Was bisher hier geschah...

  • Lucius erwachte aus seiner Lethargie, als Marsus die Umstände seines Zusammentreffens mit Octavena erwähnte. Sie hatte ihm nichts davon erzählt - aber er hatte auch kein einziges Mal mit ihr zusammen gegessen oder sonstigen Kontakt gehabt. Das Treffen mit einer potentiellen Ehegattin bei der Suche nach einer Pferdezucht - diese Ironie fiel sogar dem jungen Petronier auf, weshalb er kurz losprustete, ehe er den tadelnden Blick des Alten bemerkte und wieder seinen ausdruckslosen, leicht abwesend wirkenden Gesichtsausdruck annahm.


    In diesem nahm er auch sein Geschenk entgegen und begutachtete den Phallus. Die Sache mit der Sexualität war so eine Sache bei ihm - bisher hatte er noch kein Mädchen gehabt. Zum einen, weil er sich lange genug nicht dafür interessiert hat, inzwischen aber eher, weil er sich nicht ins Lupanar traute, wo am Ende herauskommen würde, dass er noch immer Jungfrau war. Unwillkürlich sah er zu Callistus, dem er an den Saturnalien von seinen Eroberungen vorgelogen hatte - ob der Duccier das bemerkt hatte?


    Etwas verlegen murmelte er deshalb ein kurzes
    "Danke."
    und nahm sich vor, möglichst bald etwas wegen seiner Jungfräulichkeit zu unternehmen - vielleicht stahl er sich einfach davon und ging anderswo ins Lupanar, wo ihn niemand kannte...


    Schließlich nahm er Platz und ärgerte sich etwas, dass er nicht an der Seite seines Vaters lag - nicht, weil er den Alten so gerne mochte, sondern weil er wusste, dass die Entfernung zum Hausherrn direkt proportional zum Status der Person war - momentan war der Status von Octavena also höher als sein eigener, obwohl er ja eigentlich der Sohn des Hauses war...

  • Als Lucius wie auf Kommando losprustete, erntete er einen scharfen Blick von seinem Vater. Crispus hatte die Ironie nicht bemerkt, erkannte sie aber nun sofort - wie peinlich das für Octavena sein musste, von ihrem eigenen Cousin mit einer Zuchtstute in Verbindung gebracht zu werden. Komisch fand der Alte das ganz sicher nicht!


    Zum Glück ging auch Marsus einfach darüber hinweg und verteilte Geschenke. Erfreut hielt er sein Geschenk ins Licht und begutachtete die fein ziselierten Darstellungen - besonders die Menschendarstellungen waren gut gelungen. Als er die unterschiedlichen Motive betrachtete, wurde ihm wieder einmal klar, dass die Germanen den Römern gar nicht so unähnlich waren - zumindest weitaus näher als die Orientalen...


    "Vielen Dank, Duccius - ein sehr schönes Geschenk. Vielleicht sollte ich daraus gleich ein Trankopfer darbringen!"


    Damit ging er hinüber zu seiner Kline und legte sich nieder. Noch beeindruckender war allerdings das Geschenk für Octavena - offensichtlich hatte Marsus wirklich Gefallen an ihr gefunden und versuchte sie zu beeindrucken (was nicht schwer war, denn die Duccier waren vermutlich bedeutend reicher als die Petronier).


    "Auf die spendablen Gäste!"


    erwiderte er dann den Toast und hob seinen neuen Becher.

  • Nicht nur von seinem Vater erntete Lucius einen bösen Blick. Wobei der, den Octvena ihm zu warf, weniger streng, sondern viel mehr sehr mordlüstern war. Ihr war ziemlich schnell klar, warum ihr Cousin so albern losprustete, was ihre Abneigung gegen ihn nicht gerade verkleinerte. Was würde sie froh sein, wenn sie diese Nervensäge los war! Mit etwas Glück eher früher als später.


