Arbeitszimmer | Caius Flavius Aquilius

  • Meine Augenbrauen traten eine kurze Wanderung die Stirn empor an und verharrten angesichts der kurz aufgeleuchteten Panik in meines Neffen Stimme. "Nur keine Hektik, Lucanus, ich bin mit Deine Arbeit sehr zufrieden - doch denke ich, dass es eventuell etwas sehr arbeitsintensiv werden könnte, gleich zwei Tätigkeiten gleichzeitig auszuführen, ich kenne schließlich die Bedingungen nicht, unter welchen Du als scriba logei arbeiten würdest. Versuchen wir es doch einfach eine Weile mit beidem gleichzeitig, dann kannst Du Dich immernoch entscheiden, ob Du beides bewältigen kannst und willst, einverstanden? Nichts ist schlechter als ein Mann, der seine Ressourcen nicht einzuschätzen weiß und sich zuviel auflädt, um dann mit nichts zurande zu kommen - versprich mir also, dass Du Dich dabei kritisch im Auge behältst. Es wäre Deinem Weg vor der Öffentlichkeit nicht zuträglich, hätte der Aelier Grund, sich über Dich zu beklagen, seine Stimme erreicht sehr schnell viele Stellen, wollte er es." Immerhin schien ihm viel daran gelegen, seine Stellung bei mir zu behalten, konnte ich bisher nicht alles falsch gemacht haben. In sofern galt ihm auch nun ein aufgeräumtes, lockeres Lächeln, das angesichts des nächsten Themas ein wenig Mühe hatte, sich auf meinen Lippen zu halten.


    "Er ist des öfteren ein eher stiller und in sich gekehrter Mensch, das sollte Dir nicht zuviele Gedanken machen - aber ein Fest täte uns sicher gut, es wird Zeit, dass Du ein paar angemessene, heiratsfähige junge Frauen Deines Alters kennenlernst. Wir könnten die Aurelier dazu einladen, wir sind ihnen ohnehin seit den Meditrinalia eine Gegeneinladung schuldig, und die Claudier wohl auch, sonst wären sie verstimmt ...ja, wieso nicht. Eine Feier mit der näheren und weiteren Familie hatten wir lange nicht." Gracchus deprimiert und traurig zu wissen gefiel mir nicht, was hatte sich wohl wieder ereignet? Oder hatte ihn Lucanus einfach zum falschen Zeitpunkt getroffen?

  • "Danke, Onkel Aquilius, für Dein Vertrauen und Deinen Rat. Rector Aelius Callidus hat mir noch keine Aufgabe zugewiesen, aber ich werde genau darauf achtgeben, in nichts nachlässig zu sein. Aber wenn es Männer bei mir daheim schaffen, Fischen zu gehen und eine Landwirtschaft zu betreiben, werde ich das hier in Rom mit anderen Aufgaben doch auch schaffen müssen." Und auch Du, Onkel, bist ja Marspriester und nun tresvir - und schaffst das doch ...


    Ich beobachte Aquilius' Augenbrauen und ihre Wanderungen und Wandelungen - würde ich das machen, würde sich mein ganzes Gesichts hin- und herverziehen, er hat sicherlich jahrelange Übung darin. Ob er auch mit den Ohren wackeln kann, ohne daß man im Gesicht eine Regung wahrnimmt? Aber er sieht auch wegen Onkel Graccus besorgt aus, vielleicht sollte auch er eine heiratsfähige Frau kennenlernen.


    "Oh ja, Onkel Aquilius", lenkte ich das Gespräch auf wirklich interessante Themen, "bislang habe ich außer Bridhe und einem anderen Mädchen, das wohl in einem Haushalt arbeitet, nur zwei junge Iulier kennengelernt. Aber die Mädchen in Rom sind ja sicherlich auch schwieriger ... äh ... kennenzulernen" als bei mir daheim, wo wir alle auf der Straße herumrennen und im Meer toben. Aber zickig und kompliziert sind sie überall. Egal, ob aus Hibernia, Hispania oder aus Rom.


    "Ein paar Frauen im Haus wären sicherlich nicht schlecht", wage ich mich etwas in die Offensive. Ob meine Mutter die letzte der flavischen Frauen war? Manchmal scheint es mir so. "Ob Onkel Furianus noch zu den Saturnalien in Rom sein wird?"

  • Ich schmunzelte etwas und nickte dann. "Solange der rector Dich nicht mit langwierigen und lästigen Aufgaben überschüttet, schaffst Du bestimmt, was Dir aufgetragen wird, auch zu erledigen - und ich würde ungern auf meinen scriba verzichten. Es macht mehr Spaß, wenn man die lästigen Dinge des Alltags mit jemandem gemeinsam erledigen kann, zumindest kann man sich zwischendurch amüsieren. Du ahnst nicht, wie lang ein Tag im Tempel werden kann, wenn man nur seine Priesterkollegen um sich hat und jene nichts anderes tun, als sich vorzugsweise darum zu kümmern, dir ihre Krankengeschichten und Ehegeheimnisse aufzudrängen." Aber das würde Lucanus sicher noch irgendwann alles in epischer Breite selbst erfahren, wenn er sich ein Amt zuweisen ließ, das mit vielen alten Männern zu tun hatte. Gerade solche waren als Kollegen die unerträglichsten, denn ihre Eheweiber hörten ihnen nicht mehr zu und ihre Kinder flüchteten sie in wohlweislichem Wissen um die unausweichlich folgenden, öden Geschichten.


    "Also junge Frauen sind dein Begehr? Soll ich Dir für Deine Freizeit eine Sklavin kaufen?" Dass er gewisse Bedürfnisse entwickelte, war ja nur natürlich, aber in seinem Alter verliebte man sich gern, und dann zumeist auch in die falsche Frau. "Ansonsten sollten bei den Saturnalia doch einige anwesend sein - Gracchus' Gemahlin, Aristides Verlobte, beide aus der gens Claudia, meine wohl zukünftige Braut aus der gens Aurelia, die übrigens eine reizende Cousine hat, die Dir sicherlich gefallen wird ... nun, allzu langweilig sollte es Dir nicht werden. Früher oder später müssen wir für Dich eine passende Gemahlin suchen, Lucanus, und vielleicht verstehst Du Dich mit Aurelia Helena ganz gut, ihr seid im gleichen Alter, wenn ich mich nicht ganz irre." Wobei mir Helena etwas abgeklärter und ruhiger vorgekommen war als mein Neffe, aber das schadete sicher nicht. Ansonsten ...
    "Weisst Du was, wir gehen während der Saturnalien einfach mal in die Stadt und amüsieren uns, da sollte es nicht schwer sein, die ein oder andere Frau für Dich zu finden - was Furianus angeht, wird er wohl zu den Saturnalien nicht mehr anwesend sein, seine Pflicht ruft ihn nach Hispania zurück." Und dort konnte er ruhig bleiben und verrotten!

