Saturnalia Flaviae

  • All die Worte, die ihm für eine strenge Rüge eingefallen waren, waren wie weggeblasen. Sein mühsam hervorbeschworene Ärger über sein Sohn schwand wie der Schnee in der Sonne, man weiß ja „Schnee schmilzt immer in der Sonne!“. ( :]) Und wie sein Junge sprach! Richtig erwachsen schon, Marcus erkannte in dem Kleinen doch schon den Funken von Marcus Mutter. Seufzend lächelte Marcus und beugte sich runter, umarmte seinen Sohn kräftig. Es waren Saturnalien, da durfte man das auch als Vater. Marcus richtete sich jedoch schnell wieder auf, seinem Sohn gegenüber musste er schließlich strenger sein, so sagte das auch immer Agrippina. Trotzdem wuschelte er ihm noch mal durch dessen dunkle Haare.


    „Bona Saturnalia, mein Junge! Du bist wirklich groß geworden in letzter Zeit!“


    Marcus schüttelte grinsend den Kopf und wunderte sich wieder darüber. Wo war das kleine Würmchen von vor ein paar Jahren geblieben, der kleine Junge, der gerade krabbeln konnte und alles in den Mund stopfte, was er in die Hände bekam? Da fiel Marcus der Auftritt seines Sohnes wieder ein.


    “Das von vorhin geht nicht, Lucius! Paß besser auf deinen Hund auf. Aber komm, wir verpassen noch das Essen.“


    Und das war wohl eines der schlimmsten Dinge, die passieren konnte für Marcus. Ein Festmahl zu verpassen, was für ein Alptraum!! Marcus lächelte, legte eine Hand auf die Schulter seines Sohnes.


    „Lucius, Du hast Deine Sache heute bei der Zeremonie sehr gut gemacht. Deine Großmutter wäre gerührt und ich bin sehr stolz auf Dich! Übrigens ist Deine Schwester auch wieder hier und sei doch nett zu ihr. Sie hat viel Schlimmes in letzter Zeit erleben müßen!“


    Schon kamen sie zurück, Marcus warf einen Blick auf das Blut auf dem Boden und dann auf die Musikanten. Arrecina war auch schon da, schien im Raum ein wenig verloren zu sein und unsicher.


    „Komm, Lucius, begrüß Deine Schwester. Und vergiß nicht, sei artig, ja?“


    Ermahnend sah Marcus seinen Sohn an und ging dann auf die Klinen zu und ließ sich neben Hannibal auf die Sitzliegen herunter. Schwer seufzte er und warf Hannibal einen gequälten Blick zu, bemerkte dann ein Zeichen von ihm und sah zu dem Korb. Überrascht blinzelte er, ein Stein fiel von seinem Herzen und er nickte Hannibal dankbar zu. Wie sehr ihm dessen helfende Hand in der letzten Zeit doch gefehlt hatte, bemerkte er jetzt wieder mal. Marcus lehnte sich zurück und ließ sich einen Becher mit Wein reichen, um seinen Appetit anzuregen. Nicht, daß er das nötig hatte! Schließlich hatte Marcus fast immer Hunger.


  • Wer freut sich nicht über ein schönes Kompliment? „Ach nein, du übertreibst...“ wehrte Leontia sittsam ab, während es ihr wie Honig auf der Zunge zerging. Auch wenn ihre Ornatrix ihr vorhin nicht beim Herrichten behilflich gewesen war - weil sie ja unbedingt in der Stadt mit fremden Männern herumschäkern mußte, man stelle sich das mal vor! - sah sie, Leontia, offenbar trotzdem nicht wie eine Vogelscheuche aus. Glücklicherweise. „Es wäre mir sehr lieb, wenn du mich Leontia nennen würdest.“ lächelte sie, denn bei „Tante“ wäre sie sich trotz ihrer siebzehn Jahre alt vorgekommen. „Und wie ist es dir deinerseits am liebsten? Mit Milo habe ich es immer so gehalten, daß ich ihn einfach Vetter nannte, und er... - Huch!!!“


    Mit einem Sprung hinter eine Kline brachte sie sich vor dem purzelbaumschlagenden Hund in Sicherheit. „Aber Serenus!“ Was für eine unflätige Wortwahl der Kleine hatte. Doch irgendwie drollig, auch sie mußte lachen, und kam, als die Luft wieder rein war, schnell wieder hervor. „Du meine Güte, was für ein Wildfang!“ Wenn er nur nicht ihre Lieblingskatze zur Beute auserkor. Auch wenn ihre Sphinx natürlich tadellos erzogen war. Da mußte sie wohl mal ein erstes Wort mit Serenus reden.


    Federleicht legte sie ihre schmale weiße Hand in die von Furianus, ließ sich zu Tische geleiten, und bemerkte dabei ganz überrascht, daß ihre Nichte Arrecina auch anwesend war. „Bona Saturnalia, Arrecina!“ rief sie ihr mit einem freudigen Lächeln zu, und überlegte dabei schon hin und her, wie sie am besten mit den Geschenken umdisponierte... da Gracchus‘ Angetraute bisher nicht erschienen war, könnte das für sie bestimmte Geschenk ja vielleicht Arrecina bekommen... aber es wäre natürlich fatal, wenn die Claudia danach überraschend doch noch auftauchte!


    Bei den Liegegelegenheiten angekommen streifte sie ihre Sandalen ab und ließ sich so formvollendet auf einer Kline nieder, daß dabei nichts, nicht mal ein Fingerbreit, ihrer Knöchel zum Vorschein kam. Gracchus‘ kleiner Ansprache lauschte sie mit sichtlichem Genuss, wie jedesmal verzaubert vom Wohlklang seiner Worte. Bei Sciurus zu Beginn eher trister Darbietung runzelte sie anfangs leicht die Stirn, doch sein treffendes Zitat ließ sie stillvergnügt und zugleich anerkennend schmunzeln. Daß das Opfer so rasant über die Bühne ging, verblüffte sie, aber nicht unangenehm, denn so würde sie gleich mit ihrer liebsten Beschäftigung, dem Verteilen der Geschenke, fortfahren können.


    Die Musik begann zu spielen, sie nahm einen der angebotenen Becher, prostete zuerst leicht dem Rex Bibendi zu, dann Furianus. „Auf die Familie!“ Den ersten Schluck vergoß sie für Saturn, den zweiten nahm sie selbst, dann kramte sie schon wieder in ihrem Geschenkekorb nach dem Passenden. „Ich hörte, daß du eine Yacht besitzt,“ meinte sie dabei im Plauderton zu Furianus, „bist du viel damit unterwegs?“. Oh ja, sie hatte ihre Erkundigungen eingezogen... man konnte ja nicht immer nur Öllampen verschenken, auch wenn sie vor zwei Tagen einen Stand mit ganz entzückenden, vielfältigen Exemplaren ausfindig gemacht hatte, und im Affekt beinahe leergekauft hatte. Endlich hatte sie das richtige Päckchen in der Hand.


