Cubiculum | Manius Flavius Gracchus Minor

  • ~~~ Gefangen in Morpheus' Reich ~~~


    Die Wände erbebten vom frenetischen Jubel der Massen. Bis auf den letzten Platz war der Circus angefüllt von Menschen sämtlicher Provenienz, neben Quiriten auch Hellenen, Iberer und Nubier, Ägypter und Germanen sowie zweifelsohne Vertreter jedes Volkes, welches unter dem Joch Roms sich beugte. Bisweilen drangen Fetzen der beschwingten Weisen der Tubicines durch die Front aus skandierten Namen, Sprechchören und animalischen Lauten, welche tausende rhythmisch Kehlen intonierten.


    Seine Nervosität wuchs, seine Muskel kontrahierten, sein Atem beschleunigte sich beinahe bis zum Hyperventilieren. Ein schmaler Lichtstreifen drang durch den schmalen Schlitz oberhalb des Tores und beschien seine Stirn. Noch war die Stunde nicht gekommen, denn während er in der Enge der Box von einem Bein auf das andere trat, wurden auf der anderen Seite des Tores noch Preise in die Menge geschossen, was die Stimmung der Plebs weiter exaltierte. So schwoll immer wieder der Jubel an, wenn die Schleuderer eine neue Kugel aufluden und ihr Geschütz aktivierten, ehe er prompt verstarb, kaum hatte ein Glücklicher das Projektil unter seine Kontrolle gebracht und sich damit die Hoffnung auf fabulöse Präsente gesichert.


    Wohlbekannt waren ihm die Fratzen der Anhänger der diversen Factiones, bestialisch verzerrt von der Gier nach Spektakel und Sensation und parat, sich an seiner Athletik zu ergötzen. Auch er hatte bereits seine Runde durch die Arena gezogen, um sich der Menge wie eine exotische Beute aus fernen Landen zu präsentieren, während vor ihm auf Tafeln seine Vorzüge in roten Lettern auf dem Album angepriesen wurden, hatte sich in vollem Schmuck, sauber gestriegelt und eingerieben von seiner charmantesten Seite präsentiert und damit seinem Rennstall bereits eine günstige Quote für die zahllosen Wettgeschäfte bereitet, die bei derlei Spektakeln abgeschlossen zu werden pflegten. Zweifelsohne würden nicht wenige jener Supporteure auf den Rängen gewaltige Hoffnungen in ihn setzen, hatte mancher seine letzten Sesterzen auf seinen Triumph verwettet, sodass der Ausgang jenes Laufes nicht allein sein eigenes, sondern zahllose Schicksale determinierte.


    All dies hingegen war keineswegs ein kalmierendes Bewusstsein, in welchem er dem Start entgegenzufiebern war genötigt. Zweifelsohne war er aufs Beste präpariert worden für jenen großen Tag, hatte er exerziert, Leib und Geist gestählt und dabei zahllose Runden des Trainings absolviert, stets unter den Augen seiner Trainer Artaxias, Quinctius Rhetor und selbstredend des Dominus Factionis Manius Flavius Gracchus. Sie alle hatten beschieden, dass er parat war für den Ernst des Rennsportes, doch war er niemals zu einem wahrhaftigen Rennen angetreten, ängstigte ihn die Härte der Konkurrenz und die Weite der Distanz, welche im größten Circus des Imperiums zu überwinden war.


    Plötzlich erschollen Fanfaren und das Krakelen der Massen verstummte, was nichts anderes konnte bedeuten, als dass der Editor der Spiele, der Imperator Caesar Augustus höchstselbst, an die Brüstung seiner Loge war getreten, um jenes Tuch zu präsentieren, dessen Auftreffen auf dem Boden den Lauf würde beginnen.
    Also begab er sich in Position, während die Nervosität in ihm einen weiteren Satz machte und nun jede Sehne und Faser seines Körpers aufs Heftigste anspannte gleich einem parthischen Kriegsbogen.


    Und gleich einem Pfeil schoss er davon, als schlagartig die Tore zu Boden katapultiert wurden und den Blick auf die Rennbahn freigaben, von welcher gleichermaßen gleißendes Sonnenlicht und die Anfeuerungsrufe seiner Anhänger auf ihn einströmten, ehe sein Leib inmitten von ihnen sich wiederfand, während er geradlinig auf die erste Gerade zuhielt, wo die Ehrengäste in den vordersten Reihen thronten, um sich am Sport des gemeinen Plebejers zu amüsieren. Nur in den Augenwinkeln vermochte er wahrzunehmen, wer in den Togae praetextae und Stolae steckte, deren farbenfrohe Pracht das Publikum zu einem gewaltigen Flickenteppich verschmelzen ließ, während er in höchster Velozität es passierte.
    Nur den Hauch eines Augenschlages wagte er es, den Blick von seiner Destination zu nehmen und in aller Kürze einen Blick in jene Reihen zu riskieren, wo, wie er trefflich wusste, sämtliche Sodales seiner Factio ihren Platz hatten, begonnen bei Marcus Flavius Romulus über sämtliche Flavii Vespasiani, die Divi Flavii, den getreue Flavius Aristides und den kecken Serenus bis hin zu Flavius Furianus. Und dennoch war es keiner von all jenen vornehmen Herren, den er suchte: Eine Frau war es, von welcher inständig er hoffte, dass sie heute zu seinem Debut war erschienen!
    Doch hatte sein verstohlener Blick sie nicht erspäht, lediglich alte, honorige Patriarchen, blass und ausdruckslos wie ihre Imagines aus dem Atrium, und spröde, gestrenge Matronen mit faltigem Antlitz hatte er erkannt. Sie alle konnten ihm gestohlen bleiben, ja er wollte lieber seinen Lauf vor leeren Rängen absolvieren, als jenen speziellen Gast zu missen!


