Beiträge von Lucius Decimus Romanus

    Romanus lächelte Alessa an und deutete auf das Bündel, welches er achtlos auf den Boden geworfen hatte. "Das ist alles, mehr brauche ich nicht.", meinte er und warf ihr dann einen unschuldigen Blick aus blauen Kinderaugen zu. "In Rom gibt es schließlich alles zu kaufen, was man braucht, nicht wahr?"


    Und wie um seine Worte zu entkräftigen und bevor Alessa es sich eventuell noch anders überlegen würde, fügte er hinzu "Keine Angst, ich bin bescheiden...also ich bin reisefertig."

    Romanus verdrehte theatralisch die Augen, als Alessa den Lehrer erwähnte und nickte dann ergeben. Es würde wohl nie so etwas wie Ferien vom Lernen für ihn geben. Wie auch immer, für die Chance nach Rom zu kommen, würde er auch sowas in Kauf nehmen und wäre sogar bereit, mehr zu lernen. Im ersten Moment wollte er sich von ihr befreien, als sie ihn umarmte, schließlich war er kein kleines Kind mehr. Doch spürte der Junge, dass sie es wohl momentan brauchte und erwiederte dann die Umarmung. Er mochte Alessa und sie würde ihm wohl seine Schwester, die er auch schon recht lange nicht mehr gesehen hatte, ersetzen.


    "Wann geht es los?". fragte er schließlich, als er die Umarmung wieder löste und seine Augen begannen zu leuchten.

    Das Gesicht des Jungen hellte sich auf und er strahlte Alessa an. "Im Ernst? Ich gelobe bei den Göttern, dass ich keinen Unfug anstelle", sagte Romanus feierlich und konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen. Er wäre Alessa fast um den Hals gefallen und alleine der Gedanke nach Rom zu kommen, ließ ihn vor Aufregung zappelig werden.
    "Der Blitz des Iupiters soll mich erschlagen, sollte ich mein Versprechen brechen". Zufrieden sah er Alessa an, schien ihm das doch ein überzeugender Schwur.

    Romanus folgte Alessa in sein Zimmer und setzte sich auf das Bett, warf den Beutel achtlos auf den Boden. Er fühlte sich recht wohl in ihrer Gegenwart und dachte dann über ihre Worte nach. Darüber, dass sich niemand um ihn kümmern konnte, wenn er in Rom war, hatte er sich bisher noch keine Gedanken gemacht. Schließlich war er kein kleines Kind mehr und konnte sehr gut auf sich selbst aufpassen. Rom war zwar weitaus größer als Tarraco, dennoch traute der Junge es sich durchaus zu, in den Straßen der Weltstadt zu bestehen.


    Deshalb klang seine Stimme fest und überzeugt, als er Alessa antwortete.
    "Ich bin alt genug, um auf mich selber aufzupassen. Und wo kann ich besser für das Leben lernen als in Rom?"

    Im ersten Moment war Romanus versucht irgendetwas zu erfinden, um Alessa nicht die Wahrheit sagen zu müssen. Doch schließlich fiel ihm ein, dass sie ja selbst in Rom lebte und so wohl eine gewisse Neugier auf die mächtigste Stadt der Welt, nachvollziehen konnte. Er seufzte und deutete auf den Beutel, den er über die Schulter geworfen hatte.


    Ich wollte ihn...bitten, mich mit nach Rom zu nehmen., sagte er schließlich und blickte Alessa aus großen blauen Augen an. Das ist mein größter Wunsch. Aber leider ist er ja schon weg.


    Romanus ließ die Schultern hängen und dachte daran, wie lange sein Onkel wohl nicht mehr nach Tarraco kommen würde. Immerhin hatte man ihn ja nach Germanien geschickt. Ob er ihn wohl jemals wiedersehen würde? Schnell verdrängte der Junge den Gedanken und sah dann wieder Alessa an.

    Romanus war völlig in Gedanken versunken als er den Gang entlang zu seinem Zimmer ging und hatte Alessa deshalb erst dann bemerkt, als sie ihn ansprach. Ertappt sah er sie verlegen an und nickte.
    "Ich hatte gehofft, dass ich meinen Onkel noch treffe, aber ich habe ihn wohl verpasst" Der Junge seufzte und schob die Kapuze vom Kopf, dann sah er die junge Frau an. "Das mit deinem Bruder tut mir leid."

    Romanus verwarf den Gedanken, Lucilla darum zu bitten ihn gehen zu lassen. Es würde nur unnötige Diskussionen geben und er konnte sich schon vorstellen, dass sie ihn so lange wie möglich hinhalten würde, damit er nicht auf die Idee kam die Provinz zu verlassen. Schließlich hielten sie ihn ja alle noch für einen kleinen Jungen.


    Er ließ die Schultern hängen und nickte ergeben. "Ja, Tante"
    Dann bückte er sich und hob das kleine Bündel auf, welches noch immer neben der Säule lag. Für heute würde er sich geschlagen geben, doch war er sich sicher, dass er einen Weg finden würde, um nach Rom zu kommen. Und das nicht erst irgendwann. Schließlich gab es hier im Hause noch ander Verwandte, die demnächst wieder nach Rom reisen würden.

