Cubiculum | Manius Flavius Gracchus Minor

  • Dem Imaginationsvermögen des Knaben fiel es schwer sich vorzustellen, dass seine Mutter, die doch zumeist auf jede Frage ein geeignetes Replik vorzuweisen wusste, ihm jene Frage nicht zu beantworten vermochte. Selbst für sie schien es nicht absehbar, wie lange die Ermittlung eines geeigneten Dozenten dauern mochte. Zwar erfüllte es auch jenen kleinen Flavius mit Stolz, von den honorabelsten Geschlechtern Roms abzustammen, dennoch musste es doch im Bereich des Möglichen liegen, einen suffizienten Ausbilder für ihn zu finden, ohne dabei auf jene horribilen und zutiefst Misstrauen erregenden Wesen zugreifen zu müssen, die sich tagtäglich auf den Straßen Roms (die Manius Minor jedoch höchst selten zu Gesicht bekam) tummelten!
    "Hm, dann kannst du doch schonmal anfangen, oder?"
    In Ermangelung eines professionellen Instrukteurs kam jene Idee gleich einem Himmelslicht des Iuppiter Optimus Maximus in den Sinn des Knaben. Er betrachtete seine Mutter als omniscient, warum sollte sie also nicht persönlich ihr Wissen an ihren Nachkommen weitergeben? Desweiteren ermöglichte es diese Perspektive, einen weiteren potentiellen Angriffspunkt der kindlichen Xenophobie des Manius Minor zu entfernen.

  • Für den Hauch einer Sekunde überrascht, gar irritiert, ruhte Antonias Blick, den mancher als bohrend beschreiben mochte, auf ihrem Sohn. Sie selbst sollte ihn unterrichten? Nun, sicher kein allzu schlechter Vorschlag, wenngleich sie sich als schlechte Lehrerin in Erinnerung hatte. Andererseits hatte Serenus, ihr erstes Versuchskaninchen diesbezüglich, nie eine Beschwerde ob ihres Lehrstils geäußert. Doch Lesen? Zahlen, Tabellen, Rechnungen, dies war die Welt, in der sich die Claudia heimisch fühlte. Gracchus wäre, dessen war sich Antonia sicher, ein weitaus geeigneterer Lehrer für Minor. Doch Gracchus war auf dem Weg nach Achaia, wie sie sich in Erinnerung rief.
    Ein wenig milder wurde ob dieser Gedanken ihr Gesichtsausdruck, wurde sie sich doch der Tatsache bewusst, dass es für Minor ein kleiner Trost sein mochte, wenigstens die Mutter als Ersatzlehrer heranziehen zu können. So nickte sie schließlich.
    “Nun gut.“, erklärte sie. “Doch erwarte keine nachsichtige Behandlung, nur weil ich deine Mutter bin, Minimus.“
    Verschmitzt zwinkerte sie dem jungen Flavier zu. Eine seltene Geste, denn trotz der großen Liebe, die sie ihrem Sohn entgegen brachte, ließ sie sich selten zu dergleichen Scherzchen hinreissen.
    “Am besten beginnen wir gleich mit deinem Brief.. dein Vater hat eine sehr schöne, klare Handschrift, damit lässt es sich gut lernen.“
    Sie deutete auf den ersten Satz.
    “Welche Worte erkennst du denn schon?“

  • Für den Knaben, der keinerlei Vertrautheit mit der Vermittlung neuen Wissens hatte, lag es kaum im Bereich seiner Imaginationskraft, sich Nachsicht für jenen Bereich des Lebens vorzustellen, daher konnte er auch derartige Komik kaum verstehen und blickte seine Mutter fragend an, ehe diese fortfuhr.


    Eilends neigte er seinen Blick zu der Epistel des Vaters hinab. Vor seinem Auge materialisierten sich die fein geschwungenen Majuskeln, deren Bild dem Knaben bereits bekannt war. Erneut enthüllten sich einige Zeichen, zuallererst jene Letter, die aus vier einfachen Strichen bestand, die gemeinsam ein Gebirge einfachster Form bildeten. Der dazu gehörende Lautwert war das"M". Eine der Ammen hatte ihm jenes Zeichen gelehrt, denn es initiierte seinen Rufnamen "Manius", wie auch jenen zweiten Namen "Minimus", den er selbst nicht vollständig einzuordnen vermochte.
    Weiterhin erkannte er eine neue Konstruktion, deren Bild einem Tisch glich, dem jedoch ein Bein zu fehlen schien. In seinem Kopf war sie untrennbar mit seiner Familie verbunden, denn sie tauchte in jedem Namen der Flavier auf, obwohl ihr Klang eher dem einer aufgestochenen Schweineblase glich als der Würde und Gravität einer so alten Gens angemessen war.
    "Das ist ein M wie Mama! Und das ein Ef! So wie Flavius!"
    formulierte er vorsichtig, während sein kleiner, schmaler Finger auf dem Papyrus die ausfindig gemachten Laut-Symbole lokalisierte.
    Obschon er nicht in der Lage war, die genaue Konnektion so vieler Zeichen zu erkennen, fiel ihm jedoch auch ein Wort ins Auge, das er häufig vernommen hatte und diesem Umstand entsprechend auch vielmals auf Häuserwänden, Briefen und weiteren Schriftstücken zu erkennen war. Jene pittureske Verbindung von Strichen und Bögen, die in den Augen des Knaben ein wundersames Muster bildete, konnte nur eines bedeuten:
    "Und das heißt Roma, oder, Mama?"
    Auch hier schnellte sein Finger an die entsprechende Stelle, auf der die Tinte sich zu dem entsprechenden Wort formte.