    Schon nahte das Ende jenes Abschnittes, in welchem realistischerweise sie mochte platziert worden sein, und damit die Kurve, die seine gesamte Appetenz würde in Anspruch nehmen, um die Duelle mit seinen Konkurrenten zu überstehen, welche sich bereits an seine Fersen hatten geheftet. Er musste nun einen weiteren Blick riskieren, selbst wenn dies seine Konzentration würde schmälern und die Distanz zu seinen Feinden eine Handbreit verringern mochte!
    Also blickte er neuerlich nach rechts, sah Diva Flavia Nyreti, Claudia Silana und... da war sie! Sie lächelte und applaudierte voller Stolz!


    ~~~


    Manius Minor erwachte. Noch immer war ihm Claudia Antonias Antlitz klärlich vor Augen, ihre leuchtenden Augen, ihre vornehm blasse Haut, ihr zu einem Lächeln halb geöffneter Mund, welcher ihre strahlenden, ebenmäßigen Zähne präsentierte und geradezu ihm ermunternde Worte wollte zurufen. Und doch verschwand jenes nokturne Trugbild ebenso rasch und unerwartet, wie er es inmitten des Publikums hatte erspäht. An seiner Stelle verblieb nichts als das verschwommene Bild der wohlvertrauten hölzernen Decke seines Cubiculum.


    Mit einem leisen Ächzen richtete der Jüngling sich auf und griff nach dem Wasserbecher, welchen Patrokolos neben seinem Bett hatte präpariert. Zweifelsohne hatte er antizipiert, dass es seinen dürsten würde, sollte er des Nachts erwachen, nachdem er am vergangenen Abend in überaus großer Heiterkeit zu Bett war gegangen. Indessen hatte der junge Flavius beschieden, dass jene Berauschtheit durchaus adäquat war, nachdem an jenem Tage die Wahlresultate waren publiziert worden, welche für ihn überaus positiv waren ausgefallen, sodass er nicht nur mit größter Sekurität die Quaestur hatte errungen, sondern gar einen beinahe doppelt so hohen Anteil der Wähler auf sich vereint hatte wie Manius Maiors bei seiner ersten Wahl.


    Nachdem er seine Lippen benetzt und eine tiefen Schluck genommen hatte, platzierte er den Becher wieder auf dem Tischlein und sank zurück in seine Kissen, um sodann kurz seine Decke zu lüften, da sein Leib von Schweiß benetzt war, als wäre er soeben wahrhaftig bei einem Wettlauf angetreten. Erst als er wieder ein wenig getrocknet und retemperiert war, bedeckte er sich wieder, um seinen Schlaf fortzusetzen.


    Indessen bereiteten die Nachtgespinste ihm durchaus Irritationen: Seit beinahe drei Jahren nun war Claudia Antonia ihm nicht mehr im Traume erschienen, weder in Gestalt jener abhorreszierenden Gestalt, welche als Kind ihn mit größter Regularität hatte heimgesucht, noch in der durchaus realen und adorablen Version, die ihn aus der Düsternis der Unterwelt und der Gewissheit des Tartaros zurück in die Welt der Lebenden hatte gestoßen. Zweifelsohne sehnte er noch immer sich nach ihr und wünschte in der Tat, dass sie nicht lediglich seinem imaginierten Rennen, sondern vielmehr auch seinem Cursus Honorum mit Wohlwollen beiwohnte. Doch war jene Vision wahrhaftig eine neue Botschaft aus dem Jenseits? Wollte seine Mutter ihn ermuntern, jenen Weg fortzusetzen, mit welchem so desperat er aus der Verstrickung der Ira deorum zu retten sich mühte?

  • ~~~ Gefangen in Morpheus' Reich ~~~


    Der Kultraum war dunkel. Die kahlen Wände zu beiden Seiten des Tonnengewölbes durchbrachen weder Fenster noch Tür, sodass einzig das Licht von einem Opferaltar zuvörderst einer Apsis das Gemäuer erhellte und die Schatten der hier versammelten Gestalten in die Länge des Saales zog. Er selbst stand verborgen hinter einer Säule, ein verirrter Passant, der selbst nicht zu sagen vermochte, wie er in jene Situation war geraten.


