[Stabulum] Factio Veneta

  • In Sorge um ihren Bruder wirkt Helena für einen Moment so zerbrechlich wie ein Gefäß aus dünnem Glas und es scheint, als wäre alle Stärke aus ihr gewichen, doch schon im nächsten Augenblick scherzt sie wieder und in ihren Augen liegt ein faszinierendes Glühen. Obwohl sie erzählt hat, dass die beiden lange Zeit voneinander getrennt waren, so kommt es Vic doch vor, dass die Geschwister ein ziemlich inniges Verhältnis zueinander haben. Er überlegt, ob sich Amatia wohl auch so sorgen würde, wenn sie wüsste, wie Sev und er manchmal im Circus Macimus um die Kurven brettern, aber irgendwie ist das nicht vergleichbar. Nichteinmal Vio würde so an der Bahn stehen. "Das mit der Kaiserin wird wohl eher nichts mehr, auch wenn du nicht die erste Iulia in der Loge wärst und dich sicherlich auch recht gut darin machen würdest. Aber wer weiß, wohin dein Weg in Rom dich führen wird, wenn er gut gelaunt ist, dann läd der Augustus manchmal Gäste zu sich ein. Senatoren, Konsule, Staatsmänner, du musst nur den richtigen Mann heiraten, der bringt dich überall hin."


    Auf der Zielgeraden fegen die beiden Gespanne heran und Victor schaut mit Argusaugen auf die Bahn hinab. Dareios liegt eine Pferdelänge vorn, kann sich jedoch nicht vor Hermes und Constanius setzen, da diese auf der Innenbahn fahren und ihn je näher sie der Kurve kommen nach außen drängen. Kurz sieht es so aus, als würde Hermes winken und Victor ist sich ziemlich sicher, dass es nicht nur so aussieht. "Heeermeeees! Mach keine Faxen, geh in die Kurve! Die Zügel enger halten und verlager verdammt noch mal dein Gewicht mehr nach Innen!" Der Wagen rauscht um die Kurve und wird von Dareios Gespann wieder etwas nach Innen gedrückt. Erst auf der Geraden schafft es Hermes wieder nah an die spina ran. Victor schüttelt den Kopf und grummelt vor sich hin. "Mann, Mann, Mann."


    Als er sich seiner Begleitung wieder bewusst wird, ist ihm die Situation etwas unangenehm. "Öhm... tschuldigung." Er räuspert sich verlegen. "Ich kann einfach nicht zusehen, wenn der Junge sich dermaßen um die Kurve schiebt. Die Kurve am anderen Ende schafft er meist ganz gut, aber hier unten die Konkave ist sein größtes Problem. Er geht viel zu weit in die Kurve rein und kommt nicht nah genug an die Wendemarke ran. Dabei hat er schon den besten Hengst, den wir haben. Ich hatte schonmal erwähnt, dass das schnellste Pferd nach Außen muss, oder? Nach Innen dagegen muss das stärkste Pferd, denn dort ist die Fliehkraft am größten und dieses Pferd sorgt dafür, dass das ganze Gespann auf der Bahn bleibt." Er schaut dem Wagen nach und deutet auf die Bahn. "Und siehst du, jetzt fängt er an, die Pferde zu hetzen. So schafft er es zwar meist, einen guten Vorsprung herauszuholen, aber am Ende muss er diesen wieder aufgeben, weil die Pferde nicht mehr können. Nuja, das ist alles nicht so einfach."

  • "Der richtige Mann?" meint sie mit einem kurzen, aber durchaus forschenden Seitenblick auf ihren Begleiter, um dann zu lächeln. "Du weisst selbst, dass der richtige Mann für eine Tochter aus einem so alten Haus wie dem unseren derjenige ist, den mein Vater für mich auswählt - meine erste Ehe hat er ebenso gefügt. Vielleicht mag diese Sitte altmodisch sein, aber wenn ich die vergangenen Jahre betrachte, hat sich seine Wahl als sehr vorausschauend und klug erwiesen, denn eine kurzlebige Verliebtheit führt einen doch selten genug in ein wirklich glückliches Zusammenleben. Andere Werte sind wichtiger als Liebe allein ..." Es musste abschreckend klingen, aber hätte sie etwas anderes gesagt, hätte sie ihres Vaters Entscheidung angezweifelt - und letztendlich war sie keineswegs unglücklich über die mit ihrem verstorbenen Mann verbrachten Jahre. Sie hatten lange gebraucht, um aneinander etwas zu finden, aber vor allem in den Jahren vor seinem Tod hatte diese Verbindung kaum etwas erschüttern können ... ein Hauch schmerzlich-schöner Erinnerungen zog an ihrem inneren Auge vorbei und ließ sie die Rennbahn für einige Momente lang vergessen, was nicht unpraktisch war, denn Victor feuerte Hermes gerade lautstark an. Der richtige Mann, dachte sie mit einem vagen Anflug von Wehmut. Der ist seit zwei Jahren tot und ich weiss nicht, wie ich diese Leere jemals füllen soll, die er hinterließ.


