Jeder Mord hat seinen Preis

  • Ein wenig nervös rutschte Gracchus die erste Stunde der Senatssitzung, welche gewichtigen Thematiken gewidmet war, auf seinem Sitz in den hinteren Reihen herum, dort, wo die erst kürzlich aufgenommenen Senatoren ihre Plätze hatten, aber auch jene pedarii, welche bereits durch die Gunst ihrer Patrone seit längerem in den Hallen des Senates weilten, doch gleichsam niemals über das Amt einer Quaestur würden hinaus kommen. Trotz der Tatsache, dass Gracchus einer derjenigen Senatoren war, welche zuletzt in das Gremium waren aufgenommen worden, war jener Punkt, welchen er zur Aufnahme auf die Tagesordnung hatte vormerken lassen, weit vorgezogen worden auf dieser Agenda, würde er doch nicht in erster Linie als Senator das Wort erheben, sondern mehr als Pontifex und pro collegio des Collegium Pontificium. Als der Princeps Curiae seinen Namen aufrief, so dass dieser durch die Halle der Curia Iulia hallte, erhob sich Gracchus langsam, suchte mehr Ruhe auszustrahlen als tatsächlich in seinem aufgewühlten Inneren vorherrschte, war jedoch gleichsam dessen überzeugt, dass jeder der Senatoren um ihn herum - alle viel versierter als er selbst - die Farce auf den ersten Blick würde erkennen, und war froh ob dessen, dass nicht aus rein persönlichen Gründen er an diesem Tage sprach, da jeder dieser Senatoren seine Rede würde in marginalste Einzelteile zerreißen und ihn in den harten, marmornen Grund der Curia Iulia würde stampfen können.
    "Senatores, einige Tage bereits sind vergangen seitdem ein Frevel unsäglichen Ausmaßes sich hat ereignet, inmitten des Herzen dieses Reiches, inmitten der urbs aeterna, mitten auf dem Forum Romanum. Zu den ältesten Bauwerken unseres Volkes gehört der Tempel der Vesta, in welchem das ewige Feuer brennt, in Rundform erbaut wie einst unsere Vorfahren ihre ersten Hütten hier in Rom hatten errichtet, einen Kult beherbergend, einen Ritus, welcher so alt ist wie die ersten Gesetze dieses Reiches, zurückgehend bis zu den Anfängen der Gründung unserer Stadt, begründet von Numa Pompilius, wenn nicht gar von Romulus selbst. Auf den Stufen zu diesem Tempel, dem Tempel der Vesta, wurde auf schändlichste Art und Weise die virgo vestalis maxima in mörderischer Absicht niedergestochen. Nichts trug sie materielles bei sich, was hätte ihr geraubt werden können, nichts provozierendes zuvor hatte sie getan, war auf dem Weg zum heiligen Feuer der Vesta, um dort ihrer Pflicht nachzukommen. Kein Umstand hätte eine Tat, wie sie geschah, herausfordern können, so dass kein Zweifel bleibt an der Intention des Angreifers bestehen, einzig die virgo vestalis maxima ihres Lebens zu berauben."
    In einer kurzen Pause ließ Gracchus jene Intention nachwirken, bevor er fort fuhr.
    "Ein Attentat auf Consul Prudentius mag ein Attentat auf den Consul und damit den Staat Rom gewesen sein, oder aber auch auf den Mann Prudentius Commodus. Ein Attentat auf den Praefectus Urbi Octavius mag ein Angriff auf Roms Stadtpräfekten und damit Roms Macht gewesen sein, oder aber auf den Mann Octavius Victor. Bis jene Verbrechen nicht in ihrer Absicht ergründet sind, können wir weder das eine, noch das andere mit Sicherheit beweisen. Doch, Senatores, ein Angriff auf die virgo vestalis maxima, dies ist ein Angriff auf Rom selbst, ein Angriff auf die Grundfeste unseres Imperium, denn die virgo vestalis maxima ist keine Person. Sie ist eine ein Symbol - ein Symbol für die Unschuld und Reinheit der Roma, ein Symbol für die ältesten Gesetze und Ordnungen unseres Reiches, ein Symbol für die Wahrung der pax deorum, und ihre Ermordung kommt dem Ersticken des vestalischen Feuers gleich. Es ist dies ein Frevel, wie kaum schlimmer er Rom hätte treffen können. Als Pontifex, der ich heute vor euch stehe, bin ich beauftragt, im Namen des Collegium Pontificium dem Senat dringend nahezulegen, für eine Entsühnung dieses Frevels Sorge zu tragen, denn die Götter werden unweigerlich Satisfaktion fordern ob dieses niederträchtigen Geschehens. Das Collegium Pontificium ließ das weitere Vorgehen für einen solchen Sachverhalt bereits in den Aufzeichnungen vergangener Tage prüfen, doch nie zuvor in der Geschichte des Imperium Romanum hat sich ein Frevel diesen Ausmaßes ereignet, keine der vestalischen Jungfrauen war je Opfer eines solchen Attentates, so dass das Collegium Pontificium dem Senat keine bereits feststehende Entsühnung aufgrund vergangener Präzedenzfälle vorlegen kann. Daher ist dringend geboten, eine interpretatio durchzuführen, um den Zorn der Götter nicht heraus zu fordern."
    Da er nun einmal bereits stand und es fraglich wäre, wann das Rederecht ihm eine neuerliche Wortmeldung würde gestatten, fügte Gracchus subsekutiv an seine offizielle Beauftragung zudem seine persönlichen Worte in Bezug auf die vergangenen Geschehnisse hinzu.
    "Als Senator, der ich gleichsam heute vor euch stehe, dränge ich indes darauf, dass endlich diese Verbrechen aufgeklärt werden, der Mord an Consul Prudentius, das Attentat auf Praefectus Octavius und vorrangig vor allem der Mord an der virgo vestalis maxima - denn das Versagen des Staates in diesem Falle wird nicht unbeachtet bleiben, insbesondere mit Blick auf Parthia und die Abwesenheit des Imperator Caesar Augustus. Wenn der Staat Rom nicht mehr in der Lage ist, die unschuldigsten seiner Bürger zu schützen, wenn der Staat nicht mehr in der Lage ist, seine Symbole zu bewahren, zu was, wird uns das Volk schlussendlich fragen müssen, ist er dann noch in der Lage?"
    Mit dieser Frage, nicht gänzlich nur rhetorisch intentioniert, nahm Gracchus wieder Platz.

