Arbeitszimmer | Gracchus

  • "Eine stumme Gemahlin? Der Gedanke hat etwas interessantes an sich, aber ich glaube, eine sprechende Frau ist mir dann doch lieber," meinte ich zu seinem Vorschlag und sann kurz über die Familien nach, die für eine Ehe überhaupt in Frage kamen. Mit den Claudiern waren wir nun über Manius verwandt, und die Tiberier wären über Furianus an die Flavier gebunden, blieben nur noch die Aurelier, falls es dort eine passende junge Frau überhaupt gab - ich würde Corvinus einmal fragen müssen, wenn ich mich denn überhaupt zu dieser elenden Heiraterei würde durchringen müssen.
    "Antonia ist doch eine angenehme Frau," führte ich den Gedanken fort. "Sie ist klug, scheint von ihren Ansichten her nicht zu modern zu sein und sie verfügt über ein hinreißendes Lächeln. Ich würde fast sagen, sie ist an eine solche Farce verschwendet, aber ich denke, sie hätte es auch sehr viel schlechter treffen können als einen Mann, der sie des nachts nicht aufsucht." Ja, eine Frau wie Claudia Antonia wäre wirklich nicht schlecht, überlegte ich und beobachtete meinen Vetter ein wenig,immerhin schien er sich derzeit halbwegs mit seiner Situation arrangiert zu haben. Nur die Frage des Erben blieb bestehen und würde bestehen bleiben, solange diese Ehe währte.


    "Es ist nur schade, dass Aristides derzeit nicht hier weilt, sonst könnten wir unsere alten Gewohnheiten wieder vollkommen aufleben lassen, der Brummschädel nach einer weinseligen Nacht mit inbegriffen," zog ich ihn ein wenig auf und schmunzelte bei der Erinnerung an einen Manius, der sich mit mir gemeinsam im Verbund erbrach. Es passierte sehr selten, aber es war passiert und wir hatten beide recht elend ausgesehen. Ich hatte mich wieder an ein Bruchstück erinnert, fiel mir auf, und das ließ zumindest ein wenig Hoffnung zurückkehren. Vielleicht würde alles irgendwann zurückkehren, wenn man es durch Worte und Taten weckte, als würde einfach ein Teil meines Kopfes schlafen und ruhen. Allerdings, die letzten Worte meines Geliebten rissen mich dann doch wieder heftig aus meinen Gedanken und katapultierten mich in die weit wesentlich weniger angenehme Gegenwart zurück. Calpurnia war gestorben? Ich der letzte der hispanischen Flavier? Das konnte nicht möglich sein.


    "Das ist unmöglich," sagte ich leise und schüttelte den Kopf. "Sie können nicht alle tot sein, ich bin nicht der letzte Flavier aus Hispania." Aber je mehr ich meine Gedanken zwang, mich zu erinnern, irgendwelche Namen auszuspucken, desto weniger Erfolg hatte ich dabei. Hatte er denn Recht? War es möglich? Oder spielte mir mein Gedächtnis einen unerfreulichen Streich?
    "Sie wollte doch diesen .. Plebejer heiraten. Wie kann sie da tot sein?" Diese Erkenntnis überforderte mich schlichtweg. Nicht, dass ich mich groß an sie erinnert hätte, ich hatte nur dunkel blondes Haar in Erinnerung und ein recht geringschätziges Lächeln, wie es vielen Frauen unserer Familie im Blut lag. Aber ich der Letzte? Ich würde allein schon deswegen heiraten müssen, um die Linie zu wahren - oder sie aussterben lassen, weil ich es so wollte. Mehrfach blinzelte ich und hielt mich schließlich an der Wand fest. "Wie kam sie zu Tode, weisst Du das?"

  • Wie sein Vetter über seine Gattin sprach, ließ Gracchus aufhorchen. Es gab kaum eine Frau, von welcher Aquilius anders sprechen mochte, und doch zwängte sich ein Gedanke in Gracchus' Sinne, welchen er nicht einmal wollte anzudenken wagen, weshalb er sich augenblicklich darum bemühte, ihn keinen digitus weiter zu denken, denn er wusste nur allzu genau, dass Caius kaum Bedenken haben würde, dies für ihn weiter zu denken, doch Gracchus war sich dessen nicht sicher, ob er dies tatsächlich wollen könnte. Ohnehin nickte er nur noch marginal auf seines Vetters Bedauern ob der Abwesenheit ihres Vetters, bis Aquilius erstarrte und sich der Realität entgegen stemmte, woraufhin Gracchus' Nicken zu einem Kopfschütteln über wechselte.
    "Ich weiß es nicht. Sie hatte sich von allem in Hispania abgewandt, andernfalls hätte sie diese Villa auch nicht mehr betreten, und weilte kurze Zeit hier in Roma. Anschließend reiste sie weiter, gen Süden wie ich meine, und ist dort auf irgend einem Landgut verstorben, woran, kann ich dir nicht sagen. Ich habe es selbst nur eher zufällig über mein Aufgabe als Decemvir litibus iucandis erfahren, vermutlich hielt man es nicht für notwendig, uns zu unterrichten, und dich konnte man nicht auffinden."
    Langsam trat Gracchus zu seinem Vetter und hob die Tabula.
    "Du wirst ihre Sklaven fragen können, denn sie gehören nun dir. Ebenso wie alles andere, was Calpurnia hinterlassen hat. Es ist meine Pflicht als Decemvir, dich davon in Kenntnis zu setzen, dass du das Recht hast, dieses Erbe abzulehnen, in diesem Fall geht es an den Staat über. Doch als dein Vetter, und mehr noch als dein Freund sage ich dir, dass du es ohne Bedauern annehmen kannst und wirst. Deine Familie hat dir wenig gegeben, Caius, niemand hat sich nach dem Tod deines Vaters um deine Zukunft geschert, allen voran nicht dein Bruder, dessen Aufgabe und Pflicht es gewesen wäre. Es war ihnen nur Recht, dass dein Erbe gerade ausreichte um deine Jugend in Achaia zu beenden, vermutlich hätte es nicht einmal dazu ausgereicht, wären wir nicht beide dort gewesen, und ich bezweifle wahrhaftig, dass dann irgendjemanden die Sorge umtrieben hätte, was aus dir geworden wäre. Was du bist, verdankst du einzig und allein dir selbst, Caius, darum ehre deine Ahnen, aber ergieße dich nicht in allzu viel des Bedauerns über das Dahinscheiden deiner näheren Verwandtschaft, und gedenke der Tatsache, dass erst nun, da alle anderen der Linie des Atticus vergangen, dass erst nun diese Familie bereit ist, dir etwas zu geben."
    Auffordernd hielt Gracchus seinem Vetter die Tabula hin.