    Vorn am Altar erblickte er einen siebenarmigen Leuchter, wie er auch auf dem Triumphbogen des Divus Titus war abgebildet, hier jedoch als singuläre Lichtquelle, die zugleich ein hölzernes Kreuz erleuchtete, welches auf dem Boden vor dem Altar ruhte, um welchen die Gestalten sich versammelt hatten.
    "O Christos, König der Diebe und Verbrecher, höre unser Gebet!"
    , intonierte eine weibliche Stimme, welche er nicht zu verorten vermochte, und alle fielen ein:
    "O Christos, König der Diebe und Verbrecher, höre unser Gebet!"
    Augenscheinlich handelte es sich um ein Opfer, denn die Frauenstimme erscholl erneut, um das Gebet fortzusetzen:
    "Der du am Kreuz ins Elysium gefahren bist, lass unsere Missetaten unentdeckt bleiben!"
    Und in monotonem Singsang fielen die übrigen Christianer wieder in eine Art von Refrain wieder ein:
    "O Christos, König der Diebe und Verbrecher, höre unser Gebet!"
    "Nimm an die Gestalt unseres Opfers und gib uns von deinem Fleisch zu essen!"
    "O Christos, König der Diebe und Verbrecher, höre unser Gebet!"
    "Nimm an die Gestalt unseres Opfers und gib uns von deinem Blut zu trinken!"
    "O Christos, König der Diebe und Verbrecher, höre unser Gebet!"
    Ein Gong wurde geschlagen und er vernahm hinter sich Schritte, sodass er rasch sich noch tiefer in das Dunkel hinter der Säule duckte: Geführt von zwei Schemen wurde ein Gefangener durch den Gang geführt, das Antlitz verhüllt von einem schwarzen Sack, sonst nackt und mit Ketten gefesselt, weshalb sein Leib erzitterte wie Espenlaub.
    "O Christos, König der Diebe und Verbrecher, höre unser Gebet!"
    , repetierte jene mysteriöse Gemeinde ihr Opferlied, sodass das Tapsen der entblößten Füße auf dem kalten Stein darin unterging.


    Als sie endlich die Schar um den Altar erreicht hatten, trat einer der Schemen vor und hob sich die Kapuze vom Haupte. Seine Augen weiteten sich vor Schrecken, denn er identifizierte Morrigan, die Dirne. Statt eines lasziven Blickes präsentierten ihre Augen jedoch ein kühles Stieren, statt knapper, ihre physischen Vorzüge präsentierender Kleider umhüllte sie eine sackgleiche Robe, statt einer Göttin der Liebe erschien sie als eine Priesterin des Todes.
    "Nimm an die Gestalt unseres Opfers! Gekreuzigter Christos, fahre in den Gekreuzigten!"
    , erklärte sie und ihre Schergen packten den Nackten und pressten ihn auf das Kreuz herab. Blitzschnell zogen sie Nägel und Hämmer hervor und unter den gellenden Schreien ihres Opfers, welches erblindet durch den Sack nicht wusste, wie ihm geschehen mochte, fixierten sie seine Arme und Beine auf dem Holz des Kreuzes.


    Er wollte seinen Blick abwenden, doch die gräueliche Magie jenes Rituals fesselte ihn.
    "O Christos, König der Diebe und Verbrecher, höre unser Gebet!"
    Der nunmehr Gekreuzigte wurde samt seinem Martergerät aufgerichtet, während noch immer er mit herzzerreißendem Flehen um Gnade bat.
    "O Christos, König der Diebe und Verbrecher, höre unser Gebet!"
    Morrigan trat nun vor ihn und riss mit einem einzigen Griff ihm den Sack vom Kopf, sodass nun auch die tränenüberströmten, angstgeweiteten Augen jenes menschlichen Opfers offenbar wurden.
    "O Christos, König der Diebe und Verbrecher, höre unser Gebet!"
    "Wie er seinen Siegelring verschlingt, so verschlinge Rom und all seine Götter!"
    , rief jene partikuläre Hohepriesterin und hielt ein Culter in die Höhe, mit welchem sie dem Gekreuzigten einen Finger abtrennte, auf dem ein Siegelring saß. Aufs Neue schrie der Verwundete auf Blut strömte aus dem Stumpf an seiner Rechten, doch unbeeindruckt intonierte die Gemeinde lediglich:
    "O Christos, König der Diebe und Verbrecher, höre unser Gebet!"
    Dann erstickte das Schreien, als Morrigan dem Unseligen seinen eigenen Finger samt Siegelring in den Mund stopfte.
    "Nimm an die Gestalt unseres Opfers und gib uns von deinem Fleisch zu essen!"
    Der Brustkorb des Opfers hob und senkte sich ruckartig und unregelmäßig, während seine Augen hervortraten und er qualvoll nach Atem rang.
    "O Christos, König der Diebe und Verbrecher, höre unser Gebet!"
    , erwiderte die Gemeinde monoton, ehe Morrigan ihr Culter aufs Neue erhob und mit einem routinierten Schnitt, wie man für gewöhnlich ihn bei Fleischern auf dem Forum Boarium sah, ein Stück Fleisch aus seiner Seite schnitt.
    "Nimm an die Gestalt unseres Opfers und gib uns von deinem Blut zu trinken!"
    , rief Morrigan und versenkte ihren Mund in das soeben extrahierten blutigen Klumpen an Fleisch, um sogleich daran zu saugen.