    Doch Lucius hatte nicht lange ihre Aufmerksamkeit. Stattdessen wandte sich Octavena wieder den beiden Ducciern und den Geschenken, die sie dabei hatten, zu. Der Kelch für ihren Onkel und der Gürtel für Lucius waren ganz schön, zumindest soweit Octavena das mit einem flüchtigen Blick sehen darauf konnte. Allein das mit den Kindern ließ sie innerlich erschaudern. Wenn sie sich vorstellte, dass es eines Tages vielleicht eine ganze Schar an Lucius-Miniaturen gab...
    Doch sie führte diesen Gedanken nicht weiter, sondern nahm ihr eigenes Geschenk entgegen. Schmuck. Das war zu erwarten gewesen, trotzdem war sie beeindruckt. Die schmale Blätterranke war eigentlich recht schlicht, aber wirklich schön gearbeitet. Die Kette ruhte leicht in ihrer Hand, während sie sie einen Moment betratete ehe sie wieder den Kopf hob. "Vielen Dank. Sie ist wirklich wunderschön."
    Tatsächlich verspürte Octavena auch auf der Stelle den Drang, die Kette einmal anzuprobieren und Marsus hatte Recht: Das war eine Gelegenheit, dass sich ihr im Moment ein wenig in Ungnade gefallener Diener nützlich machen konnte. Sie lächelte. "Das wäre allerings eine Idee. - Athicus!"
    Wahrscheinlich war er sowieso in hörweite, irgendwie schien er die Angewohnheit zu haben, immer in der Nähe zu bleiben, nahezu egal was war.
    Tatsächlich erschien er auch bald darauf und Octavena deutete auf die Kette in ihren Händen. "Hilfst du mir gerade damit?"

  • Octavena hatte Recht damit gehabt das Athicus sich in Hörweite aufgehalten hatte um sofort einsatzbereit zu sein wenn seine Herrin etwas verlangte. Schlieslich war er ja im Moment in einem ziemlichen Schlamassel. Als Octavena ihn eingestellt hatte war sie davon ausgegangen das er als Leibdiener für eine Frau ein Eunuch sein müsste. Natürlich hätte sie nachfragen können und natürlich hätte er von sich aus erwähnen können das er noch nicht entmannt worden war, aber keiner hatte sich damit befasst und so hatte Octavena erst vor kurzem erfahren das Athicus mehr hat als ihr zum Schutz ihres guten Rufes lieb sein konnte.


    Die Beseitigung diese Mangels hatte sie dann ganz alleine in Athicus Verantwortungsbereich geschoben. Nun musste er soschnell es geht Geld sparen um hoffentlich in ein paar Monaten einen Arzt für den notwendigen Eingriff bezahlen zu können. Octavena hatte klar gemacht das sie auf Dauer nur mit einem Eunuchen als Diener einverstanden ware.


    Das war nun keine ungewöhnliche Einstellung für eine römische Dame aus gutem Hause und er war ja dazu bereit seine Manneskraft für seine Anstellung zu opfern, aber er fand es schon sehr geizig das Octavena noch nicht einmal für die Kastrationskosten aufkommen wollte. Im Moment sah es ja so aus als wenn Marsus grosses Interesse an ihr zeigte. Athicus konnte nur hoffen das die Sache mit seiner Männlichkeit gelöst war bevor der germanische Dekurio eifersüchtig warden konnte und es vieleicht sehr unschön für Athicus wurde.


    Über diese Sachen grübelnd half er Octavena die Kette anzulegen. Da hatte sich Marsus ja wirklich ins Zeug gelegt. Er schien die Sache mit Octavena wohl sehr Ernst zu nehmen und auch Octavena wirklte nicht abgeneigt.

  • Als ihr Diener ihr die Kette umgelegt hatte, gab Octavena Athicus einen Wink, dass er wieder verschwinden konnte, und kehrte zu ihrem Platz zurück. "Vielen Dank nochmal." Dann angelte sie sich einen Becher Mulsum und hob ihn auf den Toast sowohl durch Marsus als auch ihren Onkel ein wenig.

