Inaugurationes der Priester

  • Nicht erst auf dem Hinweg hatte ich mir Gedanken bezüglich eines Nachfolgers gemacht, denn da ich nun ins collegium pontificium berufen wurde, würde zukünftig mein Platz im Siebenmännerkollegium verwaist sein. Ursus und Avianus waren nie den Riten sonderlich stark zugetan gewesen, obgleich natürlich beide in erwartetem Maße religiös waren. Cotta hätte ich eine solche Aufgabe ohne zu zögern zugetraut, doch weilte er gleich Aquilius nicht mehr in Rom. Wer blieb, war Orest, und ihm traute ich es ebenfalls zu, da er bereits den nötigen religiösen Elan mit sich brachte.


    An diesem Tag war der Himmel über Rom von einem strahlenden Blau. Es war selbst für den italischen Winter zu kalt, und ein Klient hatte mir am Morgen berichtet, dass die Schneefallgrenze nicht nur in Germanien deutlich gesunken war. Mit einigen Klienten und jenen aus der Familie, die der Zeremonie beiwohnen mochten, traf ich bei der Hütte auf dem Capitol ein, die als auguraculum bekannt war. Überrascht gewahrte ich dort nicht nur Mitglieder des Augurenkollegs, sondern auch einige Siebenmänner. Ich trat hinzu. "Salvete, septemviri, augures."

  • Die Menschenansammlung am Auguraculum war jedoch kein Produkt des Zufalls oder einer spontanen Laune angesichts des blauen Himmels. Von allen Männern, die heute im Mittelpunkt einer Inauguratio stehen würden, war der eben eingetroffene Septemvir dann auch genaugenommen einer der einfacheren Fälle. Nicht weniger als ein neuer Rex Sacrorum, ein neuer Flamen und mehrere Pontifices sollten heute in ihr Amt eingeführt werden. So hatte es das Collegium Pontificium beschlossen.


    Eben erschien der derzeitige Flamen Quirinalis und kommende Rex Sacrorum vor dem Auguraculum, wo er auf die anderen bereits anwesenden Flamines traf. Von den Pontifices fehlten noch einige, unter anderem auch sein Nachfolger Curiatius Fistus. Auch vom Pontifex Maximus war noch nichts zu sehen, aber das wunderte hier niemanden.

  • Die Aussicht, welche der strahlende Himmel an diesem Tage von der Kuppe des kapitolinischen Hügels über Rom gewährte, war für einen winterlichen Tag geradezu atemraubend, selbst dann, wenn man wie Gracchus nicht zu Fuß den Hügel empor gekommen und ob dessen ohnehin schon außer Atem war. Aus diesem Grunde ließ der Pontifex es sich nicht nehmen, die Aussicht kurz zu goutieren, ehedem er seine Schritte zu den versammelten Mitgliedern des Cultus Deorum am Auguraculum lenkte. Es war dies beinahe schon eine Massenveranstaltung, dennoch, oder gerade ob dessen, wollte Gracchus sich dies nicht entgehen lassen, insbesondere, da ein Rex Sacrorum und ein Flamen Quirinalis an diesem Tage in ihr Amt würden eingeführt werden, was immerhin nicht alle Tage sich zutrug. Gracchus grüßte die bereits Anwesenden mit einem allgemeinen Gruß in die Runde, jene welche ihm näher bekannt waren darüberhinaus mit einem Nicken - die Pontifices, einige Auguren und Septemviri, darunter Aurelius Corvinus, und einige wenig Sacerdotes -, ehedem er sich zu den unbeteiligten Zuschauern gesellte.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Selbstverständlich erschien auch Tiberius Durus - als Pontifex war es seine heilige Pflicht, der Inauguration des nominell ranghöchsten Priesters Roms beizuwohnen. Abgesehen davon wurden auch neue Pontifices inauguriert und es war dem Tiberier mindestens genauso wichtig, Aurelius Corvinus zu seiner neuen Würde zu gratulieren.


    Als er kam, waren bereits zahlreiche ehrwürdige Herren in ihren Togen erschienen - nicht nur Pontifices, sondern auch Auguren und sogar einige der Septemviri waren zu erkennen. Ruhig grüßte Durus einen nach dem anderen, bei Corvinus blieb er mit einem warmen Lächeln besonders lange stehen und meinte


    "Wie schön, dich in unseren Reihen begrüßen zu dürfen - zumindest in Kürze!"


