ich dich vielleicht zum Essen einladen? Ich habe noch ein wenig Geld und ich schulde meinem Retter doch was!"

    Sie schluckte kurz und ihr Blick verfinsterte sich leicht.


    "Wenn ich das wüsste. Einige verfolgen mich - zugegebenermaßen.. Bitte veratte mich nicht, ja?"


    Sie sah ihn aus bittenden Augen an. Doch dann schmunzelte sie. Er wirkte nicht so, als wenn er es wirklich tun würde. Und lange würde sie ohnehin nicht mehr unbekannt sein.


    "Nun.. Ich bin wegen meiner Diebstähle recht bekannt. Aber ich weiß nicht, wovon die reden, die kommen aus meiner Heimat. Ich verstehe es nicht."

    "Ja, ich habe mich vor wenigen Tagen lang gelegt und vorhin ist die Wunde noch einmal aufgeplatzt. Ist aber auch nicht weiter dramatisch."


    Sie lächelte einmal, ohne Spott darin zu zeigen. Auch wenn sie kurz mit einem leichten Wutgefühl an diesen unhöflichen unbekannten Kerl zurückdenken musste. Er war an allem Schuld.


    "Du siehst hingegen ziemlich blass aus. Naja... Anstatt dich durchgehend zu bemitleiden spreche ich dir lieber meinen Dank aus. Ich schätze du verträgst Mitleid genausowenig wie ich?"


    Siezwinkerte leicht. Der Schreck saß ihr kaum noch in den Gliedern, mit diesen Häschern hatte sie schon häufig Bekanntschaft gemacht.

    Aus besorgten Augen sah sie ihn an. Er schien ihr wirklich nichts böses zu wollen. Sie trat einen Schritt von der Wand weg und auf ihn zu.


    "Hast du dir etwas getan?"


    Sie war ein wenig überrascht über sich selbst, seit wann interessierte sie das? Vermutlich, weil er ihr das Leben gerettet hatte. Es war ein Wunder, dass einmal jemand Notiz von ihr genommen hatte.

    Aus riesengroßen Augen beobachtete sie stillschweigend das ganze Geschehnis. Würde er sich jetzt tatsächlich an ihr vergreifen? Wollte er vielleicht den ganzen Lohn nur für sich?


    Schweigend und sich nun selber an die Wand drückend betrachtete sie ihren Gegenüber.

    Er sah mit hochgezogener Augenbraue zu ihm hinab und gerade als Dierna anfangen wollte, unterbrach er sie hart.


    "Ich.. er..."
    "Schauze! Eh, Kumpel, wir ham hier keine Probleme."
    "Doch ich..."
    "Klappe. Geh, kümmer dich um deinen Kram."


    Nun schwieg sie und sah nur aus flehenden Augen zu Valentin.

    Sie verschwanden in einer dunklen Gasse in einer recht garstigen Gegend, wo sie gegen die Wand gepresst wurde.


    "Wo ist es...?"
    "Ich weiß nicht..."
    "Lüg nicht, elendes Gör"


    schrie er sie an und schlug ihr ins Gesicht.
    Verdattert sah sie ihn an und wollte mit ihrer Hand an die Wange greifen, doch er drückte ihre Schulter so hart gegen die Wand, dass die Schmerzen einfach unerträglich waren.

    Er riss heftig an ihren Armen und sie zischte einen leisen Schmerzenslaut aus sich heraus. Doch sie ging mit, widerwillig aber auch ohne Gegenwehr. Sie war zu schmächtig um sich vernünftig wehren zu können.


    "Nicht so doll"


    murmelte sie, doch das ließ den schweigenden Bären zu einem noch härteren Griff ansetzen. Er war zumindest im Verhältnis zu der sehr schmalen Dierna ein Gigant. Doch das war fast jeder, sie war ja erst 16.


    Sie sah sich hilfesuchend um, doch scheinbar interessierte sich niemand für sie.

    Nachdenklich schlenderte sie über den Markt. Sie brauchte Unterkunft. Zumindest Freunde, denn sie mochte nicht mehr allein durch die Straßen laufen. Da hörte sie Gesprächsfetzen, die sie erstarren ließen. Schnell versteckte sie sich:

    "Ich habe sie immer noch nicht gefunden..."

    "Ich auch nicht. Wird langsam Zeit."
    "Ja... Sie muss hier irgendwo sein. Ich glaube nicht, dass soviele Leute lügen würden."
    "Lügen? Warum sollten sie. Jeder sollte froh sein, wenn eine Betrügerin hinter Gittern landet oder gar im Circus.. Ich finde.."