  • Knallrot anlaufend, als hätte Onkel Aquilius mir die Bettdecke weggezogen, pulsiert das Blut in meinen Ohren. Soll ich beleidigt sein wegen diesem ... diesem unmoralischen Angebot? Ein Sklavin "für meine Freizeit"? Was erwartet er? Ich meine, okay, in Flaviobriga, da gab's ein Mädchen, die Erwachsenen nannten sie nur "die kleine Messalina", die bot gegen kleine Gefälligkeiten - "Gib' mir'n As und ich zeig' Dir was!"-, der örtlichen Jungenschar tiefe Einblicke in ihre Anatomie (manchen auch mehr), aber daran habe ich mich nie beteiligt. Wenn meine Mutter Onkel Aquilius hören könnte, würde sie mir die Ohnren zuhalten, in Ohnmacht fallen und dann Aquilius aus dem Haus jagen. Oder auch in einer anderen Reihenfolge.


    Aber wahrscheinlich meint es Onkel Aquilius nur gut und seine direkte Art ist sicher besser als die verdrechselten Schnörkeleyen von Onkel Gracchus, also nehme ich das mal nicht persönlich. Mehr beschäftigt mich "Gracchus' Gemahlin" ...


    "Onkel Gracchus ist verheiratet?" 8o


    Ich kann es kaum glauben, der Mann wirkt nicht wie ein Ehemann, geschweige denn, daß bislang in diesem wenngleich großen Haus keine Frau sichtbar war. "Das wußte ich ja überhaupt nicht! Ist sie ... krank?" Das würde erklären, warum Onkel Gracchus so eigentümlich und seine Frau auch völlig unsichtbar ist, also nicht seine sichtbare Stütze und seine Freude, denn das ist die Aufgabe einer Ehefrau, wie meine Mutter eine war, auch wenn mein Vater fern von seiner Gattin gestorben ist. Und Onkel Aquilius wird auch heiraten. Na, also, so unnormal scheint der Haushalt doch nicht zu sein und durchaus Formen noch anzunehmen. "Und Du hast auch eine Ehefrau gefunden? Da gratuliere ich aber ganz herzlich!"


    Da will ich nun nicht zurückstehen, auch wenn es sicherlich nicht zu eine Doppelhochzeit kommen wird, aber Helena ... Aurelia Helena. Langes weiches und dunkelblondes Haar, aristokratisches Gesicht, schlanke Form. Vielleicht läßt Venus ja diese Helena sich in einen - nun römischen - Paris verlieben. Ach [trippelseufz].


    "Solange Aurelia Helena nicht schon ein Agamemnon gefunden hat, dem sie wollene Leibchen im bitterkalten Mykene strickt - ich werde entzückt sein, sie kennenzulernen. Vielleicht ist es ein adäquater Trost dafür, daß ich vielleicht meinen Onkel Furianus erneut nicht kennenlernen durfte. Er scheint ein Freund der schönen Künste zu sein, er will einen Dichterwettbewerb in Hispania ausrichten, sagt Aelius Callidus."

  • Das war ja schon fast rührend, seine knallroten Ohren und Wangen - anscheinend war Lucanus, was den Umgang mit Frauen anging, noch ziemlich unbeleckt, und an mir als seinem nähesten Verwandten war es, ihm die entsprechenden Grundbegriffe beizubringen - also würde uns unser Weg an den Saturnalien nicht nur in die Stadt, sondern auch in ein praktisch gelegenes und sauberes lupanar führen müssen. Mit der Mutter allein aufzuwachsen hatte sicherlich Vorteile, aber die Nachteile lagen auf der Hand - in seinem Alter hatte ich meine ersten Liebschaften bereits hinter mir gehabt.
    "Natürlich ist er verheiratet, was denkst Du denn? Ein Mann seines Ranges und unvermählt? Es würde doch seltsam aussehen, wenn ein Senator keine Frau hätte, nicht wahr? Zudem ist es eine ausgesprochen vorteilhafte Verbindung, die gens Claudia verfügt über eine sehr edle Abstammung." Zwar derzeit nicht über allzu viel Einfluss, aber das machte die Abstammung wieder wett - Antonias andere Vorzüge gingen meinen eifrigen Neffen nicht unbedingt gleich etwas an. Es wäre recht auffällig gewesen, von ihr jetzt zu schwärmen. "Claudia Antonia ist meines Wissens nach bei bester Gesundheit, und die beiden führen eine sehr ruhige Ehe. Dass man sich gegenseitig nicht beständig auf den Leib rückt, scheint mir bei einer Ehe durchaus kein Nachteil zu sein - sie haben einfach sehr unterschiedliche Interessen. Aber wahrscheinlich siehst Du sie spätestens bei der Saturnalienfeier, sie ist eine sehr geschickte Verwalterin."


    Seine Gratulation nahm ich mit einem dankenden Nicken entgegen und schmunzelte. "Nunja, ich bin auch langsam in jenem Alter, in dem man sich mit dem Gedanken an eine Ehe abfinden muss, und Aurelia Prisca scheint mir eine Frau zu sein, mit der es schön sein könnte, das Leben zu teilen - noch bin ich also bester Hoffnung auf eine strahlende Zukunft. Wer weiss, wie ich mich äußern werde, wenn ein Jahr um ist, dann muss ich wahrscheinlich um Erlaubnis bitten, abends aus dem Haus gehen zu dürfen," führte ich den Gedanken konsequent aus und musste grinsen. So drachenhaft konnte ich mir Prisca beim besten Willen nicht vorstellen. "Und was Aurelia Helena angeht, so weiss ich bisher nicht, ob es andere Bewerber gibt, aber das finden wir sicher heraus, ihr tutor ist mein bester Freund, und er wäre einem zweiten Angebot aus der gens Flavia sicher nicht abgeneigt."


