Lando beobachtete die Sitzung, die eine seltsame Eigendynamik entwickelt hatte, mit wachem Geist, überlegte das eine oder andere Mal einzuschreiten, entschloss sich letztendlich dafür, die seinen diese Schlacht alleine schlagen zu lassen. Die Sorge, Ragin damit zu überfordern bestätigte sich nicht, eher im Gegenteil. Der Junge schlug sich vergleichsweise gut. Erst als Hadrianus Iustus zur Befragung ansetzte, kam Ragin ins schwimmen, was vielleicht auch gut so war, schließlich lernte man erst auf bockigen Pferden den festen Sitz.
Die Argumente, die er zu hören bekam, erinnerten ihn irgendwie an Dinge, die er schon einmal in diesem Saal zu hören bekommen hatte. Und tatsächlich, alles wiederholte sich, Lando lehnte sich in seinem Stuhl zurück, und nahm einen Schluck Wasser. Auch als Harlif sich zu Wort meldete, blieb Lando nicht mehr als ein geringschätzendes Stirnrunzeln, er hatte sich schon fast daran gewöhnt, dass Harlif im römischen Luxus zu vergessen schien, wie er selbst begonnen hatte, und es sich zur Aufgabe gemacht zu haben schien, anderen diesen Weg so schwer wie möglich zu machen.
Aber das würde erst von Interesse sein, solange Harlif richtig abstimmte.
Lando zählte durch die Reihen, während Iustus und Ragin sich miteinander beschäftigten und bekam eine leichte Mehrheit für seine Sache zusammen, wenn er die germanischstämmigen Decuriones, mit einigen wackligen Opportunisten wie Harlif, und zuverlässige Römer wie Maecenas zusammenrechnete. Allerdings würde Maecenas noch nicht abstimmen dürfen, und Harlif schien sich im Moment eher auf Iustus Schiene zu bewegen. Unfassbar, wie Lando fand, der Romanisierung seit je her kritisch sah. Die Aufnahme von Ragin war also immernoch eine sehr wacklige Angelegenheit, vor allem als Witjon sich anmaßte, die Diskussion abrupt zu beenden, und zur Abstimmung aufzurufen. Lando hob eine Augenbraue, sparte sich jedoch einen Kommentar, er würde Witjon später auf diesen taktisch unklugen Zug aufmerksam machen, der Ragin jetzt vielleicht sogar den Einzug in den Ordo vermiesen könnte.
Was er aber nicht tat, denn als die Decuriones, die Lando als zuverlässige Partner seiner Sache einstufte, für Ragin abstimmten, gesellte sich auch noch jemand hinzu, der Lando mit seinem Ja vollkommen überraschte: Marcus Petronius Crispus.
Lando versuchte nicht allzu verblüfft zu schauen, hatte er den alten Veteranen doch für einen loyalen Verfechter der Romani-Soli-Politik in Germanien betrachtet. Allerdings wollte Lando sich auch nicht dem Glauben hingeben, Crispus hätte die Seiten gewechselt. Der alte Mann schien eher einen gewissen Realitätssinn zu offenbahren, der Lando beeindruckte. Für einen Realo hätte er den Mann nicht gehalten. Aber umso besser. Natürlich war Lando klar, dass der Mann sich in Zukunft dafür einen Gefallen erkaufen würde, und er selbst würde das nicht vergessen. Müssen. Dürfen.
Iustus ließ sich die Abfuhr von Witjon nicht gefallen, und Lando konnte das sogar irgendwie verstehen, auch wenn Iustus sich mit seiner aufbrausenden Art hier wohl keinen Gefallen tat. Allerdings stürmte der Mann nach draußen, bevor er eine Stimme abgab, was als Enthaltung gezählt wurde. Und mit Crispus als Abweichler war die Sache perfekt, Lando hob die Hand und beförderte Ragin mit einer simplen Geste in den Ordo Decurionum.