    Voller Entsetzen schrie er auf und mit einem Male wandten sämtliche Gesichter sich zu ihm um. Inmitten der Kapuzen konnte er erkennen, dass sämtliche Blicke ihn gefunden hatten.
    "Holen wir uns ein weiteres Opfer!"
    , sprach der blutverschmierte Mund Morrigans.
    "O Christos, König der Diebe und Verbrecher, höre unser Gebet!"
    , sprachen die Schemen und bewegten sich langsam auf ihn zu.
    Er wollte fliehen, er wollte hinforteilen. Doch kein Glied vermochte er zu regen...


    ~~~


    "Nein!"
    , rief er aufs Neue und schlug die Augen auf. Über ihm erblickte er die regelmäßigen Kassetten seiner Cubiculum-Decke und kein siebenarmiger Leuchter erhellte den Raum, sondern lediglich das fahle Mondlicht, welches durch die Läden seiner winzigen Fenster fiel. Schweißüberströmt rappelte er sich auf, als er erkannte, dass all dies lediglich ein grässlicher Traum war gewesen. Er war zu Hause, in seinem Bette und zu seinen Füßen regte sich kein sinistrer Scheme, sondern lediglich sein geliebter Patrokolos, welcher ihn gegen jedes Attentat und jede Untat mit seinem Leben würde defendieren, seien es Christianer oder Barbaren.


    Der Jüngling seufzte. Sein Traum war eine groteske Verzeichnung seiner Erfahrnisse und seiner Furcht, zweifelsohne. Doch er vermochte nicht recht zu sagen, was jene Christianer tatsächlich praktizierten, von welchen manche sprachen, als seien sie harmlose Narren, die einen Gott der Versager verehrten, während andere sie als gefährliche Staatsfeinde denunzierten... Augenscheinlich galt es, dies in Erfahrung zu bringen!

  • ~~~ Gefangen in Morpheus' Reich ~~~


    Wartend stand er vor dem Hausaltar der Villa Flavia Felix inmitten der versammelten Festgesellschaft, welche durch das Spiel der Tibicines und Fidicines ein wenig zerstreut wurden, während sie die Braut erwarteten. Das gesamte Atrium war festlich mit Girlanden und allerliebsten Blümlein geschmückt und sämtliche Klienten der Familie waren, gleichsam als schmückendes Beiwerk der festivierenden Aristokratie, versammelt worden. Dann endlich erhob sich die Menge und der Brautzug erschien im Vestibulum. Allen voran schritt der greise, doch immer noch stolze Herius Claudius Menecrates, vor kurzem noch sein Consul, nun jedoch honoriger Consular. An seinem Arm geleitete er die Braut, sittsam bekleidet mit dem wallenden, gelben Brautkleid, unter welchem nur der handgewebte Gürtel ihre wohlansehnlichen Rundungen andeutete, und verborgen unter dem purpurnen Schleier, doch er vermochte bereits an ihrem Gang zu identifizeren, dass es um niemand anderen als seine geliebte Angetraute Claudia Silana handelte.
    Wie sehr er sie liebte, jene wundervolle Frau, deren vergängliche Attraktivität lediglich von ihrer geistigen Schönheit wurde übertroffen! Und in der Tat trug sie, einer Inkarnation der Sapientia gleich, einen güldenen Spiegel in ihrer freien Hand, welchen sie anmutig emporhielt, um damit all jene tumben Gesellen zur Reflexion ihrer selbst anzuregen, welche sich heute vorwitzig und sensationshaschend in der Villa versammelt hatten.
    Er lächelte somit voll Glück und erfreute sich an jenem kecken Gestus, welcher ein vortreffliches Symbol ihrer bisweilen recht unkonventionellen, doch überaus erfrischenden Art war, für die er sich so begeisterte. Welche Gnade ihm doch zuteil war geworden, dass just im Alter seiner Reife just jene faszinierende Dame ihm war begegnet, deren Vater gar eine überaus enge Relation zur Gens Flavia pflegte, und dies nicht erst seit der Eheschließung seines Vetters Scato!