    „Erlaube mir doch, dir diese Kleinigkeit hier zu schenken.“ bat sie Furianus vergnügt, und überreichte ihm einen runden Holzkasten aus aromatisch duftendem Zitrusholz. Er war ganz flach, blankpoliert, und mit Elfenbeinintarsien verziert, die ein Schiff unter Segeln darstellten. Eine große leuchtendblaue Schleife war liebevoll darum gebunden. Der Kasten wog recht schwer in der Hand, denn darin lag, weich gepolstert, eine Sternenscheibe, auf der die Sternbilder kunstvoll in Silber vor einem tiefblauen Lapislazuli-Hintergrund dargestellt waren. Je nach der Zeit des Jahres ließen sie sich verstellen, um das Firmament stets akkurat wiederzugeben.

  • Auf das Polster zurück gelehnt hatte Gracchus sein Kinn auf der Hand aufgestützt. Während Sciurus' Rede schob er seine Hand weiter und weiter hinauf, so dass er schließlich das nur mühsam unterdrückbare Lächeln hinter ihr verbergen konnte. Diese aufmüpfige Seite an seinem Sklaven gefiel ihm ausgesprochen gut und er freute sich bereits auf den ersten Tag nach den Saturnalia, wenn Sciurus wieder seine Nacht mit ihm teilen würde. Womöglich sollte er den Sklaven zu diesen Gelegenheiten ein wenig mehr fordern, um eben jene eigensinnige Art aus ihm heraus zu kitzeln. Seine Nichte Arrecina bedachte Gracchus mit einem grüßenden Nicken und fragte sich insgeheim, welche Gründe Antonia an diesem Abend gefunden hatte, um das Fest nicht in der Familie verbringen zu müssen. Ein unhörbares Seufzen drängte aus ihm heraus an die Luft, doch seine Gedanken wurden bald von Aristides und Serenus abgelenkt, welche in den Raum zurück kehrten.
    "Ah, Serenus, da bist du wieder. Ich befürchtete schon, du wolltest uns heute Abend keine Gesellschaft leisten, wo man mir doch versicherte, dass König Saturnus auch dir ein Geschenk hinterlassen hat. Allerdings waren seine Helfer ein wenig skeptisch, ob du den Göttern tatsächlich genügend Aufmerksamkeit entgegen bringst und deinem Vater keine Schande machst. Was meinst du, glaubst du, ich kann mit gutem Gewissen das Geschenk an dich weitergeben? Oder sollten wir es besser einem der Sklaven, oh verzeiht, einem der heute Gleichen, zukommen lassen?"

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  • Zitat

    Original von Hannibal


    Die grünen Oliven mundeten Sciurus ausgesprochen gut. Nicht, dass ihm solcher Genuss an gewöhnlichen Tagen verwehrt blieb, doch es war eine äußerst bemerkenswerte Erfahrung, mit den Herren gemeinsam an einem Tisch zu liegen und ihre Regungen aus solcher Nähe beobachten zu können. Alles in allem konnte man den Eindruck gewinnen, als wären die Flavia eine äußerst verbundene Hausgemeinschaft, doch Sciurus wusste nur zu gut, dass sie es an den restlichen Tagen des Jahres kaum schafften, zu dritt oder zu viert um einen Tisch herum zu liegen. In diesem Haus schien jeder den anderen zu meiden, denn unterschwellig schien jeder dem anderen zu misstrauen, was bei dem für Sciurus äußerst merkwürdigen Beziehungsgeflecht innerhalb der Familie nicht besonders verwunderlich war. Er erinnerte sich an Abende, an welchen sein Herr diese Distanz zutiefst bedauerte, sich im gleichen Atemzug jedoch darüber glücklich schätzte. Ein wenig merkwürdig waren sie alle, die Flavia, doch Sciurus hatte gelernt, dass dies in allen patrizischen Häusern ähnlich war.


    Mehr noch, als zwischen den Herren herrschte die unterschwellige Spannung im Haus zwischen den Sklaven. Kaum einer wagte gegen die Herrschaft des Vilicus aufzubegehren, gleich, wer sein eigentlicher Herr war, doch immer wieder forderte einer diesen heraus. Manch einer verschwand daraufhin im Loch und tauchte nicht mehr lebend auf, manch einer wurde gewinnbringend in einen anderen Haushalt, auf eine Galeere oder in die Minen verkauft. Einer hatte seinen Mund so weit aufgerissen, dass ihm wenige Tage später die Zunge fehlte. Doch kaum einer hatte sein Leben auf solch leichtfertige Weise verspielt wie Hannibal, Sklave des Aristides, welcher nicht nur die Gunst Sicas in Anspruch genommen und mit Verrat vergolten hatte, sondern jene Gunst sprichwörtlich durch den Dreck der Cloaca Maxima gezogen hatte. Dass irgendwer dem dummen Ding zur Flucht verholfen hatte, dies hatte sich schnell im Untergrund herum gesprochen. Nichts, was mit dem Verschwinden eines Sklaven zu tun hatte, konnte in ihren Kreisen lange geheim bleiben, selbst wenn ihr Herr augenscheinlich versucht hatte ihre Flucht zu kaschieren. Dass 'irgendwer' kein geringerer als Hannibal gewesen war, daran bestand kein Zweifel. Dass eben jener Hannibal es nun wagte den Raum zu betreten und sich am Tisch nieder zu lassen, dies stürzte Sciurus in ernste Zweifel. "Perbacco!" entfuhr es ihm leise und er kniff misstrauisch die Augen zusammen. Mehr Worte noch lagen ihm auf der Zunge, doch nach einem vorsichtigen Blick zu seinem eigenen Herrn und zu dem Hannibals schluckte er sie hinunter und bewahrte sie für später auf.


    Das allgemeine Geschenkeverteilen erinnerte ihn an den Beutel an seinem Gürtel. Sciurus löste die rote Schleife und zog die Öllampe aus dem blauen Leinen heraus. Ein leicht bösartiges Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als er die Lampe auf den Tisch stellte und betrachtete, doch für die Tischgesellschaft mochte es nur wie ein zufriedener Gesichtsausdruck wirken. Als er seine Hand zurück zog, wanderte sie vorbei an der Schüssel mit Oliven und sammelte einige davon für seinen Gaumen auf.