    Flavia Calpurnia


    Stand: sui iuris
    Berechtigte Erben: Caius Flavius Aquilius, Onkel
    Erbmasse:
    ~ 2030,42 Sesterzen
    ~ ca. 1 Heredium Grundbesitz (Hispania)
    ~ größere Mengen an Warenbeständen
    ~ Betriebe: O&C Wolle, Käse, schwarze Schafe (Schäfer); Calpurnias Schlammgrube (Tongrube); Kleines Malmaleins (Maler)


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  • Seine Worte strichen an mir vorbei, ohne dass ich sie hätte greifen wollen, ich blickte nur auf das Täfelchen hinab und versuchte, irgend etwas zu empfinden. Sie war immerhin meine letzte lebende Verwandte gewesen, und nun war ich der letzte hispanische Flavier. Mein Bruder und meine Schwester waren längst dahin, ebenso wie meine Eltern, und nun ... so viel blieb also von einem Menschen, wenn er starb. Einige Betriebe, ein Warenlager voll mit irgendwelchem Krempel, Grundbesitz und Sesterzen. Aber erinnern konnte ich mich deswegen nicht leichter an Calpurnia, es war so vieles in meinem Gedächtnis hinweggewischt, dass ich leise seufzen musste, nicht zuletzt aus einem vagen Anflug von Müdigkeit. Es schien, als wollten mich die Ereignisse überrollen, jetzt, da ich wenigstens wieder wusste, in welche Toga ich eigentlich gehörte.
    "Ich nehme die Erbschaft an, Manius, aber nicht der Familie wegen. Es ist gut so, wie es war, wenn ich meinen Weg alleine schaffe, muss ich wenigstens niemandem danken, und niemand bestimmt meinen Weg ausser mir selbst." Langsam griff ich das Täfelchen und starrte auf die darin eingedrückten Buchstaben, als könnten sie Calpurnia und damit auch meine Erinnerungen wieder lebendig machen, doch blieb die Schrift Schrift und das Loch in meiner Erinnerung vorhanden.


    "Ich weiss zwar nicht so wirklich, was ich mit all diesem Besitz anfangen soll, aber ... irgend etwas wird sich schon finden, und sei es nur, um Deiner politischen Karriere im Zweifelsfall auszuhelfen, Manius. Wahrscheinlich hätte sie es gewollt, dass es der Familie zugute kommt, soweit sie noch existiert, zumindest hoffe ich das. Immerhin war sie eine Flavia, keine Plebejerin." Ich blickte langsam zu ihm auf und atmete tief ein. "Was bedeutet, der Familiensitz steht nun auch leer und alle Ahnenmasken befinden sich dort ohne Aufsicht und Verehrung durch einen der unseren. Ich werde nach Hispania reisen müssen, um dort alle Angelegenheiten zu regeln, ich habe es zu lange vor mir hergeschoben, scheint mir, und nun schreit es geradezu nach einer Lösung. Was würdest Du mir raten? Ich will die Ahnenmasken nicht gerne dort lassen, aber wenn ich sie mit mir nehme, dann ... dann bin ich nichts mehr, kein hispanischer Flavier, nur noch irgendein Mitglied dieser Familie, der nirgendwo zuhause ist." Und das war es, was eigentlich schmerzte, nicht zu wissen, wohin man gehörte. Ausser ihm gab es keinen Menschen mehr, der mich vielleicht willkommen geheißen hätte.

  • Vermutlich ohne dass Aquilius sich dessen bewusst war, trafen seine Worte Gracchus tief. Er senkte den Blick, starrte gleichsam seines Vetters auf die Tafel als wäre dort der Weisheit letzter Schluss verborgen, als würde darin Freiheit liegen, als wäre ein solches Schicksal der Garant für Glück. Doch er wusste, dass dem nicht so war, und Aquilius würde dies früher oder später erkennen, erkennen müssen. Was würde dann bleiben? Freundschaft würde bleiben, immerhin, und die Bereitschaft seines Freundes ihm mit seinem auf solche Weise vermachten Erbe aushelfen zu wollen, ehrte Gracchus, doch gleichsam zeigte es ihm, dass sein Vetter noch immer nicht bereit war, irgend einen Weg für sich selbst anzudenken.
    "Du bist hier zuhause, Caius. Dein Großvater wurde in diesem Hause geboren, dein Vater wurde hier geboren und war hier zuhause, bevor es ihn nach Hispania zog. Ihnen kannst du im Atrium in die Augen blicken, selbst dein Vater gehört ebenso in diesen Haus, wie dies der meinige oder jener von Aristides und Felix tut. Du bist hier nicht weniger zuhause als ich, denn was nützen mir die paar Jahre, welche ich gegensätzlich zu dir zu Beginn meines Lebens in diesem Hause verbrachte? Flavier kommen und gehen, und immer geht der Besitz an den ältesten von ihnen, gleich welcher der Stammlinien, denn dies hier ist unser Ursprung, in diesem Haus keimten schon die Samen der flavischen Kaiser, hier war es, wo sich die ersten zarten Blätter des Vespasianus aus der Erde empor hoben und hier war es, wo er seinen Sohn Titus vom Boden hob, welcher ihm später auf den Kaiserthron folgte. Villen gibt es viele, in Hispania, in Italia, Achaia, sogar Gallia, doch zuhause werden wir immer in Rom sein, gleich wo es uns hin zieht. Werde dir deiner Wurzeln bewusst, Caius, und du wirst weder irgendwer sein, noch ein hispanischer Flavier, sondern Caius Flavius Aquilius, Sohn des Aulus Flavius Atticus, Sohn des Marcus Flavius Romulus, Spross einer Familie, aus deren Mitte Götter entsprangen."
    Ein mildes Lächeln kräuselte Gracchus' Lippen ob dieser Worte, um ihnen ein wenig die Schwere zu nehmen.
    "Deine Ahnen lass meine Sorge sein. Ich erwähnte bereits, dass Minervina in Hispania ist? Ich werde dafür Sorge tragen müssen, dass sie sicher zurückkehrt, dabei wird sich auch die Gelegenheit finden, die Ahnenmasken mit nach Rom zu holen, denn hier ist ihr Platz, gleichsam dem deinen. Dem Vilicus der Villa kannst du einen Brief schreiben, wenn du dies möchtest, werde ich mich auch darum kümmern. Das Haus und die Ländereien aufzugeben wäre töricht, eines Tages wirst du vielleicht tatsächlich Gefallen daran finden, und selbst wenn nicht, so ist es überaus fruchtbares Land, welches dich noch in deinem Alter nähren wird. Doch deine persönliche Anwesenheit und ein übereilter Aufbruch sind sicherlich nicht vonnöten. Warte, bis Minervina wieder hier ist, falls deine Person in Tarraco wider Erwarten von dringender Notwendigkeit ist, so wird sie dies berichten. Wegen der Betriebe wirst du dich bei den Aedilen melden müssen, sie werden die Überschreibung tätigen und die Einhaltung der diesbezüglichen Gesetze beaufsichtigen. Die Überschreibung des Vermögens und der Ländereien werde ich veranlassen."

