"Ich danke euch, mein Imperator."
Imperiosus verspürte ein Gefühl der Befreiung, ein Gefühl, welches er ersehnt hatte und doch noch immer an der Erfüllung zweifelte. Nun war er also seinem Amte enthoben.
Seine Aufregung wich, der Moment der Anspannung war nun vorüber.
"Mein Imperator, ich würde mich gerne der cura annona widmen, um die Pflichten des praefectus annonae zu deiner Zufriedenheit zu übernehmen."
Die Reaktion des Imperatos nicht abwartend fuhr er sogleich fort.
"Mein Kaiser, die Geschichte lehrt uns, dass die Versorgung der Bevölkerung, insbesondere die Versorgung Roms, ein Politikum ersten Ranges ist.
Die Getreideversorgung sehe ich als sensiblen Mechanismus, der leicht durch Naturkatastrophen, Kriege und schlechte Ernten gestört oder zum Erliegen gebracht werden kann. In Rom können Versorgungskrisen zudem auch durch Überschwemmungen des Tibers, durch Erdbeben oder auch durch Brandkatastrophen wie im Jahre 64 entstehen.
Und die Geschichte lehrt uns, dass die Einwohner bereits auf die Nachricht einer möglichen Lebensmittelknappheit sehr empfindlich reagieren.
Wie im Jahre 42, als aufgrund einer Trockenheit Getreide nicht in ausreichendem Maße vorhanden war und das Volk Kaiser Claudius auf dem Forum mit Schmähungen entgegen trat und diesen mit Brotkrusten bewarf. Auch ihr, mein Imperator, werdet eure Machtstellung nicht unnötig in Gefahr wissen wollen.
Auch die Kaiser der Vergangenheit wollten dies nicht, Kaiser Augustus übernahm sogar selbst im Jahre 22 v. Chr. Die Aufsicht über die Lebensmittelversorgung und ließ Brot und Getreide verteilen. Ebenfalls Kaiser Tiberius, der im Jahre 19 aufgrund einiger Klagen der Plebs den Brotpreis festlegte und zwei Sesterzen für jeden Scheffel an die Getreidehändler zahlte. Kaiser Claudius, der aus diesen Tummulten die Bedeutung erkannte, ließ in Ostia um das Jahr 50 den portus augusti errichten, um die Belieferung der urbs aetaerna zu verbessern, da dadurch die Schiffe schneller entladen werden konnten. Auch die Häfen Antium und Astura ließ Kaiser Nero und sein Nachfolger zu jenem Zwecke errichten.
Selbst Kaiser Traianus persönlich, dessen Nachfolger ihr, von den Göttern auserwählt, wurdet, er beschäftigte sich intensiv mit den großen Mühlen, staatlichen Bäckereien und ihrer Organisation.
Da die Lebensmittelversorgung stetig anwuchs schuf Kaiser Augustus im Jahre 14 dies Amt, welches ich zu erfüllen strebe.
Ich bin mir über die Aufgaben und die Verantwortung solch eines bedeutungsvollen Amtes bewusst, mein Kaiser, ich weiß, dass dieses Amt Verpflichtungen besitzt.
Derpraefectus annonae übt die Kontrolle über den Transport, die Lagerung und Verarbeitung der Lebensmittel aus und unterhält natürlich geschäftliche Beziehungen nach Hispania aufgrund des Olivenöles und Nordafrika durch das Getreide.
Er beaufsichtigt die Schiffseigner und Händler, schließt mit diesen die Verträge ab und empfängt auch ihre Klagen.
Der praefectus annonae achtet auf das Getreide, so dass dieses ohne irgendwelche Schäden in die Speicher, horrea, kommt und inspiziert somit auch die Ladung der Schiffe, besitzt damit die Oberaufsicht über das Hafen- und Speicherpersonal.
Zudem überprüft er die Güte der Backwaren und die Gewichte der Brote, hat somit Einfluss auf die Brotherstellung und Brotpreise.
Geht ein Schiff verloren, besitzt die Ladung nicht das vereinbarte Gewicht oder ist gar schlecht, so leitet auch er die Untersuchungen, da er wie die anderen führenden Amtsträger mit jurisdiktionellen Vollmachten ausgestattet ist.
Aus der Fülle von Informationen weiß ich bereits, dass für die Versorgung der Stadt pro Jahr etwa 40 Millionen Scheffel, modii, gebraucht werden.
Zum Transport dieser sind an die 1300 Schiffe notwendig, die dazu noch aufgrund von Witterungsverhältnissen das Mittelmeer von Mitte November bis Mitte März nicht befahren können.
In Rom stehen an die 250 horrea und etwa 260 staatliche Großbäckereien, die 210.000 bis 220.000 Portionen Brot pro Tag produzieren.
Erstaunliche Zahlen, mein Kaiser, und für einen Mann alleine nicht unter Kontrolle zu halten – besonders, wenn noch dazu mehrere Hafen angesteuert werden und das nicht nur in Ostia, sondern auch in Puteoli, zu denen auch noch etwa 700 Schiffe pro Jahr gelangen.
Daher benötigt der praefectus annonae Hilfe durch Untergebene und steht somit einem Ring voller Ämter vor. In diesen Kreis gewann ich bereits Einblick.
Verträge die Getreidelieferungen betreffend werden mit dem praefectus aegypti, das Olivenöl betreffend mit dem proconsul Hispanias abgeschlossen.
Die curatores der corpora naviculariorum kümmern sich um die Gestellung der Transportschiffe. Um die Stadt Ostia kümmert sich der procurator Ostiensis und bezahlt aus dem fiscus frumentarius die navicularii, die Schiffseigner.
Wenn das Getreideschiff ankommt löschen die saccarii die Ladung, die mensores wiegen das Getreide, anschließend bringen die caudicarii jenes tiberaufwärts zum Emporium-Bezirk, wo es in die horrea kommt, die patroni die Aufsicht über jene horrea haben.
Die catabolenses verteilen dieses dann an den entsprechenden Ausgabeorten an der portus minucia und den vielen Treppen, gradi.
Die Mühlen werden von den pistores und manceps betrieben, sowie auch die Großbäckereien.
Ferner gibt es noch die Gehilfen, accensi, und die vielen Schreiber, scribae und librarii."
Imperiosus lächelte milde.
"Mein Imperator, du sollst nicht denken, dass ich dich mit diesen Ausführungen quälen will, sondern dir aufzeigen, wie ernst ich diese Entscheidung nehme. Ich bin mir sicher, dass ich diesen Verpflichtungen gewachsen bin, sonst würde ich solch bedeutendes Ressort der Verwaltung nicht ausfüllen wollen.
Die Lebensmittelversorgung, der Dienst an Rom, liegt mir nahe am Herzen, denn dafür kam ich aus der schönen Provinz Achaia und hoffte mich einbringen zu können, von Nutzen zu sein.
Vor allem du, mein Imperator, sollst wissen, warum ich dies Amt einzunehmen gedenke, denn die cura annona wirst du nicht in unerfahrene oder nicht vertrauensvolle Hände legen wollen."
Dass ihn dies schon immer interessierte verschwieg er lieber, denn der Imperator wollte sicherlich nicht hören, dass Imperiosus als Sacerdos öfters auf den Märkten anzutreffen war, um die nötigen Opfertiere und –gaben zu besorgen und sich daher schon intensiv mit den Preisen und der Qualität beschäftigt hatte.