[Forum Augustum] Templum Martis Ultoris

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    Kephalos hatte einige helfende Hände in seinem kleinen Betrieb, und heute waren sie alle zusammengerufen worden. Fünf junge Burschen gingen ihm zur Hand, ihre Familien hatten ein ordentliches Lehrgeld an ihn gezahlt, damit sie von ihm lernten. Und heute würden sie einiges an theoretischem Wissen lernen können, denn der Zustand des Tempels bot eine Hülle an Möglichkeiten. Fehler waren immer am anschaulichsten, denn keiner vergaß, die Statik zu prüfen, wenn man schonmal gesehen hatte, wie ein Bau in sich zusammenkrachte, oder vergaß, Winkel auszumessen, wenn das Mauerwerk nicht passte. Fremde Fehler waren zwar nicht so lehrreich wie eigene Fehler, dafür aber auch weniger kostspielig.


    Mit dem Tempelvorsteher hatte Kephalos noch am Abend zuvor gesprochen, dass sie heute hier Untersuchungen vornehmen würden. Natürlich so, dass sie den Tempelbetrieb möglichst wenig stören würden, weshalb sie die erste Morgenstunde für das rituelle tägliche Opfer an Ares hatten verstreichen lassen, aber den einen oder anderen Schritt durch die heiligen Hallen würden sie machen müssen. Vor allem, da sie in wirklich jeden Raum hinein mussten, was dem Tempelvorsteher dann doch weniger gepasst hatte. Aber was sein musste, musste sein.
    Und so machte die kleine Gruppe noch einmal draußen vor dem Tempel am Altar einmal kurz halt. Jeder von ihnen entzündete ein wenig Weihrauch, um dem Gott Respekt zu zollen. Hier in Rom war der Gott etwas friedvoller, kümmerte sich auch um Ackerbau und die Bauern. Aber sie sechs waren allesamt Griechen, und sie kannten Ares eigentlich nur als den großen Kriegsherrn,d er auf den Häuptern seiner erschlagenen feinde schlief. Und diesen Gott wollten sie sicher nicht erzürnen.


    Nachdem also dicke, weiße Schwaden vom Alter waberten, machten sie sich an die Arbeit. Als erstes galt es, den Tempel vernünftig aufzumessen. Alles war eine Frage des richtigen Aufmaßes. War erst einmal alles in Zahlen erfasst, konnte man später alles vernünftig belegen, und niemand musste lange suchen. Und so fingen sie an, zunächst die Außenseiten abzuschreiten. Kephalos gab die Schrittweite auf der einen Seite vor, sein ältester Lehrling auf der anderen Seite. Jeweils zwei andere schrieben dann Maße mit. Von Mauerecke zu Mauerecke. Von Säule zu Säule. Von Fenster zu Fenster. Dasselbe innen. Wieviele Schritte vom Eingang zum Bildnis, wieviele zu den Seiten. Jeder Durchlass, jede Tür wurde genau eingemessen, vermessen und genau aufgezeichnet. Ohne Aufmaß schließlich keine Massenberechnung, ohne Massenberechnung kein berechenbarer Verbrauch, ohne diesen keine Zahlen, wieviel das Ganze kosten würde.
    Die Höhen zu bestimmen war da dann schon aufwändiger, denn hier mussten Leitern aufgestellt werden, was dann doch dem ein oder anderen Tempeldiener ein Stirnrunzeln aufs Gesicht zeichnete. Erst recht, als sie das Seil mit den Knoten an die Wand anlegten und daneben ein Lot, um sicherzugehen, dass es senkrecht war, und Kephalos' jüngster Gehilfe auf der Leiter schon ziemlich wackelig stand, um auch wirklich die Decke zu erreichen. Bei derselben Aktion draußen hatten sie dann eine erhebliche Menge Zuschauer, wenngleich diesen nicht der heimliche Wunsch nach einem Absturz erfüllt wurde.


    Bis sie schließlich das komplette Aufmaß des Tempels erstellt hatten, alles aufgeschrieben und auf Papyrus übertragen hatten, geordnet und berechnet hatten, war schon später Nachmittag. Aber jetzt konnten sie immerhin mit der wirklichen Arbeit beginnen!

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    Wenngleich der Tag schon weit vorangeschritten war, entschied Kephalos, dass es das beste wäre, das restliche Tageslicht noch zu nutzen und gleich mit der Arbeit zu beginnen. Seine Gesellen maulten ein wenig vor sich hin, denn sie waren müde und vor allen Dingen hungrig, dann Pause hatten sie noch keine heute gemacht, um etwas zu essen. Kein Wunder also, dass sich ihre Begeisterung in Grenzen hielt, als der ältere Architekt sie antrieb, weiter zu machen. Essen konnten sie auch noch, wenn es zu dunkel wurde, aber eine Woche war nicht unbedingt eine lange Zeit, um sämtliche Dinge zu prüfen und sich anzusehen. Und er wollte ja nur einige Ansatzpunkte sammeln um zu wissen, was sie am nächsten Tag für Ausrüstung am besten mitnehmen sollten.
    Also begannen sie mit der Begutachtung der oberflächigen Schäden und ihrer genauen Protokollierung.


    Auf dem Vorplatz fingen sie an, bei der Statue des Augustus, der diesen Tempel mit seinen 8 Säulen aus blendend weißem Marmor gestiftet hatte. Die Statue an sich war soweit wunderbar, nur fehlte einem der Pferde leider ein Ohr, was wohl würde ersetzt werden müssen. Es war aufwendig, ein perfektes Ohr nachschneiden zu lassen und dann mit Gips so anzubringen, dass man den Unterschied nicht sah, aber es blieb nur das, oder das ganze Pferd auszutauschen. Auf dem Weg zum Tempel hatte eine der Bodenplatten einen häßlichen Riss, was das Gesamtbild des Platzes etwas störte, ebenso wie eine der Stufen zum Tempel hinauf gesprungen war. Kein gravierender Mangel, aber ein Mangel.
    Die Ringe, die die großen Opfertiere an Ort und Stelle hielten, waren rostig, aber stabil. Kephalos würde dennoch eine Erneuerung vorschlagen, da er nicht absehen konnte, wie lange diese Ringe noch stabil bleiben mochten. Sie kamen häufiger mit Blut und anschließend Wasser in Berührung, was den Rost noch weiter fördern würde, und die Götter mögen einen davor bewahren, herauszufinden, dass die Ketten nicht hielten, wenn gerade ein großer Ochse oder etwas gefährlicheres geopfert werden sollte.
    Aufs Dach konnten sie jetzt nicht, dafür würde Kephalos morgen den Kran aufstellen lassen, damit man ein Teil der Schindeln abdecken konnte, so dass er sich das Gebälk ansehen konnte. Also ging es erst einmal weiter näher zu dem Tempel. Die Säulen sahen auf den ersten Blick allesamt noch prächtig aus. Außer ein bisschen bessere Putzarbeit mit einer weichen Bürste an den oberen Kapitellen gab es da nichts dran auszusetzen. Wenn sie ihre Instrumente dabei hatten, würden sie noch prüfen, ob sie alle auch perfekt lotrecht standen, aber bislang sah die Sache an dieser Stelle wunderbar aus. Ein Glück, dem Bauherrn zu sagen, dass man das komplette Dach einstützen musste, nur um eine Säule zu begradigen, war meistens ein sehr kostspieliges und sehr nervenaufreibendes Unterfangen, sowohl für Bauherren, wie auch für Architekten.
    Die Fassade allerdings konnte dem ersten Eindruck dann nicht standhalten. An einigen stellen waren kleinere Haarrisse zu sehen, an der Wetterseite des Tempels hatte sich ein Teil des Putzes in den Fugen gelöst und sah arg mitgenommen aus. Weiter oben hatte sich Grünspan gebildet, wo das Dach auf der Mauer aufsetzte. Hier mussten mehrere Schritte unternommen werden, um die Stabilität des Gebäudes für die nächsten Jahrzehnte zu gewährleisten. Als allererstes sollten die Fugen neu verputzt werden.
    Der Innenraum wiederum war prächtig hergerichtet und gepflegt, wie es sich für einen Tempel gehörte. Die Standbilder der Götter, allen voran natürlich Ares im Zentrum, waren prächtig, an diesen gab es zum Glück nichts auszusetzen. Auch der Boden im öffentlichen Bereich war wundervoll gepflegt, gerade und ebenmäßig. Im Nicht-Öffentlichen aber sah die Sachlage etwas anders aus. Oh, hier war er auch sauber, aber in der Tempelküche entdeckte Kephalos ganze 5 Fliesen, die zersprungen waren. Und das auffällige an ihnen, sie lagen in einer Linie. Ein sehr ungutes Zeichen für eine nicht-unterkellerte Stelle. Hier würde er morgen genau messen müssen, ob sich der Boden nicht etwas abgesenkt hatte.