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  • "Dieses Haus mag der Ursprung aller Flavier sein, Manius, aber man hat uns doch immer spüren lassen, dass das Verhalten einiger Mitglieder meines Familienzweigs gänzlich für die Bewertung aller maßgeblich war. Nun sind alle tot, die damals falsch gehandelt haben mögen, und ich bin der Letzte - und ich weiss nicht, wieviel unserer eigenen Identität als hispanische Flavier verloren gehen wird, wenn ich mich wieder dem Hauptzweig anschließe. Mein Vater hat für sich und seine Familie entschieden, nach Tarraco zu gehen, und diese Entscheidung, ob sie nun falsch oder richtig war, muss ich respektieren, wenn ich ihn ehren will. Sein Weg soll nicht vergessen werden, und das wird er, wenn ich mich hier vollkommen einpasse und vor mich hin lebe," sagte ich nachdenklich und spielte mit dem Täfelchen in meinen Händen herum, sodass es mir fast auf den Boden gefallen wäre. Es war einfach schwer zu erklären, wieviel familieninterne Ablehung man mit den Jahren erfahren konnte, nur weil ein oder zwei hispanische Flavier den falschen Weg gegangen waren. Daran erinnerte ich mich leider noch nur zu gut, aber wer würde solche Abneigung auch einfach vergessen?


    Langsam hob ich den blick und sah ihn direkt an, bevor ich nickte. Wenn Minervina ohnehin in Hispania weilte, war es sicherlich besser, dass sie nach dem Rechten sah, und wenn mein Besuch immernoch nötig sein würde, würde ich eben dorthin reisen. Der vilicus meines Vaters war eigentlich ein fähiger Mann gewesen und ich würde mich erkundigen, ob er noch immer das Land gut bewirtschaftete. "Ich danke Dir, Manius, es tut gut zu wissen, dass Du da bist und mir in der Regelung dieser Angelegenheit beispringst. Es ist lange her, dass ich mir um den Nachlass eines Verwandten irgendwie Gedanken machen musste, und es kam sehr überraschend. Seltsam, wie schnell das Leben vergehen kann, ohne dass man den entsprechenden Menschen wirklich gekannt hat. Und nun .." Ich verzog ein wenig das Gesicht und atmete tief ein. "... werde ich mich wohl wirklich ernsthaft mit dem Gedanken einer Heirat beschäftigen müssen. Selbst wenn ich mein Kind mit Orestilla formell adoptiere, braucht es doch immer eine Frau im Haus, die sich als Mutter um das Kind kümmert, und eine peregrina kommt dafür nicht in Frage. Am Ende wird mein Sproß dann ein solcher Wanderer zwischen den Welten wie Furianus, und das ist absolut inakzeptabel. Wirst Du mit mir auf Brautschau gehen? Ich könnte mir keinen besseren Ratgeber wünschen als Dich."

  • Obgleich Gracchus selbst die hispanischen Flavier in seinem Leben noch nie wirklich hatte willkommen geheißen, so zählte er doch weder seinen Vetter hierzu, noch traf sein Vorwurf den Zweig des Atticus im Allgemeinen oder auch alleinig.
    "Du solltest dir den Familienstammbaum bei Gelegenheit noch einmal genau zu Gemüte führen, Caius. Dein einziger Fehler ist es, der Bruder eines Mannes zu sein, welcher mit seinen Nachkommen den Ruhm unserer Gens nicht unbedingt zu mehren wusste. Einen Bruder kannst du dir jedoch in den seltensten Fällen aussuchen."
    Gerade in diesem Fall hatte Gracchus selbst die Bürde seiner eigenen Familie zu tragen.
    "Ein Mann kann entscheiden sein Kind anzunehmen oder nicht, doch ist es dem Leib seiner Gattin entsprungen, welcher Mann würde dies nicht tun, wohnt doch jedem kleinen Leib die Unschuld der Seele inne? Gänzlich anders stellt sich dies jedoch im Falle der Adoptio dar, denn in diesem Falle kann und sollte ein Mann bewusst, weise und vorausschauend wählen. In diesem Falle trifft das Vergehen andere Bewohner dieses Haushaltes um einiges schwerer als dich, das solltest du niemals vergessen."
    Im Grunde genommen war jeder der Zweige der Familie eine kleine Katastrophe für sich, doch Gracchus glaubte nicht, dass dies in dieser Hinsicht um andere Familien besser stand, denn waren nicht bereits die Kaiserhäuser schon immer ähnlich durchwachsen gewesen?
    "Du solltest immer das Andenken deines Vaters ehren, doch du bist du nun das Oberhaupt einer Familie und du bestimmst, welchen Weg sie fortan einschlagen soll."
    Ein wenig beneidete Gracchus seinen Vetter, denn egal, wohin dieser Weg Aquilius führen würde, da er seine Familie erst gründete, würde sie ihm überall hin folgen, während er selbst versuchte, den Weg des Vespasianus fortzuführen und seine Geschwister auf die vorgetrampelten Pfade zu lenken, was ob ihrer Einsicht nicht immer einfach war. Andererseits würde er jedoch vermutlich auch keinen anderen Weg einschlagen, würden seine Geschwister nicht mit ihm gehen. Schließlich jedoch lächelte Gracchus ein wenig belustigt.
    "Du schätzt wohl meinen Rat, weil ich dir nicht eine Frau aussuchen werde, die anziehend ist, sondern eine, die tatsächlich eine favorable Verbindung darstellt? Nun, du kannst dich auf mich verlassen, mein Freund. Die Arbeit als Decemvir bietet den Vorteil, sich ungeniert durch die Stammbäume des Imperium Romanum bewegen zu können. Ich werde sehen, ob sich nicht etwas passendes finden lässt und mich auch sonstig ein wenig umhören."

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  • "Das Problem der Brüder, die einen anderen Weg gehen als man selbst, ja, wir beide kennen das zur Genüge," meinte ich sinnierend und betrachtete Gracchus von der Seite, ein kurzes Lächeln auf meinen Lippen. Ob er wusste, wie ausgesprochen viril sein Profil wirkte, wie anziehend diese geschwungenen Lippen, die er doch so oft zu einem eher spöttischen Lächeln kräuselte, welches so viel von dem zu beinhalten wusste, was ihn am Leben nicht gefallen konnte. Gerade jetzt war es für mich unglaublich schwer, ihn nicht einfach zu berühren, nicht einfach für einen Moment meinen Kopf an den seinen zu legen, um unsere innere Übereinstimmung durch körperliche Nähe zu vervollkommen - nicht auf der Basis des Verlangens, sondern der des Vertrauens. Aber ich wusste ebenso gut, dass er ein solches Ansinnen zurückgewiesen hätte, und versuchte, mich mit diesem Gedanken irgendwie abzufinden. "Es ist ein sehr seltsamer Gedanke, dass nach so langer Zeit die weitere Bewertung meiner Familie alleine von meinen Handlungen und meinen Entscheidungen abhängen wird. Bisher hat es sich recht gut damit gelebt, eben einer unter vielen zu sein und sich um den Rest nicht mehr zu kümmern. Aber jetzt ist der Rest verschwunden, und es hängt von mir ab, was sein wird. Ich könnte niemals heiraten und den hispanischen Zweig aussterben lassen, irgendwie amüsant, nicht wahr? Ich weiss genau, mein Vater würde aus dem orcus zurückkehren und mich verfluchen, würde ich es tun, aber ... zumindest für einen Moment lang hatte diese Vorstellung etwas sehr lustiges an sich."