  • Geduldig wartete Antonia, dass ihr Spross kund tat, was er vom Brief seines Vaters verstand. M. F. Nunja, es war immerhin ein Anfang, wenngleich die Claudia eine wunderkindartige Entwicklung erwartet hatte.
    “Richtig, Minimus.“, freute sie sich dann jedoch überschwänglich, als er das Wort „Roma“ korrekt erkannte. Ein Zeichen, zweifellos. Ihr Sohn war zu Hohem bestimmt, wenn das erste Wort, das er lesen konnte, Roma war. Ein Konsul, mindestens, wenn nicht gar noch Zensor, oder, sie wagte es kaum zu denken, Kaiser. Was läge näher? Er, der das Blut zweier ehemals kaiserlicher Familien in sich vereinte, er, der das Talent seines Vaters in sich trug. Niemand war geeigneter als Minor. Für einen Moment drohten ihre Augen von feuchtem Nass überzogen zu werden, doch Antonia wäre nicht Antonia, hätte sie nicht rechtzeitig die Tränen des Stolzes weggeblinzelt. Stattdessen strich sie ehrsinnig über seine Wange und nickte zustimmend. “Roma.“


    Sie selbst hatte lesen gelernt, indem sie Wort um Wort auswendig lernen und reproduzieren musste. Da ihr keine bessere Methode bekannt war, würde wohl vorerst auch Minor es auf diese Art und Weise lernen müssen. “Gut, dann sehen wir einmal, welche Worte noch interessant für dich sein könnten.. “
    Einem Adler gleich flogen die dunklen Augen Antonias über die Nachricht, suchten nach einem geeigneten Übungsobjekt, bis ihr schmaler Zeigefinger auf einen Absatz zeigte. “Hier.“, verkündete sie und zeigte bezeichnenderweise auf das Wort „Mutter“. “Es bedeutet Mutter, Minimus. Versuche es dir einzuprägen. Und das hier“, ihr Finger verharrte auf dem letzten Wort des Briefes, “heißt Vater.“
    Sie hielt inne, um Minor anzublicken und zu prüfen, ob jene beiden Worte den Jungen bereits verwirrten und sie mit Kürzeren beginnen sollte. Nicht, dass sie dergleichen erwartete. Minor war ein überaus aufgewecktes Kind, klug wie sein Vater, gewiss konnte er bereits nach einigen Stunden ganze Sätze lesen.

  • Das Kompliment seiner Mutter erfüllte auch den Knaben mit Stolz, obschon es ihm nicht bewusst war, welch hochtrabende Gedanken sie mit jener Äußerung verband. Dass es für sie offensichtlich nicht evident war, dass er dieses Wort nicht anhand der Zusammensetzung der Lettern, sondern lediglich aufgrund des Schriftbildes identifiziert hatte, wurde ihm ebensowenig klar. Möglicherweise lag es auch daran, dass die nächsten Exempel bei ihm ein Gefühl von Überforderung hinterließen. Ihm war bereits bekannt, dass Vokabeln sich stets aus singulären Buchstaben verbanden, sodass er den Anfangsbuchstaben des ersten Wortes erkannte, doch die weiteren entzogen sich seiner Kenntnis, sodass er intensiv auf das Papyrus starrte, ohne dass sich die Bedeutung der einzelnen Buchstaben für ihn enthüllte.


    Soeben war er im Begriff, seinen Blick auf fragende Weise zu seiner Mutter zu erheben, als diese bereits mit einem weiteren Begriff aufwartete. Zweifelsohne war dieser ihm vertraut, doch hier konnte er keinen einzigen Buchstaben identifizieren, obschon der Beginn ihn an ein halbes 'M' erinnerte - wurden antithetische Termini wie 'Vater' und 'Mutter' dadurch gebildet, dass die Buchstaben des einen beim Anderen auf den Kopf gestellt wurden? Doch diese These ließ sich bei näherer Betrachtung beider Schriftbilder nicht halten. So war es nun doch an ihm, fragend zu seiner Mutter aufzublicken. In diesem Blick lag jedoch auch ein Schuldbewusstsein, das daher rührte, dass er - eine Überforderung vonseiten seiner Mutter exkludierend - sich als zu stupid für das Erlernen von Wörtern erachtete. Dennoch rang er sich eine Frage ab:
    "Wie heißt der Buchstabe?"
    Mit seinem Finger deutete er auf das 'e', das in beiden Wörtern seine Aufmerksamkeit erregt hatte.

