Ravenna | Domus des Aelius Calvaster

  • Und das war das Pudels Kern – auch wenn diese Wendung erst Jahrhunderte später zu einem geflügelten Wort werden sollte, in diesem Augenblick hätte sie zutreffender nicht sein können. Um was es für sie ging, um was es für ihn ging – bei dieser letztlich so simplen Aktivität. Nicht dass es immer und bei jedem so war, aber in diesem Fall und bei Seiana und Caius war es so. Für sie hieß das Bett mit ihm zu teilen so viel mehr, und sie konnte nicht aus ihrer Haut, nicht einfach so. Nicht, wenn da zusätzlich noch der Fakt hinzukam, dass Seiana trotz oder gerade weil sie das einzige Mädchen unter vier Kindern und darüber hinaus ein Wildfang gewesen war, eine recht strenge Erziehung genossen hatte, sowie der Fakt, dass sie eigentlich wollte, dass ihre Mutter stolz auf sie sein konnte, wenn sie noch leben würde. Nein, Seiana konnte nicht aus ihrer Haut, weder was die Tatsache betraf, dass sie Angst davor hatte sich zu sehr zu öffnen, noch was jene betraf, dass die Traditionen und das Ansehen ihrer Familie ihr so wichtig waren. Es war etwas, woran sie sich festhalten konnte. Was ihrem Leben Halt gab – Halt gegeben hatte, als es keinen anderen gegeben hatte. Als ihre Mutter krank geworden war, als sie sie gepflegt und alles andere hintan gestellt hatte, was ihr eigenes Leben betraf, als sie gestorben war… und sie, Seiana, ganz allein gewesen war – da war all das, was ihre Mutter ihr über die Jahre eingebläut hatte, zu einem Anker geworden für sie. Einem Netz, dass sie aufgefangen hatte. Vermutlich hätte es nicht diese Auswirkungen gehabt, wäre es nicht ein schleichender Prozess gewesen, hätte sich der Gesundheitszustand ihrer Mutter nicht über einen langen Zeitraum stetig verschlechtert, wäre Seiana selbst nicht immer mehr gefordert gewesen. Aber so… konnte sie sich nicht einfach so verabschieden von dem, was ihr Halt gegeben hatte in der schwierigsten Phase ihres Lebens. Was ihr geholfen hatte, weiter zu machen, weiter zu leben…


    Sie folgte Caius durch das Haus und hörte ihm zu, versuchte sich zu merken, was er ihr erklärte auf dem Weg, und betrat schließlich den Raum, der für sie gedacht war. Einfach, aber doch angenehm. Sie würde sich hier wohl fühlen, übermäßiger Luxus war nichts für sie. Seiana besah sich das Zimmer einen Augenblick länger, als nötig gewesen wäre, aber dann wandte sie sich doch zu Caius um und versuchte sich ein weiteres Mal an einem Lächeln, das ebenso unverbindlich war wie der Klang seiner Stimme. In diesem Augenblick wünschte sich ein Teil von ihr, sie könnte ihm sagen, was in ihr vorging. Und für den Bruchteil eines Augenblicks drängte dieser Teil an die Oberfläche, und sie wollte ja sagen, wollte ihm sagen, dass sie ihn brauchte, dass er sie einfach in den Arm nehmen sollte, dass es ihr leid tat und dass sie nicht ändern konnte, wie sie war, oder was geschehen war, oder dass ihr das alles so wichtig war. Aber der Moment verging, und Seiana schüttelte mit gespielter Leichtigkeit den Kopf. „Nein, danke. Ich… denke, ich werde auspacken und mich dann ein bisschen ausruhen.“

  • Caius hatte seit jeher kein oder wenn, dann nur ein sehr unausgebrägtes Gespür für das, was in einer Frau vorgehen musste zu bestimmten Zeitpunkten. Deswegen wartete er geduldig, bis Seiana auf seine Frage antwortete, ohne dabei einen Hintergedanken zu haben, dass sie sich vielleicht mies fühlen konnte. Vielmehr überlegte er gerade, ob er sie zum Abschied vielleicht nicht besser doch noch mal küssen sollte, oder ob sie jeglichen Körperkontakt missinterpretieren und als aufdringlich empfinden würde.