    Als sich das Gespräch jedoch wieder den Frauen zuwandte, schmunzelte ich unwillkürlich. "Ach Manius, Du weisst doch genau, dass ich auch physische Vorzüge an einer Frau zu schätzen weiß. Aber wenn es darum geht, eine Frau aus edler Familie zu heiraten, muss man bisweilen doch die einen oder anderen Abstriche vornehmen - eine Frau, die mich nicht tödlich durch ihr dummes Geschwätz langweilt und deren Art mich lachen lässt, wäre mir immernoch lieber als eine Schönheit, der die Dummheit in ihrem Geplapper allzu deutlich voraus leuchtet. Ich werde wohl eine ganze Weile mit dieser Frau zubringen müssen, und wenn ich unbedingt eine schöne Frau brauchen sollte, kann ich sie mir auch für eine Nacht kaufen, in sofern ... Klugheit, ein angenehmes Wesen und vielleicht noch Geschmack und gutes Benehmen stehen bei mir höher im Kurs. Vielleicht eine Aurelierin oder eine Frau aus dem Haus der Tiberier, die Claudier sind uns inzwischen denke ich genug verbunden, als dass wir dort weiter suchen müssten, und Du weisst selbst, dass eine Plebejerin nicht in Frage kommt, auch wenn dort sicherlich die Auswahl viel größer sein dürfte und damit leichter fiele." Ich verschränkte die Arme langsam vor der Brust und sann eine Weile dem Gedanken nach, der sich mir blitzartig eröffnet hatte - zu den Aureliern hatte ich meine eigene Verbindung, vielleicht würde sich dadurch etwas eröffnen lassen.

  • Eine Ernsthaftigkeit breitete sich über Gracchus' Gesicht aus, die nicht recht zum vorherig spöttelnden Ton passen wollte, gleichsam spannte sich sein Körper unter der Tunika an, was Aquilius, welcher ihn mehr als gut kannte, sicherlich mochte auffallen.
    "Spaße nicht über die Manen, Caius, denn wenn sie dich heimsuchen, hast du nichts mehr zu Lachen."
    Er wollte diese Thematik beenden, noch bevor sie eine Chance hatte, sich auszubreiten, denn Aquilius würde ihn womöglich nur für verrückt halten. Doch Gracchus wusste, dass er nicht verrückt war, dass der rastlose Geist seines Vaters mehr als nur an den Lemuria aus dem Elysium herüber flüsterte und seit der unsäglichen Neumondnacht, an welcher er sich in dilettantischer Weise am Banne Arrecinas Fluch versucht hatte, spürte Gracchus die unsichtbare Kette, welche ihn mit den dunklen Reichen verband, und an deren Ende eine ganze Reihe von Ahnen und Geistern, Manen, Lemuren und Larven hingen und zogen und zerrten und rüttelten. Er hatte sich diese Kette in seiner Naivität selbst angelegt und obgleich er viele Texte studiert hatte, so hatte sich doch nichts gefunden, wie dies gelöst werden konnte, ohne noch tiefer in den Sumpf aus magischem Okkultismus zu geraten, welcher ihm, wie jedem anständigen Römer, völlig zuwider war.
    "Ich bin sicher, du wirst deiner Familie mehr als Ehre bereiten, nein, ich bin nicht nur dessen sicher, ich weiß es genau. Es steckt viel mehr in dir, als du meist zu akzeptieren bereit bist, du siehst über deine Vorzüge hinweg, als wäre dies alles nichts wert, doch wenn du erst einmal entschieden hast, welchen Weg du gehen willst, so wird dich nichts mehr aufhalten können."
    Es waren nicht nur die leeren Worte eines Freundes, Gracchus war dessen überzeugt, denn obgleich Aquilius das Leben oft leicht nahm, so steckte doch ein zielstrebiger, harter Flavier in ihm. Einzig durch seinen umtriebigen Hang zum anderen Körper, des weiblichen oder männlichen Geschlechtes, stand er sich so manches mal selbst im Weg. Ob seines Vetters Vorstellungen überlegte Gracchus, in welche der Kategorien Antonia fallen mochte, angeblich war sie gebildet, intelligent, beredt und durchaus humorvoll, doch da sie kaum mit ihm kommunizierte und wenn, dann nur in kurzen Antworten oder aber in Farce für die Öffentlichkeit, so mochte er dies nicht beurteilen. Obgleich er ihre Schönheit wohl als einziges völlig an ihr zu schätzen wusste, so wünschte sich Gracchus doch manches mal, dass sie stattdessen sich ein wenig wortgewandter und ihm gegenüber offener würde zeigen. Noch nie hatte sie einen Scherz gemacht, welcher ihn hatte Lachen lassen, nicht einmal als vordergründiges Amüsement, ihre Worte gereichten ihm wenn überhaupt zu einem Gefühl, dann nur zu Unwohlsein, Inferioritätsbefürchtung oder aber schauerlichem Grausen, dann, wenn sie seinen Praenomen auf die ihr eigene, kaltherzig-vorwurfsvolle Art aussprach. Gracchus verschränkte gleich seinem Vetter die Arme vor der Brust, hob jedoch nur Sekunden später eine Hand und begann an seiner Unterlippe zu kneten.
    "Eine Aurelia hätte tatsächlich Vorteile, ebenso wie eine Tiberia. Ich habe versucht Minervina Tiberius Durus schmackhaft zu machen, aber sie hat ein wenig verquerte Vorstellungen von ihrer Pflicht und ist zudem furchtbar uneinsichtig, darum bin ich nicht sicher, ob dies Zukunft hat, da auch Tiberius nicht endlos warten wird, obgleich er dem durchaus nicht abgeneigt war. Wusstest du, dass Aurelius Cicero eine Tochter hat? Du erinnerst dich sicher an ihn, er leistete mit mir die Quaestur ab, ich glaube, derzeitig ist er Comes von Italia, womöglich ist er ein Mann mit Zukunft. Nun, es fiel mir im Stammbaum der Aurelia auf und blieb mir so deutlich in Erinnerung, da ich damals nicht einmal wusste, dass Aurelius überhaupt verheiratet ist. Seine Tochter dürfte im besten Heiratsalter sein, sofern für sie noch keine Verbindung geplant ist, wäre sie womöglich einen Blick wert, und falls sie es wert ist, so wird uns auch keine geplante Verbindung stören, denn sofern sie nicht an einen Ulpier versprochen ist, wird sich die Aurelia kaum eine Absage an unsere Gens leisten können."

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  • Statt einer Antwort zu seinen Worten lächelte ich einfach, da ungebrochene Vertrauen des Mannes, den ich liebte, in meien Person, war anscheinend deutlich größer, als ich es jemals geahnt hatte - es einfach so zu hören tat seltsam gut und wärmte mein Herz mehr als es jede Liebeserklärung hätte tun können. Sachte legte ich meine Hand für einen Moment auf seinen Unterarm und drückte diesen, mit einer Geste ausdrückend, was ich nicht sagen konnte und durfte, sollte nicht die Stimmung zwischen uns wieder sorgenvoll und schmerzhaft werden - und daran war mir nun wirklich nicht gelegen. Bevor die Nähe für ihn zu unangenehm werden konnte, nahm ich die Hand auch wieder fort und blickte wieder hinaus ließ mir seine Worte über eine Verbindung mit den Aureliern durch den Kopf gehen. Schlecht wäre es sicher nicht, und eine weitere Patrizierfamilie enger an unser Haus zu binden konnte von Vorteil sein, immerhin steckte genug altes Geld in dieser gens, und allzu einflusslos waren sie auch nicht. Warum also nicht, irgendeine Farce von Ehe würde ich wohl auch noch hinbekommen, wenn es schon Manius gelang, den Schein aufrecht zu erhalten.