  • Ein unbewusstes Zucken ergriff Besitz von Antonias Lippen, als sie die zunehmende Ratlosigkeit in den Augen ihres Sohnes erkannte. Was hatte sie falsch gemacht?
    Ausweichend sah sie auf den Brief, rief sich abermals ihre erste Lehrstunde ins Gedächtnis, die sie freilich längst vergessen hatte. War es nicht so gewesen? Hatte sie nicht Wort um Wort auswendig lernen, sich die Höhen und Tiefen der Buchstaben, des Schriftbilds einprägen müssen? Oder musste man etwa mit bestimmten Worten anfangen, die der Schüler auswendig lernte, waren „Mutter“ und „Vater“ am Ende ungeeignet für den Anfang? Oder lag es vielmehr, wie so oft, an ihr selbst? Erklärte sie es nicht richtig, war sie etwa selbst nicht gut genug, um ihr Kind zu unterrichten? Was lag näher, in ihrer Unvollkommenheit musste sie etwas nicht bedacht haben. Doch.. ohnehin fehlte etwas Essentielles, wie ihr auffiel. Die Claudia wandte sich an die anwesende Sklavin. “Hol eine Wachstafel und einen Griffel.“, ordnete sie an, um sich sogleich Minor wieder zuzuwenden.
    Was hätte sie für einen Blick in seine Gedanken gegeben – wie so oft. Doch langsam wurde eine Reaktion fällig, eine Erklärung des Gesagten, als der Sohn die quälende Stille, die Antonia bereits endlos lange vorkam, mit einer helfenden Frage durchbrach. Sie folgte dem kleinen Finger, erwiderte fast automatisch „E“. M. F. E. Ob es so gehen würde? Nicht die gesamten Worte, sondern zunächst die einzelnen Buchstaben ihm beibringen? Es schien ihr abwegig, doch war Minor ein besonderes Kind. Und ein besonderes Kind erforderte eine besondere Lehrmethode. Ein Versuch konnte kaum schädlich sein..


    Endlich kehrte die Sklavin mit dem Geforderten zurück, übergab es ihrer Herrin, welche sogleich eine Buchstabenfolge ins Wachs ritzte. Keinesfalls so schön anzusehen wie die Schriftzeichen in Gracchus‘ Brief, wie sie fand, stattdessen nüchterne und klare Linien, ohne Schnörkel, ohne ablenkende Elemente. Einfache Linien, für eine einfache Übung.
    “Schau her.“, forderte sie sanft und wies mit der Rückseite des vergoldeten Schreibwerkzeugs auf das Geschriebene. “Diesen Buchstaben kennst du bereits. M. Der nächste ist ein I, der hier ein N, das hier ist ein O und der letzte ein R. Versuche einmal die Buchstaben zusammen zu setzen. Kannst du dir denken, was ich geschrieben habe? M.. i.. “
    Hoffnungsvoll wartete sie auf seine Antwort.

  • Die Frage des Knaben wurde prompt beantwortet. 'E' schien jenes wunderliche Muster zu bedeuten. Nun beherrschte er einen weiteren Buchstaben und begann rasch darüber zu sinnieren, welcher Buchstabe darüber hinaus für einen raschen Lese-Erfolg applikabel war. Bei jenen Wörtern, die seine Mutter ihm hatte lehren wollen, fiel erneut ein Buchstabe ins Auge. Er glich einem Kreuz, wie es die römischen Legionäre zur Bestrafung von Sklaven und Peregrini errichteten. Selbstverständlich hatte er nicht über seine Eltern von derartigen Bestrafungsmethoden erfahren, doch eine der Ammen hatte ihn damit erschrecken wollen - was ihr selbstredend gelungen war.


    Doch ehe es ihm gelang, danach zu fragen, hatte seine Mutter augenscheinlich die Taktik gewechselt, denn sie begann ein Wort in die Tafel zu ritzen. Voller Interesse verfolgte er die Tätigkeit und zu seiner Erleichterung glaubte er, einige der Lettern identifizieren zu können. Jedoch bestand auch keine Notwendigkeit, nach den übrigen Lautwerten zu fragen, denn schon wurde es enthüllt: Ein 'M', welches ihm bereits familiär war, ein 'I', 'N','O' und ein 'R' - zwar war es ihm nicht sofort und dauerhaft möglich, die einzelnen Buchstaben zu detektieren - indes konnte er deren Lautwerte leicht verbinden und damit seinen Rufnamen bilden:
    "Minor!"
    Voller Elation riefer jenen Namen aus und blickte seine Mutter ob seines Erfolges voller Stolz an.

  • Förmlich sehen konnte Antonia, wie Buchstabe um Buchstabe, Ton für Ton das Erkennen in die Augen ihres Sohnes kroch. Die ungeheure Intelligenz, die dem Knaben inne wohnte, war spätestens mit dem Ausspruch des gesuchten Wortes nicht mehr leugbar, nicht für Antonia und schon bald, dessen war sie sich bereits seit Langem sicher, auch nicht für den Rest der Welt. Es war indes ein widerstreitender Stolz, der sich der Mutter bemächtigte, suchte sie doch einerseits Minor von allem abzuschirmen, um ihn andererseits ins Rampenlicht schieben zu wollen. Jene Schizophrenie war ihr selbst jedoch nicht bewusst, als sie freudestrahlend bejahte.
    "Richtig, Minimus. Minor."
    So glücklich, wie sie an diesem Tag, nach dem Erhalt der Nachricht von Gracchus' Abreise, sicher nicht erwartet hatte zu sein, gab sie ihrem Sohn einen Kuss auf die Stirn.
    "Hervorragend. Du bist außerordentlich talentiert, mein Herz."
    Und da so viel Stolz alle Unsicherheit vorerst davonwischte, die Antonias Blick bislang vernebelt hatte, fiel der Claudia nun zum ersten Mal auf, dass sie selbst, wie auch Minor, sich noch im Nachtgewand befanden, dass um sie herum die Villa langsam zu erwachen begann und es wohl an der Zeit war, dem Kinde etwas zu essen bringen zu lassen. Welch ein Versäumnis, der arme Junge musste ja umkommen vor Hunger. Was für eine Mutter vergaß nur ihr Kind mit dem Grundlegenden zu versorgen? Erstaunt und zugleich enttäuscht von sich selbst erhob sie sich, noch ehe ein weiteres Wort hätte erlernt werden können.
    "Schau nur, wie hoch die Sonne schon steht.", sagte sie und wies zum Fenster. "Komm, ziehen wir dich an. Deine Studien setzen wir später fort."