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  • Durus wusste natürlich bereits, was Gracchus vorhatte von sich zu geben. So brauchte er nichts hinzuzufügen. In den Augen der Senatoren konnte er teils Entsetzen, teils aber auch wissende, ernste Blicke erkennen - solch eine Sache hatte sich selbstverständlich bereits herumgesprochen.


    Er lehnte sich zurück und überließ vorerst dem Consul oder einem Consularen das Wort. Er war zwar Pontifex, aber Gracchus würde wohl alles erklären können, was er könnte.

  • "Ein schlechtes Omen, der Senat sollte die Pontifex befragen, weshalb diese schlimmen Dinge passieren, hegen die Götter einen groll gegen uns? Wer kann es Ihnen verdenken, in der heiligen Stadt Rom, Christen treiben sich rum, östliche Götter wie Baal oder Isis werden angebeten, diese sollten aus der Stadt ausgewiesen werden und unter der Todesstrafe sollten diesen Scharlatanen verboten sein, Rom zu betreten, dies wäre jedenfalls erstmals ein anfang."


    Er blickte zu Gracchus.


    "Ich stimme Marcus Flavius zu, Rom muss entsühnt werden, was schlägst du vor Marcus Flavius? Ein Lustrum?"

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  • "Ich stimme ebenfalls zu", meldete sich Macer zu Wort. "Eine solche Tat darf nicht ohne Folgen bleiben, wenn wir die Eintracht mit den Göttern nicht gefährden wollen. Unsere Truppen stehen im Felde, der Kaiser selber führt sie dort an. Nicht auszudenken, wenn sich die Götter von uns abwenden angesichts dieser frevelhaften Tat! Ich halte es für dringend notwendig, eine angemessene Entsühnung vorzubereiten und herbeizuführen." Schon deshalb, weil er selber für eine Tat dieses Ausmaßes völlig ratlos war, was man den Göttern dafür wohl anbieten müsse. Mit einem kleinen Opfer am Hausaltar war es sicher nicht getan, selbst wenn das jeder Einwohner der Stadt dreimal täglich getan hätte.

  • Dieser Tage kam wirklich viel zusammen, was die Gesellschaft nicht nur empörte, sondern Rom in eine echte Krise stürzen lassen konnte. Noch waren die Völker auf den Straßen ruhig oder zumindest unter Kontrolle. Etwas mußte getan werden und so nickte auch Avarus, als der Chor jener einsetzte, die eine Entsühnung forderten. In den Gedanken allerdings war er bei einem anderen Frevel angelangt. Mars wurde nämlich bereits über ein Jahr hingehalten und mußte in einem halb zusammen fallenden Wohnloch nächtigen und konnte sich nicht einer Erneuerung des Marsanwesens freuen. Gerade dachte sich der Senator Avarus auch dazu noch ein paar Worte zu sagen. Fast hätte er schon angesetzt zu sprechen, aber da fiel ihm ein, das die Gerüchte eventuell nicht wahrheitsgemäß waren. Er würde wie ein Dümmling dastehen, wenn nicht doch ein unbekanntes Etwas bereits seine Skizzen an der Fassade jenes Heiligtums ausbreitete. So schwieg er dazu und blickte weiter in sich hinein.








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  • Es war fast schon abzusehen, dass Agrippa wieder mit seiner Christenschelte kam. Als ob diese paar kleinen Wichte so bedeutend sein konnten, um die römischen Götter zu erzürnen. Der Prontifex sprach von einem Mord an einer Vestalin und Agrippa kam mit den Christen. Meridius verdrehte die Augen. Als ehemaliger Statthalter Hispanias musste Matinius eigentlich zu Genüge wissen, dass die Juden und Christen das kleinste Problem der römischen Gesellschaft waren.