    "Minervina ist vielleicht einfach noch zu jung für eine Ehe zum Vorteil der Familie, in diesem Alter sind sie doch alle wild auf Liebesehen und dergleichen Schwachsinniges, in sofern ... lass ihr etwas Zeit, nach der ersten oder zweiten gescheiterten Verliebtheit und einem Blick auf gut verheiratete Frauen ihres Alters wird sich das sicher wieder geben. Wa Aurelius Cicero angeht, an den erinnere ich mich durchaus, ich habe ihn glaube ich, auch ein-, zweimal auf dem forum reden gehört ... nicht auffällig, aber annehmbar. Sicher kein Familienzweig, mit dem verbunden zu sein eine Schande wäre, weil sie zu reaktionär sind oder etwas in der Art. Wenn es Dir möglich ist, etwas über sie zu erfahren, wäre ich über etwas Schützenhilfe sehr dankbar, den Rest muss ich dann wohl selbst erledigen, inzwischen wäre eine Heirat mit mir sogar vom Vermögen her nicht abzuschlagen, wenn man Calpurnias Erbe bedenkt und das, was ich bisher gespart habe." Seltsam genug, ich hatte tatsächlich gespart, und während meiner Abwesenheit hatten auch meine Betriebe, durch verlässliche Verwalter geführt, einigen Gewinn erwirtschaftet ... wenn ich bedachte, wie mittellos ich noch vor einem Jahr dagestanden hatte, war es ein Wandel von links nach rechts gewesen.

  • Die unerwartete vertraute, beinahe zärtliche Geste seines Vetters ließ Gracchus' einen Augenblick schwanken, wie so oft, ließ gleichsam Begierde und Bedauern erwachsen, Empfindung aus Scham und Schwärmerei, Gefühl von Verlangen und Verlust. Ein Herzschlag nur, eine Hand auf seinem Arm, und alle Mauern brachen um ihn herum, als würde die Erde sich um ihn auftun und sie verschlingen, alle Barrieren zerbarsten wie unter dem Ansturm einer Armee, und all jene fest gefassten Entschlüsse und Vorsätze zerplatzen wie schimmernde Seifenblasen. Würde sein Innerstes sich nach Außen kehren, von Gracchus wäre in diesem Augenblick nicht mehr übrig geblieben, als ein Häufchen Staub, zu welchem er zerfallen war, doch da noch immer der Körper als Hülle des Menschen bestehen blieb, stand er nur da, ungerührt, den Blick starr auf Aquilius gewandt, der mit seinen eigenen Augen längst sein Heil in der Flucht in den Garten suchte. Tiefer Scham überkam Gracchus, als er sich schlussendlich derangiert blinzelnd des Geschehens in sich selbst bewusst wurde, denn immer wieder gab er sich der trügerischen Hoffnung, dem allen widerstehen zu können, dies endgültig aus sich vertrieben zu haben, nur um schlussendlich ob solch marginaler, unbedeutender Nebensächlichkeiten völlig die Contenance zu verlieren. War er darauf vorbereitet da er seinem eigenen Antrieb folgte, so konnte er genießen, was nicht durfte sein, doch plötzlich unerwarteten Überraschungen war Gracchus seit jeher nicht gewachsen. Aquilius' Worte ob dergleichen Schwachsinnigkeiten zogen durch seinen Geist, als würde Caius sein Innerstes blicken und ihn zu Anstand mahnen.
    "Du ... magst Recht haben."
    Trockenheit hatte sich in Gracchus' Kehle ausgebreitet ob des vielen Staubes seiner Person, er schluckte und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, noch immer leicht derangiert und nicht mehr sicher, was es noch zu sagen galt. Hochzeiten, Vermögen, Erbschaften, Erben - Farce auf Farce, Belanglosigkeiten, und doch alles, was zählte. Es drängte Gracchus mit einem Mal, dem allen zu entkommen, doch im Grunde versuchte er nur, seinem Vetter zu entkommen.
    "Sorge dich nicht allzu sehr darum, keine Familie kann es sich leisten, dich abzuweisen. Doch nun sollte dies alles ohnehin deine geringste Sorge sein, Caius, du solltest erst einmal wieder ein ganzer Patrizier werden, bevor du über solche Dinge nachdenkst."
    Ein feines Lächeln kräuselte Gracchus' Lippen, versuchte die Spur des Bedauerns in seinen Augen zu überdecken, denn wäre nicht alles so viel einfacher, könnte Aquilius seinem Stande entkommen, könnte er gleichsam mit ihm seinem Stande entkommen? Doch gleichsam waren allein solcherlei Gedanken bereits zu müßig, um sie anzudenken, was Gracchus doch nie davon abhalten konnte, sie immer wieder zu denken.

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  • Ich nickte langsam, und irgend etwas in seinen Worten stimmte mich traurig. War es der Tonfall, oder war es die Tatsache, dass ich genau wusste, wie es um uns beide stand und uns doch in diesem Augenblick eine selbstgeschaffene Kluft trennte, die nicht zu überwinden war? Nichts hätte ich lieber getan, als ihn noch einmal mir nahe zu fühlen, aber ich stand wie festgewurzelt und blickte hinaus, im Garten mit meinem Blick nach irgendeinem Sinn in meinem Leben suchend, der niemals dort auftauchen würde.


    "Ein ganzer Patrizier werden," wiederholte ich ihn nachdenklich und seufzte dann leise. Es klang seltsam leer, und ich wusste in diesem Augenblick, dass ich wohl nie diesem Bild entsprechen würde, welches man gemeinhin von einem Patrizier zu haben schien, das Vorbild, der starke, aufrechte, durch nichts zu erschütternde Mann, die aufrechte Säule und Stütze eines Staates ... dafür zweifelte ich viel zu sehr an den Menschen. Und warum brachte er ausgerechnet das zur Sprache? Etwas sein zu sollen, was man nicht wirklich sein konnte? Er war doch selbst auf seine Weise ein Wanderer zwischen den Welten, zwischen dem Zwang der Pflicht und dem Wunsch, so sein zu dürfen, wie man empfand.


    "Vielleicht hast Du Recht." Mit einem Mal wollte ich alleine sein, alleine mit meinen Gedanken, mit meiner Erinnerung und den tausend Lücken in meinem Kopf, die sich vielleicht irgendwann wieder mit Gesichtern und Begebenheiten füllen würden, vielleicht niemals wieder. Es würde niemals wieder so sein, wie es gewesen war, unsere Unschuld hatten wir längst verloren, und an meinen Schmerz, den Wunsch zu sterben, erinnerte ich mich noch viel zu gut. "Manius, ich habe Dich lange genug von Deiner Arbeit abgehalten - ich sollte mich wohl ein wenig ausruhen, langsam fühle ich mich doch erschöpfter, als ich es gedacht hätte." Ich wandte den Kopf langsam wieder in seine Richtung, blickte ihn eher flüchtig als zu direkt an, fast, als müsste ich fürchten, was ich in seinen Augen lesen könnte.

