Ein Sklave trat neben Balbus und reichte diesem einen Becher mit Wein.
"Ist das Wetter nicht schön," sagte Verus als auch er einen Becher mit verdünnten und leicht gesüßten Wein erhielt, um ein wenig Small-Talk zu halten.
Ein Sklave trat neben Balbus und reichte diesem einen Becher mit Wein.
"Ist das Wetter nicht schön," sagte Verus als auch er einen Becher mit verdünnten und leicht gesüßten Wein erhielt, um ein wenig Small-Talk zu halten.
Es war still geworden, in der Casa meiner Familie, seit der Abreise Meridius’. Ich war heute eigentlich auch nur gekommen, um mal wieder etwas anständiges, was vor allem kein Puls war, zu essen zu bekommen. Der Sklave fand mich in der Küche, wo ich Candace in die Töpfe guckte, und überbrachte mir die Botschaft, worauf mich mich voll Neugierde ins Atrium aufmachte.
Verus, mein Vetter aus der griechischen Linie, den ich nur sehr flüchtig kannte, plauderte gerade über das Wetter, mit einem Herrn, der dann also Prudentius Balbus sein musste. Meines Wissens hatte ich noch nie mit ihm zu tun gehabt - aber sein Gesicht erinnerte mich an irgendetwas...
“Salve Vetter. Salve Prudentius Balbus”, grüsste ich als ich herantrat, um mich in höflichem Tonfall mit dem Gast bekannt zu machen. ”Wenn ich mich vorstellen darf - Decimus Serapio.”
Jetzt fiel’s mir wieder ein - auf dem Sklavenmarkt hatte ich ihn schon mal gesehen, wo er mit dem Geld nur so um sich geworfen hatte! Ja, Beamter auf dem Palatin müsste man sein..... oder nein, wäre nicht wirklich was für mich.
Balbus wollte gerade notgedrungen etwas zum Thema Wetter erwidern, als er davor durch die Ankunft eines weiteren Decimers bewahrt wurde. Dies war also Decimus Serapio, von dem Balbus in letzter Zeit so viel gehört hatte. Wie ein wirklicher Held wirkte er zwar nicht, aber Balbus entschied, dass er vielleicht innere, heldenhafte Qualitäten besaß.
"Salve Decimus Serapio." erwiderte er den Gruß.
Verus schaute erleichtert zu Serapio. "Salve!" Endlich war jemand eingetroffen, der einfache Gespräche führen konnte. Verus war in Small-Talk eher weniger gut als Serapio. So hoffte er darauf, dass dieser nun mehr seinen Platz als Gesprächsführer einnehmen würde.
Auch Serapio wurde ein Tonbecher mit Wein gereicht.
Mir war überhaupt nicht klar, was dieses Treffen hier zu bedeuten hatte. Dazu schüchterte die Anwesenheit des Procurators, der doch total nahe am Kaiser wirkte, mich leider ein klein wenig ein. So im zivilen Rahmen und ohne Rüstung - wenn auch mit Cingulum militare natürlich - fehlte mir bisweilen der feste, nun ja, Rahmen des Militärischen. Also war ich besonders dankbar für den Weinbecher, so waren meine Hände sinnvoll beschäftigt. Verus machte keine Anstalten zu erklären. Ging es vielleicht irgendwie um die Eques-Erhebungen?
Weil ich es unangenehm fand, so stillschweigend dazustehen, bemühte ich mich, in die Konversation einzusteigen, die die beiden anscheinend bis zu meinem Erscheinen geführt hatten, und bemerkte:
”Ja, es ist früh warm geworden, dieses Jahr. Wenn der Sommer nicht zu trocken wird, gibt es sicherlich eine gute Weizenernte.”
Und zu Verus gewandt: ”Ich glaube, ausser uns ist gerade niemand von der Familie zu Hause.”
Verus trank einen Schluck. Er ließ den Wein langsam über seine Kehle laufen. Das Gespräch war ja wirklich zum einschlafen spannend.
"Ehm...ja," entgegnete Verus auf Serapios Ausführungen.
Seine Augen wanderten nach optischer Ablenkung suchend durch den Raum.