    Das Thema Furianus war allerdings nicht so ganz das meine, momentan schien er mich wirklich zu verfolgen .. und so meinte ich, nun doch wieder etwas kühler: "Er mag sicherlich vieles für andere tun, doch stets nur, wenn es ihm nützt. An Deiner Stelle wäre ich, was Furianus anbelangt, vorsichtig. Es ist leicht, sich als Mäzen aufzuspielen, wenn man damit Sympathien zu erkaufen glaubt, die man sich durch die eigene Persönlichkeit nicht erwerben kann."

  • Was soll das heißen: er ist "langsam in jenem Alter, in dem man sich mit dem Gedanken an eine Ehe abfinden muß"? Er ist doch kein kleiner Junge mehr ... Abfinden? Die Ehe ist die Erfüllung der wahren Liebe zwischen zwei Meschen, natürlich, nicht immer liebt man sich sofort, man kennt sich ja kaum, aber die Liebe entsteht spätestens durch die Ehe. Meine Mutter hat meinen Vater vom ersten Augenblick, als sie ihn bei der Hocheit gesehen hat, geliebt.


    "Hm, ja, wäre schon seltsam, wie ein Ritter ohne ein Pferd, nicht? Ich dachte, Onkel Gracchus geht es wegen seiner Frau nicht so ... gut, ich meine, ich dachte, weil er keine hat. Aber da war ich wohl .... das war wohl falsch. Da habe ich mich gründlich getäuscht. Entschuldige." Vielleicht ist seine Frau ja auch häßlich, das muß es wohl sein. Bei häßlichen Frauen läßt die Liebe immer auf sich warten, aber man soll nicht aufgeben. Vor allem die Frau muß sich um den Mann bemühen. Aber, wenn sie andere Interessen hat? Etwas verwirrend, Onkel Gracchus ist doch sicher ein, netter Mann, Hübsch? Ich weiß nicht, ich mein, muß ein Mann hübsch sein? Wie ist ein Mann 'hübsch' in den Augen einer Frau? 'Alles, was an einem Mann schöner ist, als ein Affe, ist nur Luxus!' hat Pedros Mutter immer mal wieder mit Blick auf ihren Ehemann gesagt, die Augen verdeht und laut gelacht. Eine Frau liebt einen Mann, auch wenn er nicht schön ist.


    "Wahrscheinlich wird Dir Aurelia Prisca wöchentlich ein Taschengeld ausbezahlen - und wehe, Du kommst nicht damit aus!" :D Ich muß lachen, meine Mutter war sicherlich eine gute Verwalterin, auch wenn am Ende kaum mehr Geld für ihr Begräbnis und meine Reise übrig war, aber die meisten Frauen sind nur Verschwenderinnen, denen man lieber nur Geld geben sollte, damit sie den Haushalt gut führen.


    "Jedenfalls freue ich mich darauf, Helena ... Aurelia Helena kennenzulernen, nicht jedem ist das ja vorher vergönnt, nicht? Und wenn sie eine gute Partie und ihre Familie einverstanden ist, dann will ich es mir als eine große Ehre anrechnen lassen." Und wenn Helena häßlich wie die Nacht oder wie Onkel Gracchus' Frau ist? Naja, aber warum sollte ich kein Glück haben?


    Was ist nur mit diesem Onkel Furianus los? Meine Mutter hat mich nicht nach Tarraco geschickt, Bridhe war etwas einsilbig und jetzt auch noch Aquilius? Welche Geschichte verbirgt sich dahinter? Was ist er für ein Mann?

  • Seine Augen hatten jenen schimmernden Glanz, den die Augen junger Männer oft bekamen, wenn es um Frauen ging, egal, ob in Form einer Ehe, einer Liebschaft oder sonstigem.
    "Gracchus hat viele Pflichten, und viele Pflichten verursachen leider auch viele Sorgen - ich denke, Du wirst ihn nicht das letzte Mal nachdenklich oder sorgenvoll gesehen haben, ab einer gewissen gesellschaftlichen Stellung gehört dies eben auch dazu. Das wirst Du selbst noch früh genug erfahren, die Götter mögen Dich vor allzu vielen Sorgen zur allzu frühen Zeit bewahren, Lucanus," sagte ich nach einer Weile mit einem etwas gequälten Lächeln. Gracchus, dem es nicht gut ging. Waren es die Schuldgefühle, diese alten Begleiter, weil wir uns eine Nacht gestohlen hatten? Oder hatte er andersartige Sorgen? Ich konnte es nicht verhehlen, die Worte meines Neffen hatten auch in mir eine gewisse Sorge erweckt. Er war zweifelsohne der einzige Mensch, um den ich mir bereitwillig jederzeit Gedanken gemacht hätte, selbst wenn ihr Inhalt wenig Freude verhieß. Glücklicherweise besaß mein Neffe einen gesunden Humor, der imstande war, mich abzulenken.


    "Ich fürchte es auch - am Ende sitze ich mit einer Leine um den Hals an der porta, mit dem Schild 'cave canem' über mir und einmal am Tag werde ich dann gefüttert und gestreichelt," jetzt musste ich doch lachen und den Kopf schütteln. Nein, als Pantoffelhelden wollte ich mich mir selbst nicht vorstellen, und bei Priscas ausgeglichen scheinendem Charakter war dies auch mehr als unwahrscheinlich. "Ich hoffe doch, sie nimmt die Einladung an, wenn wir die Aurelier zu unserer Feier bitten, aber wieso sollte sie auch nicht? Es gibt zu wenige Feiern hier in Rom, die eine junge Frau wirklich genießen kann, ein Familienfest, bei dem man etwas unter sich ist, kann da nicht verkehrt sein."
    Ich wurde wieder etwas ernster und blickte ihn dann sinnierend an: "Vielleicht triffst Du noch auf den Gängen der villa auf Furianus, Lucanus, und er wird Dir als freundlicher und gewinnender Mensch erscheinen. Aber ich würde fast damit rechnen, dass er, sobald er erfährt, dass Du als mein scriba personalis arbeitest, versuchen wird, Dich über mich auszufragen - und dann solltest Du sehr gut auf jedes Wort achten."