  • Der Enthusiasmus, den seine Leseleistung bei seiner Mutter hervorrief, pflanzte sich auch auf das Gemüt des Knaben fort. Ihr Lächeln rief bei ihm ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit hervor. Ihr Urteil betreffend seines Talentes erfreute ihn, obschon er zugleich das Gefühl hatte, als würde diese Fähigkeit ihm zugleich auch große Erwartungen seiner Peristase aufbürden. So erwartete er die nächste Übung, doch in jenem Augenblick schien seine Mutter sich der Tageszeit gewärtig zu werden.


    Ihre Befürchtungen entbehrten zwar jeglichen kausalen Wirkungszusammenhangs, da Manius Minor noch in keinster Weise ein Hungergefühl verspührte, dennoch gehorchte er dem Ratschlag, der aus dem Munde seiner Mutter stets einem unbedingten Befehl gleich kam, prompt.
    "Gut, Mama."
    Langsam kletterte er aus seinem Bett, wobei sein erlesenes Nachtgewand, das seine Beine in leichtem Maße behinderte, ein unbedeutendes Hindernis war. Er platzierte sich in der Mitte des Raumes und hob die Arme. Für das Ankleiden besaß er Sklaven, die nun zweifelsohne herbeieilen würden, um ihm das Nachthemd abzunehmen und ihm eine angemessene Tunica anzulegen. Oder würde gar seine Mutter diese Aufgabe übernehmen?

  • Die Selbstverständlichkeit, mit der Minor sich in der Mitte des Raumes, einem Rituale gleich, platzierte, ließ Antonia schmunzeln. Völlig selbstredend stand er dort mit erhobenen Armen und wartete geduldig auf die Sklaven, die, wie er wusste, früher oder später kommen würden, um ihren kleinen Herrn auszustaffieren.
    Ebenso selbstverständlich war es für die Claudia, dass nicht sie selbst Hand anlegen würde, um den Sohn aus seinem Nachtgewand zu befreien und ihn stattdessen in eine Tunika zu stecken. Ein solcher Gedanke war ihr derartig fern, dass sie wohl nicht einmal daran gedacht hätte, wäre ihr nicht bewusst, dass gleich vor der Tür wenigstens ein oder zwei Sklaven warten mussten. Und tatsächlich erschien auf einen kurzen Ruf hin einer von unzähligen flavischen Haushaltsgegenständen und ging nach einem Fingerzeig Antonias seiner Pflicht nach. Einem weiteren trug die frisch gebackene Strohwitwe auf, für sich und ihren Sohn ein Frühstück zubereiten zu lassen, woraufhin Sklave 2 in Richtung Küche entschwand.
    “Fertig?“, fragte sie letztlich den Sohn und nicht den Sklaven, streckte ihm eine Hand entgegen und ging bereits einige Schritte zur Tür hin. “Dann komm, Minimus.“

  • Aufgrund der Tatsache, dass das anstehende Ientaculum in Ermangelung eines Hungergefühls keine übermäßig positive Perspektive bot, wirkte der Knabe eher gelangweilt, als der Sklave ihn seines Nachtgewandes entledigte und ihm die Tunica für den Tag umlegte. Seine Garderobe war sämtlich von seiner Mutter ausgewählt, weshalb auch jenes Kleidungsstück den exklusiven und zugleich modischen Stil pflegte, den die Gewänder Antonias atmeten.


    Erst als der Sklave auch den schmalen Gürtel mit der vergoldeten Schnalle um den Leib des jungen Flaviers geschlungen hatte, senkte dieser seine Arme endlich. In jenem Augenblick hatte sich seine Mutter bereits erhoben und erste Schritte in Richtung der Mahlzeit gesetzt, sodass der Knabe sich beeilte, ihr zu folgen, während er sogleich die Folge ihrer Order mit einem
    "Ja, Mama!"
    attestierte.

  • Zufrieden mit dem Anblick ihres Sohnes, gestattete Antonia sich einen genügsamen Gesichtsausdruck. Die Hand Minors ergreifend, ging sie gemäßigten Schrittes ins kleine Triclinium, erwartete sie zum einen noch keine Gesellschaft seitens der restlichen Familie beim Essen und andererseits verspürte sie keinerlei Bedürfnis bereits jetzt über die plötzliche Abreise ihres Gatten zu sprechen. Zumal sie selbst alles andere als ausreichend über seinen derzeitigen Zustand informiert war. So wurde es ein eher intimes und recht kurzes Mahl, denn wenn sie auch viele Angewohnheiten seit Minors Geburt abgelegt hatte, die Tatsache, dass sie ein eher spärlicher Esser war, würde wohl auf ewig so bleiben.