    Er entschied sich dafür, dass es besser war, sie allein zu lassen. Also nickte er ihr zum Abschied zu, strich ihr ebenso unverbindlich über die Wange und schloss dann die Tür hinter sich. Er ging ein paar Schritte durch den Flur und fragte sich, was er nun tun sollte. Sich zu seinen Eltern zu setzen, deren Stimmen er im Esszimmer leise hörte, hatte er nicht so rechte Lust. Vermutlich würde seine Mutter ihm nur wieder Vorwürfe machen, dass er scheinbar keine Meinung dazu hatte. Also entschied er sich, erstmal die Latrine zu besuchen, und sich dann später in seinem alten Zimmer aufs Bett zu legen und Löcher in die Decke zu starren.

  • »Du hast das arme Mädchen ja auch vollkommen überfahren mit deinen Vorschlägen«, sagte Calvaster gerade. Caenis schüttelte unwirsch den Kopf.
    »Rede doch bitte nicht von Dingen, von denen du keine Ahnung hast, Decimus.« Caenis' Stimme klang pikiert.
    »Auf mich macht sie den Eindruck, als ob sie genau das bewegt. Deswegen habe ich es angesprochen. Und du hast es ja selbst gehört, sie hat keine Eltern mehr. Da ist es nur umso verständlicher, dass ich ihr ein wenig unter die Arm greife. Das arme Ding. Wem soll sie sich denn anvertrauen? Ich muss sie unbesingt fragen, ob sie sch schon Gedanken um eine pronuba gemacht hat... Nicodemus, erinnere mich daran!« Calvaster seufzte und steckte sich ein Stück Brot in den Mund.
    »Ich mein ja nur. Auf mich hat sie etwas überfahren gewirkt. Aber du wirst schon wissen, was du tust...« Calvaster zwinkerte ihr sarkastisch zu, was Caenis mit einem verärgerten Stirnrunzeln quittierte.
    »Decimus, bitte«, sagte sie mahnend, und dann war es eine ganze Weile still.


    »Aber er hat sich schon ein rüstiges Mädel ausgesucht, findest du nicht?« griff Calvaster das Gespräch dann wieder auf, und dabei klang er recht anerkennend.
    »Schaut gut aus und scheint was auf dem Kasten zu haben«, fügte er hinzu.
    »Sie ist ein wenig zu dünn, da muss man schauen, ob sie gut Jungens gebären kann, aber sie ist recht ansehnlich, ja. Und sie hat ganz offensichtlich einen wachen Geist, ja. Der erste Eindruck, den sie macht, ist recht gut, möchte ich meinen. Ich bin gespannt, ob sie auch eine gute Ehefrau sein wird. Warten wir die Feier nächste Woche ab.« Caenis klang bestimmt.
    »Und sehen wir, ob sich einer der beiden nachts rausschleicht.« Was deutlich machte, dass Caenis sehr wohl ein Auge darauf haben würde.

  • Als Caius nach dem letzten, vermeintlich fröhlichen Winken die Tür geschlossen hatte, sackte seine gerade Haltung irgendwie in sich zusammen und er schlurfte zurück ins große triclinium, das aussah wie auf einem Schlachtfeld. Hier und dort räumten Sklaven etwas weg oder auf. Caius ließ sich neben Seiana plumpsen und genoss die geräuschlose Stille für den Moment. Dann kippte er hinten über und stieß einen tiefen Seufzer aus.
    »Oh Mann, ich hasse die Hochzeit jetzt schon«, murmelte er, vollkommen fertig.


    Das lag daran, dass bis eben um die dreißig Gäste anwesend gewesen waren. Draußen dämmerte es schon (zum Morgen hin, nicht zur Nacht). Caenis war schon im Bett verschwunden, Calvaster bastelte an einem Mobile herum, das man Seiana und Caius geschenkt hatte, »für die Kinder später«. Er sah müde auf, mit tieden Augenringen auf dem faltigen Gesicht.
    »So. Ich geh auch mal schlafen. Bis später, ihr zwei.« Und damit war er verschwunden. Caius hatte im Liegen müde den Arm gehoben und ungelenk hin und her gewackelt.


