Der Abend und das Gespräch mit dem Statthalter waren gänzlich anders gelaufen als erwartet. Früher steckte für Menecrates gefühlt beinahe in jedem Wort des Annaeers eine Provokation. Heute suchte Menecrates diese Spitzen vergeblich. Flüchtig überlegte er, ob die Veränderung beim Statthalter mit der erschütternden Todesnachricht zusammenhängen könnte. Vielleicht bewirkte die ein Einhalten, ein Besinnen auf das Notwendige oder die Einsicht, dass mehr als sonst Zusammenhalt erforderlich war. Menecrates honorierte die Veränderung und beschloss, dem Zusammenwirken mit dem Statthalter eine zweite Chance zu geben.
Doch der befriedigende Entschluss konnte nicht den Zorn und die Enttäuschung über den Kaisermord überdecken, deswegen kam ihm der im Atrium stehende Prätorianer gerade recht. Als sich die Tür öffnete und der Befehl zur Festnahme kam, stutzte er jedoch einen Moment, weil aus der Anweisung heraus nicht für jedermann ersichtlich war, wem der Verhaftungsbefehl galt und er konnte unmöglich noch vor der Leibwache des Statthalters reagieren. Zweifel hingegen hegte er nicht, auch wenn er sich fragte, wie der Statthalter mit seinem Kommandeur der Leibwache kommunizieren konnte. Ein Moment, bei dem die Anwesenden den Atem anhielten, und auch der Prätorianer musste irritiert gewesen sein, denn er ließ sich relativ einfach überwältigen.
Dann spannte sich die Haut über Menecrates' Kiefern und sein Blick wurde stechend, als er den Gardesoldaten fixierte. Zwar schlug die Überraschung über die eigene Verhaftung bei dem Prätorianer ein, aber die Genugtuung darüber reichte Menecrates nicht. Er ging in langsamen Schritten auf den Verhafteten zu, einen Doppelschritt vor ihm hielt er an.
"Wie erbärmlich muss man sich fühlen, wenn man entweder korrupt oder unfähig im Dienst ist und somit den Tod des Kaisers zu verantworten hat!"
Die Frage erwartete keine Antwort, denn sie war als Feststellung gedacht. Und es spielte für Menecrates im Augenblick keine Rolle, dass den vor ihm Stehenden möglicherweise keine Mitschuld traf und er vielleicht auch nicht über die Entscheidungen seiner Führungsebene Bescheid wusste. Seine gesamte Entrüstung musste hinaus, obwohl er Haltung und Selbstbeherrschung bereits als Kind eingetrichtert bekommen hatte.
"Korrupt, weil ihr entweder einem Kaisermörder zugearbeitet habt, oder unfähig, weil ihr im Schutz für den Kaiser erbärmlich versagt habt. Wozu braucht Rom dann eine Garde?! Wozu braucht Rom DIESE Garde? Was also seid ihr wert?! Mögen Roms Prätoren erbarmungslos über jeden einzelnen von euch richten, der beim Kaisermord beteiligt gewesen war oder auch nur still zugeschaut hat. Und möge jeden Einzelnen außerdem Justitias Gerechtigkeit treffen."