    Alles in allem wartete noch einiges an Arbeit auf ihn und seine Gehilfen.

  • Interessiert beobachtete Mars das ungewöhnliche Treiben der gelehrten Griechen in und um seinen Tempel. Sie schienen sachkundig und gründlich zu Werke zu gehen. Ob sie wohl vor hatten, noch ein kleines Fenster einzubauen? Oder wollten sie renovieren? Er wusste es nicht, war aber gerne bereit, sich überraschen zu lassen. Nach einer Weile löste er sich aber doch von dem Anblick, um für ein paar Tage weiter im Norden in die Schlacht zu reiten.

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    Unwissend von der Aufmerksamkeit des Gottes kam die Gruppe am nächsten Tag wieder, schwer bewaffnet mit allerlei Hilfsmitteln. Heute stand die genaue Bausubstanz auf dem Plan, und dazu gab es einiges zu vermessen. Die Größe und Pracht des Baus ließ zwar schon erahnen, dass der Architekt, der diesen entworfen, ein wahrer Könner war. Sämtliche Mauern passten, jeder Stein schien gerade verfugt. Doch die beste Planung und die genauesten Winkel mochten mit der Zeit ihre Fehler offenbaren, da die Götter es vielleicht doch anders meinten. Ein übersehener Hohlraum unter den Fundamenten konnte Mauern wandern lassen, Risse entstehen lassen, ganze Gebäude zum Einsturz bringen. Mit der Zeit konnten wirkende Kräfte die geradesten Säulen verbiegen, Fugen in so winzigen Bereichen sich verschieben lassen, dass es mit dem bloßen Auge nicht erkennbar war, bei den sich aufsummierten Effekten aber dazu führte, dass mit einem Mal eine eben noch tragende Säule plötzlich nachgab.
    Nicht, dass Kephalos solches hier erwartete. Das bloße Gewicht der Dachkonstruktion verlieh dem Hohlraum im Inneren eine Stabilität, indem die Wände herabgedrückt wurden und auf ihre eigenen Fundamente fixiert wurden. Gäbe es hier eine Schwachstelle, sie hätte sich wohl weit früher offenbart. Dennoch galt es natürlich zu prüfen, denn Kephalos war kein Freund von halben Sachen. Der Pontifex hatte ein Gutachten verlangt, und er würde ein umfassendes erhalten.


    Also fingen sie an, die Säulen zu vermessen. Hilfmittel dabei waren Setzwaage und ein extra kurz gefertigter Chorobates, dazu noch allerlei Lotblei und sogar ein Dioptra, das einer seiner Gesellen im Innenraum zusammensetzte. Jede einzelne Säule wurde vermessen – was bei den allein acht Säulen aus Carrara-Marmor am Eingang und derselben Zahl an jeder Seite viel Arbeit war, indem eine Leiter daran angelegt wurde. Von Oben wurde nun ein Lot herabgelassen, und mithilfe des Chorobates, der hierbei als Wasserwaage diente, und der Setzwaage wurde die Vertikalität jeder einzelnen Säule überprüft. Danach wurden die Wände auf ähnliche Art vermessen, wobei man sich hier noch eines geeichten Abstandsholzes bediente, um gleich zu testen, ob die Wand nicht nur lot-, sondern auch waagrecht erbaut worden war. Und hier konnte Kephalos schon einmal erleichtert aufatmen, denn alle Fluchten verliefen in perfekt gerader Linie. Nichts war schlimmer, als einem Bauherrn mitzuteilen, dass Wände neu errichtet werden mussten. Noch dazu der Alptraum, eine tragende Wand zu ersetzen, ohne das Gebäude komplett einzureißen... Aber nein, zum Glück waren die Baumeister der letzten zwei Jahrhunderte da zuverlässig gewesen und hatten im Bezug auf die Bausubstanz hier gute Arbeit geliefert.


    Schwieriger nun war aber die Vermessung im Innenraum des Tempels, wo Kephalos schon tags zuvor eine auffällige stelle ausgemacht hatte. Und dieses galt es nun genau zu begutachten. Das Dioptra stand mittlerweile auch, und Kephalos prüfte noch einmal, ob sein junger Gehilfe es auch korrekt zusammengebaut hatte. Immerhin hing von der genauen Einstellung dieses Gerätes gleich ab, ob ihre andere Messung korrekt sein würde. Mit Lot und Wasserwaage wurde wieder nachgeprüft, ob die Scheibe exakt horizontal verlief. Hier und da justierte Kephalos etwas nach, zog eine Schraube fester, weil es ihm nicht exakt genug war, aber schließlich war das teure und hochmoderne Gerät geeicht und bereit, benutzt zu werden.


    Die Messung im Hauptraum war schnell und einfach getan. Sie maßen vom Eingang zur Raummitte, und einmal vom Eingang zum anderen Ende des Raumes. Nachdem die Wände ja bereits vermessen waren, konnte höchstens eine Senkung des Raumes zur Raummitte eingetreten sein. Kephalos selbst also stand am antiken Nivelliergerät, um zu messen, sein ältester Geselle stand neben ihm zur Überprüfung der Einstellungen und zum Mitschreiben, und der Jüngste der sechs Burschen hatte den Zollstock, auf dem im Abstand von einem digitus Markierungen angebracht waren, abwechselnd schwarze Streifen mit dem blanken hellen Holz. Die anderen vier Burschen wiederum maßen dasselbe, nur mit dem Chorobates, der etwas älter war, nicht so modern, nichts desto trotz prima geeignet, den Jungen die Prinzipien des Nivellierens beizubringen, und das sehr genau.
    Im Hauptraum ergab sich wie zu erwarten war auch keine Auffälligkeit. Der Boden hatte sich zur Mitte hin erwartungsgemäß etwas gesenkt, aber nicht mehr als einen halben digitus, und das war durchaus im Rahmen des erwarteten und vor allem weit im Rahmen der Statik. Aber hier hatte Kephalos auch keine Bedenken gehabt.
    Die Tempelküche wiederum war etwas anderes. Hier, wo so viele Fliesen gesprungen waren, waren eindeutig Kräfte am Werk, die stark genug waren, den Ton zum Platzen zu bringen. Und das wiederum war etwas, dem höchstwahrscheinlich entgegengewirkt werden musste. Und etwas, das ein eindeutiges Messergebnis ergeben konnte.


    Und so fixierte Kephalos die Messstange durch die Fenster des Dioptra an, ließ die Eichmarke so anbringen, dass sie genau der Eichhöhe am Rand der Küche entsprach. Während er also durch die Zielvorrichtung des Dioptra blickte, ging sein Gehilfe mit dem Zollstab zurück, weiter zu den gesprungenen Fliesen. Kephalos ließ ihn auch etwas links und rechts davon treten, schwenkte die Drehscheibe des Gerätes seitlich mit der Bewegung mit, bis er schließlich die Stelle gefunden hatte, die er gesucht hatte. Als er hier durch seine kleinen Fenster sah und die Stange anvisierte, konnte er sehr deutlich den Unterschied zur Eichmarke feststellen. Der Boden hatte sich hier gesenkt, nicht nur einen oder zwei digitus – was vernachlässigbar gewesen wäre – sondern fast zwei palmae – was definitiv gerichtet gehörte. Da die Wände alle gerade waren, war zwar kein Einsturz zu befürchten in den nächsten hundert Jahren, aber Kephalos war doch zu exakt, um einfach darüber wegzugehen. Nur machte er sich ein wenig Sorgen, wie er diese Kosten dem Bauherrn wohl schmackhaft machen konnte.
    Sein Blick glitt zu den Wänden, zu den Übergängen zur Decke, und sein Kopf arbeitete schon daran, wie man dieses Problem wohl am geschicktesten Lösen konnte. Und er hatte da auch schon eine Idee...


    Aber erst einmal waren sie fertig für heute, und am morgigen Tag würde noch einmal viel Arbeit auf sie warten. Denn morgen, da ginge es aufs Dach.