    Das war ein Marathon gewesen. So viele Leute, so viele Gesichter, zu denen Caius kaum einen Namen mehr wusste. Und fast alle hatten so getan, als seien sie unendlich froh, ihn wieder zu sehen. Dabei wusste Caius, dass sie nur wegen der Feier hier waren, wegen dem Essen und wegen der Gesellschaft. Pah. Er schloss die Augen.
    »Bist du auch so fertig wie ich?« fragte er Seiana. Während der letzten Tage hatte Caenis sie die meiste Zeit über in Anspruch genommen, der Planungen wegen. Caius selbst hatte viel Zeit mit seinem Vater verbracht, war angeln gewesen und ausreiten und solche sehr anstrengenden Sachen. Dass er es doch leichter gehabt hatte als seine Verlobte, das dachte er natürlich nicht. Immerhin hatte sie tagein, tagaus Kaffeekränzchen gehalten, während er sich körperlich betätigt hatte!

  • Seiana saß da, in einem Korbsessel, und betrachtete müde die Sklaven beim Aufräumen. Sie würde ja ein bisschen helfen, aber sie war einfach zu fertig dazu, und in solchen Momenten war es einfach gut, jemanden zu haben, der solche Dinge übernahm. Ganz und komplett und ohne zu meckern. Es war einfach so… anstrengend gewesen. Die ganzen letzten Tage, die Vorbereitungen, und immer wieder hatte sie versuchen müssen, Caius’ Mutter einzufangen, die dieses und jenes und noch etwas wollte, was Seiana alles zu viel geworden wäre, und ihr geschätzter Verlobter hatte sich unterdessen mit seinem Vater vergnügt. Mit Ausreiten. Und Angeln. Im Winter. Seiana argwöhnte, dass er sie mit Absicht allein gelassen hatte. Und dann erst dieser Abend! Mit Sklaven und Eltern weit über 30 Menschen um sie herum, von denen sie kaum einen gekannt, aber zu denen sie höflich und zuvorkommend hatte sein müssen, mit jedem ein wenig plaudern, und ja immer freundlich sein… Seiana war vielleicht gut darin, aber sie hasste es.


    „Gute Nacht“, rief sie nun Calvaster hinterher, der sich in den letzten Tagen einen Platz in ihrem Herzen erobert hatte. Sie mochte Caius’ Vater, mochte seine ganze Art. Sie mochte auch seine Mutter, aber sein Vater war einfach ein ganz anderer Typ. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass Calvaster von allen drei am besten begriff, was in ihr vorging. Besser noch als Caius. Gelegentlich. „Ich bin absolut fertig“, seufzte Seiana dann, als der sie ansprach. Sie drehte den Kopf leicht und sah ihn an, mit einem müden, aber erleichterten Lächeln. „Aber jetzt ist das wenigstens vorbei. Keine Planungen mehr dafür… und der Abend selbst auch.“

  • »Abend ist gut«, murmelte Caius und seufzte tief. Bona Dea, er war erledigt! Den ganzen Abend hatte er Seiana und seine Mutter bewundert, wie sie scheinbar unermüdlich herumgewuselt waren, immer ein freundliches Wort auf den Lippen, immer lächelnd und immer gut gelaunt. Inzwischen glaubte Caius, dass das keine Fassade war, sondern Wirklichkeit. Insgeheim hatte er nach den Fäden ausschau gehalten, die man brauchte, um die Mundwinkel die ganze Zeit so akkurat hochgezogen zu haben.


    »Ich glaube, wir sollten auch gehen«, schlug Caius vor, und den müden Gesichtsausdruck erhellte kurz ein Geistesblitz.
    »Kommst du noch mit zu mir?« wagte er zu fragen, und eines musste man ihm lassen: Seine Hoffnung starb definitiv zuletzt.

  • Seianas Augenlider waren ein wenig herabgesunken, was mehr als alles andere ein Zeichen dafür war, wie erschöpft sie tatsächlich war – andernfalls hätte sie ein derart deutliches Signal der Unaufmerksamkeit gegeben, selbst Caius nicht. „Mhm“, machte sie nur auf den Kommentar mit dem Abend hin. Und dann, als es ums Gehen ging, noch mal: „Mhm…“ Und dann öffnete sie die Augen und hob den Kopf, musterte ihn für einen Augenblick und schwankte zwischen Genervtheit und Amüsement. Sie entschied sich für letzteres. Sie hatte jetzt nicht den Nerv, sich schon wieder mit ihm anzulegen, und nach diesem anstrengenden Abend wollte sie nicht ins Bett gehen und sich schlecht fühlen, weil Caius und sie schon wieder missgestimmt waren. „Mein lieber Caius, ich bin bei dir.“ Sie grinste leicht. „Und bald werde ich ganz bei dir sein. Das weißt du.“ Sie erhob sich, neigte sich zu ihm und gab ihm einen Kuss. „Gute Nacht, Caius“, sagte sie leise, bevor sie zu ihrem Zimmer ging und sich schlafen legte.