    Vielleicht war es ganz gut, dass der Semptemvir abgelenkt war und nicht sehen konnte, dass in ihren Augen für einen kurzen Moment Tränen standen, die sie energisch wegblinzelte. Diese offene Wunde zu schließen hatte sich in den letzten zwei Jahren als kaum möglich erwiesen, das Leben hatte weitergehen müssen, wie es für eine Frau immer weiterzugehen hatte. Trauer konnte und durfte man nicht zeigen. "Er ist eben noch jung, und junge Männer machen immer dieselben Fehler," antwortete sie nach einigen Momenten der Überlegung auf seine Worte, Hermes' Raserei auf der Bahn betreffend. "Sie überschätzen ihre Kräfte gern und gehen zu schnell auf's Ganze ... die meisten erfahreneren Männer machen diesen Fehler nicht mehr. Ich würde zu vermuten wagen, dass sich diese Unsitte sehr bald einfach von selbst verliert, wenn er gemerkt hat, dass dieses schnelle Fahren seinen Tieren nicht guttut." Sie schmunzelte etwas, und wenigstens war jetzt auch dieses Bedürfnis vorübergeglitten, zu weinen - sie konnte wieder lächeln, und das aus tiefstem Herzen heraus, denn die Zweideutigkeit ihrer Worte war offenkundig. Ob er erkennen würde, dass sich das Gesagte nicht nur auf Hermes anwenden ließ, sondern auch auf ihre Ansprüche an einen Mann?


    Währenddessen fegten die beiden Streitwagen unten auf der Bahn nacheinander durch den Staub, und fast schien ihr, als könnte ihr Bruder vor Freude laut heraus lachen - und ihr Herz hüpfte mit dem seinen. Ihr letzter, lebender Bruder ... er war nicht nur deswegen etwas ganz besonderes.

  • Je schneller die Wagen über die Bahn rasten, je schneller das schwere Trommeln der Pferdhufe wurde, je näher sich die Wagen einander kamen, je stärker der Wagen in der Kurve wankte, desto euphorischer wurde Constantius. Hatte ihn zu Beginn seiner ungewöhnlichen Fahrt das Schwanken des Streitwagens noch einiges an Konzentration abverlangt, so begrüßte er inzwischen jedes heftigere Schwanken mit einem innerlichen Jubelschrei.
    Der freudige Gesichtsausdruck tat sein Übriges, um sein Wohlgefallen an der Fahrt auszudrücken. Und da man es in all dem aufgewirbelten Staub nicht sehen konnte, folgte hier und dort ein triumphierender Jubelschrei, wenn sie sich noch etwas schneller durch eine Kurve bewegten.


    Mochte die Kulisse des Circus Maximus noch so beeindruckend sein, Constantius nahm sie nicht mehr wahr. Sie war in den Hintergrund getreten, wirkte wie ein grauer Schleier einer Realität, in die er noch eine Weile nicht zurückkehren wollte. Stattdessen fixierten seine Augen das führende Gespann.


    Constantius bildete sich ein, er könne das Keuchen der gehetzten Pferde vernehmen, als sie Zentimeter um Zentimeter aufholten. Hätte Hermes ihm befohlen auf den anderen Wagen zu springen um dessen Fahrer zu überwältigen, so wäre Constantius wahrscheinlich ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden gesprungen. Denn der Ehrgeiz trieb ihn an. Der Ehrgeiz zu gewinnen, koste es was es wolle. – in seiner Jugend hatte ihn dieser Ehrgeiz einige blaue Flecke und blutige Wunden beschert, die er stets voller Stolz vorgezeigt hatte, als wären sie Orden für besondere Taten gewesen –


    In solchen Momenten tritt die Stimme die vor Gefahren warnt in den Hintergrund und scheint zu verstummen. In diesen Momenten kann der Wagemut zu einer Gefahr heranwachsen, die man nicht mehr erkennen konnte. Constantius Wagemut hatte inzwischen alle Ketten gesprengt und alle warnenden Stimme verstummen lassen. Sie würden einfach siegen müssen.

  • "Manche Fehler machen auch junge Männer nur einmal." gibt Vic ebenso zweideutig wie nachdenklich zurück. Sein Blick, der auf die Bahn gerichtet scheint, verliert sich im Sand, verliert sich in der Vergangenheit. Der Strand von Malaca kommt ihm in den Sinn, der zarte Körper einer jungen Frau, die im Sand liegt und verführerisch lächelt. Nein, es war kein Fehler gewesen, doch irgendwie hätte alles anders laufen müssen. Jetzt wäre der Zeipunkt gewesen, für Nachwuchs zu sorgen, eine Amme zu bezahlen und die Bälger zur Erziehung aus dem Haus zu geben. "Hinterher ist man eben immer schlauer, als vorher." Er mustert Helena und zieht einen Mundwinkel nach oben. "Aber ich würde nicht sagen, dass diese Form der Heirat altmodisch ist. Selbst in Peregrini-Familien werden Ehen von Vätern geschlossen, wenn auch vielleicht nicht immer so vorausschauend und klug wie in den alten Häusern Roms. Wenn du in deiner Ehe glücklich warst, dann hatte dein Vater wohl wirklich ein gutes Händchen für solche Dinge."


    Unten auf der Bahn gehen die Wägen bald wieder in die Kurve. Und eben in dieser Kurve, die runde, welche Hermes schon ziemlich gut beherrscht, schiebt sich das doppelt besetzte Gespann nun aufgrund der besseren Position auf der Innenbahn unmerklich nach vorne, auch wenn dies für die beiden Beobachter auf der Tribüne nicht zu sehen ist.


    Den Blick wieder auf die Bahn gewendet, doch in Gedanken weit fort, fügt Victor dem Gesagten hinzu: "Aber du hast sicher recht, Hermes wird es schon noch lernen. Es wäre nur schade, wenn es dann schon zu spät wäre."