  • Furianus war nie wortkarg gewesen, doch in der Gesellschaft der Familie stellte sich bei ihm in gewisser Weise Angst ein, denn nach dem erheiternden Auftritt des Jungen mit dem Hund musste er feststellen, dass dieser nicht zum Haushalt gehörte, sondern der Sohn des Aristides war. Seinen Nomenclator brauchte eine in der Öffentlichkeit stehende Person immer, doch jenen auch in der Familie anwenden zu müssen war höchst eigenartig. Und eben dies wünschte er sich jetzt, denn der Abend würde, da war er sich doch recht sicher, noch mehr Familienmitglieder hervorbringen und ihn irgendwann in Verlegenheit stürzen.
    Als Leontia Milo erwähnte, durchfuhr ihn wiederum eine leichte Angst. Nicht, weil er den Bruder nicht kannte, sondern durch die Kälte, die nach seiner Aufforderung herrschte. Milos Vorwürfe waren verletzend doch die Distanz währte zu lange und Misstrauen schlich sich langsam ein. Wie er seinen Bruder begrüßen würde, das wusste er auch nicht. Wahrscheinlich würde er einen zornigen Blick aufsetzen müssen, um dem Bruder zu verdeutlichen, dass die Beleidigung tief saß. Die brüderliche Freundschaft erstickte schon nach einer Woche im Keim - kein gutes Zeichen.
    Auf die Frage Leontias nickte er lächelnd.


    "Durchaus, ich entdecke zur Zeit die Große Grüne, oder das Mare Nostrum, wie wir es nennen. Denn vor zwei Jahren wurde ich nach Hispania gesandt und kaufte mir sogleich ein Schiff. Seit der Reise bin ich sehr an der Schiffahrt interessiert, die Freiheit auf diese Weise zu spüren ist wundervoll."


    Aufmerksam, gar zu Neugierig, beobachtete er, wie sie das Geschenk hervorholte. Einen Augenblick wusste er nicht, was das für ein Gerät war, vermutete ein Schmuckstück, doch nach der Aufklärung wurde es ihm klar und er lächelte erfreut. Furianus besaß ein Schiff, steuerte es mal selbst für ein paar Minuten, doch von der Schiffahrt verstand er nicht vie - er war der Genießer, liebte das Schaukeln und überließ allles andere den Matrosen. Dennoch war er glücklich über das passend ausgesuchte Geschenk und nahm es strahlend an sich.


    "Welch Freude du mir machst, Leontia! Wunderbar, ich bin ganz sprachlos. Ich werde es stets bei meinen Reisen mit mir führen, es soll mir die Richtung weisen und mich wohl behütet wieder nach Rom führen. Ich danke dir."


    Die nächste Handlung war obligatorisch - nun war er an der Reihe. Doch was schenkte man einer Frau, die man zuvor noch niemals gesehen hatte? Doch die frage erübrigte sich, nachdem ihm wieder klar wurde, dass sich Frauen mit Schmuck am besten beschenken ließen. Und zwar jede Frau. Etwas anderes wäre auch höchst eigenartig gewesen.


    "Nun erlaube mir dir etwas zu schenken."


    Und er holte eine feine Perlenkette hervor.


    "Ich habe sie in Hispania erworben."


    Die Kette war nicht lang und konnte daher nur von Frauen getragen werden, die auch das Maß dafür hatten - korpulenten Frauen wäre sie sicherlich wie ein Strick vorgekommen. Die Perlen waren nicht allzu groß und differenzierten in ihrer Größe kein Stück. Zwischen ihnen waren kleine Goldkugeln, die mit rubinroten Steinen verziert waren, angebracht.

  • Serenus ging mit Papa zurück zu den anderen. Das Opfer hatten sie verpasst. Offensichtlich schienen alle sehr hungrig zu sein und deshalb hatte man das Opfer ganz schnell erledigt. Na ja, die Götter hatten bestimmt ein Einsehen, daß ein Opfer auch mal etwas schneller ablaufen konnte, wenn ein Kind wie er Hunger hatte.


    Seine doofe Schwester war also auch da. Na ja, eigentlich war Arrecina gar nicht doof und eine große Schwester hatte auch viele Vorteile. Doof war nur, daß sie immer noch größer war als er. Egal wie sehr Serenus auch wuchs. Und sie hatte schon einen eigenen Sklaven. Und er nur einen Hund. Was hatte sie denn Schlimmes erleben müssen? Würde sie verheiratet werden? Mit einem alten, dicken, häßlichen Senator? Oder hatte Papa ihr das Taschengeld gestrichen. Das wäre schlecht. Denn Serenus lieh sich ab und an Geld bei Arrecina.


    Serenus stürmte auf seine Schwester zu. Mist, sie war immer noch größer als er. “Io Saturnalia, Schwesterchen!”


    Serenus umarmte seine Schwester und zog sie an der Hand hinter sich her zu den Klinen. “Warst du schon in Roma? Weisst du schon wo man gut einkaufen kann? Du weisst schon. Meine besondere “Literatur” von “Sklave Gaius ist der Beste”. Nächste Woche kommt die neue Ausgabe raus. Und ich brauche noch eine neue Rennziege für meinen Streitwagen.”


    Serenus nahm auf einer Kline Platz. Geschenk? Aufmerksamkeit? Serenus überlegte die Worte von Onkel Gracchus.
    “Ich bin immer artig! Und natürlich möchte ich einen Löwen oder einen Leibsklaven zum Geschenk haben. Das stand ja beides auf meinem Wunschzettel. Und ich halte es für eine schlechte Lösung einem Sklaven etwas zu schenken, das ich begehre. Insbesondere da ich nach den Saturnalien wieder die Macht habe über dessen Leben und Tod zu bestimmen. Und ihm das Geschenk wieder wegnehmen kann.


    Papa mache ich auch keine Schande, denn ich werde bereits in wenigen Jahren einer der mächtigsten Flavier im Imperium sein. Genauso, wie Oma sich das gedacht hat. Zuerst werde ich Discipulus, dann Sacerdos, dann Rex Sacrorum und Senator. Und dann arbeite ich zielstrebig mit dem Vermögen unserer Gens, der Hilfe meines Vaters als Legatus der Legio I und der Kontakte meiner vielen Tanten, die du, Onkel Gracchus, zusammen mit Senator Onkel Felix optimal verheiratet hast daran, daß auf dem Thron des Imperators endlich wieder ein Flavier sitzt.


    Und lass mich raten. Es gibt hier auch noch die alte Tradition, daß die Jüngsten zuerst beim Essen ihre Saturnaliengedichte aufsagen dürfen. So was wie


    Mein Herz ist rein.
    Das ist fein.
    Ich will immer ein guter Flavier sein.


    Haben sich die anwesenden Frauen schon einigen können, welche denn jetzt welches Alter hat. Die Leibsklavin von Oma ist nämlich so alt wie Oma, aber seltsamerweise seit 3 Jahren hat sie immer das gleiche Alter, nämlich 29. Das gab in Baiae jedes Mal lange Diskussionen und Streiterein während dem Essen. Und dort gab es die Geschenke erst nach dem Essen.”


    Serenus hielt Ausschau nach dem gewünschten Löwen.

  • Furianus, der von dem kleinen Mann am anderen Ende der Klinengruppe abgelenkt wurde, drehte sich kurz zu ihm und lächelte.