    "Ich denke nicht, dass wir eine Grundsatzdiskussion starten müssen. Der Sachverhalt ist eindeutig und die Götter sollen bekommen, was ihnen zusteht. Aus meiner Sicht können wir gleich zur Abstimmung kommen. Ich bin ebenfalls dafür und schließe mich Senator Purgitius an!"

  • "Vergiss nicht, Senator Matinius, dass einige der östlichen Götter auf Geheiß der sibyllinischen Bücher und damit auf Weisung der römischen Götter wurden in Rom eingeführt. So ihre Anwesenheit die Götter erzürnt, würden diese nicht viel eher deren Tempel zerstören, anstatt ihrem eigenen Volk die Wurzeln zu rauben? Indes ist Mord noch immer eine äußerst profane Angelegenheit, weniger den Verlust der virgo vestalis maxima sollten wir den Göttern zuschreiben, denn ihren Zorn ob dieser Tat fürchten. Ein lustrum könnte in der Tat ein probates Mittel zur procuratio sein, doch liegt vor der interpretatio die Entscheidung dieses Gremius, eine Entsühnung anzustreben. Ist dies getan, so steht auch der Konsultation der sibyllinischen Bücher nichts im Wege, denn häufig bereits haben jene uns in Zeiten der Ratlosigkeit den richtigen Weg weisen können."

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  • "Die Christen und Baal werden wohl kaum auf Geheiss der sibyllinischen Bücher nach Rom eingeführt worden sein."


    "Eherenwerte Senatoren, ich denke wir sind uns einig, dass wir eine Entsühnung wollen, nein ich meine brauchen, deshalb sollten der Senat Marcus Flavius damit beauftragen die nötigen Schritte einzuleiten."

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  • Durus hüstelte.


    "Ich denke, das ist Sache des gesamten Collegium Pontificium oder vielmehr ganz Roms - wir sollten zuerst die Sibyllinischen Bücher befragen und dann das gesamte Collegium Pontificium damit beauftragen."


    Immerhin hatte Durus sehr wohl Interesse daran, selbst auch seinen Teil zu dieser Angelegenheit beizutragen, die Rom in dieser Zeit so hart traf.

  • "Manius Flavius"
    , berichtigte Gracchus Senator Matinius, denn obgleich er kaum erwartete, dass sein Name überhaupt sehr weit in dieser Halle bekannt war - immerhin saß er erst seit kurzer Zeit darin und hielt sich mitnichten für bekannt genug, dass alle Welt ihn müsste kennen - so war es doch womöglich besser, sich letztlich unter dem richtigen Namen bekannt zu machen - womöglich auch nicht, doch war es nicht angebracht, über solcherlei all zu früh zu sinnieren.
    "Der christlichen Götter und Baal indes brauchen sich weder die römischen Bürger, noch die römischen Götter zu sorgen, Senator Matinius, wurden sie doch nicht in Rom eingeführt, sondern werden schlichtweg in ihrer Marginalität geduldet, gleich jenen unzähligen nördlichen, westlichen und südlichen Göttern. Letztlich werden sie sich unserer eigenen Welt unterordnen oder im Laufe der Geschichte verblassen, doch sie waren nie eine ernsthafte Gefahr und werden dies niemals sein. Gerade wir, die wir hier sitzen, sollten uns dessen bewusst sein."
    Es war dies nicht eigentliches Thema der Sitzung, doch Gracchus kam nicht umhin, dies zu erwähnen, dass nicht erst auf falschen Grundlagen der weitere Fortgang der Entscheidungen würden aufgebaut werden. Viel harschere Worte noch hätte er vor dem Collegium Pontificium gefunden, doch in Kreisen der Senatoren wollte er nicht gar so weit gehen, immerhin lag durchaus im Interesse des Collegium, dass auch die Senatoren die Spielregeln der Religio achteten.
    "Der Mord indes an der virgo vestalis maxima ist eine römische Angelegenheit, welche wir Römer mit unseren römischen Göttern zu klären haben müssen, und der Senat muss als Vertretung des römischen Volkes diese seine Pflicht wahrnehmen. Ich kann Senator Tiberius hierbei nur zustimmen, dies ist Angelegenheit ganz Roms und nur eine Entscheidung des Senates kann die Einsicht in die sibyllinischen Bücher gewähren, ebenso wie kein einzelner über die durchzuführende procuratio wird richten können, sondern das Collegium Pontificium im Anschluss an die Divination dies in seiner Ganzheit ausarbeiten und dem Senat vorlegen wird müssen."
    Glücklicherweise war dies so, denn mit dem Schicksal Roms auf den Schultern wäre Gracchus beileibe mehr als nur überfordert. Letztlich lief nur alles auf eine formelle Abstimmung hinaus.

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