  • "Glück wird einem selten geschenkt," erwiederte die Iulierin mit einem nachdenklichen Blick auf die Bahn. "Glück muss man sich erarbeiten, auch in einer Ehe. Du wirst lachen, aber in den ersten Jahren meiner Ehe habe ich meinen Gemahl gehasst. Und meinen Vater noch dazu, dass er mich gezwungen hat, einen groben Offizier zu heiraten, der mehr mit seinen Männern unterwegs war, als zuhause zu sein und sich als der Ehemann zu erweisen, von dem ich immer geträumt hatte - zärtlich, aufmerksam, sensibel, was man sich als Mädchen eben so erträumt, wenn man vom Leben keine Ahnung hat und von Männern noch viel weniger."
    Leise lachend schüttelte sie den Kopf. "Wir haben ein paar Jahre gebraucht, um uns aneinander zu gewöhnen - und irgendwann haben wir begonnen, uns als das anzunehmen, was wir waren, mit Fehlern, Ecken und Kanten. Es wurde ein gutes Fundament ... und sollte ich noch einmal heiraten müssen, kann ich mir nur wünschen, dieses Glück nochmals zu erleben. Den idealen Mann gibt es nun einmal nicht, ebensowenig wie die ideale Frau .."


    Dass die beiden Wagen um die nächste Kurve hetzten, lenkte sie für einige Momente von den Gedanken ab, doch die Staubwolke, in der die Gespanne samt Fahrern verschwanden, konnte sie nicht lange genug fesseln. Wer lag nun wohl vorne? Sie kniff die Augen zusammen und versuchte es zu erkennen, gab dieses aussichtslose Unterfangen bald auf.
    "Er wird es bestimmt noch lernen, immerhin hat er einen guten Trainer und andere Männer, die mit ihm über seinen Fahrstil sprechen und mit ihm arbeiten. Hilfe zu haben ist doch immer sehr wichtig ..." Der Blick driftete wieder über die Bahn und ...sie stockte. "Schau doch! Kann das sein? Hermes holt auf!" Es war ein Jubelruf, der ihr entschlüpfte, spontan und froh wie der eines Kindes.

  • Immer und immer wieder trieb Hermes die Pferde an. Die Wagen näherten sich. Zogen gleich. Die Pferde galoppierten, von ihren Fahrern zu Höchstleistungen angetrieben, nebeneinander her. Der andere Wagen war zum greifen nahe. Constantius hätte nur die Hand ausstrecken müssen und hätte ihn sicherlich berühren können.
    Doch lediglich ein längerer Seitenblick war alles was er seinem Kontrahenten widmete.
    Das was vielmehr seine Aufmerksamkeit beanspruchte, war die die Kurve, die in Kürze unweigerlich folgen würde. Eine Kurve, die vielleicht die Führung sichern konnte. Eine Kurve, die auch den Sturz des Gespanns zur Folge haben könnte. Auch wenn er keinen Einfluss auf den Fahrstil des jungen Hermes hatte, so deutete Constantius mit einer Hand einen kippenden Wagen an. Um daraufhin mit seinem Körper eine hinauslehnende Geste anzudeuten. Ob Hermes ihn nun verstand oder nicht, er war bereit das Gegengewicht in der Kurve zu spielen, um das Gespann vor dem sicheren Umkippen zu bewahren, sollte Hermes die Kurve noch enger und schneller nehmen wollen.

  • "Hrhr, ja, er liegt vorne." Es ist die reinste Freude zu sehen, wie sie sich über diesen Umstand freut. Kein Wunder, dass Hermes auf der Bahn immer um so besser abgeht, je mehr weibliche Fans am Rand stehen. Natürlich ist es erst die zweite Runde, es kann noch eine Menge passieren, doch Vic will ihr nicht diese Freude nehmen. Darum lässt er es auch sein, von den Schattenseiten des Glücks zu sprechen, denn am Glück hats bei ihm wirklich nicht gelegen, eher an den Folgen. Er hat auch seinen Vater nie dafür ghasst, dass er ihn in die Ehe gezwungen hat, nur für die Modalitäten, die er dabei ausgehandelt hat. Aber letztenlich hatte er seinen Weg auch so gefunden, auch wenn es sicherlich einen besseren gegeben hätte.


    Die Wägen auf der Bahn heizen schon wieder auf die Kurve zu ihren Füßen zu und Vic glaub, einige freudige Jubelschrei von dort unten zu hören. Er kann es Constantius wirklich nicht verdenken, denn so durch den Circus zu rasen, das ist schon etwas Besonderes. Hermes setzt das Gespann nun deutlich vor das des Dareios, der die Tiere in gleichmäßigem Tempo hält. "Viel spannender ist es natürlich, wenn noch andere Factiones dabei sind. Dann geht es um jeden passus und man hat immer das Gefühl, je lauter man schreit und je mehr man anfeuert, desto schneller werden die eigenen Wägen. Da gehts manchmal schon ziemlich heiß her, auf den Zuschauerrängen."


    Dann auf einmal, kurz vor der Kurve, neigt sich der Wagen mit dem Iulier und Hermes bedenklich zur Innenseite. Victor verfolgt mit ungläubigem Ausdruck, wie der Wagen auf einem Rad um die Kurve saust, kurz vor dem Umkippen ist und im letzten Moment auf der Geraden wieder hart auf das Außenrad kracht. Ein Triumphschrei ist zu vernehmen, ob von Hermes oder Constantius oder von beiden ist nicht auszumachen und schon saust das Gefährt Dareios davon, den die Aktion anscheinend auch etwas aus der Ruhe gebracht hat. Victor schüttelt lachend den Kopf. "Dat war ja kühl! Unglaublich! Was hat dein Bruder vor in Rom? Er möchte nicht zufällig auriga werden?"