  • Was muß ein Mann tun oder an sich haben, daß er bei unterschiedlichen Menschen so ähnliche negative Reaktionen hervorruft? Schade, am liebsten hätte ich noch Onkel Gracchus Reaktion auf den Namen "Flavius Furianus" erfahren, es dürfte in ähnlichem Tonfall wie "Iulier?" ausfallen ... das soll mal einer verstehen. Aber was geht's mich an, ich habe mein' eigenes Geschäft.
    "Natürlich, ich werde meine Worte genau wägen und meiner Zunge Schanzkleid verstärken, daß nicht Unsinn darübervorquillt ...." Ob das nicht schon leicht unsinnig formuliert war? Wer hatte das so formuliert? Gellius? "Aber ich wüßte auch nichts außer Gutes zu erzählen, nur - für manche Menschen klingt selbst das in ihren Ohren schlecht." Und das, was an Abenteuerlichem hier im Hause vorsich geht, soweit es mich betrifft - das gehört mir allein, zumindest, bis ich meinen Text kann und mein Auftritt dran ist. Aber Onkel Furianus würde in diesem meinem Stück wohl keine Rolle übernehmen, jedenfalls keine, bei der er Text lernen müßte oder einen Auftritt hätte. Ich schüttele leicht den Kopf. "Aber es ist schön, wenigstens Dich zu kennen und Onkel Gracchus - vielleicht ja auch bald meine Tante Claudia Antonia." Manchmal stelle ich mir vor, Sohn eines Fischers und selbst Fischer zu sein. Ungleich unkomplizierter. Aber auch unspannender.


    "Aber zu den Saturnalien machen wir mal kräftig einen drauf, vielleicht sind's unsere letzten ohne eheliche Fesseln". :D Ich stelle mir Onkel Gracchus vor, wie er herumgeht und den Sklaven kleine Leckereien reicht ... "Es feiert ja auch der ganze Hausstand gleichberechtigt miteinander, jeder bedient jeden, jeder übernimmt Aufgaben, oder? Jedenfalls war es bei mir daheim so."

  • "Das wäre Dir anzuraten. Diese Familie ist nur halb so friedlich, wie sie vielleicht erscheint, und ganz sicher weit davon entfernt, jemals gleiche Interessen zu verfolgen. Letztendlich ist Rom ein Becken voller Raubfische, und das Schlimmste von allen steht in dieser villa. Vergiss niemals dass Du ein Flavier bist, Lucanus, es ist ein ruhmreiches Erbe, aber auch ein dunkles. Hispanias Sonne vermag davon vieles zu verbergen, und ich bin froh darüber, dass Deine Mutter Dich von all diesen Intrigen fernhalten konnte - aber früher oder später wirst Du jenen begegnen, und dann musst Du vorbereitet sein," sagte ich nach einiger Zeit nachdenklich, ihn ernst im Blick behaltend.


    "Dass wir beide aus Hispania stammen, wird uns bei den italischen Flaviern keine Vorteile und schon gar keinen guten Ruf einbringen, auch deswegen versuche ich Deinen Weg zu ebnen, soweit es nur geht - es wird kein anderer tun. Gracchus vielleicht am ehesten noch, aber erwarte dies nicht von irgendwem sionst." Eigentlich hatte ich dies alles von ihm so lange wie möglich fernhalten wollen, damit er sich die ersten Eindrücke unserer Familie unbeeinflusst selbst machen konnte, aber es würde wohl nicht dazu kommen können. Wenn man den Feind kannte und jemanden ohne Waffe auf das Schlachtfeld rennen ließ, auf dem er diesen Feind treffen würde, wieviel besser war man dann selbst als eben jener Feind?


    "Ah nun, ich werde zu den Saturnalien immer einen drauf machen, ob nun verheiratet oder nicht, wenigstens einmal im Jahr sollte ein Mann so betrunken sein, dass er nicht mehr selber gehen kann, was wäre das Leben denn sonst wert?" Der Gedanke hatte eindeutig mehr für sich, und ich musste wieder grinsen. "Hier wird es ebenso gehandhabt, wenn ich nicht irre, das Fest im letzten Jahr habe ich leider verpasst, aber ich denke, es wird auch in diesem Jahr so ablaufen."

  • Zugegeben, ich bekam gerne Post. Das Wissen, dass jemand in der Ferne an einen dachte und sich Gedanken um einen machte, gefällt wohl jedem Menschen. Manche Briefe aber waren etwas derart besonderes, dass man sie umso lieber erhielt und ebenso mit Freude beantwortete. Die vorliegende Epistel jedenfalls hatte mich sehr erfreut und ich hatte mir ein wenig extra Zeit genommen, um sie in der richtigen Stimmung zu beantworten.



    An
    Caius Flavius Aquilius
    Villa Flavia in Rom
    ITALIA



    Was mag da in den flavischen Postkasten flattern, dem der Geruch der Ferne anhaftet, ein Hauch Sandelholz und etwas Orangenduft? Lieber Aquilius, ich sende dir Grüße aus Alexandrien, dem Stolz Ägyptens!


    So lange ist das Treffen des Marspriesters und der Iunopriesterin her, im stickigen, beengten, bedrückenden Herzen Roms. Es erscheint mir wie eine Ewigkeit, die seitdem verstrichen ist. Geht es dir gut? Der Lauf der Zeit und vor allem die Geschehnisse seit unserer unbeschwerten Begegnung haben zumindest bei mir ihre Spuren hinterlassen. Ich schreibe dir heute nicht als Priesterin der Iuno, sondern als Iatros des alexandrinischen Museion. Noch kann ich es selbst nicht glauben. Ich gebe zu, dass mein Aufbruch überhastet und undurchdacht war. Dennoch bereue ich ihn keinesfalls. Doch erzähle, wie ist es dir seither ergangen? Am Morgen erst trafen Nachrichten aus Rom ein, und ich erfuhr, dass du nun Vigintivir bist? Ein großes Ziel, das du anstrebst, doch ich wünsche es dir von ganzem Herzen, und ich weiß, dass du es erreichen wirst. Dir werden gewiss auch im Cultus die Türen offen stehen, ohne dass du einen Fuß dazwischen zwängen musst und doch nur eine willenlose Marionette jener spielen sollst, die sich für etwas Besseres halten und die doch nie ein Opfermesser in der Hand gehabt haben. Aber genug davon, dieser Abschnitt meines Lebens ist vorbei. Ich bin in Ägypten!