"Livianus sollte schon längst eingetroffen sein, ebenfalls seine Begleiter. Ich persönlich habe ihn schließlich nach Ostia gebracht. Ich mache mir wirklich sorgen, dass ihm in der Heimat etwas zugestoßen ist. Schließlich bin ich auch gerade erst eingetroffen. Ich war zwei Tage in Misenum. Ich rechnete eigentlich damit ihn hier anzutreffen...," sagte Verus angespannt. Er war nun ein wenig überrascht und zwar negativ.
"Merkwürdig," murmelte Verus dahin.
Mir stockte der Atem! Ich erblasste, meine Augen wurden gross, mein Mund klappte auf, und der Becher, den ich in den Händen gehalten hatte, verabschiedete sich gen Fussboden. Er zerschellte, laut klirrend, auf dem blanken Mamor, und der Wein umfloss meine Caligae - was mir völlig egal war. Fassungslos starrte ich meinen Vetter an, und japste, ungläubig, aber zugleich erfüllt von der irren Hoffnung gerade eben richtig gehört zu habe:
”Livianus?!!!”
O Fortuna, lass es wahr sein...
Verus schaute mit einer hochgezogenen Augenbraue zu Serapio. "Alles inordnung?" Er ging zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. "Ja, er lebt. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen." Er lächelte. "Schließlich nahm ich ihn aus Aegyptus mit." Verus lachte leicht. Klang es doch allzu leicht.
Ein Sklave eilte heran und sammelte die Scherben auf und wischte die Weinreste vom Marmor.
Marcus war etwas später nachgekommen und hatte sich sicherheitshalber vorerst im Hintergrund gehalten, so das die anderen seine Anwesenheit vermutlich nicht einmal wahrgenommen hatten. Er war jedoch schon lange genug anwesend um von den Neuigkeiten zu hören, die Verus eben seinem Cousin berichtet hatte. Die Vermutung lag daher auch nahe, dass der Procurator aus demselben Grund gekommen war und die Familie über die Rückkehr des Alten informieren wollte. Ähnlich wie sein Cousin, starrte auch Marcus vollkommen fassungslos in Richtung Verus, der gerade so tat, als würde er über das selbstverständlichste der Welt erzählen. Der Alte war hier in Italian? Vielleicht sogar schon hier in Rom? Anders als bei Serapio, spiegelte sich im Gesicht des jungen Decimers eher blankes Entsetzen als herzergreifende Freude über diese eigentlich sensationellen Neuigkeiten. Marcus hatte gehofft, das er seinem ungeliebten Vater nie unter die Augen treten musste, doch so wie es nun aussah blieb es bei der Hoffnung und die Götter hatten sich gegen den jungen Mann verschworen. Es war eine Katastrophe. Fast besinnungslos wirkend trat Marcus wieder vor die Türe und rang nach Luft, während er sich seinen Weg in Richtung seiner Gemächer bahnte. Er hatte gehört was zu hören war, alles andere war in diesem Moment nicht mehr wichtig.
Balbus verfolgte den kurzen Wortwechsel zwischen den Decimern ungläubig und sagte dann: "Nun, wenn dem so ist, werter Decimus Verus, dann sind die wichtigen Neuigkeiten, die ich deiner Familie zu übermitteln habe ja keine wirklichen mehr."
Ein Schulterzucken.
"Eigentlich war ich gekommen, um euch zu informieren, dass Livianus befreit worden ist und er sich in Alexandria befindet." sagte er und wunderte sich einmal mehr über die mittlerweile immer schlechtere Qualiät des Cursus Publicus.
"Bona Dea! Ist das wirklich wahr!? Oh, allen Göttern sei Dank!!"
Ich war wie benommen, und brauchte eine Weile, um diese überwältigende Neuigkeit zu realisieren. (Seltsam wie sich in der Hinsicht sehr gute und sehr schlechte Nachrichten gleichen können.)
"Und das erzählst Du seelenruhig, Vetter, so nebenbei?!" Mann, eben war noch das Wetter das Thema gewesen!
"Geht es ihm gut?! Wie ist er freigekommen? Wieso Aegyptus?", bestürmte ich meinen Vetter mit Fragen, und währenddessen breitete sich, verzögert, ein freudestrahlendes Lächeln auf meinem Gesicht aus, begannen meine Augen zu leuchten. Was ich schon nicht mehr zu hoffen gewagt hatte – es war eingetreten. Ich war in der Stimmung die ganze Welt zu umarmen.