    Das Strahlen welches sich eben auf das Gesicht des Jungen breit gemacht hatte, wich einem Stirnrunzeln als Lucilla ihm in Aussicht stellte, bei der Hochzeit vielleicht nach Rom reisen zu dürfen. Er versuchte seine Ungeduld zu unterdrücken, doch konnte er es kaum noch erwarten endlich die mächtigste Stadt der Welt zu sehen.


    "Wann wird die Hochzeit stattfinden?", fragte er und überlegte einen Moment, ob er seine Tante nicht bitten sollte, ihn anlässlich seines 14. Geburtstages nach Rom oder Germanien reisen zu lassen. Immerhin würde er dann die bulla ablegen und offiziell ein römischer Bürger werden.

    Romanus hob den Blick als seine Tante ihm über den Kopf streicht und hätte fast geantwortet, dass er ja nichts über das Reisen lernen konnte, wenn er immer in Tarraco festsaß. Doch schluckte er die Bemerkung hinunter, schließlich war das hier seine Heimat und er liebte sie, auch wenn es ihn hinaus in die Welt zog.


    Als Lucilla Germanien erwähnte, begannen die Augen des Jungen zu leuchten. Rom war das eine begehrenswerte Ziel, doch genauso spannend erschienen ihm Länder wie Gallien, Germanien oder Britannien und er konnte garnicht genug davon kriegen, Geschichten über diese Gebiete zu erfahren.


    "Germanien? Oh wie gerne wäre ich jetzt bei ihm.", entfuhr es Romanus und er sah seine Tante etwas verlegen an, als er bemerkte, dass sie sich nicht gerade darüber freute, dass Meridius nach Germanien reisen musste. "Verzeih mir, wird er lange fort sein?"

    Die Wangen des Jungen glühten rot vor Scham und er zuckte merklich unter dem strengen Blick seiner Tante zurück. Wie sollte er ihr erklären, dass er seinen Onkel sozusagen zwingen wollte, ihn nach Rom mitzunehmen? Er hatte ja nicht weiter darüber nachgedacht, was er tun würde, wenn Meridius sich weigerte ihn mitzunehmen.


    "Ich konnte nicht schlafen",sagte Romanus leise und griff mit der einen Hand um das Amulett um seinen Hals, als würde er um Unterstützung bitten. Dann schluckte er und atmete tief ein. "Ich wollte ihn begleiten". So, nun war es raus und Romanus wartete auf das folgende Donnerwetter.

    Erschrocken fuhr Romanus aus dem Schlaf auf und riss die Augen auf, blinzelte seine Tante etwas verwirrt an. Es dauerte einen Moment bis der Junge soweit wach war, dass er wieder wusste, wo er sich befand. Hektisch versuchte er aufzustehen und stolperte dabei fast über seinen Umhang. Mit hochrotem Kopf kam er schließlich zum Stehen und wagte kaum Lucilla anzusehen.


    "Ich wollte... ist Onkel Meridius schon weg?", fragte er etwas kleinlaut und hätte sich am liebsten geohrfeigt, dass er hier eingeschlafen war. Wahrscheinlich hatte er sich jetzt die einzigste Möglichkeite verspielt, nach Rom zu kommen. Und seine Tante musste sich wohl auch fragen, warum er sich so heimlich aus dem Haus stehlen wollte. Wahrscheinlich hielt sie ihn jetzt für undankbar.

    Romanus war schon früh auf und hatte seine beste Toga angezogen. Besser gesagt hatte er die ganze Nacht nicht schlafen können, sondern immer an seine Mutter und an das was Meridius ihm über sie erzählt hatte gedacht. Als der Morgen graute, stand er auf, zog sich an und packte eine kleine Tasche mit seinen Habseligkeiten zusammen. Unbeachtet von den Sklaven, die wohl noch schliefen, ging er hinunter ins Atrium um auf seinen Onkel zu warten.


    Der Junge wusste, dass Meridius zurück nach Rom wollte und dieses Mal würde er mitgehen. Er hatte sich wieder an der Säule niedergelassen und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Es war kühl im Atrium und Romanus zog sich den Umhang, den er übergeworfen hatte, fester um sich und die Kapuze über den Kopf. So eingemummt fielen ihm schon kurze Zeit später die Augen zu und sein Kopf sank auf seine Arme, die er um seine angezogenen Beine gelegt hatte.

    Romanus hatte die ganze Prozession schweigend hinter sich gebracht und stand schließlich beklommen vor dem Familiengrab, in dem Proximus seine letzte Ruhe finden sollte. Hier lag auch seine Mutter begraben und der Junge hatte fast das Gefühl als wüsste sie, dass er hier war. Und doch war er froh, als sich die Verwandten ebenfalls wieder auf den Rückweg begaben. Dieser Ort war ihm unheimlich.

    Meridius´Worte lösten erst recht die Tränen und ein Klos bildete sich in Romanus´Kehle während er versuchte dagegen anzukämpfen. Sein Vater hatte ihm immer gesagt, dass er als römischer Mann stark sein musste und keine Schwäche zeigen durfte. Somit war es wohl auch nicht erlaubt zu weinen, schon garnicht in aller Öffentlichkeit.