    Dann gesellte er sich zu Flavius Gracchus und wartete darauf, dass der Pontifex Maximus erschien, der üblicherweise solch wichtige Inaugurationen persönlich vornahm.

  • Umgeben von weniger Hofbeamten und dafür mehr Priestern als üblich erschien auch die Sänfte von Valerianus vor dem Auguraculum. Langsam verließ er das halbwegs angenehme Fortbewegungsmittel und gab sich keine Mühe, unbeeindruckt von der Kälte zu wirken. Sichtbar fröstelnd legte er einige Schritte zurück und schaute sich dann um.


    "Sind alle anwesend?"

  • Orestes war zwar nicht mit Corvinus aufgebrochen, doch war es ihm ein Pflichtgefühl (und nur dieses trieb ihn in diesen Tagen aus dem Haus, der Zeremonie beizuwohnen. Es tat ihm gut, auch wenn es für seine Gefühl schon wieder zu kalt war, die frische Luft zu atmen, die durch keine Öfen verschmutzt (daher aber auch nicht erwärmt) war. So gesellte er sich zu den Klienten seines Verwandten und harrte.

  • Nachdem auch der Pontifex Curiatius Fistus eingetroffen war und noch ein paar weitere Priester und Auguren, konnte Valerianus tatsächlich mit der Zeremonie beginnen. Langsam trat er nach vorne an das Kohlebecken, wo es nicht nur stärker nach Weihrauch roch, sondern auch wärmer war.


    "Das Collegium Pontificium hat beschlossen, dass dem Flamen Marcus Menenius Lanatus die Ehre zu Teil werden soll, zum Rex Sacrorum erhoben zu werden. Haben wir die Zustimmung der Götter zu diesem Beschluss?"


    Die Frage richtete sich selbstverständlich nicht an die Masse der Zuschauer, sondern an jene Deuter der göttlichen Zeichen, nach denen das Auguraculum seinen Namen hatte.

  • | Verginius Esquilinus


    Selbstverständlich hatte sich der Magister der Auguren, Verginius Esquilinus persönlich bereit erklärt, bei der Inauguratio des Rex Sacrorum und der übrigen Pontifices zu assistieren. So trat er auf die ungewöhnlichen Worte des Kaisers (üblicherweise wählte man formelhafte, ältere Formulierungen) hervor und begann damit, den Himmel mit seinem Lituus zu teilen und die entsprechenden Räume auf göttliche Zeichen hin zu untersuchen.




  • Allmählich kamen auch die Übrigen, die dieser Zeremonie bewohnen wollten, hinzu. Neben Vitellius Rufio und dem magister der Siebenmänner entdeckte ich plötzlich Flavius Gracchus, dem ich zunickte. Der Platz vor dem auguraculum füllte sich zusehends. Auch die Auguren, gar ihr magister, fanden sich nun ein. "Salve, Durus. Vielen Dank", erwiderte ich erfreut auf Durus' freundliche Begrüßung hin, als einige Liktoren vom nahenden Kaiser kündeten. Mich hätte es nicht überrascht, wäre er trotz seiner erforderlichen Anwesenheit gar nicht erschienen. Im Gewirr einige Klienten der Familie entdeckte ich Orestes und Alexandros. Der Sklave grinste mich an und zeigte mir einen Daumen nach oben. Ich nickte Orestes zu und wandte mich hernach dem Hauptgeschehen zu. Mein zukünftiger Exkollege Axius Serenus deutete auf den neuen resx sacrorum und sagte etwas zu Aemilius Atimetus, dem dicke Sorgenfalten auf der Stirn standen.


    Schweigen breitete sich aus, als der angeschlagene Kaiser endlich seinen Platz erreichte und recht salopp nach dem Willen der Götter fragte. Niemand geringerer als der Führer der Auguren holte die auspicia ex avibus ein. Und wie es bei Zeremonien solchen Ausmaßes üblich war, ließen die Vögel nicht lange auf sich warten, stiegen zur Rechten des Auguren - vermutlich irgendwo aus einem Käfig in einem Hinterhof - auf und flogen über den Platz hinweg.

  • | Verginius Esquilinus


    Offensichtlich hatte bereits irgendjemand dafür gesorgt, dass günstige Erscheinungen auftauchten, denn es dauerte nicht lange, bis ein paar Vögel auftauchten und damit ein positives Signal gaben. Ob dies nun allerdings wirklich der Wille des höchsten und besten Iuppiters war, war unklar. Doch im Grunde war dies alles ja nur ein Ritual und folglich befolgte auch Esquilinus die Regeln.