  • Als Caius sah, wie Seianas Laune sich noch mal kurz zu heben schien, glaubte er schon, dass er träumte. Sie würde wirklich mitgehen? Ihre Worte konnte man prima in dieser Richtung auffassen, zumal er ja selber schon nicht mehr ganz wach war und die Hirnsuppe deswegen ziemlich zäh war.


    Dann küsste sie ihn kurz und wünschte ihm eine gute Nacht. Und ließ damit einen ziemlich verwirrten und dann enttäuschten Caius zurück. Er hätte fast gedacht... Naja. Im Warten war er inzwischen fast zu einem Spezialisten geworden, zumindest in Bezug auf Seiana.


    Caius wachte erst auf, als die ersten Sklaven begannen, das Esszimmer sauberzumachen, denn er war auf der Liege eingepennt. Müde tappte er in sein Zimmer und fiel dann mit samt seinen Klamotten aufs Bett, um bis in den späten Nachmittag hinein zu schlafen.


    ~~~~~~


    Vier Tage später stand Caenis' Meinung fest. Seiana hatte das gewisse Etwas, das Caius brauchte, um nicht im Chaos zu versinken. Sie war zwar mit ihr nicht immer eine Meinung, aber sie und Seiana kamen von ihrer Warte aus eigentlich genau deswegen ganz gut miteinander aus. Sie waren sich ähnlich. Und sie ahnte, dass Caius vielleicht deswegen Seiana gefunden und gefragt hatte: Weil sie so war wie sie selbst.


    Zum Abschied hatte Caenis höchstpersönlich einen Kuchen gebacken, den sie den beiden mitgegeben hatte. Seiana hatte eine etwas steife Umarmung von ihr genießen können und die Bitte, sich doch bald wegen der Hochzeitsplanungen zu melden. Calvaster hatte Seiana und seinen Sohn nur fest geherzt und gebrabbelt, wie stolz er wär, und dass Seiana sich nicht allzu oft von Caius veräppeln lassen sollte.


    Und dann waren sie losgezogen, wieder im Wagen, weil Seaiana ja nicht reiten wollte. Caius hielt die Klappe. Er konnte auch nichts dazu sagen, denn er aß schon den Kuchen, den Caenis ihnen eingesteckt hatte.

  • Es war eine Erlösung, endlich anzukommen. Caius hätte es kaum noch länger ausgehalten mit der schweigsamen Axilla und dieser ganzen beschissenen Situation, die er so gern gelöst hätte. Sie erreichten Ravenna nach angemessener Reisezeit. Caius fühlte sich inzwischen wie gerädert. Nachts schlief er nicht gut und lag lange wach, tagsüber schwiegen sie sich an, dass es einem in den Ohren klingelte. Inzwischen sagte auch Katander nicht mehr viel, unterhielt sich nur hin und wieder mit Levi und ließ alle anderen soweit in Ruhe sonst.


    Vor einer halben Stunde waren die Stadtmauern Ravennas in Sicht gekommen, und seitdem waren bei Caius unangenehme Bauchschmerzen dazugekommen. Er würde seinen Eltern (oder eher seiner Mutter) gleich irgendwie beibringen müssen, dass er die pfiffige Seiana gegen eine Axilla ausgetauscht hatte, die momentan vielleicht höflich und anständig war, aber nicht mehr dieselbe. Perisanders Rat kam ihm wieder in den Kopf, dass man eine Rede nach dem planen musste, was man beabsichtige. Und er hatte sich das alles so anders vorgestellt. Er war ja stolz auf Axilla, irgendwie, und dass er sie hatte und sie ihn liebte, auch wenn er sich da inzwischen echt nicht mehr sicher war, so wie sie in den letzten Wochen abgebaut hatte. Es würde verdammt schwer werden, das richtig rüberzubringen, so wie er sich gerade fühlte deswegen.


