Calliphana sah den Kampf, den die Männer mit dem Bären gerungen haben, mit ihren neuen Freundinnen und bekannten aus dem oberem Fenster der leer stehenden Casa aus an, und betete zu den Göttern, dass den Männern und vor allem Centho nichts geschieht. Derweil hielt sie die Hand von Chaerea und jemand anderes fest, sie wusste nicht wessen Hand das war, sie war zu aufgeregt um nach zu gucken, aber ein klein wenig haben sich alle zusammen gesetzt und die anderen umarmt, oder zur Beruhigung einander die Hände gedrückt. Einige von ihnen ließen Gebete zu den Göttern in den Himmel steigen lassen.
Sie hatte Angst um ihren Carissime! Was ist, wenn ihm etwas zustößt? Sie könnte diesen Schmerz nicht ertragen. Außer ihn hatte sie ja kaum jemanden. Ihre Mutter war zu weit weg, und mit dem Rest der Familie hielt sie kaum Kontakt. Was heißt kaum? Gar keinen. Wenn Centho nicht gewesen wäre, wenn sie sich nicht kennen gelernt hätten, wäre sie wahrscheinlich mit ihrer Mutter zurück nach Sparta gereist. Ach ihre Mutter. Calli hätte sich gewünscht, dass sie in dieser Zeit bei ihr ist, ihr etwas Trost spendet, und sagt, alles wird gut meine Liebe! Aber sie war nicht da .
Dieses ganze warten erinnerte sie an ihren Besuch bei ihrer Tante in Corduba. Sie erzählte Calli immer, wie sie auf ihren Mann wartete, wenn er lange weg war. Sie setzte sich in einen Fenster im obersten Stockwerk, ließ ihre Beine aus dem Fenster Baumeln, und wartete so Stunden lang, dass sie ihren Geliebten erblickt, wenn er auf dem Weg nach Hause ist. Er war oft viele Tage lang unterwegs, manchmal sogar Wochen lang. Aber sie setzte sich jeden Tag auf die Fensterbank und wartete auf ihn. Sie nannte es immer ihre Wartewand. Nicht wenige ihrer Angestellten und Freunde hielten sie für verrückt deswegen, aber sie scherte sich nicht darum. Als Calliphana dann bei ihr war nach dem Tod ihres Onkels, versuchte ihre Tante ihr Trauer so besser zu verkraften. Sie setzte sich weiterhin jeden Tag auf ihre Wartewand, und bestaunte die Ferne. Eines Tages kam dann Calliphana ins Zimmer und fragte sie was sie da macht. Sie antwortete ihr nur, dass sie spielt. Sie spielt, dass sie wartet. Calliphana verstand das nicht sofort, aber sie setzte sich neben sie und einander umarmend saßen sie dort Stunden lang. Manchmal schwiegen sie die ganze Zeit, manchmal erzählte ihre Tante ihr Geschichten über ihren verstorbenen Mann. Sie hatte wieder das Gefühl sich auf die Wartewand zu setzen, nur schade, dass hier die Fensterbank sehr schmal war, also hat sie das auch dabei belassen.
Während sie vor sich hin träumte, lief der Kampf und näherte sich dem Ende zu. Sie wachte aus ihren Tagträumen wegen dem Gejubel um sie herum, und auf die letzten Schreie des Bären. Es ist vorbei... - dachte sie und dann schoss ihr ein einziger Gedanke in den Kopf, CENTHO!
Alle Frauen stürmten aus dem Haus und rannten auf die Männer zu. Calliphana schnappte sich Chaerea und lief mit ihr nach unten. Sie waren die beiden letzten die das Haus verließen. Kaum machten sie 3-4 Schritte, so sahen sie Severa entgegen kommen. Chaerea rannte sofort zu ihrer Tante, und dabei liefen ihr kleine Tränen über die Wangen.
Calliphana machte nach ein - zwei Minuten einige Schritte in ihre Richtung um mit Severa zu sprechen, da sie merkte dass Chaerea keinen Ton herausbekommt.
"Salve Severa! Ich bin so froh dich zu sehen, du glaubst im Leben nicht, was hier gerade vor sich ging! Gerade als Chaerea auf dem Weg nach Hause zu dir, als sie auf uns gestoßen ist bei dem Brunnen. Aber dann kam dieser fürchterlicher Bär und wir sind alle in das kleine Haus da geflüchtet. Die Männer haben sich aber vor dem Bären aufgestellt und haben sich gewehrt damit sie uns beschützen. Geht es ihnen gut? Du kommst aus der Richtung, stimmt es?"
Sie erklärte dann noch Severa, dass Chaerea die Ereignisse sehr mitgenommen haben und sie jetzt sicher nach Hause gehen möchte.
"Hast du dir um Chaerea sorgen gemacht, und bist deswegen hier Severa? Wie geht es dir überhaupt, wir haben uns die letzten Tage ja nicht gesehen!"
Calliphana wartete noch ab bis Severa ihr Antwort gab, und verließ die beiden.
"Wir treffen uns dann nachher wieder zu Hause! Wir beeilen uns!"
Calliphana rannte zu Centho, so schnell sie konnte. Ihre Lunge drohte zu kollabieren, aber sie lief immer weiter. Die 15-20 Minuten die sie mit Severa und Chaerea verbrachte schienen ihr wie eine Ewigkeit vor zu kommen. Endlich habe sie den Platz erreicht wo der Brunnen stand. Sie sah den Bären, der jetzt in Frieden ruhte, all das Blut das er vergoss, und die jubelnden und sich um den anderen kümmernden Menschen. Sie durchsuchte die Menge nach Centho aber sah ihn nicht, sie rannte hin und her, bis sie ihn dann in der Nähe eines Standes auf einem Stein sitzen sah.
"Carissime!" - rief sie und rannte auf ihn zu. "Carissime, du lebst!" - sagte sie und warf sich um seinen Hals. Sie drückte ihn so stark, dass er langsam keine Luft bekam. Er hatte sich aber auch verletzt, so biss er die Zähne zusammen und zischte nur kurz auf.