  • Nachdem alle Platz genommen hatten, ließ Crispus den ersten Gang auftragen. Wie so oft gab es auch heute Rheinfisch, scharf gewürzt mit Garum und Gewürzen. Dazu wurde nun auch Wein gereicht. Von der Militärzeit war Crispus noch immer das säuerliche Gesöff gewohnt, das hier in schlechten Lagen wuchs - deshalb kam dieses im Alltag auch in der Domus Petronia auf den Tisch. Für diesen Anlass hatte er aber süßen Importwein aus Gallien besorgt, der nun nachgeschenkt wurde.


    "Greift zu, greift zu!"


    ermunterte er alle und nahm sich auch selbst ein wenig. Dann fragte er, was ihn täglich beschäftigte - der Krieg.


    "Achja, wozu wir noch gar nicht gekommen sind: Wie sieht es denn jetzt aus in Italia? Haben eure Verwandten beim Militär wieder einmal geschrieben?"

  • Octavena war wirklich ein Augenschmaus. Die Kette vervollkommnete ihre Erscheinung und Witjon konnte einen Moment lang einfach gar nichts sagen. Als Athicus sich aus dem Staub gemacht hatte und Octavena sich bedankte, fand er auch langsam seine Sprache wieder. "Ein Traum", lächelte er und trank dann bereitwillig mit dem Hausherrn auf die Gastfreundschaft und die Gäste und überhaupt freute er sich, dass er einfach trinken konnte. Sein Magen konnte etwas zur Beruhigung vertragen, auch wenn jetzt, nachdem er und sein Sohn in der Runde angekommen und die Geschenke losgeworden waren, sich etwas Erleichterung einstellte.


    Dennoch reagierte Witjon auf die Frage des Veterans nach seiner Legion mit leichtem Bedauern. "Ach, nein. Wir haben leider keine weiteren Nachrichten mehr erhalten." Das Warten war immer noch nicht zur Gewohnheit geworden. Um das Bedauern zu überspielen, nahm sich Witjon schnell etwas vom Wein, als er das Mulsum geleert hatte, und probierte davon. "Mhm, das ist ein guter Wein. Woher ist der?"

  • "Mann, Mann, Mann - das ist nicht gut, dieser Krieg."


    kommentierte Crispus die fehlenden Neuigkeiten. Dann nahm er sich noch etwas von dem Fisch und tunkte etwas Brot, das es dazu gab, in die Sauce ein.


    "Der Wein kommt aus Narbonensis, ein ganz guter Jahrgang, sagt man. Ich habe ihn vom Markt."


    Mit einem Schluck versicherte er sich, dass das Lob auch angebracht war.


    "Und sonst? Was gibt's Neues in Mogontiacum? Wie ist der Prozess gegen die Diebe der Stadtkasse gelaufen?"


    versuchte er es dann mit etwas allgemeineren Themen, bevor man an die "Verkaufsverhandlungen" ging.

  • Audaod folgte seinem Vater und bedankte sich höflich für das Angebot sich zu setzen und für Mulsum und Wein und begrüßte auch artig die Anwesenden. Lucius' Prusten quittierte er dann im Gegensatz zu dessen Verwandten nicht mit einem bösen Blick. Vielmehr versteckte er ein halb verkniffenes Grinsen schnell hinter seinem Becher und versuchte etwas zu trinken ohne sich zu verschlucken. Als er daraufhin Geschenke verteilen durfte, fühlte Audaod sich ein bisschen wie der noch nicht bekannte Nikolaus. Das Verteilen lohnte sich allerdings, denn Octavena sah mit ihrer neuen Kette prächtig aus. Würde es hier heute schon zu einer Einigung über eine Heirat kommen, müsste Audaod seinen Vater wahrlich beneiden. Octavena war äußerst schön und Audaod wünschte sich prompt auch eine solche Ehefrau. Mit Friggs Willen würde es irgendwann dazu kommen. Ein Stoßgebet an die Nornen unterstrich diesen Wunsch, bevor Audaod seine Aufmerksamkeit auf das Gespräch richten musste, das sein Vater mit dem petronischen Hausherrn zu führen begann. Dabei konnte er es jedoch nicht unterlassen, Octavena gelegentlich verstohlen anzuschauen.