    "Erklimme deine Stufen nicht zu hastig, kleiner Mann."


    Der kleine Cousin hatte große Ziele. Es war irgendwie herzerwärmend, diese unschuldigen Träume, auch wenn sie wahrscheinlich zerstört werden würden, daher beließ er es bei dieser einen Bemerkung. Furianus war es egal welcher Flavier was wollte, es zählte nur Macht. Und diese würde er niemals in die Hände dieses kleinen Jungen legen können, solange seine Söhne nicht da waren, wo sie sein sollten.

  • Den unbändigen Redefluss hatte Serenus augenscheinlich von seinem Vater geerbt, doch da es die Saturnalia waren, konnte man sicherlich getrost darüber hinwegsehen. Die Äußerungen bezüglich des kaiserlichen Thrones beschloss Gracchus völlig zu ignorieren. Sich nun darüber zu echauffieren würde nur bedeuten, jenen Äußerungen allzu viel Aufmerksamkeit entgegen zu bringen und sie als ernstgemeite Worte zu nehmen, welche sie zwar sein mochten, was jedoch nichts zur Sache tat. Natürlich war dieses Theman an diesem Tisch in diesem Hause kein Tabu, doch es war offensichtlich kein Thema für die Saturnalia und Vorsicht war immer geraten.
    "Was du begehrst, das wirst du dir eines Tages nehmen können, Serenus. Geschenke dagegen haben die Angewohnheit, Unerwartetes zu bringen."
    Gracchus' Augen verengten sich zu einem nachdenklichen Blick und er knetete kurz seine Unterlippe.
    "Nun, wenn du jedoch solch großen Hunger hast, dann werden die Geschenke noch bis nach dem Essen auf dich warten."
    Er wandte sich einem Freien zu, welcher mit einer Kanne Wein dafür sorgte, dass alle Becher jederzeit gefüllt waren.
    "Bringt die Platten herein, damit der junge Serenus schon seinen Hunger stillen kann, während wir die übrigen Geschenke austauschen."
    Ohne weiter auf das Kind zu achten griff Gracchus hinter sich und holte eine hölzerne Schatulle hervor, welche er Aristides reichte.
    "Bona Saturnalia, Vetter. Es heißt, Hannibal habe ihn auf seinem Weg über die Alpes getragen."
    In dem Kästchen lag ein schmaler Dolch mit feinen Verzierungen und am Schaft mit drei dunkelfarbenen opaken Edelsteinen besetzt, vermutlich Hämatite. Trotz seines guten Zustandes erweckte er tatsächlich den Eindruck, einige Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte erlebt zu haben - wer konnte dies schon genau bestimmen? Dolche, welche Hannibal auf seinem Weg über die Alpen getragen hatte, gab es in Rom sicher mehr, als der Elefant des Feldherrn je hätte tragen können. Doch es war ein wenig wie mit den Ancilia des Mars, man wusste nie, ob man nicht doch das Original in Händen trug.

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  • Arrecina kam sich einfach nur verloren vor. Verloren und fremd, dabei hätte sie diese Menschen doch alle kennen sollen. Wenn man sie ansprach versuchte sie ihre Unsicherheit zu verbegen aber sie konnte es nicht und schaffte immer nur Bruchstücke als Worte rauszubekommen. Die Frau die sie ansprach......sie wusste nicht wer sie war....es machte sie verrückt nicht zu wissen wer hier wer war. "Bona Saturnalia," flüsterte sie fast und die Worte schienen ihr einfach nur fremd über die Lippen zu kommen.
    Doch vollkommen überrempelt wurde sie erst als ein kleiner Junge auf sie zustürmte und sie umarmte als würde er das jeden Tag machen. Schwester? Ihr wurde schwindelig und murmelte bei ihm auch diese Worte von eben, schon fast mechanisch kamen sie ihr über die Lippen. Zögerlich hatten ihre Hände den Weg zu seinen Schultern gefunden gehabt und dann wurde sie auch schon mitgezogen, dass sie beinahe stolperte.


    Es behagte ihr nicht noch näher zu den anderen gezogen zu werden und doch setzte sie sich neben den Jungen und starrte auf den Boden und hörte den Worten der anderen zu. Sie sank förmlich in sich zusammen, hatte Angst und sehnte sich an einen anderen Ort, einen Ort an dem sie schon einmal gewesen war.


    Wo war er nur? wo hatten sie den Sklaven hingebracht? Sie griff sich an die Stirn und die Stimmen der anderen ballten sich zusammen und drohten sie langsam zu erdrücken. Arrecina wusste nicht wie sie das aushalten sollte, war sie doch nur wegen ihrem Vater hier her gekommen. Alle lachten und redeten durcheinander. Sie spürte die Blicke auf sich und stand dann langsam auf, unauffällig um zu gehen.


    Ihre Schritte schienen immer schneller zu werden bis sie endlich die anderen hinter sich gelassen hatte und sich ausserhalb des Saales an eine Säule lehnte. Arrecina spürte wie ihr Herz sich fast überschlug und auch wie ihr Magen sich immer weiter drehte. Sie konnte so nicht mehr weiter machen, sie musste sich wieder erinnern oder wie würde bald durchdrehen, das wusste sie. Ganz langsam sank sie an der Säule zu Boden und stützte ihre Stirn auf ihre Hände.

  • Mit eisernem Blick überwachte Sciurus den Verlauf des Abends und jeden Handgriff, welchen die Freien taten. Er hatte ihnen eingeschärft, was zu tun war, und das unscheinbarste Nicken seines Kopfes sorgte dafür, dass die jungen Männer mit dem Wein hin und her eilten und die Becher füllten. Den Sinn der Geschenke konnte er nicht nachvollziehen, vor allem nicht jener für die Sklaven, da ihnen ohnehin kein Besitz gestattet war. Doch auch jene für die Herrinnen und Herren entzogen sich seinem Verständnis, konnten sie sich doch jederzeit ihre Wünsche erfüllen und waren kaum darauf angewiesen, auf einen Tag wie die Saturnalia zu warten, in der Hoffnung auf ein Ende ihrer Sehnsüchte. Dennoch war es äußerst faszinierend, die Regungen auf den Gesichtern der Anwesenden zu studieren, wenn sie dieses oder jenes erhielten.


    Sciurus beobachtete auch Arrecina. Es gab wenig anderes, worüber unter den Sklaven dieser Tage gesprochen wurde, als über die Rückkehr des geflohenen Germanen und der Herrin, die nicht mehr sie selbst zu sein schien. Tatsächlich schien sie noch weniger in diese Gesellschaft zu passen, als die unpassenden Sklaven.