  • Nichts konnte Aquilius in Gracchus' Augen sehen, denn noch als er den Kopf umwandte, drehte sich Gracchus fort und strebte langsam dem Schreibtisch zu. Ein leises
    "Ja,"
    war alles, was er sagte, alles, was er noch sagen konnte, ohne sich selbst zu vergessen. Vergessen. Caius hatte vom verführerischen Vergessen gekostet und Gracchus wünschte, er hätte sich nicht müssen erinnern. Ein einfacher Mann mit einem Weib, das er glaubte zu lieben, einer Familie, seiner einfachen, aber erfüllenden Arbeit - eine Frace, und doch kaum weniger als sein eigenes Leben. Er wollte ihm der Freund, der Vertraute sein, den Caius nun brauchte, doch er stand sich nurmehr selbst im Wege dabei. Konnte er seinen Geist zwingen, ihm zu gehorchen, sein Körper ging doch seiner eigenen Wege, verbarg letztlich auch den Geist hinter einem Schleier wie aus feinem Nieselregen. Für den Bruchteil eines Augenblickes haderte er mit dem Gedanken, den Körper von seiner Last zu befreien, dem unbändigen Drängen nachzugeben, nur ein einziges Mal, nur einmal und dann nie wieder, doch so schnell der Gedanke aufgekommen war, schob er ihn hinfort, wusste er doch selbst nur all zu genau um seine Schwächen und würde er einmal von der verbotenen Frucht gekostet haben, so würde er nicht wieder davon ablassen können und wollen. Und doch musste es einen Weg geben, einen, der ihnen ein Miteinander bot, ohne aneinander zu vergehen, denn ebenso, wie Gracchus wusste, dass er an Caius' Nähe zugrunde gehen konnte, so wusste er, dass er an Caius' Ferne zugrunde gehen würde. Es drängte ihn danach, seinen Vetter um Verzeihung zu bitten, die Worte bahnten sich bereits ihren Weg, doch er schwieg, schluckte sie hinab in die tiefe Dunkelheit seines Selbst, denn wie oft wollte er um Verzeihung bitten für etwas, das keine Vergebung würde finden können? In ihm tobte ein endloser, immerwährender Kampf und Gracchus fürchtete, gleich wie die Schlacht würde ausgehe, er würde nur immer auf der Seite der Verlierer stehen. Je mehr er sich nach Caius sehnte, desto mehr fürchtete er mit jenem allein zu sein, und je mehr er sich davor fürchtete, mit ihm allein zu sein, desto mehr sehnte er sich nach ihm. Er stützte sich auf die Tischplatte, jede Faser seines Körpers angespannt wie die Saiten einer Kithara - eine unachtsame Bewegung nur mochte ausreichen, um sie zum Zerreißen zu bringen - und wartete auf das Geräusch der sich entfernenden Schritte, das Schließen der Tür und die erlösende, doch gleichsam erdrückende Stille des Alleinseins.

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  • Ich brauche Dich, flüsterten meine Gedanken, flüsterte mein innerstes Sein, das, was ich war, was ich immer sein würde. Ich brauche Dich, Manius, ich will niemanden außer Dir, weisst Du denn nicht, dass ich überall das suche, was mir Deine Augen versprechen, und ich es nirgends finden kann? Aber ich sprach die Worte nicht aus, verbarg sie tief in meinem Inneren, verschloss sie dort, damit er sie niemals hören würde. Als ich mich für das Leben entschieden hatte, war auch die Entscheidung gefallen, diese Worte nicht auszusprechen, ihnen ein eisernes Band meines Willens umzulegen, um sie zu zähmen und zum Schweigen zu bringen, damit es für mich und ihn nicht schwerer werden würde, als es war. Und doch, in Augenblicken wie diesen war es fast unmöghlich zu schweigen, es zu schlucken, die Bitterkeit, nicht sprechen zu dürfen, schnürte mir die Kehle zu und ich vermochte es nicht einmal, sein 'Ja' zu beantworten, ich nickte ihm nur zu und wandte mich langsam um, langsam genug, dass er mich jederzeit zurückhalten konnte, wenn er es nur wollte, hoffend, er würde es tun, ahnend, dass er schweigen würde wie ich. Dafür kannte ich ihn zu gut, fühlte zu tief, um nicht doch immer wieder diese irrationale, sinnlose Hoffnung zu hegen, und sie doch immer wieder selbst zu zerstören.


    Jeder Schritt schmerzte, zeigte mir, wie frisch die Wunde unserer Liebe in mir noch war, und als sich der dunkelhölzerne Türrahmen wie eine Faust näherte, die nach meinem Herzen griff, hätte ich vor Zorn und Frustration schreien mögen, doch blieb ich still. Wäre ich doch niemals in diese meine Haut geboren worden, wäre ich sein Sklave, hätte ich ihn lieben dürfen, ihm ganz gehörenn dürfen, doch wir waren uns ebenbürtig, belauert von der Gesellschaft, beobachtet von jedermann, und damit so unfrei wie jene, die einen Ring um den Hals trugen, um ihren Stand zu offenbaren. Als mich der Flur verschluckte, atmete ich tief durch, und noch immer hoffte ich, auf nur ein einziges Wort, nur eines, das mir zeigte, dass auch er ... litt. War das die eigentliche Bedeutung von Liebe? Zu leiden?

  • Das leise Schlagen der schweren Türe in den hölzernen Rahmen hallte wie ein Bersten in Gracchus' Kopf wider, es schien ihm, als müsse die Villa um ihn herum in sich zusammen fallen, als müsse die Welt in ihre Bestandteile zerfallen, als würde sie verschlungen in einem Spalt, welchen die Unterirdischen für sie auftaten. Doch nicht die Welt, nicht die Villa zerbarst, nichts um Gracchus herum, einzig in ihm, das Gebäude aus Gedanken und Erinnerungen, der Palast aus tausenden Zimmern, die endlosen Gänge, verborgenen Räume und Archive seines Selbst. Langsam trat er um den Schreibtisch herum, ließ sich schwer in den Stuhl dahinter sinken, stützte die Ellenbogen auf die Knie und ließ seinen Kopf auf die Hände herab. Vor seinem inneren Auge konnte er sie sehen, die Trümmer des Flügels, in welchem alles bewahrt und konserviert war, was Caius betraf, jeder Augenblick mit ihm, jeder Odeur, jeder Anblick, jedes Empfinden und jeder Gedanke. Er hob ein hölzernes Schwert aus dem Schutt heraus, ein Indiz der Leichtigkeit früherer Tage, strich mit den Fingern vorsichtig durch den Staub und malte ein Muster. Einige Schritte weiter fand er eine der Rollen beschrieben mit Literatur aus dem alten Achaia. Wie konnte verwerflich sein, was dort beschrieben stand, wie konnte die ihrige Welt so fern jener sein? Gracchus hob einen Kelch auf, aus welchem rotfarbene Flüssigkeit rann. Wann war aus ihnen geworden, was aus ihnen geworden war? Hätte gar anderes aus ihnen können werden, oder war nicht ohnehin fest bestimmt, wo ihr Weg begann und wo er endete? Gracchus wusste es nicht. Er wusste es nie. So begann er den Staub beiseite zu wischen, all die Erinnerungen aufzuräumen, die Gedanken zu sortieren und Stein um Stein zurück an seinen Platz zu stellen, das Gebäude neu zu errichten, stärker als zuvor, stabiler, und doch unendlich filigran, wie das zarte Geflecht, welches ihn mit seinem Vetter verband, verkettete. Wie oft dies auch notwendig war, würde werden, wieder und wieder würde er dies verrichten, nichts könnte ihn je davon abhalten, die Schätze, welche Caius ihm geschenkt hatte, in seinem Innersten zu bewahren, war ihnen doch mehr nicht vergönnt.