  • Krieg war niemals gut. Zumindest nicht, wenn er auf dem eigenen Territorium stattfand. Und erst recht nicht, wenn Familienangehörige betroffen waren. Aber Witjon hielt dies nicht für ein angemessenes Thema für eine Cena, weshalb er lieber auf den Wein und den Prozess einging.


    "Narbonensis, hmhm. Der gefällt mir. Welcher Händler führt denn den guten Tropfen?" Vielleicht würde Witjon bei demjenigen ja auch mal eine Amphore erwerben, wenn ihm der Sinn danach stand.


    Zum Prozess sagte er: "Dein Sohn war erfolgreich, wie du sicher weißt. Alle Angeklagten wurden verurteilt." Was nach Witjons Einschätzung nicht sonderlich schwer und relativ vorhersehbar gewesen war. Nicht so vorhersehbar war das Ergebnis im Konkreten gewesen. "Leider wurde keine Hinrichtung angeordnet. Ich denke, wir müssen dafür sorgen, dass diese Halunken beim Opus Publikum in der Erzmine oder im Steinbruch landen und da auch nie wieder herauskommen. Solches Gesindel gehört härter bestraft." Leider ließ das Gesetz in Witjons Augen viel zu milde Strafen zu.


    Schließlich wandte er sich an Lucius und sagte: "Meinen Glückwunsch übrigens nochmal. Du hast dich gut geschlagen. Dieser Gorgonius war ein harter Brocken."

  • Im Gegensatz zu seinem Vater war Lucius diese ganze Kriegssache herzlich egal - zwar kannte er auch den einen oder anderen Freund des Alten, aber mögen tat er sie nicht unbedingt. Er war die meiste Zeit seines Lebens als Sprössling der lokalen Oberschicht aufgewachsen, sodass er inzwischen auch ziemlich auf die gemeinen Legionäre herabblickte mit ihrem seltsamen Humor und ihrem Geprahle. Ein Krieg, an dem er selbst nicht teilnehmen durfte, war da reizlos und wenn der ein oder andere nicht zurückkehrte, würde dieser ersetzt werden.


    Als es dann allerdings um den Hermipus-Prozess ging, war der junge Petronier wieder etwas beschämt. Auch wenn er letztlich für eine Strafe gesorgt hatte, war er unzufrieden mit seiner Leistung - oder vielmehr mit dem ungerechten Urteil des Richters. Wo eine Bande anfing und wo sie endete, wo Amtsanmaßung sich von Bestechlichkeit unterschied - all das waren doch Spitzfindigkeiten, die auf völlig unlogische Weise bestimmt wurden. Sogar ein Halbwilder wie Duccius Marsus musste das einsehen. Somit konnte er sich auch nur bedingt an den Glückwünschen des Ducciers freuen - letztlich hatte er ja doch versagt...

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  • Bei der Frage nach dem Weinhändler war Crispus natürlich überfragt - genaugenommen hatte ja Gunda den Wein gekauft. Glücklicherweise servierte diese aber gerade den Hauptgang - Huhn al Fronto stand auf der Speisekarte. Das gab aber auch die Möglichkeit, sich zu informieren:


    "Äh, Gunda - wie hieß noch gleich der Weinhändler, bei dem wir den Wein eingekauft haben?"


    "Gwinix heißt er, Domine. Er hat seinen Stand neben der Curia links."


    antwortete die Sklavin prompt und der alte Petronier nickte bestätigend. Dann war er aber wieder bei dem Prozess, bei dem sein Sohnemann sich offensichtlich nicht ganz so dumm angestellt hatte wie befürchtet.


    "Das Gesetz ist wirklich viel zu lasch - wir damals bei der Legion haben kurzen Prozess mit solchen Banditen gemacht..."