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    “Zwei Sesterzen! Ich suche Träger und Helfer für zwei Sesterzen! Das sind zwei Laibe Brot für wenige Stunden Arbeit! Helft uns vier Stunden und ernährt eure Familie für zwei Tage!“


    Mit diesen und ähnlichen Worten suchten die Gesellen nach Tagelöhnern. Und sehr lange mussten sie da auch nicht suchen, den Rom war voll von gestrandeten Existenzen, die solch tiefen Schichten der Gesellschaft angehörten, dass kaum einer von ihnen sein dreißigstes Lebensjahr erreichte, sondern vorher an Hunger starb. Denn so nobel und strahlend die Bauten waren, die Rom für die ganze Welt schön erstrahlen ließen, so arm waren doch letztendlich die Menschen, die dazwischen lebten, arbeiteten und auch starben. Und diese waren auch noch so zahlreich, dass es für jegliche gefährliche Arbeit lohnenswerter war, einfach einen Tagelöhner anzuheuern, der erst NACH Verrichtung derselben bezahlt wurde, anstatt einen Sklaven zu nehmen, den man VORHER irgendwann gekauft hatte. Abgesehen davon, dass man für den Preis jedes noch so ärmlichen Sklaven ein Dutzend Tagelöhner mehrere Tage beschäftigen konnte.
    Und so sammelten sich viele Männer, deren Alter nicht immer eindeutig zu bestimmen war, um die Burschen, warben für sich, zeigten ihre Muskeln, gaben sich stark und zäh. Die traurige Wahrheit war, sie brauchten wohl diese Arbeit allesamt, und zur Familie mit Brot heimzukommen war mehr, als sie an den meisten Tagen zuwege brachten. Sofern sie auch dieses Mal damit heimkehren würden und es nicht anderweitig verlieren würden, sei es, dass sie ihren Lohn verspielten oder er ihnen abgenommen wurde oder aber sie im Überlebenskampf sich dazu entschieden hatten, erst einmal das eigene Überleben sicherzustellen und das der Familie den Göttern zu überlassen.


    So oder so, Kephalos brauchte Helfer, um seinen Kran zu errichten, und dafür würden sich unter den Tagelöhnern kräftige Hände finden lassen. Und das sogar recht schnell, die Jungen waren nicht einmal eine Stunde unterwegs gewesen, ehe sie mit einem Dutzend Männern zurückkamen, die danach aussahen, als ob sie zupacken konnten. Und das auch tun mussten, die Einzelteile trugen sich nicht von selbst. Und so trugen sie dann auch, von der Werkstätte des Kephalos zur Baustelle, die großen langen Holzbalken, die kleineren Querbalken, die Winden, und die vielen Seile, die noch einmal so viel zu wiegen schienen wie das Holz. Aber das störte den Griechen weniger, war ja nicht er es, der sich hierbei die Hände schmutzig machte. Bis zum Tempel ging es ein gutes Stück durch die verschlungenen Straßen Roms. Zwei seiner Burschen liefen vorneweg, er lief hinter der Kolonne her, bekam so als letzter die Beschimpfungen der Händler zu hören, an deren Ständen sie manches mal wegen der Größe der Bauteile etwas dicht vorbeiliefen, oder des Barbiers, den sie wohl komplett von der Straße mit seinem kleinen Stand vertrieben hatten, um passieren zu können. Aber Kephalos störte es nicht. Der Mann sollte schimpfen und seinen Stand wieder mitten auf der Straße eröffnen, bis er über den nächsten zetern musste, der ihn von der Straße verscheuchte, um passieren zu können. So war das eben in den Straßen, nirgendwo war wirklich viel Platz, schon gar nicht für neunzehn Männer in Kolonne, von denen zwölf einen Kran schleppten.


    Doch die wahre Aufgabe folgte erst am Tempel des Mars. Dank des Schreibens des Ädils konnte Kephalos mit dem Recht im Rücken die Leute vom Forum Augustum etwas verdrängen und sich so den nötigen Raum schaffen. Vielleicht nahm er sich etwas viel heraus, als er damit drohte, notfalls die Urbaner zu rufen, wenn ihm nicht genügend Platz gemacht wurde, aber im Grunde war es ja so. Er hatte eine Erlaubnis des Ädils, was die meisten stände in Rom nicht von sich behaupten konnten. Wer also wollte sich da mit den Stadtwachen anlegen?
    Schließlich aber war der Platz weit genug geräumt, so dass sie sich ans Aufstellen machen konnten. Im Liegen wurden die beiden langen Hauptträger des Krans aneinandergelegt und mittels eines großen Holzzapfens und einigen kräftigen Hammerschlägen miteinander zu einem gleichschenkligen Dreieck verbunden (mit offener unterer Seite). Zur weiteren Stabilität wurden drei Querbalken eingezogen, ebenfalls festgehämmert, so dass das Dreieck weitere Stabilität erhielt. Und die war für das folgende auch bitter nötig, denn noch stand der Kran nicht einmal ansatzweise.


    Seile wurden durch Flaschenzugwinden gezogen, diese am Holzgestell an den dafür vorgesehenen Stellen montiert. Weitere Seile zur Sicherung folgten. Dann schließlich die Seile am unteren Ende des Krans, die zur Sicherung des ganzen Unterfangens in die andere Richtung gezogen werden würden, um so den Fuß des Gestells vom Wegrutschen zu hindern.
    Auf dem großen Steinboden des Forums hätten sie wohl ein schweres Brot bei der Sache gehabt, doch hier in der Nebenstraße hatten sie mit dem Untergrund etwas mehr Glück. Wenn auch weit weniger Platz und so weit mehr Probleme mit den Zuschauern. Aber schließlich war es so weit, alles war ordentlich vertäut, es konnte losgehen.

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    “Et simul!“ Erschallte Kephalos Bass laut über das Stimmengewirr der Schaulustigen, und die Männer zogen an den Seilen. Wieder, wieder, wieder, immer auf sein Zeichen, zugleich, zugleich, zugleich. Stück für Stück hob sich der Baukran, mehr und mehr spannten sich die Seile durch die kurzerhand in den Boden gehämmerten Ringe, immer mehr ächzte die ganze Konstruktion. Aber Stück für Stück hob sich die Kranspitze, erst über den Straßenboden, dann über die Zuschauer, bis sie schließlich bis über das Dach des Tempels ragte. Und je höher sie stieg, umso leiser wurden die Leute, die zusahen, bis schließlich nur noch die tiefe Stimme des Architekten über den Platz scholl, der die Männer anwies, zu ziehen, ziehen, ziehen. Und schließlich war die richtige Höhe erreicht. Seine Gesellen verließen ihre Plätze an den Seilen, lasteten ihre Kraft den anderen zum Halten auf, und halfen dabei, die langen Holzzapfen am Fuß des Kran in die Erde des Seitenwegs zu schlagen, so dass dieser mit einem kräftigen Querholz zusammen arretiert wurde. Danach halten sie, die Seile zu vernieten und festzublomben an den Seilen, diese durch geschickte Knoten so festzumachen, dass das Gewicht des Krans dieselben zuzog, so dass sie sich nicht öffnen konnten, außer man wusste, wie, oder war ein Seemann.
    Aber der Kran stand, und war sicher. Es fehlte nur ein Rad an der Seite, mittels dem die Fracht leichter hinauf oder hinabgezogen werden konnte. Doch für ihre jetzige kleine Untersuchung war das kaum von Belang, da mussten keine zu großen Lasten gezogen werden. Das würde über die einfache Mechanik mittels Flaschenzug genügen. Sollten Arbeiten am Dach vonnöten sein und sie den Auftrag dazu erhalten, konnte man die Machina immernoch montieren und so die Bauarbeiten erleichtern.