    Als sie näher trat, erkannte er endlich, dass ihr Schleier keineswegs gänzlich undurchsichtig war gewirkt, sondern dass unter dem feinen, permeablen Stoff sich ihre vollen Lippen, ihre vorwitzigen, strahlenden Augen und ihre geradehin aristokratischen Wangenknochen abzeichneten, welche dem hellenischen Ideal der Kalokagathia Ehre machten. Keine der präsenten Grazien aus allen nobilitären Häusern Roms hätte er in diesem Moment an ihre Stelle setzen wollen, keine talentenschwere Witwe und keine noch so anmutige Dame war ihm auch nur einen Gedanken wert, wenn er sah, welchen Siegespreis er mit seiner Braut hatte erworben.
    "Salve, Manius Flavius Gracchus!"
    , hauchte sie endlich einen Gruß an sein Ohr, als sie seine Seite erreichte, und Menecrates setzte eine stolze Miene auf, wie er sie seit den Tagen seines Quaestur nicht mehr erblickt hatte. Es war ihm impossibel, jene Salutation zu erwidern, so sehr überwältigte ihn jener Moment der schrankenlosen Freude. Menecrates hingegen, ganz nüchterner Soldat und pflichtversessener Pater familias, ergriff ein wenig spröde das Wort:
    "Pass auf meine Enkelin auf, Flavius!"
    Wieder nickte er und bot seiner wundervollen Braut den Arm dar, in welchen ihre schlanke Hand, an deren Finger der eherne Verlobungsring prangte, den er bereits bei der Übereignung der Dos ihr überreicht hatte, obschon selbstredend jener Schmuck nicht lediglich eine Empfangsbestätigung, sondern vielmehr ein Unterpfand seiner Liebe war gewesen.
    "Dann beginnen wir besser!"
    , ergriff schließlich erneut der claudische Consular die Initiative und Flamen Dialis und Pontifex Maximus traten vor, um die Confarreatio anzuleiten.


    ~~~

  • ~~~


    "Ubi tu Gaius, ego Gaia!"
    , beendete Claudia Silana die Zeremonie und blickte ihn mit jenen geisterfüllten Augen an, welche ihm bereits seit ihrer ersten Disputation über die Determiniertheiten des Lebens den Sinn hatten geraubt.
    "Ubi tu Gaia, ibi ego Gaius!"
    , erwiderte er und fühlte sich genötigt, jenen zarten, unter dem Schleier noch immer verborgenen Lippen einen Kuss als Insigel ihrer Verbindung aufzudrücken. Umsichtig schützte er also die Lippen und neigte sich vor.


    Doch anstatt ihr liebliches Antlitz ihm entgegenzustrecken, hob schlagartig sie ihren Spiegel, welchen noch immer sie an ihrer Hand trug, und hielt ihn gleich einem Schild defendierend vor sich, sodass seine Lippen statt des warmen Mundes das kalte Silber des Spiegels touchierten.
    Derangiert ließ er ab und blickte zwangsläufig in das Konterfei seiner selbst. Doch was als milchige Reflexion seines Antlitzes ihm entgegenblickte, ließ voll Schrecken ihn zurückweichen: Mitnichten war es das kraftvolle Angesicht eines jungen Senators, noch immer ein wenig gestählt von den Unbillen des Tribunates! Vielmehr traf ihn ein trüber Blick aus in ägyptischer Manier geschminkten Augen, welche inmitten dem feisten Antlitz eines dem Weine ergebenen Jünglings ruhten, trunken vom Konsum des Opiums, umrahmt von wallendem, weibisch drapiertem Haar.
    Voller Schrecken blickte er nun an sich herab, doch statt in Toga und Tunica laticlava war er, wie nunmehr er erkannte, in ein transparentes Weiberkleid gehüllt, unter welchem sich sein dicklicher Leib deutlich abzeichnete.
    "Du bist kein Flavius!"
    , vernahm er plötzlich eine Stimme von oben, und als er aufsah zu den wächsernen Imagines der verblichenen Flavii, die oberhalb des Lararium in ihren Schreinen ruhten, entdeckte er, dass sie zum Leben erweckt zornige Grimassen schnitten und voll Verachtung auf ihn, der zweifelsohne nicht Manius Flavius Gracchus Minor, Spross ihres edlen Geschlechtes, sondern der närrische Achilleus, verfluchter Jünger des Epikur, war, herabblickten.
    "In den Tartaros mit dir!"
    , sprach das Abbild seines Großvaters Flavius Vespasianus, und Diva Flavia Nyreti, seine Gattin fügte zischend hinzu:
    "Eidbrecher!"
    "Verfluchter Götterleugner!"
    , rief das greise Konterfei seines Onkels Furianus und
    "Selbstverliebter Narr!"
    , das jugendliche Imago des Titus Flavius Milo.