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  • Müde und ausgelaugt ließ sich Gracchus auf den hölzernen Stuhl mit der ledernen, dunkelrotfarbenen Bespannung hinter dem großen Schreibtisch sinken und die Schultern hängen. Obgleich er froh darüber war, endlich in der flavischen Villa zu Rom angelangt zu sein, so lasteten doch die vergangenen Wochen schwer auf seinem Gemüt. Zudem schmerzte sein Steiß ob des langen Rittes von Baiae her, denn obgleich es seiner noch immer ein wenig geschwächten Kondition wäre zuträglich gewesen, in einer Sänfte zu reisen, so hatte sich Gracchus doch gegen dies entschieden, da ihm bereits der Gedanke an das kontinuierliche Schaukeln wahrhaft degoutant erschienen war. Es war die Handlung des Reisens an sich, an welcher sich Gracchus hatte noch nie goutieren können, doch so es notwendig war, so schien ihm sogar ein solch langer Ritt zu Pferd nur agreabel im Vergleich zu Sänfte oder Schiff, welches er von Vorneherein als völlig unmöglich hatte ausgeschlossen. Tief durchatmend sann Gracchus über die Widrigkeiten des Reisen nach, als er sich erstaunt der Füße seines Sklaven gewahr wurde, welche sich langsam in den unteren Rand zur Rechten seines Blickfeldes hatten geschoben. Manches mal ängstigte es ihn, dass Sciurus gleich den Laren und Penaten beinahe lautlos an ihn herantreten konnte, nicht etwa des Sklaven wegen, doch eher aus der Befürchtung heraus, dies wäre das Versäumnis seiner eigenen Sinne, so dass auch jeder anderen Person dies mit ein wenig Mühe nur möglich sein könnte.
    "Sieh nach, ob meine Schwester Minervina im Hause ist und ob sie ein wenig Zeit erübrigen kann."
    Nachdenklich hob er seine Hand und begann an seiner Unterlippe zu kneten, versuchte seine Gedanken zu Ordnen und eine Reihenfolge in all jene Dinge zu bringen, welche getan werden mussten.
    "Doch sie soll nicht hierher kommen. Ich werde sie aufsuchen, so es ihr genehm ist. Und Caius, sieh nach ob Caius da ist. Er soll jedoch ebenfalls nicht hierher kommen."
    Unter allen Umständen wollte er vermeiden, dass Aquilius ihn würde überraschen können und dass es erneut zu einer solch desaströsen Situation wie zuletzt würde kommen.
    "Antonia benachrichtigst du nur, dass ich wieder hier bin, ihr wird dies ohnehin nur von marginalem Interesse sein. Gib dabei Acht auf ihren Körper und unterrichte mich davon, wenn es noch immer notwendig ist, sie am Abend aufzusuchen. Solltest du dagegen eine Gravida vorfinden, so finde heraus, ob ihre gegenwärtigen Umstände mit der Zeit meiner Abwesenheit in Übereinklang zu bringen sind. Es muss nur annäherungsweise passen. Doch wenn es unmöglich ist ..."
    Er ließ den Satz unbeendet. Jeder Erbe würde ihm derzeitig halbwegs genehm sein, selbst wenn Antonia ihn wenige Tage nach seiner Abreise mit irgendwem gezeugt haben sollte, doch ein Kind, welches ganz offensichtlich - vor allem vor Rom offensichtlich - nicht von ihm stammen konnte, dies würde er unmöglich annehmen können und dafür Sorge tragen, dass jene Schmach nicht erst das Licht der Welt würde erblicken.
    "Anschließend finde heraus, was geschehen ist - in der Villa, in Rom und in der übrigen Welt, sofern es mich tangieren könnte."
    Nachdem Sciurus den Raum hatte verlassen, wandte sich Gracchus der leeren Tischfläche vor sich zu. Er würde Briefe versenden müssen - an Aristides, um ihm von den deplorablen Umständen zu berichten, und an Serenus, aus gleichem Grunde und anderen. Welch wahrhaft formidabler Junge Marcus' Sohn doch war - er hatte ihm völlig Unrecht getan, da er nach Aristides' Äußerungen angenommen hatte, Serenus würde sich trotzig nach Baiae absetzen oder eigensinnige Gedanken entwickeln, wie etwa der Legion beizutreten oder ähnliches. Dabei saß Serenus längst in Aegyptus und widmete sich philosophischen Studien - so denn Agrippina in dieser Hinsicht zu trauen war, doch gab es keinen Anlass Gegenteiliges anzunehmen.
    "Marcus ist wahrlich zu beneiden"
    , sprach er zu sich selbst und ließ seine Hand sinken. Einzig die Aussicht, den armen Jungen aus seinen Studien reißen und ihm jene gefährliche Reise über das Mare Internum zumuten zu müssen, betrübte Gracchus.