    Als sein Herr nach den Speisen verlangte, unterdrückte Sciurus einen Stoßseufzer, und er fragte sich, weshalb er den Verlauf des Festtages so detailliert hatte planen müssen, wenn Gracchus nun selbst alles durcheinander brachte. Da die Bediensteten jedoch Weisung hatten, auf jedes Gebot zu reagieren, wurden alsbald die Vorspeisen aufgetragen und auf den Tischen platziert. Es gab mehrere Platten mit Schätzen aus den Tiefen des Meeres, Austern und Venusmuscheln, schwarze und weiße Schalentiere und zu Ringen geschnittenen Tintenfisch, goldbraun gebacken. Daneben eine Schüssel voll dampfendes Omlett mit im Herbst getrockneten Eierschwammerln, eine Platte in dünner Streifen geschnittene Eberlende, gebettet auf Weinbeeren, und mehrere Teller voll hartgekochter Eier, garniert mit einer Haube aus grünen Kräutern und Pinienkernen.

  • Auf den ersten Blick war Rutger nicht wiederzuerkennen, als er auf der Cena der Flavier erschien – sauber gewaschen, ordentlich rasiert, in eine rote Tunika mit breitem vergoldetem Gürtel gekleidet, erinnerte wenig an den zerlumpten und dreckigen Gefangenen, den Flavius Aristides am Vortag in die Villa zurückgebracht hatte.
    Auf den zweiten Blick fiel die bleiche Gesichtsfarbe auf, die roten Schürfspuren an den Handgelenken, und die frisch verheilte Schwertwunde, die sich wulstig an seinem linken Unterarm entlang zog. Eine düstere Glut stand in den dunkel umschatteten Augen des jungen Germanen, dessen Blick etwas Fahriges, Flackerndes angenommen hatte.
    Gerade erst war er dem Tode sehr nahe gekommen, zwar lebte er noch, doch ihm war klar, dass, wenn kein Wunder geschah, es nur ein Aufschub sein konnte vor der unvermeidlichen Hinrichtung. Das Bewusstsein, dem Tode geweiht zu sein, lag über ihm wie ein dunkler kalter Schatten, zuweilen lähmend, dann wieder stachelte es seinen Hunger auf das Leben um so mehr an.
    Doch zu einer ausgelassenen Cena gehört ja auch das Memento Mori, und Rutger war da eine ganz gute Verkörperung davon.


    Hocherhobenen Hauptes trat er in den Saal und ließ seinen Blick über die versammelten Menschen schweifen. Und verwundert musste er sich eingestehen, dass Hrannyp-hall tatsächlich die Wahrheit gesprochen hatte – Flavier und Sklaven feierten, anscheinend einträchtig, zusammen ein Fest. Wie absurd.
    Mit einem leichten Kopfschütteln näherte er sich der Gesellschaft, vorbei an den Musikantinnen, und einen Moment lang starrte er unangenehm berührt auf die Flötistin, die ihre Finger flink über ihre Tibiae hinweggleiten ließ, dem Instrument nasale Töne entlockte, und Erinnerungen aufscheuchte an Ereignisse, an die Rutger besser gar nicht mehr denken wollte.
    Halbverborgen von einer Säule blieb er stehen und suchte mit den Augen nach Arrecina. Und sah sie. Wunderschön. Auf einer weichgepolsterten Kline. Umringt von ihrer Familie. An der Hand einen kleinen Jungen, der eifrig auf sie einredet. Umgeben von jedem erdenklichen Überfluss, köstlichen Speisen, bunten Gewänden, duftenden Kerzen, kunstvollen Mosaiken und spiegelndem Mamor.
    Ferner denn je erschien sie ihm in diesem Moment, und doch, sagte er sich, war das dieselbe Arrecina, die nicht gezögert hatte, als er sie fragte, ob sie mit ihm in den Norden kommen würde…oder nicht? War es nicht doch alles nur ein hitziger Wahn gewesen, geboren aus Fieber, Abhängigkeit und Gefahr…. Wenn ja, dann hielt ihn dieser Wahn jedenfalls noch fest in seinen Klauen.
    "So ein Irrsinn…" murmelte Rutger leise, und sah in diesem Moment, wie Arrecina sich an die Stirn griff, und unauffällig die Flucht ergriff.
    Er folgte ihr mit den Augen. Einen Augenblick wollte er noch warten, dann versuchen, ihr unbemerkt zu folgen. Von dem Tablett eines vorbeieilenden Dieners nahm er sich einen Weinbecher und trank, während Unmengen von opulent beladenen Platten aufgetragen wurden.

  • Nichts entging Sciurus, auch nicht die Flucht der Herrin Arrecina. Ein wenig beneidete er sie, stand es ihr doch frei zu gehen, während er den Anschein von Freiheit verbreiten musste, die nichts als eine Farce war. Noch während sein Blick zurück zu der versammelten Tischgesellschaft glitt, bemerkte er den Schatten nahe der Tür, der sich im nächsten Augenblick löste und sich zu einer seltsamen Gestalt wandelte. Es hatte den Anschein des Germanen, doch auf den ersten Blick ließ nichts auf jenen schließen, ganz abgesehen davon, dass es völlig absurd war, dass er nicht in den Carcern verrottete. Und doch bestand kein Zweifel. In einer geschmeidigen Bewegung, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, löste sich Sciurus von der Kline und war mit wenigen Schritten bei Rutger angelangt.


    "Wer auch immer dich aus deinem Loch gelassen hat, er wird dafür bezahlen." zischte er dem Sklaven mit einem eiseigen Tonfall zu, griff nach dem Becher und riss ihn aus Rutgers Händen, dass der restliche Wein über den Rand schwappte und in großen, dunkelroten Tropfen zu Boden fiel. "Mach, dass du verschwindest." Er deutete mit seiner Hand aus dem Raum hinaus.

  • Der kleine Disput zwischen den Sklaven hatte Gracchus' Aufmerksamkeit auf sich gezogen und eine missbilligende Falte auf seine Stirne gelegt. Als Sciurus den Germanen schließlich des Raumes verwies, sprang sein Herr ein, wenn auch nicht auf.
    "Sciurus!"
    Seine Stimme durchbrach die familiäre Stimmung und durchschnitt sie wie ein scharfes Messer das frische Brot. Augenblicklich versteifte sich das Rückgrat seines Sklaven, obwohl dieser heute kein Sklave war. Tadelnd schüttelte Gracchus den Kopf und sprach wie mit einem begriffstutzigen Kind.
    "Hast du es noch immer nicht begriffen, Sciurus? Hast du noch immer nicht den Geist der Saturnalia durchdrungen? Komm her, setzt dich wieder und beruhige dich. Wer ist sein Herr? Egal ..."
    Er bedachte seinen Sklaven mit einer wegwerfenden Handbewegung und wandte sich mit einem beinahe amüsierten Lächeln Rutger zu.
    "Wie ist dein Name? Nun, wie auch immer, bona Saturnalia! Komm her und setzt dich zu uns. Greife nur zu, so gut wirst du nicht oft in deinem Leben speisen."
    Möglicherweise wäre der Geist der Saturnalia nur halb so wichtig gewesen, hätte Gracchus gewusst, welchen Sklaven er damit an die Tafel geholt hatte. Doch Sciurus war der einzige, dessen Gesicht und Name er sich merkte, alles andere war für ihn nur Inventar des Hauses, obwohl er durchaus der Meinung war, Rutger schon einmal gesehen zu haben. Das blonde Haar, das blasse Gesicht, welches durch die leuchtend grünen Augen durchbrochen wurde, die durch die dunklen Ringe darum nur noch mehr Betonung erlangten, der schlanke Körper, die aufrechte Haltung, von dieser Art Sklaven konnte es gar nicht genug in der Villa geben. Zudem war er ausgesprochen gut gekleidet, sein Herr musste für das Mahl Vorkehrungen getroffen haben.