  • Auf dem Gesicht der Iulierin hätte man in den Momenten, in denen das Gespann des Hermes um die Kurve ging, eine Vielzahl an Empfindungen sehen können, wären nicht die Ereignisse auf der Rennbahn viel spannender gewesen - sie schwankte zwischen Angst, Entsetzen, jäh empor brandender Sorge und dann einem lauten Jubel, als sie Dareios überholt hatten und sich Hermes an die Spitze setzte, ihr Bruder noch lebte und alles so aussah, als würde er auch weiterhin leben. wie verrückt! Wie wagemutig - und gleichzeitig, wie iulisch! Laut lachte sie heraus, als das Schaustück gelungen war, das war Constantius mit dem an Wahnsinn und Selbstüberschätzung grenzenden Mut ihrer gens, so hatte sie ihn seit seinen Kindertagen in Erinnerung. Es war nicht vor ihm sicher gewesen, kein wildes Pferd, keine waghalsige Kletterei, kein hoher Baum, immer musste es höher, schneller und weiter sein als alle anderen konnten. Und diese Kurve würde ihm so schnell keiner seiner Altersgenossen nachmachen können.


    "Sie werden sich noch gegenseitig da unten umbringen!" rief sie und es klang nur halb so entsetzt, wie man es hätte meinen können - dass sie auf ihren Bruder gleichzeitig ziemlich stolz schien und dies auch Hermes mit einschloss, konnte man ihr sehr gut anmerken. "Constantius ist bei den Cohortes Urbanae, und ich hoffe sehr, er wird bald Miles sein, um dann den Weg zum Offizier zu machen." Auch das klang sehr stolz, ohne Zweifel, sie schien mit seiner Lebensplanung einverstanden. Dass er da schlecht auriga werden konnte, lag auf der Hand. "Ich hoffe sehr, dass er der Tradition unserer gens entsprechend Ehre für die Iulier einlegen wird, und zumindest die Liebe zum Risiko hat er zweifelsohne von unseren Ahnen geerbt ..." Auch ein Caesar hatte gefährliche Unternehmungen geliebt, und wieviel der göttliche Augustus erreicht hatte, stand ausser Frage. Aber noch etwas hatte sich in den letzten Momenten ereignet - hatte sie sich getäuscht und er war in den Gossendialekt der Subura verfallen? Oder war nur die Begeisterung größer gewesen als man im klaren Latein hätte ausdrücken können? Ihr Gegenüber schien viele Gesichter zu haben, nicht nur dieses eine .. "Wann ist denn das nächste Rennen? Je mehr ich hier sehe, desto gespannter werde ich darauf .."

  • War das Nicken Hermes gerade eine Bestätigung gewesen oder nur durch eine der vielen Erschütterungen hervorgerufen worden? Was immer der Grund auch gewesen war, Constantius verblieb nicht sonderlich viel Zeit um darüber zu sinnieren. Die Kurve war erreicht und das, was Constantius sich gewünscht hatte, geschah. Hermes lenkte den Wagen in eine scharfe Kurve, an deren Scheitelpunkt sich der Wagen gefährlich zur Seite neigte. Die Kräfte, die nun auf die beiden Fahrer und das Gespann einwirkten, waren beachtlich.
    Constantius hatte Mühe sich, wie er es geplant hatte, aus dem Wagen zu lehnen, um der Fliehkraft entgegen zu wirken. Trotz seines Einsatzes neigte sich der Wagen weiter zur Seite. Bald würde der Punkt erreicht sein, wo das Gespann umstürzen und sie in den Staub werfen würde.


    Doch an diesem Tag mussten die Götter es gut mit ihm meinen. Der Wagen erreichte den Punkt der größten Neigung noch bevor der kritische Punkt überschritten war.
    Die Zeit schien anzuhalten und der Wagen seine geneigte Position beizubehalten. Die Kurve wurde länger und länger. Minuten schienen zu verstreichen. Erst, als das Rad mit einem harten Schlag den Kontakt mit der Rennbahn wiederherstellte, nahm die Zeit wieder ihre normale Geschwindigkeit auf. Der Aufprall drohte Constantius, der sich weit hinaus gelehnt hatte, aus dem Wagen zu schleudern. Nur der beherzte Griff des jungen Hermes machte diesem Schicksal einen Strich durch die Rechnung.


    Sie hatten es geschafft. Mit einem noch flauen Gefühl in der Magengegend blickte Constantius nach hinten. Sie führten. Ja sie hatten sich tatsächlich an die Spitze gesetzt. Voller Euphorie riß er den rechten Arm in die Luft und ballte die Hand zur Faust. Sowohl Hermes als auch Constantius stimmten in einen gewaltigen Jubelschrei ein.


    „Wir gewinnen!“, brüllte Constantius mit euphorischer Stimme.

  • Dass die Wagenlenker sich unten auf der Bahn umbringen könnten, das ist Berufsrisiko und gehört einfach dazu, daher hat Victor bisher noch nie einen Gedanken daran verschwendet. Und auch jetzt freut er sich lieber an den gewagten Manövern. Helenas Antwort lässt ihm jedoch etwas die gute Laune vergehen. Natürlich hat er als Iulier große Pläne, alle haben sie immer große Pläne und am Ende kommen sie nur noch als Funktionäre zum Falernertrinken ins Factiohaus und während der Wagenrennen sitzen sie auf ihren Plätzen und schwenken ab und an ein Fähnchen. Um bei den Trainings zuzusehen, mal was zu Organisieren oder auch mal im Sand beim Start an der Bahn zu stehen, dafür ist dann keine Zeit mehr und zudem schickt es sich nicht.