    In Panik wandte nun er sich aufs Neue an die Festgemeinde, doch während die Tibicines und Fidicines nun einen Trauermarsch intonierten, erkannte er seinen Vater an der Seite des Cornelius Scapula, umgeben von einer Schar zerlumpter, blasser Leiber, welche mit leerem Blick ihn fixierten.
    "Du bringst Philonica den Tod!"
    , rief Scapula und wandte erzürnt sich ab.
    "Du raubst mir meinen einzgen Freund!"
    , fügte Manius Maior hinzu und schloss sich dem Cornelius an, während die Menge jener Leichen, angeführt von einem fahlen, hageren Ehepaar und einem Hühnen mit blutverkrustetem Bart, sich langsam ihm approximierten.
    "Komm zu uns! Komm mit in den Tartaros!"
    Furchtsam suchte sein Blick nun seine Braut, jene singuläre Bastion der Liebe, doch noch immer bittersüß lächelnd präsentierte sie, die Inkarnation der Sapientia, ihm weiterhin den Spiegel mit dem Abbild des trostlosen, inkapablen und verfluchten Achilleus.
    "Neiiii-"


    ~~~


    "-iin!"
    , schrie er aus voller Kehle und krallte seine Faust hilflos in die Decken. Er war aufgesprungen in seiner Bettstatt und blickte benommen in die Schwärze seines Cubiculum. Sie so häufig war er genötigt, um sich zu blicken und sich den Schweiß vom Antlitz zu wischen.


    Es war ein Traum, ein grässlicher Traum. Keine untoten Leiber bedrängten ihn, keine Ahnenreihe schalt ihn und keine Hochzeitsgesellschaft hob dazu an, ihn in die Unterwelt zu zerren. Ein Traum also? Oder war dies eine neue Botschaft der Götter?
    "Domine, was ist los?"
    , drang wie von Ferne die Stimme seines getreuen Patrokolos an sein Ohr, nicht hasserfüllt und zürnend wie jene Maiores in seinem Traume, sondern sorgenvoll und voller Empathie. Selbstredend hatte sein Leibsklave wie jede Nacht in seinem Cubiculum auf seiner simplen Bettstatt genächtigt und war von den furchtsamen Schreien seines Herrn aus dem Schlafe gerissen worden.
    "Ein grässlicher Traum. Schon wieder."
    , informierte der Jüngling seinen Diener über das Augenscheinliche, woraufhin dieser lediglich seufzte.
    "Worum ging es diesmal?"
    , fragte er sodann und Manius Minor erwiderte ohne großes Bedenken:
    "Ich träumte von meiner Hochzeit."
    Ein Schnauben war aus der Dunkelheit von jener Stelle zu vernehmen, wo Patrokolos sich zu lagern pflegte.
    "Ein grässlicher Traum von deiner Hochzeit?"
    Selbstredend hatte der junge Flavius sich seinem Diener, welcher zugleich sein intimster Freund war, bezüglich seiner mangelnden Gefühle gegenüber seiner projektierten Gattin anvertraut, doch hatte er es niemals gewagt, seine diffusen, ihm selbst mitnichten fassbaren Gefühle gegenüber Claudia Silana zu verbalisieren, selbst wenn der Sklave es leichtlich aus seinen bisweilen überschwänglichen Worten über die Enkelin des Menecrates derivieren mochte.


    Doch was auch hätte er Patrokolos sagen mögen? Sollte er die Pein jener Akkusation aus seinem Traum repetieren, um seine Schuldgefühle zu intensivieren, für deren Ursache er sich kaum die Schuld zu geben wusste? Hatte er denn jemals böswillig seine Neigung zu der Claudia entfacht, um die Cornelia zu brüskieren? Hatte er nicht vielmehr beständig sich gemüht, sich mit dem Faktischen zu arrangieren und jener unmöglichen Person, mit welcher er kein einziges Interesse zu teilen glaubte und die ihm als die unerstreblichste Gattin auf dem Erdenrund erschien, zumindest keine Ablehnung zu zeigen, ja gar freundliches Verbundenheit zu heucheln? Nicht einmal vermochte er zu sagen, was ihn an Claudia Silana faszinierte, deren Attraktivität zwar selbst dem Fehlsichtigen offenbar war, die sich damit jedoch nur mäßig von den zahllosen Grazien der römischen Aristokratie unterschied, die ebenfalls nicht prompt das Begehren des jungen Flavius erweckten. Auch ihr Interesse an Philosophie mochte keineswegs similär sein, zumal ihre philosophischen Gedankengänge ihm mehr Furcht den Freude bereiteten, da sie ihn doch zurückzuziehen schienen in jene verfluchte Welt des Epikur, die den gerechten Zorn seiner Ahnen im Traum zweifelsohne evoziert hatte.
    Es stand fest: Er musste besser auf sich Acht geben und vermeiden, sich jenen Einflüssen auszusetzen, die geneigt waren ihm von jenem rechten, doch überaus schmalen Weg abzubringen, der eines Tages ihn ins Elysium und in die Arme seiner Mutter würde noch führen können. Mochte dieser Traum eine Botschaft der Unsterblichen oder eine Gaukelei des Morpheus sein, seine Warnung schien ihm nun doch klärlich vor Augen: Er hatte seine Regungen im Zaum zu halten und sich auf sein Schicksal zu konzentieren!


    "Alles gut?"
    , interrumpierte neuerlich Patrokolos' sanfte Stimme sein Spintisieren und er verwarf jene peinvollen Gedanken, deren Bedenken doch in der Schwärze der Nacht kaum fruchtbar sich mochten erweisen.
    "Schlafen wir weiter."
    , beschied er somit und senkte sich auf sein Kissen. Doch während Patrokolos' Atem rasch sich vergleichmäßigte und so von seinem sanften Schlummer kündete, lag Manius Minor noch lange wach.