  • "Billig heb ich, Apoll, in deinem Namen ein Lied an;
    da ich den Ruhm der Helden der alten Zeiten entfalte,
    die in dem wohlgezimmerten Schiff, der palladischen Argo,
    durch die Mündung des Pontus und zwischen den schroffen Kyane
    durchgesetzet, das goldene Vlies von Kolchys zu holen.


    Pelias hatte sie abgefertigt, man hatt' ihm geweissagt,
    auf ihn wartet ein trauriges Schicksal, er würde das Leben
    durch den Verrat des Mannes verlieren, den er nur mit einem
    Schuhe gekleidet auf offener Straß' einhergehn sähe."

    rezitierte Artaxias mit sanfter Stimme, die auf akkurate Weise sämtliche Jamben und Spondeen auf die metrisch korrekte Weise betonte, den Ersten Gesang der Argonautika, jenes Werkes, das Manius Maior seinem Sohne zum Geschenk gemacht hatte. Dessen Urheberschaft entsprechend, wie auch der Zunge seiner Heimat folgend, bediente er sich dabei der hellenischen Sprache, die er stets bei der Konversation mit dem jungen Flavius anwendete, aufdass dieser auf natürliche Weise der Sprache Homers mächtig würde. Dass diese Vorgehensweise, die der zahlreicher aristokratischer Familien Roms glich, Erfolg zeigte, war dadurch erkennbar, dass der junge Flavius aufmerksam in seinem Lager lag und sich in der Lage sah, den Worten des Sklaven zu folgen.


    Obschon sich Apollonius von Rhodos in diesem Werk der Sprache der Poeten bediente, vermochte der Knabe den größeren Teil der folgenden Erläuterungen zu verstehen, was möglicherweise der Tatsache geschuldet war, dass auch sein Vater sich bisweilen in der alltäglichen Kommunikation einer derartigen Sprache bediente. So erschienen vor seinem geistigen Auge die Heroen jener Episode, darunter Orpheus, jener sagenhafte Sänger, von dem man ihm bereits berichtet hatte, die göttlichen Zwillinge Kastor und Polydeukes, den die Römer Pollux zu nennen pflegten, aber auch der mit bärengleicher Stärke gesegnete Herakles und Theseus, der König Thebens. Und obschon noch kein Bericht über weitere Argonauten an sein Ohr gedrungen waren, immaginierte er auch die Göttersöhne Philammon, Idas oder Mopsos, sowie verständlicherweise Iason, den Führer jener Expedition zum Raube des goldenen Vlieses.


    Doch kaum hatte der Sklave die wortreiche Deskription der Helden vollendet, musste Manius Minor angesichts der Beschwernisse des Tages und der fortgerückten Stunde vor seinem Bedürfnis nach Schlaf kapitulieren. Sanft glitt er hinab in das Reich des Morpheus, wo die Sage nun ihren eigenen Beginn nehmen würde, während Artaxias noch wenige weitere Verse las, ehe seine Insekurität, ob sein junger Herr lediglich in einen Zustand des Dösens hinabgesunken war, ablegte und verstummte.


    In der Bemühung, den Knaben nicht durch laute Geräusche zu wecken, verzichtete er darauf, die Rolle einzurollen, sondern bewahrte sie geöffnet, während er leise davonschlich und mit größter Vorsicht die Tür zum Cubiculum verschloss.

  • ~~~ Gefangen in Morpheus' Reich ~~~


    Er wandelte durch den Garten der Villa Flavia Felix. Unter sich spürte er den sorgsam gepflegten Rasen, den die Sklaven mit größter Sorgfalt auf ein ebenmäßiges Maß gestutzt hatten. Zwischen den satten, grünen Halmen leuchteten immer wieder farbenprächtige Blütenkelche auf, denen ein wundervoller Duft entströmte. Vögel sangen ihr fröhliches Lied, als schlagartig ein schmerzerfüllter Schrei die friedensvolle Atmosphäre durchstieß.


    Er blickte um sich und erspähte einen gewaltigen Felsen, in dem auf mittlerer Höhe schmiedeeiserne Ketten verankert waren. Sie waren in heftiger Bewegung, was ein schauriges Rasseln erzeugte. Dies wiederum war auf einen ausgemergelten, ungepflegten Mann zurückzuführen, der größte Ähnlichkeit mit jenem armseligen Bettler hatte, der mit größter Regelmäßigkeit vor der Villa um Almosen zu bitten pflegte. Er wurde von größter Pein hin und her geworfen, denn ein gewaltiger Adler, dessen Schwingen wild schlugen um nicht des Gleichgewichts verlustig zu gehen, hatte seine Klauen in ihn gerammt. Sein glänzender, hakenartig zugespitzter Schnabel war blutig verfärbt, halb war ein nicht minder mit Lebenssaft begossenes Stück Fleisch zu sehen, das das Tier soeben zu verspeisen geruhte.


    Ein Sirren ertönte, als er sein Schwert aus der Scheide fuhr und sich dem Untier entgegenreckte. Schon vor dem ersten Hieb wich der Adler zurück und erhob sich unter gellenden Kreischen in die Lüfte. Nur wenige Flügelschläge benötigte der Raubvogel anschließend um der Szenerie zu verlassen und die Flucht zu ergreifen.


