ZitatOriginal von Decima Lucilla
Im Rund der Arena entspann sich der ungleiche, aussichtslose Kampf der Gazellen gegen die Leoparden. Daran waren zwar die filigranen, geschmeidigen Bewegungen der beiden Tierarten zu bewundern, doch war der sonstige Verlauf des Duells - wenn man es denn überhaupt so nennen wollte - nur zu vorhersehbar. In Plotinas Fall kam hinzu, dass sie ähnliche Aufeinandertreffen auf Reisen in ihrer ägyptischen Heimat schon in freier Natur gesehen hatte. Alles in allem: Die Prätoren hatten sich hier sicherlich viel Mühe gegeben, aber von ihrem Sitz fühlte sich Plotina noch nicht ganz gerissen.
Ihrer neuen Bekannten Decima Lucilla erging es offenbar ähnlich, denn sie plauderte munter weiter und schnitt dabei so viele Themen fast gleichzeitig an, dass Plotina schon der Kopf schwirrte. Sie wandte sich wieder zu ihrer Gesprächspartnerin, um deren Ausführungen besser folgen zu können; diese gönnte sich jedoch nach einer an Plotina gerichteten Frage nun eine kleine Verschnaufpause.
Bei der Vielzahl der angeschnittenen Themen hatte Plotina die Schlussfrage gar nicht mehr richtig mitbekommen; sie wurde unruhig, weil sie nicht recht wusste, was sie jetzt sagen sollte. Ach ja, Verus ...
"Obwohl Titus Decimus ja so ein einflussreiches Amt ausübt, bin ich ihm in seiner amtlichen Funktion noch nicht begegnet. Die Götter fügten es, dass sich unsere Wege beim Spazierengehen in den Horti Maecenatis gekreuzt haben - das ist ja wirklich ein wunderbarer Ort zum Entspannen. Und da sind wir dann ins Gespräch gekommen. Ich hatte den besten Eindruck von ihm; er scheint mir ein ganz und gar integrer Mensch mit vielen Begabungen zu sein; wir werden sicher noch von ihm hören."
Plotina hütete sich natürlich zu erwähnen, dass sie mit Verus auf ein Bier in der Taverna Apicia verabredet war; schließlich saß sie hier neben der Auctrix der Acta Diurna, und sie wollte ihren Namen natürlich nicht in der nächsten Ausgabe dieser Zeitung in der Klatschspalte lesen. Schon bereute Plotina auch, dass ihr eben die Bemerkung mit den "Göttern" herausgerutscht war ... Aber ja, die Acta, darüber hatte Lucilla auch noch gesprochen.
"Ich muss dich wirklich dafür bewundern, Lucilla, dass du diese viele Arbeit und auch die Verantwortung auf dich nimmst, die mit der Leitung der Acta Diurna verbunden sind. Ich kann mir vorstellen, dass das eine Aufgabe ist, die viel Mühe kostet und Ärger, dafür umso weniger Dank einbringt. Also werde ich hier natürlich etwas Positives über die Acta sagen: Ich fühle mich durch die Zeitung gut informiert. Sie scheint mir einen treffenden Querschnitt des politischen und gesellschaftlichen Lebens in unserem Imperium zu vermitteln."
Plotina hoffte, Decima Lucilla damit etwas Aufbauendes zu ihrer anstrengenden Tätigkeit gesagt zu haben; und schließlich dachte sie das, was sie gesagt hatte, ja auch wirklich. Aber in einem anderen Punkt wollte sie der Auctrix doch noch widersprechen, dazu hatte sie sich gerade selber das Stichwort gegeben.
"Noch eine Sache zum politischen Leben des Imperiums, das ich eben erwähnt habe. Ich kann dir nicht ganz zustimmen, dass wir Frauen für die Politik nicht tauglich wären. Du, Lucilla, würdest sicherlich vielen Senatoren auf der Rostra den Rang ablaufen, und dass Männer durch Glanz und Prunk weniger zu beeindrucken sind als Frauen, wäre mir völlig neu. - Aber ich gebe zu, von Männern verstehe ich wenig; vielleicht sehen wir ja später noch Gladiatoren kämpfen, dann könnte ich meine Kenntnisse vertiefen."