  • ~~~ Gefangen in Morpheus' Reich ~~~


    "Ich fasse zusammen: Die Anklagepunkte lauten:

    I. Fortgesetzte Verachtung der Götter. Bewiesen und bezeugt durch alle Anwesenden.

    II. Fortgesetzte Verachtung der eigenen Ahnen durch Müßiggang. Bewiesen und bezeugt durch Consular Manius Flavius Gracchus, Verginius Mamercus und den Kreis der sogenannten Myrmidonen zu Alexandria.

    III. Fahrlässige Tötung der leiblichen Schwester durch Desinteresse. Bewiesen und bezeugt durch die Geschädigte Flavia Flamma.

    IV. Vernachlässigung der Res Publica im Amt des Tresvir monetalis. Bewiesen und unter Folter bezeugt durch Patrokolos, Sklave des Angeklagten.

    V. Wiederholte Verachtung der eigenen Ahnen durch Müßiggang mit besonderer Schwere der Schuld, da Warnungen ergangen waren. Bewiesen und bezeugt durch Cornelia Philonica und Consular Manius Flavius Gracchus.

    VI. Duldung von Unterschlagung des flavischen Familienvermögens durch Desinteresse. Bewiesen und bezeugt durch die Begünstigte Aurelia Prisca.

    Ich beantrage daher eine Verurteilung des Beklagten und die Strafe der ewigen Verdammnis im Tartaros."

    , drang die scharfe Stimme an sein Ohr und er blickte zu Boden. Es schien ihm, als habe jener Prozess bereits Stunden gedauert, waren umständlich Beweise erhoben, gewürdigt und disputiert worden, hatten Anklage und Verteidigung vehementeste Diskussionen ausgefochten, sodass unendlich ermattet er sich fühlte und ausgedörrt, obschon ihm doch kein einziges Mal war gestattet gewesen, das Wort selbst zu erheben. Sämtliche seiner Verfehlungen waren in größter Ausführlichkeit erörtert worden, jedes Detail seines zügellosen Lebens in Alexandreia, alle Unzucht, seine weibischen Eskapaden und seine lästerliche Rede über die Unsterblichen war aufgeführt worden, konfirmiert durch seinen damaligen gestrengen Hausherren sowie seine Gefährten. Ebenso hatte er dem gemarterten Patrokolos ins Antlitz müssen schauen, während dieser unter Tränen gestand, wie sein Herr während seines Vigintivirates nahezu kein Engagement an den Tag hatte gelegt, wie widerwillig und lediglich getrieben von Furcht um sein sorgloses Leben er an öffentlichen Opfern hatte partizipiert, während er doch weder gegen die Empfänger der Gaben, noch gegen das Volk von Rom jedwede Obligation hatte verspürt und somit auch gerade das Nötigste hatte unternommen. Nun, da alles Innerste nach außen war gekehrt, da nichts als ein Häuflein Elend von ihm war verblieben, wünschte er sich nichts sehnlicher, als dass das Urteil rasch erging und er zu welchem Ende auch immer würde entlassen werden.


    Er blickte auf und sah in die schwarzen Augen Plutos, dessen Conclusio soeben das Ende des Prozesses hatte eingeleitet. Der Schwarze fuhr gewichtig sich durch den Bart und nahm sodann auf der Bank der Anklage wieder Platz, woraufhin auf der anderen Seite flachen Podests am Kopfende der Curia Iulia, auf welchem der Göttervater höchstselbst auf einer güldnen Sella curulis thronte und, assistiert von Iuno und Minerva, seines Richteramtes waltete, seine geliebte Mutter mit zaghaften Bewegungen sich von ihrem Platz an seiner Seite erhob.

    "Ich kann diese Anklagepunkte nicht aufheben."

    , hob sie an und korrigierte den Sitz ihrer Stola, welche als römische Matrone sie auswies.

    "Mein Sohn hat schändlich versagt, hat alle Werte, die ich, sein Vater und seine Lehrer ihn lehrten, vergessen und verspottet. Ich selbst stieg aus den Gefilden der Seligen zu ihm herab und warnte ihn, ermahnte ihn und konnte ihn auf den rechten Weg zurückführen.

    Und doch versagte er aufs Neue, floh in die Welt des Rausches und der Träumereien, anstatt seiner Bestimmung zu folgen und unsere stolze Linie fortzuführen."

    Ein Seufzen entfleuchte ihm, als er seine Mutter, die als einzige in diesem Gericht des Senates der Götter für ihn sprach, ihrer Desillusion Ausdruck verlieh. Erwartungsvoll blickten die Unsterblichen, welche auf den Bänken der Consulare in vorderster Reihe saßen, sowie seine Ahnen auf den Plätzen der Pedarii zu der einsamen Seele, die hier für ihren missratenen Sohn Partei hatte ergriffen.