    Tatsächlich konnte er sich noch sehr gut an die Strafaktion gegen die Räuber von Borbetomagus erinnern - am Ende waren die Männer gekreuzigt worden, die Frauen und Kinder als Sklaven verkauft worden. Arminius, der heute auch bediente, war einer dieser Kinder gewesen...


    "Octavena, warst du übrigens auch bei der Verhandlung?"


    fragte er dann, um das Mädchen auch ein wenig ins Gespräch einzubringen - um sie ging es schließlich heute.

  • Nichts Neues aus Italia. Schade, auch wenn Octavena das eher weniger berührte. Früher oder später würde schon wieder eine Nachricht auch Mogontiacum erreichen und mit etwas Glück war das dann eine Gute. Letztendlich konnten sie ja sowieso nur froh sein, dass sie hier sicher und weit weg vom Krieg waren.


    Ähnlich verhielt es sich mit diesem Prozess, bei dem Lucius scheinbar die Anklage geführt hatte. Octavena hatte davon gehört, war aber nicht da gewesen. Da gab es doch interessantere Dinge zu tun. Aber das war nicht gerade etwas, das sie einfach so lauthals verkünden würde.
    So schüttelte sie nur den Kopf. "Nein. Ich habe nur davon gehört."

  • Im Gegensatz zu seinem Vater war Lucius diese ganze Kriegssache herzlich egal - zwar kannte er auch den einen oder anderen Freund des Alten, aber mögen tat er sie nicht unbedingt. Er war die meiste Zeit seines Lebens als Sprössling der lokalen Oberschicht aufgewachsen, sodass er inzwischen auch ziemlich auf die gemeinen Legionäre herabblickte mit ihrem seltsamen Humor und ihrem Geprahle. Ein Krieg, an dem er selbst nicht teilnehmen durfte, war da reizlos und wenn der ein oder andere nicht zurückkehrte, würde dieser ersetzt werden.


    Als es dann allerdings um den Hermipus-Prozess ging, horchte er auf. Für ihn war das ganze doch irgendwie eine Niederlage geblieben, auch wenn die Geldstrafe hoch gewesen war - letztlich hatte der Richter sich in keinem Punkt von Lucius überzeugen lassen. Der Grund dafür lag auch auf der Hand - der alte Mann hatte ihn wohl nicht ernst genommen, weil er noch keine grauen Haare hatte wie dieser Winkeladvokat Gorgonius.


    "Es ist völlig unlogisch, dass eine Vereinigung von Dieben keine Bande ist. Wenn das keine Bande war, dann gibt es wahrscheinlich gar keine! Überhaupt sollte eine Strafe für Diebstahl direkt proportional zur Beute sein - wenn ein Taschendieb einen ähnlich lächerlichen Bruchteil seines Diebesguts zahlen müsste, wäre es ja teurer, den Büttel zu bezahlen, der ihn festnimmt!"


    ließ er einen seiner Kritikpunkte revuepassieren. Er hatte schon mehrfach über die Worte des Richters nachgedacht - oder vielmehr geärgert, denn eingeleuchtet hatte ihm nichts davon - wahrscheinlich hatte der Mann Angst gehabt, die Verantwortung für ein Todesurteil zu übernehmen. Außerdem lag es aber natürlich auch an dem viel zu laschen und unpräzisen Recht, das Laien wie diesem Richter solche Freiheiten ließ. Es sollte sein wie in der Logik und der Physik: Wenn A gegeben ist, folgt daraus B, vielleicht sogar ein B, das durch einen bestimmten Faktor C zu A direkt proportional ist - eine Strafe zwischen 200 Sesterzen und Todesstrafe, ausgedrückt durch so etwas wie willkürliches wie "besonders schwere Fälle" war dagegen absolut ungerecht und unberechenbar!