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  • Serenus schaute hungrig in Richtung Essen. Schließlich hatte er bis auf einen Saturnalienkeks und ein klitzekleines Frühstück heute noch nichts gehabt. Er seufzte.


    “Jetzt gibt es sicher wie in Baiae auch die Tradition, daß jeder zu Beginn des Essens ein Saturnaliengedicht aufsagt, damit er auch anfangen kann. Und der Kleinste fängt wie immer an. Das bin ich schon gewöhnt. Und meine Geschenke für die Familie gibt es erst nach dem Essen.”


    Serenus räusperte sich und ließ seine helle Kinderstimme im Raum erklingen.


    Forum und Straßen stehn verlassen,
    Still erleuchtet jedes Haus,
    Sinnend geh ich durch Romas Gassen,
    Alles sieht so festlich aus.


    Und ich wandre aus den Mauern
    Bis hinaus aufs Martinsche Feld,
    Hehres Glänzen, göttliches Schaudern!
    Wie so weit und still die Welt!


    Sterne hoch die Kreise schlingen,
    Aus des Schnees Einsamkeit
    Steigt`s wie wunderbares Singen -
    O du gnadenreiche Saturnalienzeit!


    Zufrieden registrierte Serenus, daß der Bedienstete seinen Becher immer gut gefüllt hielt – natürlich mit Honigwasser. Dann ließ er es sich gut schmecken und griff beherzt bei der Eberlende und den Eiern zu. Und mal noch eine Auster zum versuchen. Er mochte das glibberige Innere nicht so. Aber sie war in der Tat gut.


    Er schaute seinen Vater an. Jetzt war er an der Reihe mit einem Gedicht. Seine Schwester war kurz raus gegangen. Vermutlich studierte sie noch mal schnell ihr Gedicht ein.


    Am Rande registrierte er den Rüffel von Sciurus durch Onkel Gracchus. Er nahm den neuen Sklaven zur Kenntnis, den er nicht zuordnen konnte. Vermutlich gehörte er als Leibsklave einem Familienmitglied hier. Dann fiel Serenus ein, daß Onkel Gracchus ja gesagt hatte, daß er SEINE Geschenke auch einem Sklaven geben könnte. In diesem Fall war der Name jedes Sklaven hier am Tisch aber wiederum wichtig für Serenus, damit er ihm SEIN Geschenk zur Not wieder nach den Saturnalien abnehmen konnte. Vor allem, wenn es ein Löwe war. Oder sogar ein kleiner Bär. Ja, Bären waren ganz besonders putzig. Und Sciurus kannte er bereits. Der gehörte zu Onkel Gracchus. Und Hastrubal oder so ähnlich gehörte Papa.


    “Sklave, der du im Moment kein Sklave bist! Wie ist dein Name?” fragte er Rudger direkt und ließ ein weiteres Ei in seinem Mund verschwinden.

  • Es überraschte Rutger überhaupt nicht, dass Sciurus ihn gleich wieder rauswerfen wollte. Natürlich war er hier nicht willkommen.
    Wütend machte es ihn trotzdem. Mit versteinerter Miene packte er die Hand, mit der Sciurus ihm den Becher entrissen hatte, und drückte zu, fest und fester, am liebsten hätte er ihm die Knochen zermalmt. "Gewürm. Du bist nur Gewürm." knurrte er leise, mit abgrundtiefer Verachtung dem Mann entgegen, der offensichtlich auch ein Germane war, und dabei ein Lakai der Römer.
    Doch dann fiel ihm sein Schwur wieder ein – er durfte ja niemanden angreifen – und er löste den Griff, wollte sich schon zum Gehen wenden, als Gracchus einschritt.
    Mit skeptisch zusammengekniffenen Augen hörte Rutger seine Worte. Was für ein ganz und gar widersinniger Brauch, dachte er wieder, und trat auf die Aufforderung hin doch näher.
    "Ich danke für die Einladung." sagte er mit zynischem Lächeln zu Gracchus und setzte sich auf sehr unrömische Weise auf eine Liege, den Ellbogen auf die Lehne gestützt, ein Bein angezogen. Als erstes verhalf er sich zu einem neuen Becher Wein, dann - da er nicht vorhatte, vorher ein Saturnaliengedicht aufzusagen – zu einem Stück Fleisch. Beides war köstlich. Er kaute, und betrachtete die bizarre Versammlung mit einer düsteren Faszination, musterte dann den kleinen Jungen, der vorhin bei Arrecina gesessen hatte.
    "Ich bin Rutger Thidriksohn von den Hallvardungen. Und wer bist du?"


  • „Perlen! Ich liebe Perlen!“ Leontia ließ die Kette lächelnd durch die Finger gleiten, begeistert von ihrem matten Glanz, der Regelmäßigkeit und der Harmonie der verwendeten Elemente. „Ein wunderschönes Stück, ich danke dir von Herzen, Lucius!“ Und wie gut es zu der Tunika passte, die sie heute gewählt hatte, als hätte er es geahnt. Sie strich sich eine duftige Locke aus dem Nacken, löste den Verschluss ihrer Tigeraugen-Kette, und legte sie achtlos zur Seite, um das neue Geschmeide gleich zu tragen. Kühl schmiegten sich die Perlen an ihre blasse Haut, und lächelnd fuhr sie mit den Fingerspitzen über sie hinweg, wandte sich dann an eine Bedienstete. „Hol mir bitte einen Handspiegel.“ Und als die es wagte, erst noch ihren Krug zur Seite zu stellen, schob sie ein herrisches „Sofort!“ hinterher.


