Gemeinsam mit Marcus Carteius Nerva, dem jungen Architectus vom Bauhof der Legio machte sich Crispus auf, die Rhenus-Brücke zu inspizieren. Dazu mussten sie allerdings die gesamte Stadt durchqueren, was nach wie vor zu Fuß erledigt werden musste (Crispus ritt ungern und hatte sich noch immer keine Sänfte zugelegt). Nachdem sie die Principia verlassen hatten, hatten sie allerdings wieder den gesamten Stab des Magistratus bei sich, angefangen bei den Vigiles, die liktorengleich mitmarschierten, über die Schreiber bis hin zu dem Boten, der schnell Nachrichten übermitteln konnte (was Crispus allerdings kaum brauchen würde, wie er annahm).
Endlich erreichten die Brücke: Wie üblich wurde sie um diese Tageszeit wenig genutzt: Die Händler kamen morgens in die Stadt und verließen sie am späten Nachmittag, ansonsten herrschte eher wenig Betrieb in Richtung freies Germanien. Umso besser, denn so konnte der Architekt sich die Brücke in aller Ruhe ansehen.
"Schau' dir alles an. Ich muss wissen, wie lang die Renovierung dauert und was man ungefähr dafür braucht. Das ganze muss zügig gehen."
Der Architekt nickte und begann am Hang zum Wasser hinabzuklettern, um sich die Pfeiler aus nächster Nähe anzusehen. Crispus folgte ihm und bemerkte dabei wieder einmal, dass er älter geworden war. Das Ufer war mit Spundbohlen befestigt, sodass der Fluss nicht ständig neues Material abtragen konnte (es sei denn, er trat über die Ufer). Nach kurzem Verschnaufen konnte er sich ebenfalls an die Betrachtung der Brücke machen. Sie war mehr als drei Stadien lang und ruhte auf einundzwanzig mächtigen Steinpfeilern, die jeweils die Fluten zu teilen schienen, jeweils gute zwei Ruten breit und sechs Ruten lang. Darauf lag eine Holzkonstruktion aus Eichenstämme, die eine 4 Ruten breite Fahrbahn trugen. Und diese Holzkonstruktion war das Problem, wie Crispus rasch feststellte. Die Steinpfeiler ruhten im Wasser, hatten zwar hier und da ein paar Abnutzungserscheinungen durch Treibeis des vergangenen Winters, sahen aber nicht ernstlich beschädigt aus.
"Da muss man ein bisschen Mörtel reinschmieren, dann hält das wieder - kein großes Problem!"
erklärte Nerva, als er den Blick des Petroniers erkannte. Dann deutete er auf das Brückengestell, das deutliche Schäden aufwies.
"Da müssen wir aber bisschen mehr machen - ich denke, dass die ganze Konstruktion nach und nach erneuert werden muss, damit es wieder ordentlich hält. Wir brauchen Baumstämme - eine ganze Menge davon sogar!"
"Müssen wir die Brücke sperren?"
fragte Crispus, denn wenn die Brücke geschlossen wurde, war dies ein großes Problem für die Stadt - die Händler kamen nicht hinein, wenn man nicht ausreichend Flößer einstellte, was zusätzliche Kosten verursachen würde. Auch Nerva schien dies zu kommen, denn er legte seine Stirn in Falten und dachte nach.
"Man könnte vielleicht in Abschnitten vorgehen. Zuerst die eine Seite, dann die andere. Macht die Sache aber bisschen komplizierter."
Das hatte Crispus sich fast gedacht. Nunja, ein notwendiges Übel, wenn man die Stadt nicht unnötig schädigen wollte. Dennoch fehlten ihm noch immer Informationen.
"Wann können wir anfangen? Und was würde der Spaß kosten? Und wie lange dauert das ganze?"
Der Architectus lachte kurz auf ob der Ungeduld des alten Magistraten. Beschwichtigend hob er die Hände.
"Ruhig, ruhig! Ich muss mir das ganze genauer anschauen, damit ich es auch wieder so hinkriege! Dann muss ich ermitteln, wie viel Holz ich brauche und was ich wiederverwenden kann. Und dann hängt es natürlich davon ab, wie viel ihr bezahlen könnt, also wie viele Leute wir einstellen können - ihr nehmt Legionäre? Die dürften billig sein, wenn ihr mit dem Legaten verhandelt!"
Diese Antworten stellten Crispus zwar nicht ganz zufrieden (er hatte gehofft, sofort klare Einschätzungen zu bekommen), dennoch musste er die Sache wohl oder übel akzeptieren. Gedankenverloren blickte er auf den Rhein hinaus, der träge vor sich hinfloss - bald schon würde das Wasser steigen und Eisschollen mit sich bringen - wenn es besonders kalt werden würde.