    Wenn du nur das goldene Land und die Stadt sehen könntest - du wüsstest, warum es mir die Würze zurückgegeben hat, die meinem Leben seit längerem fehlte. Einzig die Nächte sind einsam und kühl. Meine Familie weilt fern von hier, und an eine wärmende Umarmung im Kerzenschein ist nicht zu denken. Es mag vielleicht allzu melancholisch klingen, doch wenn die Kerze neben meinem Lager allmählich herunterbrennt, frage ich mich, was wohl gewesen wäre, wäre ich damals mit dir gegangen.


    Mit diesem Gedanken und den besten Wünschen für dich schließe ich für heute und warte gespannt auf deine Antwort. Ich bin derzeit auf der Suche nach einer angemessenen Bleibe, sende daher die Antworten vorerst direkt an das Museion.


    Mögen dich die Götter segnen.


    Valeria


    Während ich schrieb, entsann ich mich unserer ersten Begegnung an einem sonnigen Tag, der auch so manches mit einem Brunnen zu tun gehabt hatte - manche Frauen behielt man eben im Kopf, selbst wenn es nur bei getauschten Worten geblieben war, nicht bei gemeinsam genossener Leidenschaft. Aber musste das denn auch immer sein? Nicht für mich, auch Worte konnten erfreuen ... auf jeden Fall solche.


    An
    Decima Valeria
    Museion
    Alexandria
    Privincia Aegyptus


    Ein kühler, winterlicher Hauch ist's, der die sommerliche Wärme Alexandrias durchteilen mag, getränkt vom süßen Duft der Honiggebäckstücke, gereicht zu den Saturnalia, verfeinert mit dem verlockenden Aroma des Würzweins, welcher uns in Italia die Abende zu versüßen weiss.


    Wenig gibt es, das mich mehr in Erstaunen versetzt hätte als Dein Schreiben, werte Valeria, und doch siehst Du mich als einen glücklichen Empfänger Deiner Worte, die mir eine Ferne verheißen, gegen die mir vieles in Roma schal und leer erscheint. Sandelholz und Orangenduft liegt mir tatsächlich in der Nase, fast scheint es mir, als sei Dein papyrus ein wenig noch davon getränkt, um mir die Worte aus der Ferne ungleich köstlicher zu machen, welche mein sehnsuchtsvolles Auge ob Deiner Zeilen lesen durfte. Ich hoffe, Du hast die ersten Tage und Wochen genossen, die Du in Alexandria verbracht hast, fern der Deinen, und auch fern jener Pflichten, die, wie wir beide wissen, bisweilen beschwerlich und voller Sorgen sein können. Gerade der Lebensweg eines Priesters entbehrt viel des Dankes und des Ruhmes, den man an anderer Stelle mit Leichtigkeit ernten könnte, doch sollte es niemals daran hindern, das zu tun, wonach es einem verlangt, solange man dabei nicht vollends unglücklich wird.
    Einerseits ist es sehr schade, Dich als geschätzte Kollegin verloren zu haben, schienst Du mir doch im Geiste Iunos vieles bewirken zu können, andererseits kann ich sehr wohl nachempfinden, wie schmerzlich es sein muss, auf Dauer keinerlei Anerkennung für geleistete Dienste zu erhalten, nur Missgunst und Worte, die Dich lieber an den heimischen Herd verbannen wollen.


    Wenn Dich Deine Entscheidung zufriedener gemacht hat, so war es gewiss die richtige, auch wenn sie Dir sicherlich nicht leicht gefallen ist, wie alle Entscheidungen, denen es vergönnt ist, die Weichen des Lebens neu zu stellen. Aber ausgerechnet Alexandria! Hätte es nicht Athen sein können, welches man auf einer Reise bedeutend leichter erreichen kann? So wird wohl unser Gespräch in geschriebenen Worten fortgesetzt sein müssen, und ich muss den Anblick Deines Lächelns eine Weile missen, bis uns die Wege des Schicksals erneut zusammenführen. Scheue Dich nicht, mir ein wenig mehr von Deinem täglichen Leben zu berichten, es wird etwas Licht in mein derzeit sehr durchwachsenes Dasein bringen.
    Du irrst nicht, ich habe tatsächlich kandidiert, nachdem der Kaiser mir die Gunst gewährt hat, mich in den ordo senatorius zu erheben, und die Senatoren schlossen sich ganz offensichtlich der Meinung des imperators an und bestätigten meine Wahl durch eine große Mehrheit der Stimmen, auf die ich, wie ich schamvoll zugeben muss, durchaus stolz bin. Nun habe ich mein eigenes officium in der Basilica Ulpia, und durchstreife die Straßen Roms per pedes als tresvir capitalis, stets begleitet von meinem Neffen Flavius Lucanus, der als mein scriba personalis die nötige Erfahrung für eine eigene Kandidatur in angemessener Zeit sammeln soll.


    Du willst sicher wissen, ob ich schon einen haarsträubenden Kriminalfall bearbeitet habe, doch leider sieht der Alltag eines tresvir capitalis deutlich nüchterner und weniger glanzvoll aus - meine größte Tat war es bisher, einen jungen Mann vor seiner künftigen Schwiegermutter zu retten, die den Urtypus einer erschreckenden matrona darstellte, jene Art von Frau, die es einem Manne innerhalb kürzester Zeit verleiden kann, überhaupt an eine Ehe zu denken. Ansonsten könnte ich nur das heldenhafte Erklimmen eines gar fürchterlichen Aktenberges berichten, ich schätze, es wird noch einiges an Zeit ins Land gehen, bevor ich Dir spannenderes schreiben kann als die Bewältigung alltäglicher Aufgaben. Erzähle mir, was Du als Iatros erlebst, Valeria, und ich will Dir im Austausch meine spannendsten Erlebnisse auf der Flucht vor matronae, die mich an Breite und Körpergewicht ungefähr um das Doppelte übertreffen, nicht vorenthalten. Ansonsten geht in Rom alles seinen gewohnten Gang, wenngleich ich fürchte, dass die Götter uns derzeit zürnen, die vielen Anschläge und jener blutige Selbstmord auf den Stufen des Senatsgebäudes müssen ihre Spuren hinterlassen haben. Doch dazu mehr, wenn der Ausgang des Sühneopfers feststeht - man sollte das Unglück nicht dadurch beschwören, dass man es mit zuvielen Worten an die Welt der Lebenden bindet.