    "Ich erkenne keinen Widerspruch der Götter gegen die Erhebung dieses Mannes. Ihr Blick liegt aufmerksam wie wohlwollend auf Marcus Menenius Lanatus."


    erklärte er daher und blickte zum Kaiser, der die Entscheidung nun zu bestätigen hatte.




  • Valerianus hatte mit keiner anderen Antwort des Auguren als dieser gerechnet. Er ließ Marcus Menenius Lanatus zu sich kommen und sprach zunächst kurz einige leise Worte zu ihm, die für die Umstehenden nicht zu hören waren. Dann wurde seine Stimme wieder etwas lauter.


    "Auf Beschluß des Collegium Pontificium und mit Zustimmung der Götter ist damit Marcus Menenius Lanatus von jetzt bis an sein Lebensende Rex Sacrorum Roms."


    Es folgten einige weitere Worte, ein Gebet und die Möglichkeit für den Rex Sacrorum, selber ein Gebet und ein Dankesopfer darzubringen und einige Worte zu sprechen. Die Prozession zu seiner Amtswohnung musste dagegen bis zum Ende der Zeremonie für die anderen Priester warten.

  • Es wäre auch höchst wundersam gewesen, hätte der augur nicht das Wohlwollen des höchsten römischen Gottes deuten können. Der neue rex sacrorum stand demnach also fest, nachdem der Kaiser ihn noch einmal offiziell ernannt hatte. Der Menenier neigte ehrerbietend den Kopf und warf einen Blick zu seiner Frau, die durch des Kaisers Worte nun frischgebackene regina sacrorum war. Die Prozessions zur Amtswohnung des Paares an der Via Sacra würde erst später zelebriert werden, nahm ich an, denn nun würde wohl zunächst die inauguratio des neuen flamen Quirinalis folgen.

  • Nachdem damit der erste unwichtigste Punkt auf der Liste der Ernennungen erledigt war, trat Valerianus erneut nahe an das Kohlebecken heran, um sich der zweiten Aufgabe zu stellen. Er wählte die identischen Worte wie zuvor, abgesehen vom Namen und Amt.


    "Das Collegium Pontificium hat beschlossen, dass dem Pontifex Curiatius Fistus die Ehre zu Teil werden soll, zum Flamen Quirinalis erhoben zu werden. Haben wir die Zustimmung der Götter zu diesem Beschluss?"

  • | Verginius Esquilinus


    Auch hier war der Magister der Auguren persönlich gefordert und auch diesmal begann er damit, dass er in theatralischer Art und Weise die Arme hob und ein Templum zeichnete, ehe er sich der Himmelsbetrachtung hingab.


    Auch diesmal schien es nicht lange zu dauern, dass positive Zeichen kamen, denn rasch ging er in seine Ausgangsstellung zurück und konstatierte


    "Ich erkenne keinen Widerspruch der Götter gegen die Erhebung dieses Mannes. Ihr Blick liegt aufmerksam wie wohlwollend auf Marcus Curiatius Fistus."


    Damit waren die wichtigsten Ämter besetzt und als Zeichen seiner neuen Würde würde der neue Flamen nun auf feierliche Art und Weise eingekleidet werden können.


    Doch es standen noch weitere Inaugurationen aus: Zwei Pontifices mussten dem Collegium kooptiert werden, einer davon war zurückgetreten, sodass ein weiterer nachrücken konnte.




  • Erneut trat Valerianus einen Schritt nach vorne, um auf die Ankündigung und die Zustimmung der Götter auch die Ernennung folgen zu lassen.


    "Nachdem die Götter ihre Zustimmung bekundet haben, ernenne ich den Pontifex Marcus Curiatius Fistus zum Flamen Quirinalis."


    Wie schon beim Rex Sacrorum folgte ein kurzes Gebet und eine Gelegenheit für die ersten offiziellen Worte des neuen Flamen. Währenddessen konnten sich die zukünftigen Pontifices schon bereit machen. Ein Helfer reichte Valerianus eine Liste der Namen, die er zu nennen hatte.

  • Nachdem nun auch der neue flamen Quirinalis seinen neuen Platz erhalten hatte, würde es wohl mit den pontifices weitergehen. Mit einem prüfenden Blick kontrollierte ich nochmals meine toga - alles saß noch, wie es sollte. Und dann würde es gleich soweit sein. Noch sprach Curiatius Fistus ein paar Worte des Danks. Ich befeuchtete noch einmal meine Lippen. Ja, doch, ich war nervös. Dann reihte sich der neue flamen bei seinen Kollegen ein.