    Der Flaschenzug war auch schnell montiert, mit fünf großen Bronzerollen, die das Gewicht auf das Seil verteilten und so die Lasten einfacher machten. Und auch ein Korb war am unteren Ende schnell angebracht, schön stabil. Dennoch war Kephalos hierbei mehr als gewillt, seinen Gehilfen und ihrem Urteil zu vertrauen, wenn dies hieß, dass er nicht selbst nach oben fahren musste, um das Dach in Augenschein zu nehmen. Oh, er hatte keine Angst vor der Höhe, aber ein Sturz aus derselben verlief meist letal. Und das wollte er doch vermeiden.
    Und so kletterten schließlich zwei seiner Gesellen in den Korb, der sonst Steine und ähnliches beförderte, und ließen sich nach oben fahren. An der Dachkante angekommen kletterten sie über den Rand, und begannen mit ihrer Arbeit. Zunächst einmal das Melden des Zustandes.
    “Kyrios! Es sind einige Dachplatten kaputt und gebrochen. Weiter hinten ist eine ziemlich große stelle, die nicht gut aussieht. Nikias ist schon dabei, ein paar Schindeln abzudecken, so dass wir uns das Gebälk anschauen können!“
    Kephalos stand unten und nickte. “Gut, macht das so“, rief er den beiden jungen Burschen zu. Und dann hieß es warten, warten, warten. Die Zeit verging, Kephalos tippte mit seinen Fingern im Rhythmus auf seinen Arm, besah sich den Stand der Sonne, besah sich die Stabilität des Krans, lief etwas auf und ab. Aber es kam nichts weiter. Natürlich wusste er, dass sowas Zeit brauchte, deshalb ließ er sich nicht dazu herab, einen weiteren seiner Burschen hoch zu schicken oder gar selbst sich hochfahren zu lassen. Dennoch war er sehr erleichtert, als zwei über und über mit Staub bedeckte Köpfe über den Rand des Tempeldaches nach unten schauten.
    “Kyrios! Da war tatsächlich eine undichte Stelle. Ich glaub, das war ein Blitz, ich bring eine Schindel mit runter. Die ist ein bisschen versengt. Und Wasser ist da unter das Dach eingedrungen. Die meisten Balken sind gut, aber die zwei direkt bei der Stelle sind von grünem Schimmel überzogen.“
    Kyrios verzog kurz den Mund. Schimmel war unangenehm. Er stank, staubte und machte die Leute krank. Das würden definitiv auch Tagelöhner machen dürfen. Und es war ein weiterer größerer Punkt auf seiner Liste, den er den Bauherrn erklären würde müssen.
    “Gut, deckt das Loch gut ab und kommt dann nach unten.“
    Wenn sie gebadet wären, würden sie ihm helfen dürfen, den Bericht zu schreiben. Und einen Kostenvoranschlag.

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    Das Holz zu besorgen war ein Graus gewesen. Man hätte meinen Können, Kephalos hätte den Dachstuhl aus massivem Gold errichten wollen, so wie sich die Holzhändler angestellt hatte. Vermutlich wäre es sogar leichter gewesen, Gold in Form gießen zu lassen und hier zur Baustelle zu bringen, selbst in tragfähiger Menge, als die paar Balken, die Kephalos nun nach mehrwöchigen Verhandlungen doch erstehen konnte. Auch wenn man über die Toten nicht so denken oder reden sollte, so war es doch das Glück des Architekten gewesen, dass der Kommandant der Classis gestorben und noch kein neuer ins Amt eingeführt war, so dass die Aufträge für den Bau von Schiffen von militärischer Seite aus erstmal auf Eis lagen. Zumindest solange, bis der neue Präfekt dort angekommen wäre. Ein ziemlich knappes Zeitfenster, um den Holzhändlern die Balken, die eigentlich als Schiffsrumpf dienen sollten, abzuschwatzen.
    Aber jetzt waren sie hier, im Schutz der Nacht mit Karren hertransportiert zum Tempel, ebenso wie der Marmor, der bereit lag, um behauen zu werden. Kephalos hatte sich schon nach Steinmetzen erkundigt und diese benachrichtigen lassen, dass er hier am Tempel Arbeit zu vergeben hatte. Die sollten heute ebenfalls ihr Werk beginnen, genauso wie die Tagelöhner, die seine Gesellen am gestrigen Tag ausgewählt hatten.
    Noch war es dunkel, und die Fuhrmänner luden gerade die kleineren Balken für die Arbeiten in der Küche ab. Doch der Morgen dämmerte bereits und würde nicht mehr lang auf sich warten lassen. Also kaum Zeit, das Fuhrwerk wieder aus der Stadt zu bekommen, um den Tagfahrverbot zu entgehen, und ein Grund für Kephalos, doppelt genau auf die Arbeit der Männer zu schauen, dass die nicht in ihrer Eile noch etwas zerbrachen. Es war schwer genug, die ganzen Balken zu organisieren, sie jetzt noch zu beschädigen wäre eine Katastrophe!
    “Passt damit auf!“ bellte der Grieche, als die Männer das Holz einfach zu Boden werfen wollten. Die murrten nur, arbeiteten dann aber gewissenhaft weiter. Und als der Himmel im Osten durch helles Grau anzeigte, dass der neue Tag anstand, waren sie auch fertig und führten ihren Ochsenkarren weg, während ihr Anführer sich von Kephalos einige Münzen in die Hand drücken ließ.
    Was noch fehlte, waren Dachziegel, aber die wollte Kephalos besorgen, während die Erdhubarbeiten vorangingen. Da diese ja gebrannt wurden und nicht Wachsen oder aus dem Fels geschnitten werden mussten, sollten sie leichter zu erhalten sein.


    Kephalos sah sich seine Gehilfen an, die sich noch müde den Schlaf aus den Augen rieb, während in der Ferne vom nicht allzu weiten Ianusbogen her Gesang durch die klare Morgenluft herangetragen wurde. Das allmorgendliche Opfer an den Gott, damit er die Tore zum Göttlichen öffnete, so dass sie ihren übrigen Göttern für den Tag opfern konnten. Kephalos kannte den Brauch mittlerweile, auch wenn er ihn nicht ganz verstand. Das griechische Pantheon hatte nichts vergleichbares. Dort begann jeder Tag mit dem Aufstieg von Helios, ohne dass eine Torgottheit den Weg bereiten musste für die anderen Götter.
    So oder so lauschte er aber dem Gesang und wartete darauf, bis dieser vollendet war und die Stadt so langsam zum Leben erwachte. Nach und nach fanden sich auch die Tagelöhner ein, die angeheuert worden waren, um die ersten Aufräumarbeiten zu beginnen.


    Gemeinsam warteten sie auf den Priester, der ihnen Einlass zum Tempel geben sollte, und als der Aedituus schließlich auftauchte, verbrannten sie zur Besänftigung des Gottes noch gemeinschaftlich etwas Weihrauch auf seinen Feuern. Als der Rauch fröhlich und als gutes Omen zum Himmel stieg, fingen sie schließlich an.

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    Nachdem Kephalos den Tagelöhnern lang und breit erklärt hatte, was wessen Aufgabe war, konnte die Arbeit auch losgehen. Zuerst wurde die Tempelküche ausgeräumt, sofern das die Priester nicht ohnehin selbst erledigt hatten, und dann die Bodenplatten dort entfernt, was mit einigem Muskelaufwand und einem Stemmeisen geschah. Leider zerbrachen die Tölpel dabei so viele, dass Kephalos schließlich wutschnaubend und schimpfend hinausging und seinem Gesellen das Anweisen an dieser Stelle erst einmal überließ.


    Draußen am Baukran wurde inzwischen eine Winde angebracht, ein einfaches Holzkonstrukt mit Drehkreuz, das von 4 Männern leicht gedreht werden konnte und dank eines steinernen Fußes das nötige Gewicht besaß, um nicht zu verrutschen. Kephalos wäre es lieber gewesen, es mit Holzpflöcken in der Erde zu arretieren, nur war das hier auf dem Platz leider nicht möglich. Es würde auch so gehen. Es würde müssen.
    Zwei andere seiner Gehilfen hatten hier die Aufsicht und erklärten gerade den Tagelöhnern, dass sie das Dach abdecken sollten, von wo bis wo, und dass jede zerbrochene Schindel ihnen vom Lohn abgezogen würde. Was bei dem niedrigen Lohn hieß, dass wer mehr als eine zerbrach, gleich gehen konnte, da er nichts mehr verdienen würde. Allerdings hatte Kephalos die Kosten für das Holz und für den Marmor etwas unterschätzt, so dass der von ihm geplante Puffer bereits ausgeschöpft war und sie so an anderen Ecken sparen mussten, soweit dies möglich war. Dem Collegium Pontificium zu erklären, dass er sich verkalkuliert hatte und mehr Geld bräuchte, würde ungemein schwerer sein, als diesen armen Tölpeln hier Feuer unterm Hintern zu machen und sie zur Vorsicht zu mahnen.