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  • Lucius' Gezeter weckte dann doch Octavenas Aufmerksamkeit für den Prozess. Was sollte das denn heißen? Ein Zusammenschluss von Dieben, aber keine Bande? So wenig sie ihren Vetter auch leiden konnte, das klang wirklich seltsam. Den Rest allerdings verstand sie gar nicht mehr, wahrscheinlich auch, weil sie eben nicht bei der Urteilsverkündung war. Octavena hatte nur über ein paar Ecken von der Verurteilung an sich und der Sache mit dem Opus Publikum gehört. Über die Geldstrafe war sie nicht auf dem Laufenden.
    "Moment... Inwiefern einen 'lächerlichen Bruchteil'? Was war denn nun genau mit der Geldstrafe?", hakte sie also nach und runzelte die Stirn.

  • Gwinix. Den Namen würde Witjon sich vielleicht merken, wenn er heute nicht zu viel Wein trank oder es nicht noch wesentlich interessantere Themen auf den Tisch schafften. Wovon Witjon ausging. So zum Beispiel dieser Prozess, über dessen Ausgang Lucius letztlich ganz schön herzog.


    Auf Octavenas Frage hin lieferte Witjon dabei zunächst folgende Erklärung: "Die Geldstrafe für Bandendiebstahl beläuft sich pro Person auf maximal 1200 Sesterzen. Soweit ich das erkennen konnte, haben nicht alle Angeklagten die Höchststrafe erhalten. Der Anführer der Bande musste 1500 Sesterzen berappen, seine Gehilfen 700. Nein, 800. Und dieser Scriba, den sie bestochen haben, hat ganze 1000 zu zahlen."


    "Und das Diebesgut, nunja, das belief sich auf insgesamt gut 30.000 Sesterzen", gab Witjon daraufhin zu. Er zuckte mit den Schultern. "Alles in allem irgendwie unzufriedenstellend. Unter Augustus wäre dieses Diebespack bei Ergreifung während des Fortschaffens der Beute noch auf offener Straße erschlagen worden. Ganz und gar rechtmäßig!"


    Schließlich musste Witjon dann noch eine Aussage korrigieren, die Lucius da getätigt hatte: "Aber in dem Punkt, dass diese Männer eine Bande gebildet haben, gebe ich dir Recht. Nur wird Bandendiebstahl ja schon in § 86 (2) des Codex Iuridicalis bestraft, so wie du es richtigerweise beantragt hast. Nur den Bandenbegriff des § 104 (2), der passt in dieser Sache nicht, wie ich finde. Da hat das Iudicium schon ganz richtig entschieden."

  • Für Lucius war das gesamte Strafsystem sowieso unbegreiflich. Eine Strafe musste den Verbrecher genauso hart treffen, wie dieser das Opfer getroffen hatte - das war eine logisches Strafprinzip. Wer drießigtausend Sesterzen gestohlen hatte, musste auch dreißigtausend Sesterzen zahlen, wer jemandem seine Freiheit nahm, sollte sie selbst verlieren. Und wer jemanden tötete - und so dumm war, sich dabei erwischen zu lassen - hatte seinerseits den Tod verdient. Der letzte Gedanke ließ den jungen Petronier für den Bruchteil einer Sekunde grinsen, dann war er wieder beim Gespräch, wo der Duccier ausnahmsweise einmal auf seiner Seite war. Oder auch nicht...


    Wieder einmal eine Frage juristischer Haarspalterei - wobei Lucius diesmal mitreden konnte, denn dieser Aspekt hatte ihn so geärgert, dass er noch einmal im Gesetz nachgesehen hatte. Für ihn war dieser Punkt geradezu ein Paradebeispiel dafür, dass im Recht alles willkürliche Interpretationen waren:


    "Wenn ich bandenmäßigen Diebstahl begehe, dann bin cih doch per Definitionem eine Bande!? Der Scriba und dieser Hermipus haben sich ja wohl zusammengetan, um ein Verbrechen zu begehen!"


    Bei der Diskussion vergaß er ganz zu essen.