    Serenus hochtrabende Pläne ließen sie milde schmunzeln. Auch sie hegte keinerlei Zweifel daran, daß er es mal sehr weit bringen würde. „Die große Grüne…“ wiederholte sie leise Furianus’ Worte. „Woher stammt dieser Ausdruck eigentlich?“ Cassius hatte ihn auch benutzt. Verklärt erzählte sie: „Einmal bin ich, auf einer Bootspartie, in einer Bucht mit ganz klarem Wasser über einen Wald von Seetang hinweggefahren. Er wogte im Wellengang, wie ein richtiger Wald, und man konnte die perlmutternen Muscheln auf dem Grund blitzen sehen, die Seeanemonen und die bunten Fische… da war es wirklich ganz grün, das Meer. Dann wiederum prangt es in den herrlichsten Blautönen, die – zu meinem Bedauern - kein Färber jemals nachahmen können wird. Oder es droht uns mit seinem bleiernen Grau, und manchmal ist es wirklich weindunkel wie bei Homer…“


    Nachdenklich spielten ihre Finger mit der Perlenkette. „Bisweilen frage ich mich, ob es wirklich das Meer ist, das seine Farbe ändert, oder ob es vielleicht nur wir sind, die immer wieder einen anderen Eindruck davon gewinnen… - ah, da ist ja endlich der Spiegel.“ Sie betrachtete sich in der silbernen Scheibe, und freute sich an dem Zusammenspiel der rubinroten Akzente der Kette mit der dunkelroten Rohseide ihrer Tunika und den goldenen Stickereien. Als Gracchus seine Stimme erhob, blickte sie kurz neugierig zu dem gerügten Sklaven, und gerührt hörte sie wie Serenus sein kleines Gedicht aufsagte. Wie schön, wie in Baiae. Nur Tante Agrippina fehlte.

  • „Ein sonderbarer Name, so unrömisch. Stammst du aus den barbarischen Ländereien hinter den Alpen? Und ein langer Name. Ein Sklave mit Stammbaum. Das ist echt sehr ungewöhnlich. Dein Eigentümer scheint sehr tolerant zu sein, dass er Dir noch einen Stammbaum zugesteht, wo ein einfacher Vorname es doch auch tut. Mein Hund hat auch einen Stammbaum. Nero Maximus von der Trauerweide, aus der Zucht des berühmten Laborinus in Baiae. Interessanterweise darf er aber selbst an den Saturnalien nicht mit an den Tisch, aber Sklaven schon. Dabei hat er die edelste Herkunft.“


    Er schielte zu Onkel Gracchus, aber der schien seinen Wink mit der Säule, dass sein Hund an den Saturnalien ruhig neben die Kline dürfe, zu ignorieren. Er wandte sich wieder an den Sklaven.


    „Mein Name ist Flavius Serenus, Sohn des berühmten Flavius Aristides, einem Helden und ranghohem Offizier der Legio I in Mantua.“

  • Die Lyraspielerin vermochte es in jenen Momenten Marcus völlige Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. Nein, sie war weder dunkelhäutig und aus den Landen Africas, noch war sie eine Schönheit. Ihre Hakennase und ihre etwas zu eng stehenden Augen hätten Marcus eher abgeschreckt, doch ihr Spiel bezauberte Marcus völligst. Ihre Finger glitten virtuos über die wenigen Seiten ihres Instrumentes, entlocktem diesem jedoch die wundervollsten Töne. Wenn es etwas gab, worin Marcus ein Schöngeist war, dann die Musik. Lächelnd und nur am Wein nippend lauschte Marcus dem, registrierte nicht die kleine Wortgeplänkel zwischen Gracchus und Serenus, jedoch auch zwischen Furianus und Leontia genausowenig. Gracchus riß ihn mit seinem Geschenk völlig aus den Gedanken und seinem entzückten Lauschen. Verwirrt- ja war denn schon die Geschenkezeit?- nahm Marcus die hölzerne Schatulle entgegen und öffnete diese. Verblüfft blinzelte er auf den Dolch herunter. Von Hannibal persönlich? Marcus war im Höchsten Maße beeindruckt.


    "Ich danke Dir, Gracchus. Das ist ein wunderschönes Geschenk! Ein herrlicher Dolch! Und wie gut, daß dieser Dolch dem elenden Feldherren abgenommen wurde! Er wird mir sicher Glück gegen die Barbaren bringen."


    Marcus lächelte ehrlich erfreut darüber. Sicherlich hatte der gute Hannibal, sein Sklave, an ein passendes Geschenk für Gracchus gedacht. Schnell spähte Marcus in sein Geschenkkörblein und lächelte erleichtert, als er ein kleine Holztäfelchen mit dem Namen: „Gracchus“ an einem der Geschenke entdeckte. Schwer war es, schnell ertasteten Marcus Finger was es sein könnte, Schriften, so viel war klar, doch sonst war er ahnungslos. Wehe Hannibal würde sich wieder einen Scherz erlauben, vor einigen Jahren hatte er damit Marcus in ziemliche peinliche Momente gebracht- außer bei seiner eigenen Mutter, da hatte Marcus nie und nimmer in all den Jahren je ein Geschenk vergessen. Lächelnd reichte er Gracchus das Geschenkpaket, was in feinem weißen Lammleder gehüllt war und an den Seiten mit goldenen Ornamenten bemalt. Darin waren einige Schriftrollen enthalten, die ebenfalls je in gestärktem, dunkelbraunen und gewachsten Leder gehüllt waren, geschmückt mit feinsten und rotem Stoffkappen. Darin enthalten waren Schriften aus Petronius' Satyricon, besonders die amüsanten Stellen über die Eifersüchteleien von Askyltos und Giton oder anderen doch eindeutigen Stellen von Gracchus Neigung. Ebenso jedoch auch jener griechischer Auszug von dem Gastmahl des Trimalchio. Dazu in einer Schriftrolle waren die sorgfältige und elegant kopierte Kopie des satirische Hirtenliedes von Horaz.


    "Bona Saturnalia, Manius. Wie man von Dir weiß: Nulla dies sine littera. Ich hoffe, sie werden anregend sein!"


    Gerade wollte Marcus weiter die Geschenke verteilen, Leontia, Furianus, Minervina, seine Kinder. - keiner sollte vergessen werden. Doch da bemerkte er, daß seine Tochter entschwunden war. Ja, wo war sein Sonnenschein denn jetzt schon wieder? Und dann fiel sein Blick auf Rutger. Sein vom Wein, der Wärme und dem familiären Trubel leicht gerötetes Gesicht wurde blass, vor Zorn. Wer...wer, bei Plutos heiligen Hallen, hatte es gewagt, den Germanen rauszulassen und auszustaffieren wie einen Höfling Neros? Marcus griff fester um seine Lehne, das Holz protestierte leise gegen diese grobe Behandlung. Gracchus? Bei der Begrüßung zu vermuten!!! Doch dann fiel Marcus Blick auf Hannibal, sah ein süffisantes Lächeln bei diesem. Finster und eiskalt sah Marcus seinen Sklaven an, das würde dieser noch bereuen. Mühsam kämpfte Marcus mit seiner Beherrschung, war er doch froh, daß seine kleine Arrecina in jenem Moment nicht da war. Augenblicklich hörte er seinen Sohn, der munter das Gedicht aufsagte und seinen Blick auf seinen Vater warf. Irritiert, noch sehr angespannt wandte er den Blick zu seinem Jungen. Ein Gedicht? Wahrscheinlich erwartete sein Sohnemann das. Dummerweise fiel ihm nur folgendes ein:


    "Welch eine Nacht, ihr Götter und Göttinnen!
    Wie Rosen war das Bett! Da hingen wir
    Zusammen im Feuer und wollten in Wonne zerrinnen!
    Und aus den Lippen flossen dort und hier,
    Verirrend sich, unsre Seelen in unsre Seelen!-
    Lebt wohl ihr Sorgen!
    Wollt ihr mich noch quälen?
    Ich hab' in diesem entzückenden Sekunden,
    Wie man mit Wonne sterben kann, empfunden!"