    Kephalos ging weiter zu seinem eigentlichen Ziel, verscheuchte dabei mit ein paar harschen Gesten und noch harscheren Worten ein paar der Zuschauer, die einfach nur im Weg herum standen und den Kran angafften, und bahnte sich seinen Weg zu den bereits auf ihn wartenden Steinmetzen. Es waren drei, die er sich hatte empfehlen lassen, und mit denen er nun die auszuführenden Arbeiten durchging. Da sie neben der Pferdestatue standen, fing er mit dem abgebrochenen Ohr auch gleich an, für das wohl ein größeres Bruchstück der jungfräulich weiß in der Somme schimmernden Blöcke ausreichen würde.
    Die gesprungene Bodenplatte ein paar Schritte weiter wurde in Augenschein genommen, und es ging weiter zu den Treppenstufen, die “So exakt als irgend möglich!“ zu kopieren waren, so dass später ein Unterschied nicht erkennbar wäre. Hierfür würde der größere Block gebraucht werden, während der kleinere die Platte auf dem Platz und die an der Opferstätte ersetzen sollten. Kephalos konnte nur hoffen, dass die Männer wirklich so geschickt waren und den Block teilen konnten, ohne allzu viel Material zu verschwenden. Aber sie schienen zuversichtlich, ja geradezu ehrfürchtig, mit solch edlem Material umgehen zu dürfen, als sie schließlich von den Stufen zum Opferaltar gingen und wohl den schwierigsten Teil ihrer Aufgabe in Augenschein nahmen: Die Platte mit der Halterung für die großen Opfertiere. Hier mussten sie den teuren Marmor genau einfassen, dass er nicht riss und den Metallring sicher hielt. Hier wirkten sie schon nicht mehr ganz so selbstsicher, aber selbstsicher genug, dass Kephalos es auf den Versuch ankommen ließ. Andernfalls würden sie den Marmor ersetzen müssen. Und das wäre für alle Beteiligten unangenehm.

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    So langsam nahm die Sache Gestalt an. Das Dach war nach wenigen Tagen abgedeckt und auch schon die Balken waren maßgenommen worden. Im Moment bestand hier das größte Problem in der Statik der Dachkonstruktion, ob diese auch dann hielt, wenn man die schimmeligen Balken erst entfernte und dann die neuen einsetzte, natürlich einen nach dem anderen, oder ob man zur Sicherheit noch einen Stützbalken in der Mitte des Daches zum First desselben anbringen wollte, um ein eventuelles Absacken zu verhindern. Schließlich entschied Kephalos sich für den teureren Weg und ließ einen Holzbalken einziehen, der festgehämmert das Gewicht des Mittelbalkens trug und später aus der Balkenlage wieder herausgenommen werden würde.
    Als besagter Balken hochgehievt wurde, war Kephalos selbst draußen und beobachtete die Arbeiten. Mit Seilen war das massive Holzstück am Kran befestigt und wurde mittels Flaschenzug und Winde vorsichtig hochgezogen, während oben schon drei Tagelöhner und zwei Zimmerleute warteten, um das Stück in Empfang zu nehmen. Mittels einer Leine half unten noch einer von Kephalos' eigenen Gehilfen, dass der Balken nicht durch eine plötzliche Bewegung noch gegen den Tempel schlug, während er immer weiter in die Höhe gehievt wurde. Die kritische Stelle war dennoch die Übergabe, die mit einigen Rufen und noch mehr Schweiß dann langsam und bedächtig durchgeführt wurde. Immerhin wollte kein Arbeiter in die Tiefe stürzen, ebensowenig wie man das Holz hinabfallen lassen konnte. Und den Kran konnte man nun einmal nicht einfach so schwenken, so dass es mittels Seil und Zugkraft und einem kleinen Gebet an Mars, niemanden vom Dach seines Tempels zu stoßen, daherging.


    Doch schließlich war der Stützbalken oben, und es ließ für die richtigen Balken hoffen, dass diese ihren Weg in die Höhe ebenso hinaufschaffen würden, ebenso wie die verschimmelten Balken ihren nach unten. Um den Tempel nicht am Ende zu beschädigen konnte man diese ja auch nicht einfach hinabwerfen. Von der Gefahr, jemanden auf dem belebten Platz am Ende zu treffen, ganz zu schweigen.
    Kephalos überließ also die Zimmerleute ihrem Handwerk – aufs Dach zu gehen würde ihm sowieso nie einfallen, er war ja nicht lebensmüde – und ging wieder hinein ins Innere des Tempels, um die dortigen Arbeiten auch unter die Lupe zu nehmen.


    Hier in der Küche waren die Stützbalken für die Wände schon eingezogen worden. Wie zwei gewaltige X lagen hier recht nah beim Rand je ein Balkenkreuz und stützte die tragenden Wände nach außen, so dass der Druck gewahrt blieb, während die Mitte des Raumes eben jenen Druck nicht mehr aufbrachte. Die Bodenfliesen waren entfernt und mit sämtlichem noch in der Küche befindlichen gerät nach draußen geschafft worden. An ihrer Stelle breitete sich ein Loch im Boden aus, groß genug, dass darin drei Männer arbeiten und graben konnten, die ihr Schaufelwerk in Holzeimer schaufelten, welche von wiederum drei anderen Männern an Seilen aus der Grube gezogen und dann nach draußen gebracht wurden. Das Erdreich brauchte man schließlich später noch, um das Loch wieder aufzufüllen. Kephalos betrachtete, was die Männer hier der Erde entrissen, genau. Es musste einen Grund geben, warum die Raummitte abgesackt war, und eben jenen gedachte er zu finden. Und es war recht unzufriedenstellend, dass bislang nur gute, dunkle Tonerde zutage gefördert worden war. Selbige sollte eben nicht nachgeben und so den Riss in den Fliesen verursacht haben. Doch vermutlich konnte er schon froh sein, dass seine Arbeiter hier nicht auf Wasser gestoßen waren. Eine Wasserader direkt unter dem Tempel hätte verheerende Folgen nach sich gezogen. Folgen, die er lieber nicht dem Collegium Pontificum erklären wollte. Wer erzählte seinem Auftraggeber schon gerne, dass ihr schönes Bauwerk früher oder später unterhölt werde und egal, was man tat, einstürzen würde?

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    Auch nach mehreren Tagen war die Grabung nicht auf Wasser gestoßen, lediglich etwas Sand, der wohl nachgegeben hatte und so den Riss zu verantworten hatte. Kephalos war mit diesem Ergebnis durchaus zufrieden, waren so doch die Schreckgespenster eines möglichen Hohlraums oder einer unterhöhlenden Wasserader ausgeräumt.
    Nachdem also der Baugrund untersucht war , konnte endlich mit der Wiederauffüllung begonnen werden. Dafür ließ Kephalos feinen Kies heranschaffen, gewonnen aus ausgetrockneten Seitenufern des Tibers, von der steten Strömung in Jahrhunderten fein gemahlen, und mit der ausgehobenen Erde vermengen, um sie so zu verdichten, ehe er, Eimer für Eimer, das ausgehobene Loch wieder auffüllen ließ, Schicht für Schicht, ehe diese mit Fußbrettern festgestampft wurde. Dann wurde der Grund einen Tag ruhen gelassen, ehe die nächste Schicht verfüllt wurde, um so sicherzugehen, dass der Boden dieses Mal die nötige Festigkeit erreichen würde, sollte er noch einmal nachgeben.


    Auch die Fugen des Mauerwerks waren inzwischen von den Maurern fein verspachtelt wurden. Nachdem die alten Fugen mit Wasser und einer Bürste von allen Unreinheiten befreit worden waren, bis kein Fleckchen mehr von Grünspan befallen war, hatte man die Fugen trocknen lassen, um dann mit frischem Mörtel (einige sagten, dieser sei die größte Errungenschaft aller römischen Erfindungen) die ausgewaschenen Stellen nachzuziehen und glattzuspachteln. Inzwischen waren sie auch fertig und trockneten in der spätsommerlichen Sonne, um für die nächsten hundert Jahre zu halten.