"Wir müssen allen bescheid sagen, und wir müssen das Haus schmücken, und alles für seine Heimkehr vorbereiten, und..."
Nicht, dass das Haus in der Zwischenzeit irgendwie verlottert wäre, die Sklaven waren ja sehr fleissig. Aber diese Sensation verlangte nach dem richtigen Dekor. Blumengirlanden zum Beispiel - wir mussten unbedingt die Porta mit Blumen bekränzen, das würde ich später in die Hand nehmen.
Der Besucher vom Palatin meldete sich wieder zu Wort – er war also auch deswegen hier. Wie nett von ihm, dass er selbst gekommen war! Ich erinnerte mich noch sehr gut, und nicht ohne Groll daran, wie man unsere Familie bei Livianus' Verschwinden im Dunkeln gelassen hatte.
"Ich danke Dir sehr, Prudentius Balbus, dass Du persönlich gekommen bist, um uns diese unglaubliche... grossartige... unglaublich grossartige Nachricht zu überbringen!", bedankte ich mich überschwänglich, im Moment einfach nur vollkommen euphorisch.
Da war aber jemand glücklich und der andere unglücklich, wie diese Familie doch mal wieder gespalten war. Der eine freute sich über Livianus Rückkehr, der andere schien sie zu verfluchen.
Verus nickte freudig.
"Natürlich ist es wahr," sprach er direkt zu Serapio. "Ja, ich habe ihn über das Mare nostrum geleitet. Ich war der Kommandant des Schiffes, das ihn zurück nach Italia brachte. Wie er nach Aegyptus gekommen ist? Ich weiß es nicht, mir scheint es auch ein Wunder. Ich fand ihn dort durch Zufall und er sprach mich an. Fortuna stand uns wohl bei."
Er strich sich erneut durch seinen Bart.
"Ihm geht es gut. Auf der Überfahrt konnte er sich gut erholen. Natürlich werden seelische Narben bleiben. Ich selbst kenne das nur zu gut. Der Krieg oder die Gefangenschaft hinterlassen tiefe geistige Wunden. In Träumen offenbaren sie sich. Wir sollten milde mit ihm umgehen."
Verus machte einige Schritte durch den Raum und lehnte sich dann an eine Säule. "Ja, wir sollten das Haus schmücken und ein Fest vorbereiten. Wir sollten alle Decimer im ganzen Imperium einladen. Ich denke, dass es ein guter Zeitpunkt wäre, den Zusammenhalt unserer Gens zu demonstrieren."
Er nickte.
"Ich habe dir auch zu danken, dass du dir die Mühe gemacht hast, hier zu uns zu kommen."
Balbus hörte Verus Bericht aufmerksam zu und nahm sich schon mal vor, herauszufinden, wie diese Überschneidung der Ereignisse zustande kam. Aber nun war erstmal die Freude der Decimer wichtiger.
"Nun, nachdem das ganze dann erledigt ist, werde ich euch nicht weiter belästigen und euch eurer Freude und euren Vorbereitungen überlassen." sagte er und verabschiedete sich dann.
”Ja, Fortuna sei gepriesen!” jauchzte ich aus tiefster Seele, und wie sich mein Vetter den Bart strich, fiel mir so nebenbei auf, dass er in der Mode wirklich auf dem allerneuesten Stand war. (Bärte gelangten ja dieses Jahr so langsam en vogue. Ob ich mir auch einen wachsen lassen sollte?)
Ich war so froh zu hören, dass Livianus einigermassen wohlbehalten war, aber der andere Teil von Verus’ Worten irritierte mich sehr. Über so etwas sprach man nicht! Ein Decimer hatte keine ‘seelischen Narben’ zu haben, und wenn man sie doch hatte, dann behielt man das bitteschön für sich, ganz besonders vor Aussenstehenden. Das war ein wunder Punkt für mich. Ich machte ein reserviertes Gesicht, verschränkte die Arme, und ging auf das Thema nicht ein.
Was das Fest anging, war ich aber wieder mit ihm einer Meinung, und nachdem wir den Procurator verabschiedet hatten, begannen wir mit der Planung.
”Gut... Dann übernehme ich es, den Mercator und den Hispanicus-Teil der Familie anzuschreiben. Und Du übernimmst es, die Cato-Linie, also den ‘griechischen’ Teil einzuladen, ist das in Ordnung? - Ich mach mich gleich dran.”