    Es gibt Abende, an denen ich ebenfalls den flackernden Lichtschein betrachte, den mir eine Öllampe spendet, und die Gedanken wandern lasse, und sei Dir gewiss, die Erinnerung an einen sonnigen Tag, die Du ebenso teilst, gehört ebenso zu den Dingen, über die ich sinniere, wie auch jene Worte, die wir wechselten. Ich kann Dir nicht sagen, was geschehen wäre, wärst Du weniger tugendsam gewesen und hättest Du meinem Angebot nachgegeben, aber eines weiss ich gewiss: Ich hätte es sicherlich ebensowenig vergessen können unser harmloses Gespäch an einem Brunnen. Wenige Menschen bleiben einem im Strom des Alltags überhaupt im Gedächtnis, und noch weniger bleiben einem angenehm in Erinnerung. Allerdings wage ich zu behaupten, dass Du weit weniger Gelegenheit gehabt hättest, über flackernde Kerzen zu sinnieren, da Du sicherlich keineswegs dazu gekommen wärst, überhaupt viel nachzudenken, das liegt in der Natur der Sache, wenn man ein wenig Vergnügen miteinander teilt (oder sollte es zumindest!). Mögen Deine Nächte, wenn Dich dieser Brief erreicht, weniger einsam sein, und die Männer in Alexandria weder blind noch dumm (denn nur ein Blinder und Dummer könnte übersehen, was er mit Dir vor sich hat) - ich werde sicherlich auch weiterhin meine Gedanken in die Ferne senden und mir überlegen, wie es Dir wohl gerade ergehen mag.


    Doch nun muss ich leider, ob der lästigen Pflicht wegen, für den heutigen Tag schließen und hoffe, dass Dich dieser Brief bei guter Gesundheit und noch besserer Laune erreicht. Nutze die Tage der Sonne, und bewahre sie in Deinem Lächeln - es schließt mit den besten Segenswünschen


    Aquilius


    Etwas später, als die Tinte getrocknet war, landete dieser Brief verschlossen und adressiert im Ausgangskörbchen auf meinem Schreibtisch, auf dass sich Lucanus dessen annehmen konnte.

  • Ein weiterer Brief war es, der mich an diesem Tage an meinem Schreibtisch hielt, einer jener Briefe, die auf ihre Art wichtig und bedeutsam waren, und darob einer ruhigen Stimmung bedurften, um sie zu verfassen. Letztendlich schuldete ich diesem Mann mehr als nur Respekt, und so musste jedes Wort sorgsam formuliert sein, sollte es ihn doch in passender Stimmung erreichen und erfreuen können.


    An
    Legatus Legionis
    Quintus Tiberius Vitamalacus
    Legio Prima Traiana Pia Fidelis
    Parthia


    Salve, Tiberius Vitamalacus!


    Es ist lange her, dass wir miteinander von Angesicht zu Angesicht Worte wechselten, und länger noch scheint mir jener Tag in der Ferne zu liegen, an welchem Du einen verzweifelten Narren davon abgehalten hast, die größte Dummheit seines Lebens zu begehen. Doch lasse Dir zuerst von mir zu Deiner Erhebung in die Reihen der Legaten gratulieren, ich könnte mir kaum einen Mann denken, der es mehr verdient hätte. Auch wenn wir wenig von dem erfahren, was im fernen Osten vor sich geht, so kann ich mir doch vorstellen, dass Deine Tage voller Pflichten sind, und die Nächte kaum ausreichen mögen, um den Geist und Körper auf einen neuen Tag der Strapazen vorzubereiten, so mögen Dir diese Zeilen ein wenig der Erfrischung verschaffen, die man so nötig braucht, wenn einem die Sorge um viele bewegt.


    Das Wissen um die Pflicht hat mich nun auch ereilt, konnte ich dies zwar als Priester des Mars oft genug kosten, ist es doch kaum mit einem wirklichen Amt zu vergleichen, in welches einen der Wille der Senatoren Roms erhob. Du wirst es sicher gehört haben, dass mir der Kaiser die Ehre erwies, mich in den ordo senatorius zu erheben, was mir die Kandidatur zum Vigintivirat ermöglichte, und erfreulicherweise schienen die patres conscripti geneigt, dem Wunsch des Kaisers nachzueifern und wählten mich mit großer Mehrheit in das Amt, das ich mir gewünscht hatte - nun verbringe ich meine Tage per pedes[/I als [I]tresvir capitalis, und glaube, dass ich bald ebenso viele stadien gelaufen bin wie es Deine Legionäre auf dem Marsch in das Gebiet der Parther haben ableisten müssen, allein ich bin auf Rom beschränkt. Bisher sind die aufsehenerregenden Kriminalfälle leider ausgeblieben, so beschäftige ich mich mit den alltäglichen Sorgen der Bürger und empfinde dieses Amt letztendlich fast wie das eines Priesters, wenngleich die Opferpraxis fehlt - oftmals genügt es den Menschen auf der Straße, überhaupt jemanden zu haben, der ihren Sorgen Beachtung schenkt, sie gieren nicht nach einer direkten Lösung, vielmehr nach der Aufmerksamkeit eines vermeintlich wichtigen Mannes.


    Dennoch empfinde ich meine Arbeit als durchaus erfüllend und zufriedenstellend, sie offenbart Einblicke in das tägliche Leben unseres Volkes, die mir sonst wohl kaum gegeben gewesen wären, als Priester verlässt man den Tempel selten genug. Ich werde im Anschluss meiner Zeit als Vigintivir den Kaiser um ein Militärtribunat bitten, die erforderliche Prüfung der academia militaris habe ich bereits abgelegt, und hoffe, Du kannst mir einen guten Rat erteilen, wie ich mich ansonsten auf diese Zeit angemessen vorbereiten kann, um nicht als unwissender Neuling allzu peinliche Fehler zu begehen. Letztendlich fehlt mir die Ausbildung eines Soldaten, auch wenn ich mich glücklich schätzen kann, meinen Körper bei Kräften gehalten zu haben, ist dies wohl kaum mit dem Können und der Kraft eines Mannes vergleichbar, der täglich Waffen und Gepäck zu schleppen hat. Wie hast Du Dich seinerzeit auf Dein erstes Militärtribunat vorbereitet? Ich muss gestehen, ich weiss wenig mehr als die Literaten bieten, und es wäre mir unangenehm, als unbeleckter Neuling dem üblichen Vorurteil zu entsprechen, das bei patrizischen Tribunen sehr oft gebraucht wird.