    Und auch das Dach kam gut voran. Nachdem der Stützbalken eingezogen worden war, hatten die Tagelöhner sich an die Arbeit gemacht. Mit einer Säge bewaffnet hatten sie den verschimmelten Balken am oberen Ende abgesägt, während zwei weitere den Balken stützten, so dass er nicht auf die Sparren fallen konnte, sobald er durchgesägt war. Danach war er vorsichtig abgelegt worden und mit Seilen so verschnürt, dass er am Kran herabgelassen werden konnte, gesichert mit einem Halteseil sowohl oben am Dach als auch unten am Boten, um in jedem Fall zu verhindern, dass das vom Schimmel grünschwarze Holz gegen die weißen Tempelsäulen schlug. Unten am Boden angekommen wurde das Ding in handlichere Stücke zersägt und auf einen Haufen geworfen. Für ein As konnte jeder, der wollte, sich ein Stück mitnehmen. Zum Bauen war das Holz nicht mehr geeignet in diesem Zustand, Kephalos wollte es noch nicht einmal berühren. Aber Holz war ein knappes Gut, so knapp, dass die meisten der römischen Öfen mit getrockneten Kuhfladen oder Pferdeäpfeln beheizt wurden. Und es fanden sich genug Leute, die auch dieses schimmelige Holz für den günstigen Preis bereitwillig abnahmen. Und so kostete die Entsorgung Kephalos nicht nur nichts, sondern brachte sogar noch ein bisschen Kleingeld zurück, auch wenn es wirklich nur minimale Beträge waren.
    Unterdessen wurde auch schon der neue Balken nach oben gezogen, noch vorsichtiger als der alte herabgelassen worden war. Der Kran stöhnte unter dem Gewicht des abgelagerten Holzes, als die dicken Seile sich spannten, und die Winde drehte sich von mehreren Männern bewegt nur langsam, um Stück für Stück das Bauteil nach Oben zu befördern. Dort wurde es wie schon der Stützbalken einige Tage zuvor vorsichtig in Empfang genommen und erst einmal ins Gebälk gelegt. Hier waren wieder die Zimmerleute gefragt, die mit Hilfe der Muskelkraft der Tagelöhner und viel Schweiß nun den Balken an die Stelle einpassten und ihn mit Holzzapfen und einigem an Hämmern fest verankerten. Dieses Unterfangen dauerte den ganzen Tag an, nur um am nächsten Tag mit dem zweiten Balken exakt wiederholt zu werden.


    Aber so langsam ging es voran.

  • Unbemerkt von den Arbeitern schaute auch immer wieder Mars höchstpersönlich auf der Baustelle vorbei. Er hatte keinen Zweifel, dass die Männer wussten, was sie taten und dass sie ordentlich arbeiten würden, aber er war neugierig. Ihm war bisher gar nicht aufgefallen, dass der Tempel so schlimm kaputt war, aber es gab ja offenbar einiges zu tun. Und es war lustig zu sehen, wie sich zahlreiche Menschen darum bemühten, ein Stück vom schimmeligen Dachbalken zu bekommen. Ob sie wohl glaubten, so ein Stück Mars mit nach Hause zu nehmen? Oder ging es ihnen wirklich nur ums Brennholz? Der Kriegsgott beschloss, dass jeder, der nur fest genug daran glaubte, im Rauch des brennenden Dachbalkens ein göttliches Zeichen sehen würde.

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    Zwei Tage später – nachdem der erste Balken richtig saß und anständig verzimmert war – folgte auch der zweite Balken auf dieselbe Weise. Freisegen, vorsichtig herablassen, zersägen und verkaufen, und im Anschluss den neuen Balken schönen dunklen Holzes in die Höhe ziehen und dort verzimmern. Kephalos war durchaus zufrieden, wie sauber und schnell die Arbeiten am Dach voranschritten.


    Auch das Loch in der Tempelküche füllte sich mehr und mehr, durch die Ruhephasen zur Verdichtung des Bodens allerdings dauerte das ganze länger als der eigentlich viel kompliziertere Eingriff am Dach des Tempels. Dennoch war auch hier ein Ende in Sicht. In wenigen Tagen würde man hier wieder neu verfliesen können und anschließend die Tempelküche wieder einräumen, auf dass die Innereien der Tiere den Göttern zu ehren gekocht und anschließend verbrannt werden konnten, ohne auf die Behelfsküche, die hinter dem Tempel aufgestellt worden war, zurückgreifen zu müssen. Kephalos war sich sicher, dass der Aedituus des Tempels diesen Zustand eher heute als morgen herbeisehnte.


    Das größte Hochgefühl beschlich den Griechen aber, als der Steinmetzmeister ihm erklärte, sie hätten die Arbeit fertig gestellt und könnten nun mit dem Austausch der Treppenstufe und der Bodenplatte beginnen. Das Pferdeohr war bereits mit einem Metallstift vorsichtig am Kopf der Statue befestigt worden und mit aus dem abgeschlagenen Marmor fein zermahlenem Kies als Mörtelmasse verklebt worden. Natürlich sah man den Riss noch. Zaubern konnte Kephalos auch nicht, und der Steinmetz erst recht nicht. Aber immerhin hatte das Pferd wieder zwei Ohren, die hielten! Und wenn man nicht zu genau hinsah, bemerkte man es auch nicht.
    Mit viel Muskelkraft und einem Stemmeisen wurde also die alte Treppenstufe des Tempels gelockert und mit noch mehr Vorsicht, um ja nichts an den umliegenden Platten zu beschädigen, aus der Treppe herausgelöst. Hier war es jetzt aber Kephalos selbst, der ein Auge auf das alte Material hatte, denn ob in der Mitte zerbrochen oder nicht: Das war Luna-Marmor, so rein und weiß wie unschuldiger Schnee. Und genug davon, dass er noch immer wertvoll war, auch wenn er nicht für eine große Statue oder Büste reichen mochte. Kephalos würde schon jemanden finden, der ihm den Marmor abnahm. Vermutlich sogar der Steinmetz hier selbst, der ja auch nicht dumm war. Andernfalls hätte Kephalos ihn kaum mit diesem Auftrag beehrt.


    Die neue Stufe wurde ganz vorsichtig eingepasst mit Hilfe der Gehilfen des Steinmetzes und denen von Kephalos selbst. Das Material war so teuer, das – egal, wie schweißtreibend die Arbeit auch war – der Architekt daran keinen Tagelöhner lassen wollte. Das hier war wie eine Geburt. Auch wenn es mit jedem Dilettant wohl ging, waren erfahrene Hände vorzuziehen.
    Es dauerte gewiss eine Stunde des vorsichtigen Rückens und Einschlämmens mit feinem Sand, der dem Marmor ermöglichte, in das entstandene Loch zu gleiten und dort fest mit den restlichen Stufen zu verschmelzen. Immer wieder wurde Sand und Wasser nachgegossen, damit der Stein nicht auf den anderen kratzte, bis er schließlich und endlich an seinem Platz saß, und kein Zehntel digitus mehr hätte bewegt werden können. Der Steinmetz hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Kephalos war so euphorisch, dass er dem Mann ganz überschwänglich die Hand schüttelte und ihn beinahe noch umarmt hätte. Es war geschafft! Das wichtigste war geschafft!

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    Die Balken des Daches waren an Ort und Stelle, und mit Konterlattung versehen wurden die Dachziegel wieder einer nach dem anderen verlegt, fein säuberlich Reihe für Reihe. Von den alten Ziegeln konnte der Großteil erhalten werden, so dass nur ein geringer Teil ersetzt werden musste. Und nachdem Kephalos einen Händler aufgetan hatte, der tatsächlich ihm Ziegel liefern konnte, und diese nicht für den Curator operum publicorum reserviert hatte, der scheinbar halb Rom neu eindecken wollte, konnte es auch vollständig wieder gedeckt werden. Sogar das Wetter spielte mit und blieb trocken und sonnig, so dass sie hier nicht mit Schaffellen hastig die entstandenen Löcher abdecken mussten, um das Wasser am Eindringen in das Gebälk zu hindern.