    Am Tor mussten sie einen Moment warten, dann ließ man sie ein. Sie durften reiten, in Ravenna sah man es nicht so eng wie in Rom. Caius führte sie an, Axilla auf ihrem braunen Pferd an seiner Seite. Bald kam das Anwesen in Sicht, das er vor gar nicht allzu langer Zeit mit Seiana verlassen hatte. Caius wurde immer langsamer, ohne es zu wollen, und sie hatten das Tor noch nicht erreicht, da hielt er an. Er wollte etwas sagen, nein, eigentlich wollte er schreien, aber nix ging. Er stieg ab.


    »Wir sind da«, informierte er bleiern. Katander stand plötzlich neben ihm und nahm ihm die Zügel ab. Blöd, jetzt hatte er nichts mehr, woran er sich festhalten konnte. Levi wollte wohl Axillas Zügel nehmen, wie es aussah. Caius hielt ihr ein wenig zögerlich die Hand hin, während auch die anderen absaßen und sich einreihten.

  • Ravenna kam in Sicht, und Axilla spannte sich an. Bestimmt machte sie nach dieser Reise einen fürchterlichen ersten Eindruck, aber wenigstens den wollte sie hinbekommen. Wenn schon ihre Ehe im Moment eher das Gerüst einer solchen war, wollte sie wenigstens zeigen, dass sie nicht vollkommen unfähig war, und die Familia ihres Mannes angemessen begrüßen. Auch wenn das so wohl gerade etwas schwierig würde, mit Reisestaub am ganzen Körper und dem Geruch nach Pferd und Leder am Körper. An ihre Frisur wollte sie gar nicht denken, seit Tagen trug sie nur einen einfachen Zopf wie die Barbarinnen aus dem Norden. Aber wer hätte ihr hier schon die Haare frisieren können? Vor allem mit dem vielen Sommerstaub darin?


    Sie durchquerten die Stadt, und Axilla sah sich ein wenig um. Ravenna war kleiner als Rom oder Alexandria, aber sicher nicht klein an und für sich. Vom einem Theater kam aufgeregter Jubel her, der Lautstärke nach zu urteilen veranstalteten die hiesigen, durchaus berühmten Gladiatorenschulen gerade ein Spektakel. Axilla sah zwar in die Richtung, konnte aber natürlich nichts sehen.
    Sie überquerten das Forum und einen Markt, um auf der anderen Seite wieder aus der Stadt hinauszureiten. Das Land wurde wieder offener, aber nun sah man, dass hier mehr Anwesen verstreut lagen. Sie folgten einer Straße ein kurzes Stück, bis sie schließlich davon abbogen und auf eines dieser Häuser zuhielten. Ein Stück davon entfernt, aber schon in Sichtweite, blieb Archias unvermittelt stehen und stieg von seinem Pferd. Auch Katander war sofort herunter und nahm seinem Herrn den Zügel ab, ebenso wie Levi, der mit etwas watscheligem Gang zu ihr kam und ihren Braunen hielt. Sie wollte sich, wie sie es gelernt hatte, mit beiden Händen auf dem Pferderücken abstützen und mit Schwung beide Beine nach Hinten und schließlich über die Pferdekuppe führen. So vermied man, irgendwo hängen zu bleiben, so stieg man richtig ab. Aber da sah sie plötzlich die Hand ihres Mannes, der sie ihr hinhielt, um ihr zu helfen. Sie zögerte einen kurzen Moment, dann ergriff sie sie. Statt rücklings, wie es üblich war, hob sie gelenkig ihr rechtes Bein vornüber über den Pferdehals und ließ sich dann an der Pferdeschulter entlang nach unten rutschen, sich leicht an der gereichten Hand abstützend. Ein kurzes, sehr unsicheres Lächeln erhielt Archias, ehe sie sich dem Haus wieder zuwandte.
    Ihr Herz schlug bis zum Hals, weil sie so aufgeregt war. Sie hatte keine Ahnung, wie Archias' Eltern überhaupt waren. Sie hatte ihn nie danach gefragt, um damit den Gesprächen über ihre eigenen Eltern aus dem Weg zu gehen. Aber was, wenn der erste Eindruck gleich so katastrophal wie befürchtet sein würde? Axilla hatte von sowas doch schlicht keine Ahnung. Nicht die geringste.
    “Sehr schön hier“, meinte Axilla mehr, um sich selbst abzulenken.