    "Und doch flehe ich euch an, ihr Götter, um meinetwillen diesen Knaben zu schonen. Zweifellos hat er versagt, doch bitte ich euch: Rechnet ihm mein ehrbares Leben, mein Pflichtgefühl und meine eheliche Treue, die ich meinem Gatten und seiner Familie trotz aller Widrigkeiten bewies, an! Seht mit gnädigem Blick auf ihn, der aufs Neue sich von Gottlosigkeit und dem Müßiggang loskämpfte und gewährt ihm noch eine Chance!


    Wie der Imperator Caesar Augustus könnt ihr jeden begnadigen, auch den schlimmsten Missetäter! Habt nun Erbarmen mit diesem edlen Spross jener uralten Familie, die schon mit so vielen Männern euch gedient hat! Denkt an die Verdienste seines Vaters, der als Pontifex die Brücke zu euch baute und erhielt! Denkt an seinen Großvater, der unermüdlich dem Staatswesen diente! Denkt an alle, die ihr Vermögen, ihre Liebe und ihre Hoffnungen Manius Flavius Gracchus Minor setzten!


    Noch ist Zeit, dass diese Hoffnungen sich erfüllen! Denkt an seinen treuen Dienst an den Grenzen des Imperiums! Erwägt seine Quaestur, in der er so treu diente, dass selbst der greise Claudius Menecrates ihm Zuneigung und eine Auszeichnung schenkte! In ihm steckt die Kraft der Flavii und Claudii - selbst mit all seinem Versagen ist er in der Lage, die Waage ins Gleichgewicht zu bringen und durch unermüdlichen Einsatz für die Pax Deorum, die sichtbare und die unsichtbare Welt seine Schuld zu begleichen!"


    Ihre bleichen Hände schoben langsam das ausladende Tuch von ihrem Haupte und entblößten ihre ebenmäßigen, dunklen Haare. Mit flehendem Blick sah Claudia Antonia nun hinauf, wo mit versteinerter Miene die Göttertrias in die Reihen der Götter und Ahnen blickte. Tränen glitzerten in ihren Augen und sammelten sich, um als Tropfen über ihre zarten, doch leblosen Wangen zu rollen. Ihre Stimme bebte, als nach kurzem Verharren sie fortfuhr:

    "Habt Mitleid mit mir armer Mutter, die zu früh aus dem Leben schied, um ihren Sohn zurechtzuweisen! Habt Mitleid mit meinem Fleisch und Blut, das ich unter Schmerzen gebar, das ich aufzog und umsorgte und entreißt es mir nicht in alle Ewigkeit, wo es doch noch Hoffnung gibt!


    Gewährt ihm eine neue Chance! Eine letzte Chance!"


    ~~~


    Manius Minor sog erschrocken Luft ein, als mit einem Schlag er erwachte. Noch war es dunkel im winterlichen Rom, doch durch die geschlossenen Läden seines Cubiculum dämmerte bereits der Morgen. Und doch war ihm die vertraute Stimme seiner geliebten Mutter noch im Ohr. Gleich den Laren und Penaten des Hauses schien sie über ihn zu wachen, schien selbst gegenüber den Unsterblichen seine Sache zu vertreten. Selbst nun, da er ihre Ratschläge in den Wind hatte geschlagen, da er jämmerlich hatte versagt, verwandte sie sich für ihn! Eine letzte Chance wollte sie ihm geben!


    Doch ob die Götter dies ebenfalls taten?


    Er blinzelte und erblickte im Halbdunkel des Raumes seinen Patrokolos, im Reich des Morpheus grässlich gemartert, doch nun unschuldig schlummernd zu seinen Füßen, nicht ahnend, welche Mären sein Herr neuerlich hatte erträumt. Würde er mit sich andere ins Verderben reißen, wenn er sich nicht bewährte? Zweifelsohne würde es zum Schaden der Gens Flavia gereichen, da doch sein Bruder Titus bisherig keinerlei Ambitionen zeigte, die Bürde der Familie zu tragen, sondern viel lieber mit seinem Vetter Serenus die Welt bereiste. Doch würde auch seinen getreuen Diener die göttliche Strafe ereilen?


    In diesem Augenschlage öffneten sich in dem noch immer makellosen Antlitz des Sklaven die Augen und zugleich der Mund zu einem herzhaften Gähnen.

    "Domine, du bist schon wach? Aber sicher - der große Tag..."

    , bemerkte er, als er gewahr wurde, dass Manius Minor nicht mehr schlief. Rasch rappelte er sich auf, um seinem Herrn aus dem Bett zu helfen.


    Mit einem Schlage waren die Reflexionen des Flavius hinsichtlich seines Sklaven fortgewischt. Heute war Wahltag! Womöglich würde der Tag erweisen, ob sein Vater wahr hatte gesprochen, als er ihm den Konsens der Götter zu seiner Kandidatur hatte verkündet. Noch eine Chance... womöglich war sie ihm tatsächlich gegeben!

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!