    Und auch das Loch in der Tempelküche war erst immer weiter geschrumpft und schließlich ganz geschlossen, und nach einer weiteren Woche des Wartens konnte auch auf der festgestampften Erde wieder gefliest werden. Die Balken zur Unterstützung der Wände wurden wieder herausmontiert und abtransportiert. Ebenso wie der Kran vor dem Gebäude abgebaut und wieder zurück in Kephalos' Heim- und Werkstatt getragen wurde.
    Die Tempelküche wurde nach dem gründlichen Säubern wieder eingeräumt und konnte ihren Betrieb wieder aufnehmen.
    Die Tagelöhner erhielten ihren Lohn für die geleistete Arbeit, jeder einzeln von Hand vom Meister selbst bezahlt. Kephalos fand so etwas wichtig, den Männern, die für ihn arbeiteten, abschließend selbst das Geld zu überreichen und so zum einen ihnen für ihre Arbeit zu danken, auf der anderen Seite aber noch einmal deutlich klarzustellen, durch wen sie Arbeit gehabt hatten.
    Mit den Steinmetzen hatte sich Kepahlos schließlich so geeinigt, dass diese für ihre Arbeit die alten Marmorstücke behalten durften – plus eines wahrlich geringen Obulus als Direktbezahlung an die Gehilfen der Steinmetze, den Kephalos auch eigenhändig jedem einzelnen übergab. Vermutlich würden die Männer aus dem eigentlichen Bauschutt noch herrliche kleine Skulpturen bauen und damit zehnmal soviel einnehmen, als sie für ihre Arbeit erhalten hätten. Kephalos wusste, dass sie ihn über den Tisch gezogen hatten. Aber andererseits konnte er mit dem Marmor nichts anfangen, und er musste die Männer ja mit irgendwas bezahlen. Und da war ihm der Spatz in der Hand – die jetzige Schuldenfreiheit – lieber als die Taube auf dem Dach – die Aussicht, den Marmor vielleicht teurer verkaufen zu können. Oder eben auch nicht.



    Und damit war es fertig. Die Statue auf dem Platz, das Dach, die Treppe, die Küche... alles fertig und bereit, dem kriegerischen Gott erneut zur Ehre zu gereichen. Kephalos schritt das gesamte Areal noch einmal ab, ob er auch nichts übersehen hatte. Aber nicht einmal mehr ein Holzsplitter oder Sandkorn zeugte von der Renovierungsarbeit der letzten Wochen. Alles war erledigt. Er hatte es geschafft.

  • Im Grunde hatte Axilla keine Ahnung, wie lange die Senatssitzungen im Allgemeinen und die heutige im Besonderen zu gehen pflegten. Auch eine Nachfrage bei Bekannten, denen sie diesbezüglich eine hohe Kompetenz zutraute, brachte kein besseres Ergebnis. Da sie sich aber keinesfalls verspäten wollte und dadurch durch Unpünktlichkeit negativ auffallen wollte, und da einfach nicht herauszubekommen war, wie lange der Senat so im allgemeinen oder insbesondere heute tagte, blieb Axilla nicht viel anderes übrig, als eben zu warten.
    Also war sie schon am frühen nachmittag zum Tempel gekommen und hatte sich selber erstmal alles angesehen. Eigentlich wäre sie zu Fuß hergekommen, aber da sie nicht wusste, wie lange sie würde warten müssen, hatte sie doch die Sänfte genommen. Dort konnte sie sich besser zurückziehen und einfach hinlegen und etwas lesen. So auf dem offenen Platz ging das ansonsten natürlich nicht.
    Ihr Architekt Kephalos hatte es da natürlich schlechter, da dieser keine eigene Sänfte hatte, aber genauso warten musste wie sie. Axilla lud ihn zwar zu sich ein, damit er sich auch setzen konnte, aber er stand lieber. Die Iunia dachte, dass er irgendwas mit griechischem Stolz und der Tatsache, dass sie unverheiratet war, zu tun hatte. Aber im Grunde war das auch nebensächlich, änderte das doch nichts an der Entscheidung, und Axilla wollte sich da auch gar nicht einmischen.


    Und so verbrachte sie ihre Zeit mit Warten. Erst war sie noch in den Tempel gegangen, hatte sich alles, was sie ansehen durfte – immerhin war sie A eine Frau und B kein Priester – und hatte das Bauwerk bewundert. Sie hatte Mars auch etwas Weihrauch mitgebracht, den sie in einem kleinen Gebet ohne an den Gott gerichtete Bitte ihm opferte. Einfach so. Sie glaubte nicht, dass Götter die Bitten von Sterblichen erhörten. Sie hatte dem Aesculap brav geopfert, als ihre Mutter immer kränker geworden war, und dennoch war sie gestorben. Aber nur, weil sie nichts für die Menschen taten, konnte man ihnen ja dennoch opfern, damit sie nichts gegen die Menschen unternahmen.
    Außerdem war es bei Mars auch etwas anderes. Ihr Vater hatte dem großen Gott häufig geopfert, auch zuhause. Ihm und Silvanus – wobei Axilla an letzterem nicht teilnehmen durfte, da sein Kult für Frauen verboten war. Und auch, wenn ihr Vater letztendlich gefallen war, änderte das nichts an seiner Liebe und seinem Respekt für den Gott zu Lebzeiten. Also liebte und respektierte auch Axilla den Herrn der Felder – seien es Schlachtfelder oder solche, auf denen etwas wuchs – und also gebührte ihm selbstverständlich auch etwas freimütig geopferter Weihrauch.


    Und danach hatte sie es sich in ihrer Sänfte bequem gemacht, zusammen mit einer Schriftrolle von Ciceros „de fato“. Ein bisschen philosophische Bildung konnte nicht schaden, und das Grübeln über den Text lenkte ganz definitiv vom Warten ab.

  • Die Senatssitzung hatte heute nicht allzu lange gedauert, allerdings hatte ein Mitsenator den Tiberier ein wenig aufgehalten, ehe er schließlich auf dem Forum Augustum erschien. Noch immer trug er die Toga und die Senatorentunica - das Staatskleid des Römers - doch schien ihm dies in einem Tempel auch irgendwie angemessen. Gestützt auf seinen Stock humpelte er zum Mars-Tempel hin und erklomm langsam die Stufen hinauf zum Tempelgebäude. Dabei ging sein Blick bereits prüfend über die Bodenplatten, die man renoviert hatte. Insgesamt machte das Bauwerk allerdings einen guten ersten Eindruck - die konkreten Verbesserungen würde der Architekt ihm hoffentlich erklären.


    Als er oben angekommen war, wartete er dort auf Axilla und Kephalos, da er die Sänfte auf dem gut besuchten Platz irgendwie übersehen hatte...

  • “Herrin! Er ist eben an uns vorbeigelaufen“, meldete sich Levi durch die Vorhänge der Sänfte hindurch.
    “Wie, vorbeigelaufen?“ fragte Axilla, die sofort die Schriftrolle weglegte und irgendwo zwischen den Kissen sicher verstaute, um danach aus der Sänfte zu steigen.
    “Na, vorbeigelaufen halt, hoch zum Tempel.“ Während er seiner Herrin aus dem Gefährt half, deutete der junge Sklave schon mit einer Hand die Tempelstufen hoch. Na toll, dachte sich Axilla und verdrehte leicht die Augen. Am Ende dachte der Pontifex noch, sie hätten sich verspätet.


    Dennoch nahm sie sich kurz die Zeit, nochmal nach ihrer Frisur zu fühlen und sich sowohl von Kephalos als auch von Levi versichern zu lassen, dass sie annehmbar war – wobei Kephalos die Worte 'sehr schön' und Levi ein beflügelndes 'hinreißend' verwendeten – ehe sie noch einmal über die grüne Wolle fuhr und sich von dem Griechen zum Tempel hinauf begleiten ließ. Auch wenn sie mit feinen Seidenbändern im Haar und etwas Goldschmuck an den Armen schon sehr herrschaftlich herausgeputzt war, meinte sie, neben Kephalos eher unauffällig zu sein, auch wenn der von der Qualität und Güte der Stoffe ihren nachstand. Doch war er einen Kopf größer und sicher das doppelte an Masse von der Iunia, was dann jegliche Eindrücke relativieren mochte.