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  • "Das ist richtig. Sie bildeten eine Bande zur Begehung dieses Diebstahls", sagte Witjon. "Aber § 104 (2) fordert eine 'Vereinigung, deren Zweck oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen'. Hast du deren Vorliegen beweise können? Ich würde sagen: Nein. Wer kann schon sagen, ob sie vor dem Diebstahl der Stadtkasse schon Verbrechen dieser Art begangen haben? Oder ob sie danach noch weitere Straftaten begehen wollten? Deshalb war § 104 (2) in diesem Fall nicht anwendbar, nicht weil die Männer keine Bande begründet haben."


    Witjon hoffte, dass Lucius das nun endlich verstanden hatte. Langsam konnte er nachvollziehen, warum der junge Petronier im Verfahren nicht die beste Figur gemacht hatte, denn offensichtlich hatte er die Tatbestände, die er anwenden wollte, teilweise gar nicht verstanden!


    "Aber genug jetzt von juristischen Streitereien", befand Witjon dann. "Ich möchte die Runde nicht weiter damit langweilen." Er lächelte ungezwungen, wobei er besonders Octavena einen vielsagenden Blick zuwarf. Auch wenn sie nach dem Prozess gefragt hatte, lag es nicht in seinem Interesse den Grund seines Kommens, der in ihrer Person lag, in den Hintergrund zu drängen.
    "Petronia", sprach er sie dann auch direkt an, "du bist ja in Hispania geboren. Tarraco, wenn ich mich nicht irre." Man bekam ja im Gespräch mit seinen Mitdecurionen solche Dinge schonmal mit. "Ich wüsste gern: Wie lebt es sich dort?", fragte er schließlich.

  • Octavena stieß einen leisen Pfiff aus. Sie verstand nichts von Gesetzen, aber bei 30 000 Sesterzen Diebesgut schienen die Räuber tatsächlich noch recht glimpflich davon gekommen zu sein. Gleich darauf allerdings begann sich dann doch eine recht resignierte Langeweile bei ihr einzustellen, als Lucius und Marsus anfingen, über irgendwelche juristischen Details zu diskutieren. Fürchterlich! Da wusste sie wieder, warum sie nicht bei Urteilsverkündung erschienen war.


    Umso mehr atmete sie auf, als Marsus das Wort an sie richtete und das Thema wechselte. Die Frage war nichts neues, inzwischen hatte Octavena schon ein paar Mal darauf antworten müssen, wenn auch nicht in letzter Zeit. Sie lächelte ein wenig amüsiert, während tausend Erinnerungen an ihre Heimat sich ihr aufdrängten.
    "Wärmer", erwiderte sie, "Die Sommer sind heißer und trockener und die Winter nicht so frostig."
    Sie zuckte mit den Achseln. "Und ich habe ein wenig das Gefühl, dass die Menschen dementsprechend auch etwas anders sind. Aber eigentlich lebt es sich auch in Tarraco wie überall."

  • Der alte Petronier verstand nichts von Juristerei - genaugenommen hatte er sogar nicht einmal besonders viel für diese Zunft übrig. Soweit er es verfolgen konnte, stand er somit auf der Seite seines Sohnes. Sagen wollte er allerdings nichts - dafür hatte er einfach zu wenig Ahnung.


    Schließlich wechselte Marsus das Thema und band seinerseits Octavena etwas stärker ein. Wieder einmal fühlte Crispus sich dabei an seine eigene Jugend erinnert, die er im selben Ort wie seine Nichte verlebt hatte - allerdings vor vielen, vielen Jahren.


    "Naja, das Essen is' ein bisschen schärfer - in Hispania wird ja Garum in rauen Mengen produziert. Dafür läuft aber auch der Wein besser..."


    warf er ein - der hispanische Wein war bedeutend süßer als die Gewächse aus dem Rhenus-Tal, womit sie dem allgemeinen Geschmack entgegen kamen.


    "Aber sonst hat Octavena Recht. Irgendwie sind wir Römer ja doch alle ein Volk, ob unsere Ahnen jetzt Germanen, Hispanier, Latiner oder Etrusker waren."

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