    "Die nächsten Rennen müssten die Ludi Apollonaris im Iulius sein." Das passt ja. "Ich hoffe nur, es gibt dann zahlungskräftige Aedile, die diese Ludi in ihrer traditionellen Größe ausrichten. Und vor allem, die sie auch traditionell ausrichten und nicht nur damit prahlen." Mit Schrecken denkt er an die sogenannten Ludi Florales in Mantua zurück. Zugegeben, die Lupae waren allesamt nicht schlecht gewesen, aber die hätte er auch in Rom haben können. "Dass ich bei den Septemviri im Bedarfsfall für die Organisation der Zeremonie zuständig sein werde, daran zweifle ich nicht. Der Rest des Collegiums scheint mir in dieser Hinsicht etwas... träge zu sein." Ein Grinsen deutet an, dass er das keinesfall respektlos meint.


    Unten auf der Bahn schiebt sich Dareios langsam wieder nach vorne, doch er schafft es bis zur Kurve nicht, mit Hermes Gespann gleich zu ziehen.

  • "Nicht jeder kann sich für das Wagenrennen so begeistern wie Du es tust," meinte Helena auch prompt und lächelte leicht vor sich hin. "Auch wenn Deine Begeisterung etwas sehr ansteckendes ist, kann ich mir doch schwerlich die Mitglieder des altehrwürdigen Collegiums dabei vorstellen, wie sie bei einem Rennen Fähnchen schwingend auf und ab hüpfen - Du etwa? Es würde dem Priesteramt sehr viel Würde nehmen und gerade als Priester sollte man doch einen gewissen respektablen Stand sich bewahren können, wenn man nicht voller Eifer für eine Sache brennt." Sie blickte wieder auf die Wagen herunter und verfolgte ein erfolgloses Manöver des Dareios, seinem Teamkollegen in irgendeiner Form nahe genug zu kommen, um ihn zu überholen - innerlich zufrieden juchzend sah sie die gereckte Faust ihres Bruders, der den Erfolg ihres Gespanns zu genießen schien. Einer war ganz sicher vom Rennfieber angesteckt worden ...


    "Die Ludi Appollonaris ... das ist ja gar nicht mehr so lange bis dorthin, eineinhalb Monde höchstens. Was meinst Du,wird auf der Tribüne der Veneta Platz für meinen Bruder und mich sein? Auch wenn es sicher einige Stimmen geben wird, die dagegen sprechen, dass Frauen sich Wagenrennen ansehen, ich möchte mir dieses Vergnügen nicht nehmen lassen. Dareios' Gespann wird doch sicher antreten, Hermes auch?" Es war ein weiter Vorstoß, aber einer, den sie einfach wagen musste. Sie war sich Constantius' Begeisterung ziemlich sicher, und sie selbst ... die aurigae der Veneta waren ein Grund zu erscheinen, der andere stand neben ihr, auch wenn er beim Rennen sicherlich anderes im Kopf haben würde als weibliche Zuschauer.

  • Der Blick des jungen Constantius wanderte immer wieder nach hinten. Ähnlich einem gejagten Tier, dass den heißen Atem seines Verfolgers im Nacken spürte.
    Es war nicht mehr von der Hand zu weisen, dass Dareios wieder aufholte. Diesmal war er es, der sich Zentimeter für Zentimeter heran schob.


    Die Kurve, die Kurve könnte erneut ihr Verbündeter sein. Constantius deutete Hermes an, dass er für das gleiche Manöver bereit sei. Immerhin war es bereits einmal gut gegangen, warum also sollte es diesmal schief gehen? Würden die Götter ihm ein weiteres Mal ihre Gunst erweisen oder würde er diesmal im Staub der Rennbahn enden? Begraben unter den Trümmern des Streitwagens? Schneller als die leisen Zweifel entstanden waren, waren sie auch bereits wieder zur Seite gedrängt.


    Diesmal wusste Constantius was auf ihn zukam. Hermes führte das Gespann in einem engen Bogen um die Kurve. Der Streitwagen beugte sich der einwirkenden Fliehkraft und begann zu kippen. Das innere Rad verlor den Kontakt zur Rennbahn und fast hätte man das Holz des Wagens unter der Belastung ächzen hören können. Wild entschlossen warf Constantius auch dieses Mal sein Gewicht in die Waagschale. Die Götter schienen in dieser Kurve mehr Zeit für ihr Urteil zu benötigen. Eine lange Zeit schwebte das Rad förmlich in der Luft, bevor es hart auf dem Boden aufsetze.


    Noch eine Kruve galt es zu überstehen..nur noch eine Kurve

  • Die Vostellung des Magister Opimius Naso, der begeistert in der Fankurve steht, entlockt Victor ein ziemlich breites Grinsen. "Das meinte ich nicht, in der Zuschauermenge haben sie wenig zu suchen. Doch die Septemviri übernehmen bei den Ludi die kultisch-administrativen Aufgaben. Die Organisation der Pompa, das Opfer und diese Dinge, es sei denn, die ausrichtenden Magistrate wollen das alles selbst machen." Erst nach und nach wird sich Vic der vollen Bedeutung ihrer Worte bewusst. Als Mitglied des Collegiums würde er ebenfalls nicht mehr Fähnchen schwingend und laut gröhlend in der Südkurve stehen können, da würde es auch nichts nutzen, die blaue Tunika überzuziehen. Wie der Princeps würde er sich mit einer Schärpe begnügen müssen, sich zwingen, seinen Hintern auf dem Sitz zu lassen und am Ende des Rennens etwas Beifall zu spenden. Wie ein Blitz trifft ihn die Erkenntnis, dass er damit automatisch in die Riege der alten Säcke abrutscht.