    Mehr hörte sie schon gar nicht mehr, denn sie sah zu, dass sie sich aus dem Staub machte. Nur wohin? Wer lief denn noch alles hier herum um sie zu suchen? Und was, wenn sie ihnen direkt in die Arme laufen würde? Sie lief rückwärts um nicht auf sich aufmerksam zu machen... Dabei bemerkte sie nicht, dass sie jemanden direkt in die Arme lief. Sie stieß einen lauten Schreckensschrei aus, doch zum Umdrehen blieb ihr keine Zeit mehr. Der Mann hinter ihr hatte ihre Handgelenke fest im Griff.


    "Haben wir dich endlich du kleines Gör..."


    murmelte er mit einem hämischen Grinsen. Sie kannte die Stimme nicht. Doch es war klar, wohin er gehörte und wie sie ihn einzustufen hatte.


    Hören Sie! Ich fürchte Sie verwechseln mich mit jemanden!"
    "Das bezweifle ich, die Narbe in deinem Gesicht ist zu deutlich!"
    "Die habe ich mir in der Küche geholt..."
    "Wohl kaum und jetzt halt die Klappe..."


    zischte er sie zornig an. Sie leistet seinen Worten folge.

    Sie lauschte seinen Worten. Und sie war ziemlich unbeeindruckt. Sie befand, dass sie eigentlich in einer Lage war, in der man durchaus Verständnis dafür haben konnte. Sie rief ihm hinterher:


    "Morden ist etwas für feige Leute!"


    Dann wandte sie sich ab und schritt aus dem Stall hinaus. Sie würde keinen Moment länger hierbleiben. Lieber noch würde sie sich einfangen lassen, als misshandelt zu werden. Oder auch nicht. Und doch fühlte sie sich nun noch einsamer als zuvor, während sie den Hof verließ.

    "Ich werde niemals dienen!"


    antwortete sie still. Das hatte sie sich fest vorgenommen und diesen Vorsatz hielt sie seit ihrem Aufbruch ein. Als sie weitersprach, klang ihre Stimme völlig normal und war kein bisschen bitter.


    "Ich habe dieses Leben gewählt, ich hatte zuvor kein schlechtes. Vielleicht solltest du lieber auf einen dieser römischen Sklavenmärkte gehen, wenn du unbedingt der Meinung bist, jemanden zum Bedienen haben zu müssen."


    Ihr Blick war klar wie auch ihre Stimme.


    "Solange ich auf meinen eigenen Beinen stehe werde ich niemanden bedienen. Niemanden. Auch nicht gegen Bezahlung, Ich werde mich selbst nicht verleugnen. Bei meinem Volk wäre es eine Selbstverständlichkeit, anderen eine Unterkunft für die Nacht anzubieten. Aber scheinbar sind die Geister jenseits des großen Wassers ziemlich verdorben."


    Man sah ihr an, dass sie es so meinte und nicht aus Wut sprach. Sie war wirklich sehr überrascht über dieses aus seinen Augen womöglich gnädigen Angebotes. Daheim hätte man noch eher das letzte Hemd verschenkt, ehe man jemanden mittellos auf die Straße schickte.

    Sie sah ihm zweifelnd hinterher. Er hatte keinerlei Befugnis sie festzuhalten und sie würde es sich auch nicht gefallen lassen. Sie wischte sich das feuchte Blut vom bein und tupfte kurz über die offene Wunde am Knie selbst. Doch mehr tat sie nicht. Wie oft hatte sie schon einen solchen Kratzer gehabt, es war nicht ungewöhnlich. Nie war etwas geschehen, er wollte ihr wieder einmal nur Angst machen.


    Dann ging sie möglichst aufrecht los, wenn sie auch leicht humpelte. Sie blieb bei dem Duccia stehen und sah ihn ernst an.


    "Bist du zu dumm um es zu verstehen oder willst du es nicht verstehen? Ich kann nicht hier bleiben, ich muss weiter. Meine Familie wartet auf mich und es wird Zeit, dass ich weiter komme. Ich habe für solche aufhaltenden Sachen keine Zeit mehr!"


    Sonderlich freundlich war ihr Blick nicht. Gerade deshalb weil sie sich sehr bemühen musste, die Trauer aus ihrer Stimme fernzuhalten. Die Familie war gelogen, doch das machte keinen Unterschied. Dass sie weiter musste, war ungelogen. Wer wusste schon, was ihr sonst alles geschehen konnte.

    Sie wherte sich nicht. Es schien nun alles vorbei zu sein. Sie fühlte sich schrecklich gedemütigt, doch diese Genugtuung verweigerte sie ihm. Sie würde es nicht zeigen. Aus eiskalten Augen sah sie ihn an, als er mit den Eimern wieder kam. Sie dachte nicht daran, sich zu waschen.