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  • Vergeblich mühte sich Gracchus mit den Worten auf dem Pergament vor sich ab, doch ein Ergebnis, mit welchem er zufrieden war, wollte ihm nicht gelingen. Er zerriss das Pergament, hob es schließlich über die Flamme der Öllampe vor sich, auf dass es Feuer fing, und hielt es bis dass die Flammen beinahe seine Finger erreicht hatten. Den Rest ließ er achtlos in den Becher mit Wein zu seiner Seite fallen, wo das Feuer zischend verglühte. Sich zurücklehnend betrachtete er sodann die Decke über sich als könne er dort jene Worte finden, welche in seinem Geiste fehlten, als könne er dort die Wahrheit über die Welt entdecken. Noch immer starrte er in solcher Weise hinauf als sein Sklave erneut den Raum betrat und sich mit einem leisen Räuspern ankündigte. Gracchus nickte.
    "Deine Schwester befindet sich augenblicklich nicht in der Villa, sie ist nicht einmal in Italia, sondern weilt in Aegyptus."
    "Aegyptus? Was macht sie in Aegyptus? Ist denn alle Welt von diesem Lande besessen?"
    "Erinnerst du dich nicht, Herr? Sie wollte nach Aegyptus reisen und nach ihrer Rückkehr einen passablen Ehemann heiraten."
    Gracchus' Miene hellte sich ein wenig auf, nur um einen Herzschlag später erneut von Defätismus überschattet zu werden.
    "Ja, ich erinnere mich. Ich werde mit Tiberius Durus sprechen müssen, er wird nicht ewig warten. Aber nicht vor der Bestattung."
    "Wäre es nicht ohnehin besser, die Rückkehr deiner Schwester abzuwarten?"
    "Nicht der Hochzeit wegen, sie selbst hat dies in meine Hände gelegt. Doch sie wird ohnehin zuvor der Bestattung wegen zurückkehren."
    Gedankenverloren kaute Gracchus auf seiner Unterlippe herum und überlegte, welchen Brief er sich sparen konnte, denjenigen an Serenus oder denjenigen an Minervina, kam jedoch zu dem Schluss, dass er beiden einige Worte würde schreiben müssen.
    "Wie steht es um Antonia?"
    Eine Spur von Bangen schwang in seiner Stimme mit.
    "Sie ist noch immer nicht guter Hoffnung, Herr, doch bei gutem Befinden."
    Ein schweres Seufzern echappierte Gracchus' Kehle. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen, gab sich den Gedanken hin, wie wunderbar es wäre, wenn zumindest dies aus der Welt geschaffen wäre.
    "Leontias Leibsklavin, dieses dunkelhäutige Wesen, ist sie in der Villa?"
    "Salambo? Nein, deine Base hatte sie nach Ravenna zu ihrem Vater gesandt. Vermutlich ist sie noch dort."
    "Zu Aetius?"
    Gracchus stöhnte leise auf. Vielleicht war es besser, eine andere Sklavin zu suchen. Andererseits war sie perfekt, geradezu prädestiniert für sein Ansinnen. Er würde auch Aetius einen Brief senden müssen, ohnehin.
    "Caius?"
    "Derzeitig in der Stadt, vermutlich verrichtet er seinen Dienst im Tempel." 'Oder vergnügt sich mit einer Frau', dachte Sciurus, sprach dies jedoch nicht aus und wusste darum nicht, dass ähnliche Gedanken - Befürchtungen geradezu, denn mit Vergnügungen in Bezug auf einen anderen Mann - sich kurzzeitig im Geist seines Herrn hatten manifestiert.
    "Nun denn, so bleibt mir auch hier eine Schonfrist."
    Von einem dünnen Stapel nahm Gracchus ein neues Blatt Pergament und begann erneut mit dem Brief an seinen Vetter.

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  • Minervina öffnete langsam die Türe und klopfte dabei. Sie wusste, dass ihr Bruder alleine war, die Sklaven zählten nicht. Einer von ihnen hatte ihr mitgeteilt, dass er wieder in Rom war.
    Ägytpus hat ihr wieder Energie gebracht, auch wenn es keine lukrative Reise gewesen war, den ihre Amme hatte sie nicht gefunden. Nun war es Zeit die Hochzeit zu planen. Gut, dass er schlussendlich einverstanden war mit der Verbindung mit dem Prätorianerpräfekten.

  • Gleich seinem Kopf hob sich Gracchus' rechte Augenbraue da er hörte, wie nach dem Klopfen sogleich die Türe wurde geöffnet, doch senkte sie sich alsbald wieder, als dem Öffnen seine Schwester Minervina folgte. So war sie denn zurück von ihrer Reise nach Aegyptus. Langsam legte Gracchus die Schriftrolle, welcher er sich noch eben hatte mit größter Aufmerksamkeit gewidmet - einem Bruchstück einer Abschrift Anaximenes' Werkes Über die Natur- zur Seite, und bereitete sich einen Augenblick innerlich auf das Gespräch vor, welches würde folgen, musste folgen ohne Zweifel, bis seine Schwester die Mitte des Raumes hatte überschritten.
    "Minervina"
    , grüßte er sie.
    "Ich hoffe, die Reise war agreabel. Hast du meinen Brief erhalten?"

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  • Sim-Off:

    handlung spielt nach dem gespräch mit crassus, i.o.?


    Ein wenig aufgewühlt betrat sie das Zimmer. Wie immer war ihr Bruder in Arbeit vertieft.
    Brief? Nein... er musst wohl angekommen sein, als ich schon auf dem Rückweg war. Auch Serenus, sowie meine Amme war nicht auffindbar. Wobei sich ersterer wahrscheinlich versteckt hatte, so glaube ich, dass letztere schon verstorben war, bevor ich wieder in meine Heimat kam. Die Reise kostete mich leider nur nerven, aber dennoch auch in der Villa schöne Erinnerungen. Sie versuchte zu lächeln. War es etwas wichtiges, das du mir mitzuteilen hattest?

  • Sim-Off:

    Dies ist durchaus am vorteilhaftesten.


    "Das war es, zudem sind die Nachrichten zahlreicher geworden, gleichsam jedoch noch desolater denn bisherig. Bitte setze dich."
    Ein wenig ungeduldig wartete er, bis sie seiner Anweisung nachgekommen war und auf einem Stuhl hatte Platz genommen - andernfalls befürchtete er, sie später vom Boden aufsammeln zu müssen - gleichsam konnten ihre Bewegungen ihm nicht langsam genug sein, denn jede Verzögerung würde dazu gereichen, die Wahrheit ein wenig länger nicht aussprechen zu müssen.
    "Ich bedaure, dich nun mit all dem auf solch endgültige Art und Weise konfrontieren zu müssen, doch glaube mir, auch durch zeitliche Abstände durchbrochen sind die Nachrichten weder angenehmer, noch der Prozess des Annehmens einfacher."
    Er holte tief Luft, um sich selbst zu wappnen, all die Nachrichten auf einmal auszusprechen. Seine Stimme war dennoch tonlos, die Sätze eine Aneinanderreihung ohne Emotion, abgehackt, ohne Pause und nur auf die Vermittlung der Fakten hin ausgelegt.
    "Leontia ist nicht von ihrer Reise zurück gekehrt. Ihr Schiff wurde vom endlosen mare internum verschlungen. Die Bestattung fand indessen noch nicht statt, ich wollte warten, bis du und Serenus wieder hier seid. Aristides wird ebenfalls nicht mehr wiederkommen. Er fiel in Parthia. Seine Bestattung wird sich verzögern, bis seine sterblichen Überreste in Italia angelangt sind. Er hat indes nicht einmal mehr Kenntnis davon erlangen können, dass seine Tochter bei einem Unglück verstarb. Arrecinas Großmutter wird für eine Beisetzung in Baiae Sorge tragen."
    Mit jedem Wort verlor seine Stimme mehr an Lautstärke und Ton, bis dass er die letzten Worte beinahe verschluckte, das letzte Satzzeichen gänzlich verlor. Es war dies alles zu viel für einen Redeblock. Ein einzelner Tod allein war längst zu viel, doch das Dahinscheiden der Flavia wie Nachtfalter im Feuer der Vulcanalia, dies war weit mehr als ein Mensch konnte an einem Tage ertragen. Mühsam presste Gracchus seine Kiefer zusammen, starrte nur seine Schwester an, bemüht einen Anschein von Stärke und Unerschütterlichkeit zu wahren, selbst vor ihr, gerade vor ihr.

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