    Das ging natürlich nicht, drum kam ihm nur ein oft zitiertes Gedicht aus seiner Jugend.


    "Ach, wir armen Menschlein klein!
    Alle werden wir so sein;
    Bleibt von uns nichts als Gebein!
    Darum laßt uns lustig sein,
    Wein herbei! Schenkt ein, schenkt ein! Bona Saturnalia...entschuldigt mich bitte mal kurz!"


    Marcus stand auf, wie sehr war er doch versucht den Dolch des Feldherren Hannibals in den Hals des Germanen zu stoßen, aber das würde nur eine widerliche Sauerei am Tisch ergeben und ein Schwein hatten sie schließlich schon geopfert. Trotzdem ging Marcus an dessen Kline vorbei, beugte sich vor.


    "Du kannst Fortuna danken, daß heute Saturnalia sind, Germane. Doch ein falsches Wort, eine falsche Bemerkung und ich reiß Dir mit einem Löffel Deine Gedärme raus!"


    Dann richtete sich Marcus auf und folgte seiner Tochter, suchte nach ihr erst im Gang ehe er sie an den Säulen ausmachen konnte. Besorgt beugte er sich zu ihr runter, wagte es immer noch nicht, sie zu vertraulich zu berühren.


    "Kleines, ist Dir nicht gut?"

  • Gespannt löste Gracchus das weiße Leder und förderte daraus umständlich die Schriftrollen zutage. Eine nach der anderen entrollte er, besah sich Titel und Inhalt und seine Augen funkelten belustigt.
    "Wundervoll, ich danke dir, Marcus. Äußerst trefflich, wie immer, und ganz sicher äußerst anregend."
    Aristides war einer der wenigen Menschen, die mehr von Gracchus' Neigungen wussten, als bloße Andeutungen oder Vermutungen. Während seiner Zeit in Achaia war es unvermeidlich gewesen, dies nicht herauszufinden, denn die Gelage, welche er mit Aquilius dort ausgerichtet hatte, und welchen sich auch Gracchus nicht enziehen konnte, oder wollte, hatten so manches ans Licht gebracht, was besser im Verborgenen geblieben wäre. An die blamabelsten Vorfälle erinnerte sich Gracchus ob des übermäßigen Weinkonsumes jener Abende glücklicherweise nicht mehr, doch es brachte ihn jedes mal in ausgesprochen unangenehme Verlegenheit, wenn Aquilius ihn damit neckte, welcher sehr viel mehr Wein als er vertrug und sich an einige Details nur allzu genau erinnerte. Mit einem flüchtigen Blick bedachte Gracchus die Familie und bei einer ganz bestimmten Person bemerkte er, wie anregend schon der Gedanke an den Inhalt der Schriftrollen war. Antonia dagegen war noch immer nicht anwesend, was es ihm nicht gerade einfacher machte, seine Gedanken in sittsamen Gefilden zu halten. Da Aristides den Raum verlassen hatte, wandte sich Gracchus mit dem nächsten Geschenk an Furianus und mit einem tadelnden Blick an seine Base.
    "Leontia, meine Liebe, hast du auch darauf geachtet, dass dein Neffe ein Saturnaliengedicht aufsagt? War es nicht immer so, dass die Kinder erst hernach ihre Geschenke bekamen? Zumindest in unserer Zeit war dies so, wenn ich mich recht daran erinnere."
    Jene Zeit war natürlich auch die Kindheit Furianus' gewesen, während Leontia zu dieser Zeit wahrscheinlich noch kaum dazu in der Lage gewesen war Gedichte zu rezitieren. Doch die Verschiebung der Generationen in den einzelnen Zweigen der Flavia, teilweise sogar in den einzelnen Familien, war für Gracchus schon immer ein Grund zur Erheiterung gewesen - vorausgesetzt, sein Neffe, der älter war als er, fing nicht damit an, ihn Onkel zu nennen.
    "Nachdem dein Vetter mit solch vortrefflichen Worten vor- und dein Onkel nicht weniger elegant nachgelegt hat, wird es für dich schwer werden, Furianus. Ich hoffe, du findest deine Mühe angemessen entlohnt."
    Ohne ein Gedicht abzuwarten schob Gracchus ein unförmiges Paket zu Furianus hinüber. Es war eine in weichen Stoff verpackte, kleine, bronzene Statue der Wölfin und den beiden Zwillige Romulus und Remus, welche Gracchus mit großer Sorgfalt und Umsicht tatsächlich selbst für seinen Vetter, der eigentlich sein Neffe war, ausgesucht hatte.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Sciurus Augen brannten vor Hass. Er biss seine Zähne fest aufeinander, unterdrückte ein Grollen und setzte sich steif auf die Kline zurück. Für diese Demütigung würden noch jemand bezahlen und nun saßen schon zwei von diesen am Tisch. In Gedanken abwesend rieb er sich den Knöchel, dort, wo Rutger zugedrückt hatte. Manches mal war sein Herr ein Narr. Er sollte sich besser um seine verkommene Familie kümmern und die Sklaven ihm überlassen. Doch dieses vermaledeite Fest schien nicht nur die Stände aufgelöst zu haben, sondern auch manche Vernunft. Gracchus hatte sich in den Kopf gesetzt, ein perfektes Saturnalienfest zu feiern, koste es was es wolle. Hätte Sciurus geahnt, was es alles kosten würde, so hätte er sich an den Vorabenden mehr bemüht, es ihm auszureden. Doch nun war es zu spät. Mit Argusaugen behielt Sciurus neben den Bediensteten und Hannibal nun auch noch den Germanen im Blick und sorgte dafür, dass weiterhin alle Becher gefüllt waren. Von seinem Recht als Rex Bibendi die Weinmischung zu verstärken würde er erst später gebrauch machen. Da ihm Meeresbewohner auf seinem Teller zutiefst zuwider waren, nahm sich Sciurus nur von dem Fleisch, während um ihn herum das Geschenkeverteilen weiter seinen Lauf nahm.

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