  • Noch einmal musste Valerianus nach vorne treten um den letzten Akt der heutigen Zeremonie zu bestreiten.


    "Die Reihen des Collegium Pontificium haben sich gelichtet und es ist an der Zeit, diese wieder zu füllen."


    Diesmal erbat er kein göttliches Zeichen, sondern erklärte dieses bereits für eingeholt, so dass er nur noch die Namen aufrufen musste. Tatsächlich waren unter diesen nicht alle, die im Collegium besprochen worden waren, so dass Zweifeler möglicherweise glauben konnten, dass eben göttliche Zeichen eine Änderung der Liste herbeigeführt hatten.


    Ein Name nach dem anderen wurde verlesen.


    "Marcus Aurelius Corvinus"


    Es folgten weitere, bis alle Männer benannt und damit auch ernannt waren und ebenfalls ein gemeinsames Gebet und Opfer möglich war.

  • Die Form der Inaugurationen war höchst fragwürdig, wie Durus voller Staunen feststellte: Der Kaiser verzichtete auf die althergebrachte, förmliche Sprache! So konnte man doch niemanden zum Rex Sacrorum, dem formell höchsten Priester machen! Durus presste die Lippen aufeinander, während das Schauspiel vor sich ging. Die Worte der neu Eingesetzten waren allerdings wieder genau so pathetisch und formelhaft, wie man es gewohnt war - zumindest hatten sie die richtige Wahl getroffen.


    Bei den Pontifices klappte dem Tiberier dann allerdings die Kinnlade herunter: Er fragte die Götter nicht einmal! Oder hatte er etwa seinen Astrologen mit dieser Aufgabe betraut, anstatt die althergebrachte Form des Auspiciums anzuwenden? Hatte dieser Kaiser denn überhaupt kein Gefühl für Tradition? Und hatte er zusätzlich noch dermaßen miserable Berater? Die Auftritte des Kaisers innerhalb des Cultus waren ja geradezu peinlich!

  • Es verwunderte mich ein wenig, wie viele andere außer mir noch die Ehre erhielten, ins collegium pontificium berufen zu werden, neben dem geschiedenen rex sacrorum und seinen zwei Helfern. Es verwunderte mich allerdings sehr, wie lapidar, beinahe salopp, der Kaiser schlicht die Namen von der Liste ablas. Ein Mann, der wohl Servius Varinius Venno sein musste, spitzte die Lippen und trat nach kurzem zögern vor, als sein Name fiel. Ich tat es ihm gleich, als der meine genannt wurde. Sicherlich würde der Kaiser nicht darauf verzichten, ebenfalls den Willen der Götter deuten zu lassen. Nur würde er es für alle gleichsam tun, wie ich annahm.


    Dass diese Annahme falsch war, merkte ich zeitgleich mit Varinius Venno, der scharf die Luft einsog, als der Kaiser fort fuhr. Eine meiner Brauen rutschte hinauf, auch wenn ich mich bemühte, nicht gar so entrüstet zu schauen. Ich hatte ein ungutes Gefühl bei dieser ganzen Angelegenheit. Aber ich fühlte mich in den Worten bestätigt, die ich zu Durus gesagt hatte, als dieser vor kurzem mein Gast gewesen war. Ich würde dem Göttervater ein Opfer darbringen, allein schon, damit er um meinetwillen nicht erzürnt sein würde. Was Valerian sich hier heute leistete, war beschämend für ihn, beschämend für den cultus und beschämend für seinen Vater, der trotz allem immer noch die rechten Worte gefunden und die rechten Taten vollbracht hatte, um den Traditionen genüge zu tun. Sein Tod war ein größerer Verlust für Rom, als ich bisher geglaubt hatte.

  • Mit der Ernennung der neuen Pontifices war die Zeremonie für Valerianus fast beendet. Die vor Missfallen angesichts der Art der Zeremonie etwas verzerrten Gesichter einiger Anwesenden nahm er nicht wahr und war sich keines Fehlers bewusst. Auf der Liste der Aufgaben blieb nur noch ein Punkt übrig.


    "Um auch in Zukunft einen reibungslosen Ablauf der Arbeit des Collegium Pontificium zu gewährleisten, übertrage ich Manius Tiberius Durus die Aufgabe eines Pontifex pro magistro, der als mein Stellvertreter die Geschäfte des Collegiums führen wird, wenn ich es nicht selber tue."

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