    "Hmm, ja." gibt er daher etwas nachdenklich von sich. "In der Südkurve ist für alle Venetaner Platz." Ob der Sev diese Problematik schon bedacht hat, bei den Spitzenplätzen? "Wenn es große Ludi werden, dann werden wir alle Fahrer ins Feld schicken. Dareios und Diokles sind unsere Siegfahrer, Rothar und Hermes sind eher Teamfahrer. Dabei kommt es dann stark auf die Taktik an, die man mit zwei Gespannen in einem Rennen fährt."


    Die Gespanne donnern auf der Zielgeraden ihrem Aussichtspunkt entgegen. Noch einmal würden sie die konkave Kurve nehmen und dann ihre Fahrt nach der Zielgeraden beenden. Die Übungsrennen werden in der Regel keine vollen sieben Runden ausgefahren, um die Pferde zu schonen. Dareios holt gefährlich von hinten auf, doch Hermes Gespann hat noch immer den Vorteil der Innenbahn. Victor deutet auf die äußere Quadriga. "Schau genau hin, Dareios versteht es, in der letzten Kurve dem führenden Gespann den Weg abzuschneiden und vor ihm ins Ziel zu fahren. Vielleicht schafft er es auch heute."

  • Eine Palla hatte einen großen Vorteil - man konnte sie zur Not auch einfach abnehmen und schwenken, wenn man schon kein Fähnchen zur Hand hatte. Schon hatte die Iulierin ihre Palla von den Schultern und dem Haar genommen, eine Haarnadel gelöst und den dünnen, durchsichtigen Stoff mit einer Hand hochgereckt, um ihn zu schwenken, dass man sie auch von unten würde sehen können. Heftig winkend blieb sie auf der Tribüne stehen, ungeachtet dessen, dass sich ihr Begleiter wahrscheinlich sehr darüber wundern würde - und da sich Dareios nun mehr und mehr an Hermes' Gespann heranschob, benötigte dringend Maßnahmen.
    Sie wollte einfach, dass Hermes und Constantius schneller sein würden als Dareios, auch wenn letzterer wahrscheinlich der bessere Fahrer war. Und jeder Mann mochte Bewunderung und vor allem Beifall, sie kannte keinen, bei dem es nicht so gewesen wäre.


    Da sie annahm, dass Hermes Grieche war oder zumindest griechisch verstand, beschloss sie, ein wenig drastischer für einen Sieg des Gespanns zu sorgen ... oder besser gesagt, keine Zweifel daran zu lassen, wem ihre Unterstützung galt.
    "FAHR SCHNELLER, HERMES, ODER EIN BLITZ DES IUPPITER SOLL DICH DORT TREFFEN, WO DIE SONNE NICHT SCHEINT!" brüllte sie im besten Kasernenton und auf griechisch auf die Arena herunter, wenngleich sie sich nie mit einem Mann hätte messen können, war sie doch für eine Frau recht laut. "Warum wird er denn nicht schneller, das gibt es doch nicht?!" fügte sie nun, leiser, an, der Körper angespannt, als stünde ihr selbst ein Entspurt gegen Dareios bevor - einige Strähnen ihres Haars hatten sich aus der Hochsteckfrisur gelöst und umrahmten das ebenmäßige Gesicht deutlich angenehmer, als es die Palleje gekonnt hätte, die Wangen waren vor Aufregung gerötet.

  • Auf einmal steht Helena mit ihrer Palla winkend am Geländer und brüllt irgend etwas in einer Lautstärke zur Bahn hinunter, dass man für den Augenblick vergessen kann, dass sie allein im Circus sind und nicht gerade ein wichtiges Entscheidungrennen ansteht. Irgendwo in seinem Hinterkopf registriert Vic diese Tatsache belustigt und fragt sich, was genau sie Hermes wohl hinunter ruft, denn im Griechischen kenn er nur wenige Worte und Sätze. Er vermutet Worte der glühenden Verehrung oder begeisterte Anfeuerungsrufe. Auriga müsste man eben sein, da ist es leicht, die volle Aufmerksamkeit der Damenwelt zu erlangen. Um die volle Aufmerksamkeit Victors zu erlangen reicht es ebenfalls, eine Quadriga zu fahren, oder aber eine schöne Frau zu sein. Ohne die Palla und mit einigen gelösten Haarsträhnen bietet Helena einen leicht verwegenen Anblick und es fällt Vic schwer zu entscheiden, wohin er schauen soll, auf die Bahn oder zu Helena.


    Letztendlich ist es die aufkommende Rennbahnstimmung, die auch von Victor Besitz ergreift und zudem ist auf der Tribüne des Circus Maximus weder der richtige Ort, noch jetzt die richtige Zeit für irgendetwas anders als Wagenrennen. Unten im Staub brettern die Quadrigen unaufhaltsam auf die Kurve zu, Dareios leicht vorgebeugt und mit zusammengekniffenen Augen, man sieht ihm an, dass er seinen Weg bereits im Voraus berechnet, Hermes daneben mit verbissenem Gesicht und Constantius dahinter, nicht weniger verbissen. Wieder legt sich der Wagen des Hermes stark in die Seitenlage, doch Dareios kreuzt plötzlich mit dem rechten Arm über seinen Linken und schlägt die Zügel hart zum Innenpferd hin. Ohne Rücksicht auf Verluste kommt das Gespann gefählich dem von Hermes und Constantius nahe und auch, wenn Dareios darauf achtet, den Wagen nicht zu streifen, das Manöver verfehlt nicht seine Wirkung. Aus der Ruhe gebracht schafft es Hermes nicht, den Wagen noch einmal auf einem Rad um die Kurve zu bringen. Ein falscher Ruck an den Zügeln bringt auch die Pferde aus dem gleichmäßigen Tritt und obwohl von den Zuschauerrängen kaum eine Veränderung zu sehen ist, büßt das Gespann unmerklich an Geschwindigkeit ein. Dareios zieht scharf um die Meta und fährt die letzten Meter eine halbe Pferdelänge vor dem Doppelwagen ein.