    Unterdessen kehrte das Schwert in seine Berge zurück und er trat näher an den Mann, dessen Bauch wieder und wieder Schwälle warmen Blutes ausstieß.
    "Danke!"
    brachte dieser mit einer Stimme hervor, die sich einer gewissen Analogie zum dem Geräusch rostigen, aneinander reibenden Metalls nicht erwehren konnte.


    Er jedoch schenkte diesem Wort keine Beachtung, sondern riss mit bloßen Händen die Ketten entzwei, die den Verwundeten an den Fels banden, als mit einem Mal ein weißer Blitz neben ihn in den Stein fuhr und diesen mit einem gewaltigen Knall zum Einsturz brachte. Von einer Wolke herab blickte grimmig Iuppiter persönlich, einen weiteren Blitz zum Wurf bereit und...


    ~ ~ ~


    ...Manius Minor erwachte schweißgebadet. Angstvoll riss er die Augen auf, glaubte noch den stechenden Blick des Göttervaters auf sich zu spüren. Wie hatte er es nur wagen können, sich der Strafe des Herren des Himmels zu widersetzen? Wenn jener Prometheus verfluchte, durfte niemand es wagen sich dem Getroffenen auch nur zu nähern, gar das heilige Tier Iuppiters selbst in die Flucht zu schlagen!


    Erst langsam dämmerte dem Knaben, dass all dies lediglich ein Streich des Morpheus gewesen war. In seinem Garten existierte weder ein Fels, noch der unsterbliche Prometheus! Still schalt er sich für derartig abwegige Gedanken und wandte sich in seiner Schlafstatt um.


    Von da an dauerte es nur wenige Augenblicke, ehe der junge Flavius die Schwelle zum Reich der Träume erneut überschritten hatte.

  • ~~~ Gefangen in Morpheus' Reich ~~~


    Er blickte in die Höhe. Über ihm, thronend auf einem Tribunal, dessen Höhe gar eine Meile zu übertreffen schien, saß der Iudex Prior, sitzend auf der Sella Curulis, gehüllt in eine strahlende Toga Praetexta, deren purpurner Saum sich in einem Rinnsal von Blut auf den Brettern der Tribüne fortsetzte. Seine Züge glichen denen des Annaeus Modestus, doch fratzenhaft und von Hass verzogen, zugleich indessen tiefste Kälte, unüberbrückbare Distanz und Verachtung transportierend. Zu seiner Linken und Rechten, demütig in ihre Subsellia versunken und von Scham bewegt, saßen als weitere Iudices sein Vater Flavius Gracchus, sowie Flavius Piso, in dessen kraftlos gesunkener Hand er die Prozessordnung des Codex Iuridicialis bereithielt. Mit dröhnender Stimme, gleichsam hitzig wie voller Kälte richtete der Vorsitzende das Wort an ihn.
    "Manius Flavius Gracchus Minor, Sohn des Manius Flavius Gracchus, Nachkomme des Divus Titus und des Divus Vespasianus, du bist angeklagt, deine Ahnen zu beschämen und das Ansehen der Gens Flavia in den Schmutz zu ziehen!"
    Bange blickte er hinauf zu seinem Richter, hilfesuchend zu seinem Vater und seinem Onkel, die indessen nicht gewillt schienen seinen Blick zu erwidern, sondern konsequent den ihren in die Ferne richteten.
    "Papa, hilf mir! Onkel Piso!"
    hörte er sich voller Furcht rufen, doch von allen Seiten näherten sich nun gebückte Gestalten, gehüllt in rote Umhänge und mit bestialischem Aussehen. In ihren Händen hielten sie Fasces, deren Äxtblätter zu leuchten schienen, ungeachtet des Faktums, dass sie beschmiert waren mit dem Blut zahlloser Delinquenten.
    Hoch oben auf dem Tribunal gaben die Iudices indessen ihr Urteil ab. Zuerst hielt Piso eine Tafel in die Höhe, auf deren Vorderseite deutlich das 'C' für 'Condemno' zu sehen war. Mit severem Blick musterte er die Person zu seinen Füßen.
    "Manius Flavius Gracchus Minor ist stumpfsinnig. Ihn fehlt es an jedwedem notwendigem Intellekt, um ein würdiger Flavius zu werden."
    gab er als seine Urteilsbegründung an. Nun erhob sich ebenso Manius Gracchus, der dem Verurteilten nicht ins Gesicht sah, sondern weiterhin geflissentlich seine Sandalen fixierte. Tonlos verbalisierte er auch seine Begründung:
    "Manius Flavius Gracchus Minor entbehrt jedweder Gravitas und Dignitas. Ihm ist es unmöglich den Dienst der Götter voller Würde zu versehen, wie es eines Flavius würdig ist. Er ist nicht mehr mein Sohn!"
    Rasch kehrte er auf seinen Platz zurück, seine Tafel, mit einem ebenso klar erkennbaren 'C' beschriftet, an den Praetor Urbanus weitergebend. Dieser examinierte das Produkt der Befragung.
    "Im Namen des Senates und des Volkes von Rom verurteile ich Manius Flavius Gracchus Minor, der keinen Vater mehr hat, zum Tode!"