    Ansonsten geht in Rom im Grunde alles seinen gewohnten Gang - Du wirst sicherlich vernommen haben, dass sich ein Octavier auf den Stufen des Senats das Leben nahm, als er bei den Wahlen versagt hatte, seitdem scheinen mir die Götter Rom zu zürnen, doch sicher ist dies noch nicht, muss ob dessen doch ein Sühneopfer des Senats abgewartet werden. Mit Freuden indes habe ich vernommen, dass wir in Zukunft wohl familiäre Bande miteinander knüpfen werden - Dein Mündel Tiberia Albina und mein Verwandter Flavius Furianus im Stand der Verlobung zu sehen war eine überraschende, aber sicher nicht unangenehme Entwicklung. Sollte Dein Mündel irgendwelcher Dinge bedürfen, zögere nicht, sie mir zu nennen, denn mein Verwandter ist ob seines Amtes wieder gen Hispania gereist und wird sich wenig nur um seine Braut kümmern können, die Pflicht nimmt für ihn einen hohen Stellenwert ein. Es wäre mir jedenfalls ein Vergnügen, jenen Dienst zu erwiedern, den Du mir erwiesen hast, ohne mich zu kennen, und für den es kaum einen Gegenwert wird jemals geben können.
    Ich schließe mit der Hoffnung, dass Dich diese Zeilen bei guter Gesundheit und nach einem siegreichen Kampf erreichen,


    Flavius Aquilius


    Auch dieser Brief landete im Postausgangskörbchen und wartete geduldig darauf, von meinem scriba personalis zur Kenntnis genommen zu werden.

  • So einiges hatte mir mein Onkeleins schon erzählt, nunja, ich kann zumindest schwimmen. Was aber gegen die Räuber des Meeres auch nicht viel hilft, allerdings nur dann, wenn man sich zu wenig hinauswagt. Momentan bleibe ich lieber dicht am Floß meiner Onkel ...


    "Nun, ich bin schon gespannt" wie die Flavier feiern, ob viele Leute kommen? Sicher. "Prima, dann schaue ich beizeiten im Iuno-Tempel vorbei, die Probe für den Steinmetz ist schon in Auftrag. Aber bis zum Frühjahr ist ja noch etwas Zeit." Im Geiste gehe ich schon die Einkaufsliste durch, Geschenke, eine neue Toga, vorzugsweise tiefenimprägniert, und zum Friseur gehe ich auch ...


    "Vielen Dank jedenfalls, daß Du Dir Zeit genommen hast, Onkel Aquilus. Wir sehen uns dann wieder bei der Arbeit ..."

  • Ich nickte ihm leicht zu und lächelte dann. "Keine Ursache, es waren wichtige Anliegen ... achja: Du solltest Dich in den nächsten Tagen übrigens auch mit dem Gedanken anfreunden, einem der patrizischen Kultvereine beizutreten. Als magister salii palatini ist es meine Aufgabe, den sodales geeignete Kandidaten vorzuschlagen, wenn ein verdientes Mitglied ausscheidet, und es ist in der letzten Woche tatsächlich ein Platz frei geworden. Würde es Dir zupass kommen, zu Mars' Ehren mit uns die rituellen Tänze zu vollführen?" Diese Sache wollte ich noch geklärt wissen, bevor das Tagesgeschäft beginnen konnte, ganz unwichtig war es ja nun wirklich nicht.

  • Äh. Rituelle Tänze? Tanzen? Hüpfen? Sich zu irgendeiner Flöte leicht wie der Wind und trampelig wie ein satter Bär hin und her wiegen? O - O. Hm, naja, immernoch besser als singen. Wollen ja nicht alle Götter ungnädig stimmen oder vertreiben. Ob Aquilius beim Tanzen eine gute Figur macht? Aber: eine irre Ehre ist das schon, Sodale bei den Saliern ...


    "Ich gebe zu, ich ... äh ... naja, Tanzen. Ich meine, ... äh ... " ich werde leicht tomatenrot "ich freue mich sehr über die Einladung, vielmehr ist das eine große Ehre, daß Du mich einlädst", und Mars könnte wirklich im Frühjahr kräftig mal wieder 'was für den Ackerbau tun - ob er sich aber durch Hüpfen und Springen dazu motivieren läßt? "Musikalisch bin ich, naja, etwas eingeschränkt" singe, wem Gesang gegeben, krähächz undsoweiter "Ich will mich gerne bemühen, so gut es geht ... äh ... ich habe noch nie getanzt." So, jetzt weißt Du's. :(


    Hoffentlich kann ich irgendwo ungesehen üben. Ich brauche eine Art großen Spiegel. Oder blankpolierten Marmor. Gibt's im Atrium, der ideale, völlig abgeschiedene Platz zum Übungsspringen. :D


    [SIZE=7]Tipp-Ex[/SIZE]

  • "Musikalisch bin ich auch nicht gerade, aber für das carmen saliare und das Halten des Rhytmus reicht es. Wenn man erst einmal gemeinsam loszieht und singt, ist es nicht mehr schwer und geht nach einer gewissen Zeit von selbst - zudem, wir üben mit neuen Mitgliedern immer vor einem ersten öffentlichen Auftritt, Du musst Dir also deswegen keine Gedanken machen - ein jeder hat irgendwann einmal damit angefangen und ich bin mir sicher, wenn ich es schaffe, den Dreischritt zu meistern, dann Du sicherlich auch. Es ist kein Ding der Unmöglichkeit," sagte ich aufmunternd und schmunzelte. "Überlege es Dir. Ich werde Dich den sodales vorschlagen, wenn Du Interesse hast - und es würde mich freuen, meinen Neffen bei den palatinischen Saliern zu sehen."