  • Rufe dich nicht zum Sieger aus, bevor die Schlacht geschlagen ist. Heißt es nicht so im Volksmunde? Constantius hätte sich wohl an diese Worte erinnern sollen, als die beiden Quadrigen auf die letzte Kurve zu hetzten.
    Die beiden stolzen Pferde ließen den Boden unter ihren Hufen erzittern, um den Wagen der beiden Männer in Führung zu halten. Deutlich zeichneten sich Muskeln und Sehnen unter den makellosen Fellen der Tiere ab. Schwer atmend rangen sie um jeden Meter, um den kleinen Vorsprung, der ihnen noch verblieb. Trotz ihrer Mühen, trotz der Versuche des jungen Fahrers die Pferde nochmals anzuspornen und trotz des Hoffens des jungen Constantius schob sich der Wagen des Dareios immer näher.


    Mußte Constantius wenige Sekunden zuvor noch den Kopf wenden, um ihren Verfolger zu beobachten, so nahm er dessen Silhouette vor der Einfahrt in die Kurve aus den Augenwinkeln war, Das Gespann ihres Verfolgers bot ein fast Furcht einflössendes Bild dar. Wild und entschlossen sahen die kräftigen Pferde aus, die den imposanten Streitwagen zogen. Unter ihren Hufen stoben Wolken aus Staub davon. Fast schien es, als würden ihre Hufe den Boden gar nicht mehr berühren und das Donnern, das man vernahm, wäre der Zorn des Iupiters selbst gewesen. Der verbissene Blick des Fahrers ließ ihn wie einen himmlischen Rächer wirken und vollendete das Bild.


    Die Wagen kamen sich näher und näher und als sie schließlich die Kurve erreicht hatten, war es Dareios gelungen an Hermes und Constantius vorbeizuziehen. Nicht viel, doch ausreichend genug um den entscheidenden Schachzug auszuführen. Während Constantius sich auf ein weiteres waghalsiges Manöver vorbereitete, schnitt das führende Gespann ihre Bahn.
    Was dann folgte geschah so schnell, dass Constantius es für einen bösen Alptraum hielt. Es gelang ihnen nicht mehr das Gespann auf einem Rad durch die Kurve zu führen. Im Kampf um die Kontrolle des Wagens verloren sie an Geschwindigkeit. Protestierend schienen sich die Pferde gegen die Befehle ihres Fahrers zu wehren.
    Constantius hatte Mühe sich im Wagen zu halten, als sie, um die Kontrolle kämpfend, um die Kurve drifteten.

    Auch wenn Hermes die Tiere nun mit den Zügeln und einer lauten Stimme antrieb, sie lagen hinter Dareios und würden es auch bleiben. Selbst der verbissene Blick des jungen Constantius vermochte daran nichts mehr zu ändern. Und so geschah, was geschehen musste. Sie erreichten das Ziel eine Wagenlänge hinter dem Gespann des Dareois.


    In dem Moment, als die Fahrer die Pferde auslaufen ließen, fühlte Constantius die Anspannung seines Körpers, die sich während der beeindruckenden Fahrt in ihm aufgebaut hatte. Sie hatten das „Rennen“ verloren und dennoch empfand Constantius das Gefühl der Niederlage, welches er stets so gehasst hatte, nicht. Nein im Gegenteil. Er schien vor Freude und Euphorie zu strahlen, als die Wagen ihre letzte Runde drehten.

  • "Was für ein Rennen!"


    Nun, man musste den aurigae zugestehen, dass Dareios eindeutig der bessere der beiden gewesen war, er schien auf den richtigen Moment für sein Manöver gelauert zu haben und führte es dann gekonnt aus, mit dem gewünschten Ergebnis - aber wie lange Hermes und Constantius doch vorn gewesen waren! Trotz ihres Anfeuerns mit der Palla hatten die beiden nicht gewonnen, aber dennoch war sie irgendwie zufrieden, als sie das Kleidungsstück sorgsam wieder zurechtrückte und einen Teil ihres Haars bedeckte. Nur eine Wagenlänge Abstand! Für ihren Bruder musste dieses Ergebnis ein halber Traum sein, und sie nahm sich vor, ihn deswegen zu befragen, wenn sie wieder allein sein würden - wie es wohl sein musste, sich in die Kurven zu stemmen, nur auf Schnelligkeit bedacht, nicht mehr auf das eigene Überleben oder Sicherheit? Einerseits klopfte ihr das Herz noch immer vor Sorge bis zum Hals, andererseits beneidete sie ihn glühend um diese Erfahrung. Beide Wagenlenker ließen die Gespanne auslaufen, denn ein abruptes Bremsen hätte weder den Tieren noch den Männern auf den Streitwägen gutgetan, und während unten in der Arena das Schnauben und Prusten der Pferde zur alles umgebenden Melodie wurde, klatschte Iulia Helena auf den Rängen Beifall.