    ~ ~ ~


    "Neiiiin!"
    Mit einem Schrei erwachte der Knabe. Zitternd riss er die Augen auf, noch immer gefangen in jener grauenerregenden Szenerie des Gerichtssaales, in deren Rahmen gar sein eigener Vater sich losgesagt hatte von ihm, jedwede Beziehung negierend. Nun mochten die grässlichen Liktoren Besitz ergreifen von ihm, ihn bar jeden Erbarmens hinausschleifen und mitleidlos den tarpeiischen Felsen hinabschleudern, aufdass sein Leib zerscholl an dessen Fuß.
    Unverhofft erschien indessen ein Antlitz vor ihm, das zu erkennen der junge Flavius einiger Augenblicke bedurfte.
    "Domine, es war nur ein böser Traum!"
    erscholl gleichwohl die vertraute Stimme des Paedagogus. Dennoch kehrte nur langsam sein geliebtes Heim zurück und jene imaginierte, überaus inkommodierliche Situation verblasste...

  • Bereits zum wiederholten Male erschien der junge Flavius mit tränenden Augen in seinem Zimmer, sich den Kopf haltend und dreinblickend, als habe man ihn gleich einem Hunde geprügelt. Doch der Grund für sein vormittägliches Erscheinen war vielmehr der, dass er zum wiederholten Male an Kopfschmerzen laborierte, die sich bis zu seinen Augen hin zogen und ihm das Verfolgen des Unterrichtes verunmöglichten. Niedergeschlagen warf er sich aufs Bett, während ein Sklave hilflos an seiner Seite stand, unschlüssig wie er das Leiden seines jungen Herrn zu lindern vermochte.


    Manius Minor indessen war an diesem Tage nicht nur traurig, sondern geradezu wütend auf seinen Körper, vielmehr auf sein Sehvermögen, das augenscheinlich nicht geneigt war, sich seinem Willen zu unterwerfen. Jene Buchstabenreihen und Karten, die Artaxias während seines Unterrichts verwendete und am Ende des Raumes an die Wand hängte, waren für den Knaben problemlos zu erkennen, doch reichte man ihm eine Tabula, so schien es seit geraumer Zeit, als verschwimme die Realität vor seinem Antlitz immer stärker, sodass es ihm nun nicht mehr möglich war, die Zeichen, die man ihm ins Wachs ritzte, zu erkennen. Je mehr er sich bemühte, desto größer wurden indessen die Kopfschmerzen, die sich seither aber augenscheinlich prinzipiell nach längerem Schulbesuch einstellten, sodass Manius Minor immer häufiger genötigt war, die Ludus zu verlassen und sein Schlafzimmer aufzusuchen. Zu Trauer und Verärgerung angesichts dieser Unpässlichkeit mischte sich allerdings auch eine Furcht, ob dessen für den Besuch eines angesehenen Grammaticus auf dem Forum nicht geeignet zu sein und seiner Familie sein Unvermögen beichten zu müssen.

  • Der Weg war nicht weit von Antonias Cubiculum zum Schlafgemach Manius Minors, dennoch schien Gracchus das Kind auf seinen Armen ein wenig schwer. Titus Gracchus schlief den Schlaf der Unschuld, obgleich seinem Vater nur allzu bewusst war, dass jene bereits befleckt war noch keine Stunde nach der Geburt. Weder das Schicksal der Amme noch der Tod ihres Kindes bekümmerten ihn, schlussendlich waren dies nur Sklaven, und doch schien es Gracchus als würde ein fahler Schatten seinem Sohn anhaften - ein Schatten, für dessen Existenz allein er die Schuld trug. Wie stets wachte vor dem Cubiculum seines Ältesten ein Sklave, welcher die Intention des Vaters erahnend die Türe öffnete, dass Gracchus eintreten konnte und nurmehr nach einem Licht verlangen musste, denn der blasse Schein, welcher von draußen zu erahnen war, reichte längst nicht aus, den Raum zu erhellen.
    "Minimus"
    , raunte Gracchus schlussendlich aufgeregt und setzte sich auf die Bettkante seines Sohnes.
    "Minimus, wache auf. Dein Bruder Titus ist endlich zur Welt gekommen."
    Ein wenig erschreckte Gracchus, wie winzig Titus im Vergleich mit Minor, wie viel Zeit doch bereits seit dessen Geburt vergangen war.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Selbstredend war dem Knabe die Nähe der Geburt seines Bruders, welche ihn mitnichten derartig zu exaltieren vermochte, wie es bei Flavia Flamma der Fall gewesen war. In der Tat hatte ihn größte Sekurität bezüglich des Geschlechts dieses neuerlichen Geschwisterchens, welches ohne Zweifel neuerlich feminin sein würde und damit seine Hoffnungen auf ein Neues zu enttäuschen vermochte. Dessenungeachtet hatte ihm die Existenz seiner Schwester allerdings auch dargelegt, auf welch deplorable Weise ein derartiger Umstand dem Erstgeborenen die parentale Aufmerksamkeit zu entziehen vermochte, was ihm insonderheit bei seiner Mutter manifest geworden war, welche im Gegensatz zu Manius Maior stets größte Sorge um ihren Minimus offenbart hatte, nun indessen in den Augen Manius Minors konstant mit der Pflege ihres jüngsten, dann endlich ihres ungeborenen Nachwuchses beschäftigt schien.