    “Consular Tiberius!“, winkte Axilla dem alten Mann auf der Hälfte der Stufen schon zu und schloss dann zu ihm auf, um ihn richtig zu begrüßen. “Es freut mich, dich wieder zu sehen.“
    Auch Kephalos begrüßte den Tiberier knapp, aber höflich, während Axilla dann schon munter und fröhlich fortfuhr. “Kommen denn noch andere Mitglieder des ehrenwerten Collegium Pintificum, auf die wir dann selbstverständlich warten sollten, oder möchtest du gleich beginnen?“

  • Zwar war Gracchus nicht im Senat aufgehalten worden, doch hatte ihn ein gar allzu menschliches Bedürfnis zu einem kurzen Umweg über die öffentliche Latrine gezwungen und eben dort hatte ein aufstrebender junger Verwandter des Senators Lartius Pusio ihm ein Gespräch aufgenötigt - respektive hatte Gracchus nur gezwungenermaßen zugehört -, dessen Motiv und Inhalt er bis zuletzt nicht hatte detektieren können. Um so erfreulicher war, dass er nicht hatte vorgeben müssen, ob eines wichtigen Termins dringend weiter eilen zu müssen, sondern dass tatsächlich dieser Termin, die Abnahme der Bautätigkeiten am Tempel des Mars Ultor, ihm eine detailliertere Auseinandersetzung mit den Beweggründen des Lartiers verwehrte. Schließlich am Forum Augustum angekommen entdeckte Gracchus das Gefolge des Pontifex Tiberius auf einen Hinweis seines Vilicus Sciurus hin vor den seitlichen Kolonnaden, dann erst - nachdem er die Augen ein wenig zusammen hatte genkniffen - Durus bereits auf dem Podest stehend und eine junge Frau und ein kräftiger, älterer Mann auf dem Weg nach oben. Seufzend hob Gracchus die Stoffalten der Toga, die auf seinem rechten Unterarm drapiert waren, ein wenig an und machte sich daran, die Treppenstufen zu erklimmen - obgleich der Weg hinauf im Laufe dieser Angelegenheit obligatorisch war, hatte er gehofft, sie würden sich erst auf dem Platz treffen. Doch je näher er dem Ende des Aufgangs kam, desto mehr schlich sich ein feines Lächeln um seine Lippen.
    "Salve, Iunia Axilla"
    , grüßte er die junge Frau, als wäre dies die Antwort auf ihre Frage, und nickte Tiberius Durus nur zu, denn immerhin hatten sie sich noch kurz zuvor bereits im Senat getroffen. Den Griechen Kephalos, den er nicht kannte - oder zumindest nicht sich dessen konnte entsinnen - bedachte er mit einem neutralen
    "Salve."

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  • "Flavius Gracchus wollte ebenfalls erscheinen, soweit ich weiß. Zumindest habe ich ihn im Senat gesehen."


    erwiderte Durus die Begrüßung der Iunierin, woraufhin der entsprechende Pontifex auch schon zu sehen war. Mit einem freundlichen Lächeln kam er die Stufen herauf und begrüßte die Anwesenden. Der alte Tiberier erwiderte das Nicken und fasste dann kurz die Situation zusammen:


    "Das ist Pontifex Flavius Gracchus. Flavius Piso habe ich nicht im Senat gesehen, oder? Weißt du etwas genaueres?"


    erkundigte er sich noch einmla bei Gracchus.

  • Flavius Gracchus? Axilla bemühte gerade ihr nicht besonders zuverlässiges Namensgedächtnis und hatte schon eine dunkle Ahnung, wer das war, als besagter Mann sie auch schon oben auf der Treppe angekommen mit Namen grüßte. Ein wenig ertappt drehte sie sich zu ihm um, und einen kurzen Moment lang war all die Wehmut jenes einen Frühlingstages wieder greifbar und nah, der zarte Hauch von versprochener Wärme mit all den Blumendüften, die damals noch in der kalten Erde der Horti Luculliani schlummerten, und all die Gedanken, gefangen zwischen Traum und Wirklichkeit. Doch dieser Moment dauerte nur kurz und wurde weggeschwemmt von echter und aufrichtigster Wiedersehensfreude, mit der Axilla das ihr entgegengebrachte Lächeln erwiderte. Sie hätte nicht gedacht, den Flavier wirklich wiederzusehen, schon gar nicht hier, trotz der unschuldigen Vertrautheit zwischen ihnen an diesem einen Tag im Februar und seinem Angebot, von dem Axilla glaubte, dass er es ehrlich gemeint hatte. Und so lächelte sie den Pontifex wohl in einer Art und Weise an, die vermutlich missverständlich gedeutet hätte werden können, und definitiv wohl als unschicklich in einer die Ruhe und Gelassenheit predigenden Gesellschaft galt. Aber sie freute sich nun einmal wirklich, auch, dass er ihren Namen noch wusste.
    Erst einen Augenblick später fiel ihr wieder ein, wo sie sich denn befand und in Gesellschaft von wem, und leicht errötend schaute sie beiseite, das Lächeln wieder unterdrückend. Doch der Tiberier schien es gar nicht so wahrgenommen zu haben, immerhin stellte er ihr den Pontifex sogar noch namentlich vor, obwohl dieser ja schon mit der Nennung ihres Namens gezeigt hatte, dass sie einander kannten. Allerdings lag es Axilla fern, da jetzt darauf herumzureiten und den Pontifex am Ende noch in Schwierigkeiten zu bringen. Zum Schluss kamen noch Gerüchte auf, sie wäre seine Geliebte, oder etwas vergleichbar rufschädigendes – auch wenn das ihrem Ruf wohl abträglicher wäre als dem seinen.


    “Salve, Flavius Gracchus“, grüßte sie also, bemüht, nicht zu verlegen zu erscheinen, und überließ die beiden Pontifices dann kurz ihrem Gespräch über Piso. Als der erwähnt wurde, fiel es Axilla nicht mehr schwer, nicht weiter zu lächeln. Seit sie ihm in seinem Officium eine reingehauen hatte, hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Oh bitte, bitte, Mars, lass ihn nicht herkommen, schickte sie ein stummes Gebet zu der Gottheit dieses Tempels, auch wenn der wohl nicht höchstpersönlich für das Erscheinen oder Nichterscheinen der Sterblichen bei seinem Tempel sorgte. Oder dafür zuständig war. Trotzdem konnte man es ja einfach mal versuchen. Denn Axilla wollte ausgerechnet diesen Flavier nicht unbedingt sehen.
    Kurz folgte ein Seitenblick auf Gracchus folgte dann aber noch, als sie sich fragte, ob der überhaupt davon wusste. Weder bei ihrem Treffen im Februar, noch jetzt schien er davon sonderlich beeinflusst zu sein. Und auch Flaccus hatte es ja nicht gewusst, bis Axilla es ihm dummerweise direkt auf die Nase gebunden hatte. Es bestand also durchaus die Chance, dass der Pontifex gar nichts von dieser ganzen Geschichte wusste, weil Piso schlicht niemandem etwas davon gesagt hatte – und keiner wegen dem Veilchen, das er sicherlich gehabt hatte, nachgefragt hatte. Ein kleiner Silberstreif am Horizont also. Jetzt durfte nur Piso nicht kommen und alles zunichte machen.

  • Da Gracchus den Reizen des weiblichen Geschlechtes nur wenig konnte abgewinnen, barg auch das kecke Lächeln der Iunia Axilla für ihn kein auch nur im Geringsten fragwürdiges Ansinnen, sondern zeigte nur einmal mehr jene ungezwungene Leichtigkeit, welche er schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen in den Horti Luculliani an ihr hatte bewundert als sie gänzlich selbstvergessen vom schillernden Alexandria hatte berichtet.
    "Mein Vetter ist leider verhindert und lässt sich ob dessen entschuldigen"
    , beantwortete er Durus' Frage sodann ein wenig unspezifisch, denn mehr wusste auch er nicht, da es eben ähnliche Worte gewesen waren, mit welchen Piso am Morgen in der Villa Flavia sein Fernbleiben aus dem Senat hatte exkulpieren lassen. Da Gracchus selbst Diskretion schätzte hatte er dies nicht weiter hinterfragt, so dass von Unwohlsein über kultische Pflichten bis hin zu widrigen Umständen alles mögliche für diese Absenz konnte verantwortlich sein - Gracchus wusste über die Aktivitäten seines Vetters meist ebenso wenig wie über jene der übrigen Bewohner der Villa Flavia, seine Gemahlin und seine Kinder mit eingeschlossen, deren Belange ihn stets nur dann tangierten, so sie ihn inkludierten.
    "Doch da wir das Collegium Pontificum ohnehin in einer der nächsten Sitzungen über den Ab..schluss und Erfolg der Bautätigkeiten in Kenntnis werden setzen, sollte unser beider Anwesenheit ausrei'hend sein."
    Vier Augen waren zweifelsohne besser als zwei, um etwaige Missstände oder Unzulänglichkeiten der Renovierung zu detektieren, doch weitere Augenpaare brachten zumeist nurmehr redundante Erkenntnis, jedoch keine zusätzlichen Beobachtungen.

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