    "Wie...",krächzte der Junge, schluckte und versuchte seine Stimme wiederzufinden. "wie sah sie aus? Vater wollte nie darüber reden."

    Romanus erschrak etwas als Meridius auf einmal zu ihm trat und er wischte sich hastig die Tränen aus den Augen. Als sein Onkel hinüber zu den Stühlen ging, stand der Junge auf und folgte ihm, setzte sich schließlich neben ihn. Die Menge der Anwesenden schüchterte ihn etwas ein, war er es doch nicht gewohnt, so viele Menschen auf einmal um sich zu haben.


    Er schluckte und hätte sich am liebsten wieder hinter der Säule verkrochen. Momentan war ihm nicht sehr nach Gesellschaft zumute. Dennoch antwortete er auf die Frage seines Onkels um ihn nicht zu erzürnen. "Ich musste nur an sie denken...an meine Mutter."

    Romanus war gar nicht so weit entfernt und hätte Meridius nur genau geschaut, so wäre ihm aufgefallen, dass sich der Junge neben eine der Säulen niedergelassen hatte. Er hatte die Beine dicht an seinen Körper gezogen und sie mit den Armen umschlungen. Obwohl er Proximus nicht wirklich gekannt hatte, fühlte er tiefe Trauer in sich, allein die Stimmung in der Casa sorgte dafür. Dabei musste der Junge unentwegt an seine Mutter denken und er fühlte ein starkes Bedürfnis ihr Grab zu besuchen. So absurd es klang, Romanus hatte fast das Gefühl als wäre das ihre Beerdigung und seine Augen füllten sich mit Tränen. Tränen für eine Mutter, die er nie gekannt hatte. In diesem Augenblick fühlte der junge Römer sich so allein wie selten in seinem jungen Leben.

    Romanus drehte seinen Kopf Richtung Tür als er Stimmen hörte und sah dort eine Frau stehen, die zu weinen schien mit einem ihm unbekannten Mann. An die Frau konnte er sich vage erinnern, war es jedoch schon eine ganze Weile her als er sie das letzte Mal gesehen hatte. Schweigend sah er hinüber zu den beiden und hielt dabei immer noch die Hand seines Onkels. Er fragte sich, ob sein Vater ebenfalls zur Beerdigung hier erscheinen würde, hatte er doch seit einiger Zeit nichts mehr von ihm gehört und niemand wollte ihm so recht sagen, was mit ihm geschehen war. Sofern es überhaupt jemand wusste.

    Etwas enttäuscht sah Romanus zu seinem Onkel, als er nicht weitererzählte. Doch hatte er das Gefühl, dass es garnicht darum ging, die Geschichte vollständig zu erzählen, sondern eher um die Erinnerung an den Verstorbenen an sich.


    Er nickte als Meridius ihn aufforderte, sich fertig zu machen und sah blickte dann etwas traurig auf den Boden. Am Grab seiner Mutter war er nur ein einziges Mal gewesen und das war so lange her, dass er sich kaum daran erinnerte.


    "Nur einmal, als ich noch klein war. Vater war mit mir dort und seit dem nie wieder. Er hat auch kaum von ihr gesprochen. Ich glaube, er wollte sie irgendwie vergessen."


    Romanus schluckte und biss sich auf die Unterlippe. Sein Vater hatte ihm mal gesagt, dass er seiner Mutter gleichen würde und der Junge nahm das als Grund, dass er so selten von ihr sprach und den meisten Fragen auswich. Er wollte einfach nicht mehr an sie erinnert werden.

    Romanus sah hoch zu seinem Onkel und erwiederte etwas schüchtern das Lächeln. So unbefangen der Junge doch meistens war, seinem Onkel gegenüber empfand er tiefen Respekt. Die Befangenheit kam wohl sicher auch daher, dass er ihn nicht so oft um sich hatte wie beispielsweise Gallus. Doch die Geschichte, die Meridius zu erzählen begann, interessierte Romanus und seine Augen begannen zu leuchten.


    Ehrlich? Und was ist dann passiert?, fragte er wissbegierig und warf erneut einen Blick auf den Toten, überlegte sich, wie der Mann wohl so in seinem Leben gewesen war, den er kaum gekannt hatte.

    Romanus stoppte seinen Lauf als er seinen Onkel in dem kleinen Raum sah. Langsam betrat er das Zimmer und blickte ehrfüchtig auf den aufgebahrten Leichnam. Er hatte Proximus nur zwei- oder dreimal gesehen in seinem Leben, spürte aber, dass sein Tod seinem Onkel Meridius sehr nahe gehen musste. Er wirkte traurig und älter als er war, wie er dort stand und die Wand anstarrte. Er reagierte auch nicht als Romanus näher trat, schien überhaupt seine Umwelt nicht mehr wahrzunehmen. Ohne darüber nachzudenken, trat der Junge an seinen Onkel heran und schob seine Hand in die Meridius´. Schweigend blieb er so neben ihm stehen.