Bei unserer weitverzweigten Familie würde ich gut achtgeben müssen, um niemanden zu vergessen.
Verus lächelte breit. "Natürlich, zumal es sich bei diesem Teil nur um meine Familie handelt und Cursor...," sagte er. "Der wohnt natürlich mal wieder am Anus der Welt, immer wieder Cursor... - Aegyptus..."
Er lachte leicht. "Ich werde mich heute Abend oder Morgen daran setzen, mein Freund."
Nach einiger Zeit tauchte Livianus im Atrium auf. Er wirkte auf den ersten Blick etwas abgehetzt und müde, doch als er Avarus sah, setzte er sofort ein freundliches Lächeln auf und kam mit offenen Armen auf den Senator zu. Die offenen Arme dienten keineswegs dazu den Mann zu umarmen, dazu kannten sich die beiden Senatoren zu wenig, doch deutete es eine klare freundschaftliche Geste an. Kurz vor Avarus nahm Livianus die Arme wieder etwas nach unten, streckte ihm jedoch beide Hände entgegen, um seine Hand mit beiden fassen und schütteln zu können.
"Avarus. Geschätzter Avarus. Wie soll ich dir jemals dafür danken, was du für mich getan hast. Ich stehe tief in deiner Schuld."
Im Anflug des Hausherren stand Germanicus Avarus auf. Er hatte etwas warten müssen, aber diese Zeiten der Muse nutzte dieser gern, um über Themen nachzudenken, die sonst in der Hatz des Tagesablaufs meist untergingen.
"Decimus Livianus ich freue mich, dich gesund und munter zu sehen." Natürlich war dessen Zustand nicht zu übersehen, aber Avarus war auch nicht der Gast, der den Miesepeter rauszuhängen pflegte. Etwas Aufmunterung kam schon immer gut. "Danke nicht mir, sondern jenen, die deine Knochen aus dem Land jenseits von Euphrates und Tigris befreiten. Mein Dienst an der Sache war eher maginal."
"Dennoch warst du es, der den Stein erst ins Rollen brachte und oft scheitern große Vorhaben daran, dass keiner den Mut aufbringt und den ersten Schritt wagt. Schmälere deinen Einsatz also nicht Avarus. Du hast eine ebenso wichtige Rolle eingenommen, wie meine Befreier."
Er schenkte dem Germanicer ein freundliches Lächeln und bedeutete ihm dann, sich wieder zu setzen. Im Anschluss nahm Livianus auf dem zweiten Stuhl platz, der direkt daneben stand.
"Ich habe sowohl meinen Bruder, als auch deinen Klienten mit nach Rom gebracht. Wenn du möchtest, dann kann ich ihn gerne zu uns rufen lassen. Er ist Gast in meinem Haus und wird es auch immer sein."
Bestimmte Dinge waren zusammengekommen und hatten Avarus dazu erwogen auf eigene Faust und damit parallel zum Senat zu agieren.
"Oh es kamen einige Faktoren zusammen, so hat mir meine Frau in den Ohren gelegen, weil sich vorallem die Debatte im Senat über mehrere Sitzungen zog und keine Entscheidung über die Verfahrensweise in der Luft lag. Wir haben eine fast zänkische Zeit zu Hause gehabt, denn in aller erster Linie bin ich Senator und doch hat Lucilla letztlich den besseren Hebel bedient. Ich soll dich übrigends schön von ihr grüßen."
Avarus grinste kurz und dachte einen Augenblick an Weib und Bündel.
"Außerdem hörte ich von meinem Freund Magnus, das er selbst auf eigene Faust in den Osten ziehen wollte. Nun ich konnte erahnen, das es ihn an Hitzköpfigkeit nicht mangelte, daher traf ich dann die Entscheidung einen meiner fähigsten Klienten für sowas zu schicken. Und sie hatten Erfolg."
Das war schon alles gewesen.
"Lass Subdolus da wo er ist. Er wird sich sicherlich in den nächsten Tagen bei mir blicken lassen. Wir haben soviel zu besprechen..."
Und ein Großteil davon war nicht für fremde Ohren bestimmt, wie vertraut sie auch waren.
"Sag mir was deine Pläne sind. Gehst du zur Ersten zurück?"
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