  • 'Luca, Schätzchen, hast Du nicht Lust, mir ein wenig bei den Steckrüben zu helfen?' Wenn Mutter im Garten arbeitete, daß die Erde und die Blätter nur so flogen und stoben, man unvorsichtig war, währenddessen auf ein "Salve" vorbeizuschauen und ihr in der Sonne zu stehen, riskierte man, ein Animationsprogramm vorgeschlagen zu bekommen. 'Luca, Schätzchen, hast Du nicht Lust, ...' eine einleitende Frage, auf die sie zweifellos keine verneinende Antwort erwartet hat. 'Ich würde mich freuen, meinen Sohn bei den Steckrüben arbeiten zu sehen', wenn das Mutter gesagt hätte, dann sah sie mich schon bei den Steckrüben arbeiten, wie man vor dem geistigen Auge die Sonne auf- und untergehen sieht.


    "Aber natürlich habe ich Interesse" - wehe wenn nicht, ich lächele - "einen Dreischritt werde ich schon hinbekommen" lächele ich etwas schief. Wahrscheinlich gibt es aber auch einen Fünfschritt und eine Siebenschritt, das dicke Ende kommt später. Nicht nur Steckrüben, sondern auch Kohlköpfe. "Ich würde mich freuen, wenn die sodales mich für würdig erachten, Mitglied der Salier zu werden. Danke, daß Du an mich überhaupt gedacht hast."


    Sim-Off:

    Luca wird wohl einen Dispens benötigen, da beide Elternteile schon verstorben sind.

  • "Wie könnte ich nicht an meinen Neffen denken, wenn es darum geht, ihm einen angemessenen Platz in der hiesigen Gesellschaft zu verschaffen? Merke Dir eins, als hispanischer Flavier wirst Du alle Vorteile nutzen müssen, die sich Dir bieten, und wenn ich Dir einige Türen öffnen kann, dann will ich dies auch tun. Du wirst zwar einen Dispens brauchen, da Deine Eltern verstorben sind, aber die Patrizierfamilien dieser Stadt sind nicht gerade überreichlich mit Nachwuchs gesegnet, sodass ich denke, dass das nicht das allergrößte Problem sein wird - ich werde das mit Gracchus einmal besprechen, ich bin mir sicher, er wird der Sache auf die Sprünge helfen," meinte ich abschließend und mit einem leichten Lächeln. Wenige Teile meiner Verwandtschaft waren mir wirklich sympathisch, und er zählte dazu, was ich ihn durch mein Lächeln auch merken ließ. Gemächlich legte ich die Akte von eben beiseite und erhob mich.

  • Es ist so ungewohnt, eine Familie zu haben, die aus mehreren Menschen besteht, aus Menschen, die einander beistehen, eine Gruppe, die nach außen zusammenhält, auch wenn sie untereinander sich nicht immer Freund ist.


    "Ach Onkel, ich freue mich einfach, daß ich so gut vorankomme und vor allem, daß ich so viel lerne. Ich dachte, ich müßte vor allem in stickigen Räumen über Rollen büffeln, aber so lerne ich viel mehr und mit viel mehr Freude." Onkelzwo wird sich ja auch denken können, daß meine neuen Lebensumstände hier in Rom mir weitaus mehr Sorgen bereiteten. "Es ist so ganz anders, als ich es mir hier vorgestellt hatte, viel schöner, als ich es mir gedacht hatte. Ich verdanke Dir und Onkel Gracchus so viel. Danke."


    Ich stehe auf und ordne mich, um ihn wieder sich und seiner Arbeit zu überlassen.

  • Leicht lächelte ich bei seinen Worten, aber wie so oft behielt ich die eigentliche Freude für mich. Man lernte als Patrizier sehr früh, zu viele emotionale Äußerungen zu unterdrücken und sich nicht anderen Menschen gegenüber zu offenbaren, und nach langen Jahren der unvorsichtigen jugendlichen Leichtigkeit hatte ich mich an die Lektionen meiner Eltern gehalten ...
    "Ich freue mich, dass es Dir hier in Rom und bei der Familie so gut gefällt, Lucanus - und ich hoffe, es bleibt so. Du wirst bald auf eigenen Füßen stehen, und wenn wir Dir ein wenig Hilfe dabei sein können, dann ist es umso erfreulicher. Und nun ab mit Dir, leider wird dieser Aktenstapel nicht kleiner, wenn die Unterhaltung angenehm ist ..." Ich zwinkerte ihm wohlwollend zu und wandte mich dann wieder in Richtung der Arbeit, die leider immernoch herumlag und geduldig wartete.

  • Sehr lange hatte ich mit mir innerlich gekämpft, ob ich es tun oder besser lassen sollte. Doch bald schon würde es keinen Ausweg mehr geben. Dann müsste ich es tun, ob ich wollte oder nicht!
    Mein Körper hatte sich in den letzten Wochen unaufhaltsam verändert und er würde sich noch weiter verändern. Noch konnte man nichts erahnen, was in mir war.
    Außerdem hatte ich noch ein anderes Anliegen, was mir sehr wichtig war. Angeregt durch ein Gespräch mit Straton, hatte ich mir schon ausgemalt, wie es wohl sein könnte, wenn es soweit war! Aber ob es so kommen würde, lag nicht in meiner Macht. Doch er konnte es möglich machen, wenn er es denn wollte.


    Nun stand ich vor der Tür zu Aquilius´ Arbeitszimmer, aber ich traute mich nicht, anzuklopfen. Nächtelang hatte ich mir überlegt, was ich sagen sollte, wie ich es sagen sollte, hatte manches wieder verworfen und manches als besonders wichtig befunden. Jetzt hatte ich mir im Gedanken eine Rede zusammengestellt, die ich ihm gegenüber vorbringen wollte.
    Warum fühlte ich nur immer noch diese Unsicherheit in mir, so wie ich sie gefühlt hatte, als ich am ersten Tag vor ihm gestanden hatte? Warum konnte ich nicht einfach ihm gegenüber unbefangen sein oder sogar herausfordernd, so wie es oft schon Severus gewesen war? Warum konnte ich ihm nicht offen gegenübertreten und ihm das, was mein Begehren war, direkt ins Gesicht sagen? Dazu könnte ich wohl nie fähig sein!
    Beinahe hätte ich mich vielleicht wieder umgedreht und wäre gegangen, hätte ich nicht in jenem Moment etwas in mir gespürt, dass mich von all meinen Zweifeln befreite. Ich musste es tun! Jetzt!
    So klopfte ich an und trat ein.

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