    Dennoch ahnte der junge Flavius nicht, was ihm die Zukunft bringen mochte, als er inmitten eines süßen Traumes aus dem Reich des Morpheus gerissen wurde und im flackernden Schein einer irdenen Lampe das Antlitz seines Vaters identifizierte. Voller Konfusion blickte er hinauf in das vertraute Gesicht, dann erst wurde er des Bündels gewahr, welches sich in den Armen des älteren Flavius befand und ihn, verbunden mit den Mahnung von jenem, die Situation erkennen ließ.
    "Ein...ein Junge?"
    fragte er demgemäß, doch angesichts des Genus des Praenomen gänzlich unnötigerweise, noch voller Schlaftrunkenheit, die seinen Körper naturgemäß noch immer gefangen hielt, selbst wenn die Novität seinen Geist bereits beflügelte, sie rascher als gewöhnlich in ihre Schranken zu weisen. So schien es durchaus im Bereich des Möglichen zu liegen, dass ein weiterer Knabe im Haushalt rascher als das Mädchen Flamma, welche lediglich Geräusche von größter Possierlichkeit für Manius Maior und Claudia, indessen keine sinnhaltigen Inhalte für Manius Minor boten, zu einem akzeptablen Spielpartner heranreifen mochte.

  • Stolz und über alle Maßen zufrieden mit der Welt um ihn her nickte Gracchus.
    "Ein Junge, ja. Dein Bruder Titus, welcher dir künftig näher stehen wird als jeder andere Mensch auf Erden, auf welchen du dich stets wirst ver..lassen können, der ohne Zögern alles wird für dich riskieren, wie du für ihn - denn nichts bindet mehr als das flavische Blut, welches durch eure Adern fließt."
    Zumindest war dies Gracchus' Idealvorstellung von der Zukunft seiner Söhne, dabei gänzlich vernachlässigend, dass er selbst seinem ältesten Bruder zuerst seine familiäre Position hatte geneidet, hernach ihn hatte vermaledeit bis hin zur Leugnung seiner Existenz, sein Zwillingsbruder indes versucht hatte, sich seiner eigenen Position zu bemächtigen, und seinem jüngeren Bruder er nichts als Argwohn entgegen brachte, wiewohl er dessen Existenz oft einfach verdrängte. Doch bei seinen Söhnen würde dies alles divergent sein, ganz ohne Zweifel. Beiläufig blickte er auf das kleine Wesen, das in seinem Schoß schlummerte und kniff derangiert die Augen zusammen über die diffuse Schattierung, welche um das Kind herum lag als hätte der Rauch einer erloschenen Kerzenflamme sich dort festgesetzt. Vorsichtig pustete Gracchus über Titus' Kopf und löste den nur für ihn sichtbaren Schemen auf, weckte durch den zarten Lufthauch jedoch gleichsam seinen Sohn, der blinzelnd ihm entgegen blickte.
    "Sieh nur, Minimus, er ist wach. Titus, dies ist dein großer Bruder Minimus"
    , stellte er dem Neugeborenen seinen Bruder vor und hob ihn umständlich ein wenig schräg. Einige Augenblicke schien es als würde Titus den Größeren tatsächlich konzentriert anblicken, doch letztlich war es nur der Widerschein der intensiven Anstrengung als das Kleinkind die Erfahrung der ersten Defäkation seines Lebens durchlebte. Schlussendlich begann das Bündel nicht nur einen ungustiösen Duft zu verströmen, sondern gleichfalls in einem übellaunigen Tonfalle zu weinen ob der unangenehmen Nässe um sein Gesäß herum.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Die salbungsvollen Worte seines Vaters erweckten nun doch eine gewisse Kuriosität bei dem Knaben, der sich, noch immer gebremst durch die Mattigkeit seiner Glieder, aufrappelte, wodurch seine Decke etwas herabsank. Jenem winzigen Bündel Mensch sollte nun also seine Loyalität gelten, obschon Antlitz und Gebaren mitnichten von dem seiner Schwester Flamma divergierten, deren Wachstumsfortschritte er sich allerdings in diesem Augenblick gewahr wurde.
    Als das kleine Wesen indessen seine für die gesamte Körpergröße durchaus überdimensionierten Augen öffnete, verspürte auch Manius Minor ein gewisses Maß an Zuneigung und eine freundliche, geradezu lieblicher Blick fixierte den infantilen Leib, ehe jener inkonvenierliche Geruch von diesem zu verströmen begann, der auch an die Nase des älteren jungen Flavius gelangte und diesen mit Ungeneigtheit erfüllte.
    "Igitt!"
    kommentierte er die Tat seines kleinen Bruders schließlich und sah seinen Vater fragend an, ehe ihm in den Sinn kam, dass sich nun der Anlass bot, sich seines inzwischen mitnichten geliebten Kosenamens zu entledigen:
    "Eigentlich ist er jetzt Minimus, oder?"
    Schon erbot sich ihm die Imagination, fortan seinen diminutiven Namen gegen ein weitaus beeindruckenderes 'Maximus' zu tauschen, welche den Gedanken an das degoutierliche Geschäft des kleinen Titus verdrängte.

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