    "Ich bin mir sicher, Hermes wird noch eines Tages zu den Großen zählen!" sagte sie lächelnd, den strahlenden Blick auf Valerius Victor richtend. "Und ich kann verstehen, warum Dareios einer der besten Fahrer der Veneta ist - es gab keinen besseren Moment als den, den er für sein Manöver nutzte. Wenn alle Wagenlenker so kämpfen, dann wird das nächste Rennen bestimmt sehr spannend ..." Eine ihrer geringelten Haarsträhnen flatterte im aufkommenden Wind, dann blickte sie wieder zu den beiden Gespannen in die Arena herunter. "Komm, lass uns beiden aurigae zu ihrer Fahrt gratulieren ...sie freuen sich sicher über anerkennende Worte. Und ich will sehen, wie es meinem Bruder geht!" Für einen Moment hätte man fast denken können, sie wolle Victor im Überschwang der Begeisterung bei der Hand greifen und mit sich ziehen, aber dann lief sie einfach nur in Richtung der Treppe, die Palla bei jedem ihrer Schritte sacht im Luftzug wehend.

  • Mit einem Schmunzeln auf den Lippen folgt Victor Helena und beobachtet, wie ihr schlanker Körper im Zugang zur Treppe verschwindet. Obwohl das Rennen ziemlich spannend gewesen ist hatte Dareios wahrscheinlich den Verlauf jederzeit fest im Griff gehabt. Seiner Kollegialität rechnet Vic auch zu, dass Hermes nicht eine halbe Bahn später durchs Ziel gefahren ist, trotz des zusätzlichen Gewichts auf dem Wagen.


    Unten angekommen brauchen sie nicht lange zu warten, dann fahren die beiden Quadrigen in die Kurve und kommen vor den carceres zum Stehen. Sofort eilen Stallburschen heran um die Pferde nach Innen zu führen und sich um sie zu kümmern. Die aurigae springen von ihren Wägen und Dareios nickt seinen beiden 'Gegnern' anerkennend zu. "Nicht schlecht, für so zwei junge Kerle, wirklich nicht schlecht."
    "Das nächste mal schaffen wir dich, Dareios!" Hermes schaut siegessicher zu Constantius. "Das war perfekter Körpereinsatz, hätte der alte Mann nicht wieder seine fiesen Tricks ausgepackt, dann hätten wir ihn locker abgehängt!"


    Als Helena und Victor zu der kleinen Gruppe hinkommen, blitzen Hermes Augen vor Vergnügen auf. Er verneigt sich demütig vor Helena und als er zu ihr spricht, blitzt der Schalk in seinen Augen. "Es tut mir wirklich leid, edle Dame, dass ich deinen Worten nicht folgen konnte. Ich fürchte, dieser Blitz könnte für mich noch sehr unangenehm werden."

  • Prüfend betrachtete sie ihren Bruder, er sah noch genauso frisch aus wie vor der Fahrt, nur eben mit ein bisschen mehr Staub garniert - und seine funkelnden Augen sagten ihr mehr, als jedes Wort hätte ausdrücken können. Froh drückte sie für einige Momente lang die Hand Constantius' und schenkte ihm ein warmes, inniges Lächeln - sprechen mussten sie nicht miteinander, es war durch diese Gesten bereits genug gesagt - und Hermes verlangte immerhin auch nach einer Antwort. "Verzeih mir den Überschwang der Begeisterung ... aber bei Soldaten wirkt dieser Spruch ziemlich gut. Mein Gemahl hat so immer seine Truppen angetrieben ..." Und da hatte er gewirkt, vor allem, wenn man bedachte, dass Titus noch viel mehr Sprüche dieser Art auf Lager gehabt hatte. Zu Anfang war das für sie ein Ausdruck soldatischer Grobheit gewesen, aber irgendwann ... nun, selbst bei Haussklaven konnten ausgesuchte Verwünschungen ausgesprochen gute Ergebnisse erzielen.


    "Ein wirklich spannendes Rennen, das ihr da gefahren seid, bei den Kurven ist mir fast das Herz stehengeblieben!" bekannte sie lächelnd und nickte beiden Wagenlenkern anerkennend zu. "Wenn ihr das auch bei den nächsten Rennen so macht, werden euch die Zuschauer wirklich lieben." Sie wagte kaum an die unmittelbare Zukunft zu denken - denn nun würde ihr selbst eine Runde bevorstehen, und das mit Valerius Victor auf dem Streitwagen. Oder war es nur ein Scherz gewesen? Sie hätte es ihm nicht verdenken können, hätte er nun einen Rückzieher gemacht, es war scho ungewöhnlich genug, dass eine Frau überhaupt Interesse für das Wagenrennen hatte und selbst fahren wollte ... ein kurzer, prüfender Blick ging zum Septemvir, als versuche sie, anhand seiner Miene zu ergründen, was er sich wohl nun dachte.

  • Natürlich ist Vic neugierig, was Helena dem auriga zugerufen hat, doch er würde diesen nach dem Training fragen. Jetzt zu fragen hätte sowieso keinen Sinn, denn so wie Hermes grinst würde es ihm Spaß machen, etwas zu wissen, was Vic nicht weiß und nicht damit herausrücken. "Die Kurven sahen wirklich gut aus. So will ich das nächstes mal auch beim Rennen sehen, Hermes." Er schaut zu Constantius. "Man könnte glauben, du wärst schon öfter durch einen Circus geheizt, so wie du dich in die Kurven gelegt hast, hrhr."


    Er wirft einen Blick zu den carceres und schaut dann erwartungsvoll zu Helena. "Wenn du immer noch möchtest, dann bist du nun dran. Die Palla solltest du aber vielleicht in der Obhut deines Bruders lassen, nicht, dass sie noch im Staub landet. Blaue Helme bekommen wir in der Startbox."

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