    "So gehen Römer also mit Flüchtlingen um. Nette Methoden."


    Mehr sagte sie nicht. Sie hatte die ziemlich sicherer Vermutung, dass er kein Römer war, doch tat sie ahnungslos. Und sie war wahrlich ziemlich erbost. Sie konnte sich kaum rühren. Beinahe wären ihr Tränen der Wut in die Augen geschossen.


    Ihre Stimme war mit Spott belegt, aber für geschulte Ohren war auch ein wenig Traurigkeit in ihnen. Nun würde es sich herausstellen, ob er sie ebenfalls suchte, oder ob er einfach nur eine unhöfliche Kuh war.

    Was aber auch nicht eintrat. Kaum dass sie auf dem Boden gelandet war, hatte sich die eiserne Faust um ihr Herz geschlossen. Jetzt klärte sich für sie natürlich einiges. Eines ihrer Knie war wieder aufgeplatzt und da sie den Verband nicht mehr trug, rann es warm ihr Bein hinunter. Außerdem schmerzte ihr Bein seltsam, denn sie war schmerzhaft aufgekommen. Sie vermutete, es ausgerenkt zu haben, zumindest überdehnt.

    "Du kannst mich hier nicht feshalten, Lügner!"


    zischte sie wütend. Das erklärte auch, warum er wusste, dass sie ein Mädchen war. Gerade als sie sich aufrichten wollte, packte er sie schmerzhaft. Sie versuchte sich schweigsam und erst recht sacht loszureißen. Doch als sie die Härte seines Griffe spürte, unterließ sie es.

    "Du müsstest verdammt viel von mir kennen um vom Gleichen zu sprechen."


    Sie musterte ihn einen Augenblick und versuchte sich zusammenzunehmen. Verdammt nochmal, sie wollte endlich weiter. Sie machte ein paar Schritte auf ihn zu. Die Jungen waren ihr gleich, warum sollte sie diese fürchten. So hielt sie sich rechts...


    "Ich muss los..."

    Ihre Augen verengten sich und eine kalte Hand legte sich auf ihr Herz, auch wenn sich diese noch nicht zusammenklammerte. Sie starrte ihm unentwegt in die Augen und wusste einen Moment nichts zu erwidern.

    "Ich vermute kaum, dass wir von der gleichen Billigung sprechen."


    'Sei denn...' schoss es ihr durch den Kopf. Der Gedanke war schon seit einigen Minuten da doch nun eröffnete er sich ihr brutal. Sie biss sich auf die Lippen.

    Sie spitzte bei seinem Ton unmerklich die Ohren, doch sie ließ sich nichts anmerken. Sie schluckte nicht einmal, sondern sah ihm freimütig in die Augen. Und nun lag in ihrem Ton ausnahmswiese einmal kein Schalk.


    "Ich vermute ebenso, dass ich mir einen längeren Aufenthalt nicht leisten kann. Ich glaube kaum, dass es gebilligt wird und ich möchte ja niemanden weiter auf den Geldbeutel drücken."


    Doch man sah ihr an, dass sie leicht verunsichert war. Die Drohung in seiner Stimme gefiel ihr ganz und gar nicht. Sie würde nicht umkehren und sich das Tier schnappen, denn scheinbar war es sehr störrisch und einen Reinfall wollte sie nicht erleben,

    "Es ist besser als manch anderes! Es könnte einem noch schlimmer egehen. Was oder wer auch immer der Regionarius ist. Jedoch entkommen bin ich schon so manchmal!"


    Sie hielt seinem Blick stand. Sie warf Thunor noch einen etwas wehmütigen Blick zu. Und ein leichtes Lächeln huschte über ihr Gesicht, während sie etwas in ihrer Heimatsprache murmelte. Dann wandte sie sich wieder dem Duccia zu.

    "Ich fürchte ich habe jetzt allerdings keine Zeit mehr...Leb wohl!"

    Sanft streichelte sie dem Tier über die Nüstern und sprach beruhigend auf ihn ein. Doch sie schrak heftig zusammen, als sie hinter sich eine Stimme vernahm. Doch sie wirbelte nicht herum, sondern zeigte ihm weiterhin den Rücken. Sie wollte dem Wiederkäuer ihre Erschrockenheit nicht zeigen. Wölfe erschraken nicht vor Vieh. Mit monotoner Stimme antwortete sie.

    "Ich wusste nicht, dass dies deine Tiere sind. Ich schätze, ich werde mich anderswo nach Pferden umsehen müssen."


    Sie strich Thunor ein weiteres Mal sanft über die gesamte Nase und klopfte kurz auf seinen Hals. Dann wandte sie sich von ihm ab und drehte sich zu Munatianus.