Als ich sah, wie Tolumnius unter meiner randvoll gefüllten Kleidertruhe ächzte, wagte ich für einen Moment lang zu bezweifeln, dass der Typ meine Sachen wirklich bis zur helvetischen Casa transportieren könnte. Aber immerhin, sagte ich mir, hatte er im Gegensatz zu Callisto die Truhe überhaupt hochgekriegt und für jede Pause, die wir auf dem Weg machen müssten, würde ich den Aedil schon bezirzen, dass Tolumnius weniger Lohn verdiente.
Dann folgte ich, neben meinem Gepäckträger herlaufend, der Wegweisung und schaute links und schaute rechts und kümmerte mich nicht im Geringsten darum, wie es Tolumnius beim Tragen erging. Callisto, die hinter uns beiden lief, würde sich überdies bei mir melden, sobald irgendetwas mit meiner Kleidertruhe nicht stimmte. Während ich also mit meinen Augen die Vorstadt erkundete, hörte ich zu, was mir mein gleichzeitiger Stadtführer so über Ostia erzählte. Wirklich beeindrucken konnte mich der Kerl aber nicht: Ein kleines Hafenforum, auf dem angeblich nur deshalb so wenig los war, weil zufällig gerade keine Verkaufszeit war. Da war ich aus Alexandria echt anderes gewohnt. Da war immer irgendwo was los! "Ich weiß!", zischte ich mehr zu mir selbst, als zu Tolumnius, als der so dämlich betonte, dass Ostia die Hafenstadt Roms wäre und nicht der oder das Hafenstadt. Ich sah ja wohl nicht blöd oder ungebildet aus und war überzeugt davon, dass ich als Rittersenkelin deutlich mehr wusste, als eine gewöhnliche Römerin. (Dass ich damit häufig auch mal falsch lang, verdrängte und ignorierte ich gekonnt.) "Wie weit ist es von hier bis nach Rom?", fragte ich vorlaut dazwischen, als mir Tolumnius so viel über Flüsse, Kanäle und Häfen vorquakte, dass ich mich doch arg wunderte, dass ich von all dem bisher kaum etwas sehen konnte. Wahrscheinlich, schloss ich daraus, übertrieb mein Stadtführer und wollte mich nur beeindrucken, damit er später mehr Geld bekam.
Wir passierten das Stadttor und etwas überrascht stellte ich fest, dass da gar keine richtigen Wachsoldaten stationiert waren, sondern nur irgendwelche - Was hatte ich über wichtige Persönlichkeiten gelernt? Denk nach, Fausta! Wie hießen die Leibwächter von denen? - Liktoren.? Ich wartete ohne mir meine Verwunderung anmerken zu lassen, bis wir außer Reichweite dieser Rutenbündelträger waren. "Sag mal, was ist hier los, dass da keine richtigen Soldaten an den Toren stehen? Ich dachte, der Krieg ist vorbei und alles wieder halbwegs normal?" Und wenn das hier normal wäre, dann müsste ich aber mal ein ernstes Wörtchen mit meinem verwandten Aedil sprechen. Denn ich fand, so ging das ja nicht!
Nachfolgend erzählte mir Tolumnius, dass wir uns in einer Wohngegend befänden. Ich blickte eine Insula hinauf und dachte im unmittelbar nächsten Augenblick, ich würde vor Langeweile gleich sterben. Warum quatschte der mich mit so uninteressantem Kram zu? (Meine vorherige Frage nach dem Marmor, war mir bei meinen vielen anderen Gedanken längst entfallen.) Immerhin berichtete er mir danach ein bisschen über den Aedil von den Helvetiern und von irgendeinem Herennius. Letzteren Namen würde ich mir natürlich merken, denn auf wen meine Verwandtschaft nicht gut zu sprechen war, würde ich natürlich auch nicht gut zu sprechen sein! So einfach war das - sollte mir kein Grund über den Weg laufen, aus dem ich mich eigenwillig anders entschied.
Dass mir mein Stadtführer nichts weiter über die zukünftige Karriere des Aedils sagen konnte, quittierte ich mit einem enttäuschten Seufzen. Wahrscheinlich war Tolumnius nicht nur wirtschaftlich erfolglos, was man daran sah, dass er gerade meine Kleidertruhe schleppte, sondern auch noch politisch uninteressiert. Zusammen mit seinem Auftreten und seinem schlechtem Händchen beim Feilschen war er damit wohl das, was man eine miserable Partie nennen würde, von dem sich eine Frau von Stand besser fern hielt - ausgenommen natürlich meinen Fall, dass der Kerl für mich schuftete. "Hm. Schön.", kommentierte ich den Kreuzungsschrein trocken, während mich das Wort Marmor an irgendetwas zu erinnern versuchte. Ich kam nicht drauf und zuckte leicht mit den Schultern. War wohl nicht so wichtig gewesen. Mein Blick streifte ein Gebäude, das sich Insula des Potitus Gabinius Fundulus nannte.
Ich war dem Gähnen nah. "Wie weit ist es noch? Wann sind wir endlich da?", fragte ich drängelnd wie ein kleines Mädchen. Warum hatte ich mich am Hafen nicht nach einem Sänftenstand erkundigt? Dann hätte ich diesen ganzen Weg jetzt nicht laufen müssen. Daran war nur Tolumnius schuld! Hätte der mich nicht so blöd von der Seite angequakt und mir ungefragt seine Hilfe aufgedrängt...