  • Sie zögerte. Zwar gar nicht mal so lange, aber sie tat es. Caius hätte fast die Hand wieder weggerissen, auch wenn er nicht gewusst hätte, was er dann damit anfangen sollte. Eigentlich war das mehr ein Reflex gewesen und keine berechnende Absicht, dass er ihr die Hand hingehalten hatte. Er wollte einfach seine Frau an der Hand haben, das war alles, aber er hatte nicht darüber nachgedacht. Noch bevor er sie aber fallen lassen konnte, griff Axilla doch danach, und Caius fühlte sich so, als würde in ihm drin irgendwas schwindelig werden und sich taumelnd drehen. Ein urplötzlicher Kloß sorgte dafür, dass das Gefühl nicht seinen Hals erreichte. Irre. Und das nur, weil er ihre Hand hielt! Und sie stand dann so dich vor ihm und lächlte ihn ganz kurz an, dass er sie am liebsten an sich gerissen und gedrückt hätte. Aber er zuckte nur mit den Mundwinkeln ein Lächeln zurück, dass zwar ehrlich, aber kurz war, und machte dann einen Schritt zurück. Axilla sah ihn schon gar nicht mehr an, sondern betrachtete das Haus. Caius war wieder übel, wenn er nur ein paar Minuten in die Zukunft dachte. Er hielt Axillas Hand noch, als er ihr antwortete und losging.


    »Ja. Weißt du, Piso hat früher nicht weit weg gewohnt. Die Flavier haben hier auch ein Haus.« Eigentlich nichts Neues, vielleicht wusste Axilla das auch schon. Caius hatte es vielleicht mal erwähnt. Langsam gingen sie auf das Haus zu. Dea Dia mochte ihm beistehen, dachte Caius, denn plötzlich flog die Tür auf. Natürlich waren sie nicht unentdeckt gebieben. Eine schmale, kleine Gestalt in Blassrosa schob sich in den Türrahmen, ein runzeliges, strahlendes Gesicht offenbarte sich ihnen.
    »Caius!« rief Caenis und klatschte erst in die Hände, die sie sich dann auf den Brustkorb legte. Sie schüttelte den Kopf und kam aus dem Haus gelaufen. Caius lächelte schräg. War ja klar, dachte er.
    »Caius, was machst du denn hier! Warum hast du nicht gesagt, das du kommst? Und du....?« bombardierte Caenis ihren Sohn auch gleich mit Fragen und sah dann Axilla an. Ihr war aufgefallen, dass Caius ihre Hand hielt. Caius hielt Axillas Hand gleich ein klein wenig fester. Im Türrahmen erschien jetzt auch Calvaster, von dem Caius einen Großteil seines Aussehens geerbt hatte.
    »Hallo Mam« sagte er und sah zu Axilla und zurück.
    »Schön dich zu sehen. Ehm. Das ist Axilla. Meine Frau.« So, nu war es raus.


    Und Caenis hatte die Augen aufgerissen und starrte Axilla ziemlich unmatronenhaft und regelrecht entsetzt an, bis sie sich wieder fing und den Mund zuklappte. Calvaster schien gehört zu haben, was Caius gesagt hatte, denn er lehnte in der Tür und grinste.
    »Deine...Aber...?« Es war klar, was Caenis hatte sagen wollen. Sie kannte schließlich Seiana. Und sie musterte Axilla gerade, die genauso verstaubt aussah wie Caius. Dass ihr das nicht unbedingt zusagte, war ihr anzusehen, aber wenigstens sagte sie es nicht laut.
    »Axilla«, wiederholte sie murmelnd, dann traf wieder Caius ein Blick. Der war fragend und fordernd, und Caius kannte seine Mutter und wusste, was der bedeutete.
    »Iunia Axilla, ja. Wir haben vor ein paar Wochen geheiratet, in Rom. Ganz unspektakulär, ohne Feier«, fügte er hinzu, weil er sah, dass Caenis schon wieder nach Luft schnappte. Sie hatte ein Faible für Feiern, das war ihm schmerzlich bekannt. Es war Caius eigentlich gar nicht so recht, dass sie das alles hier draußen diskutieren mussten, und auch nicht, dass seine Mutter ziemlich unhöflich zu Axilla war, wie er fand. Sie betrachtete gerade Axillas Gesicht.


    »Ja dann...« sagte Caenis ratlos.
    »Schön dass ihr da seid. Kommt doch bitte herein.«

  • Er ließ sie nicht wieder los. Axilla war sich unschlüssig, was sie davon halten sollte, aber sie kam nicht dazu, großartig darüber nachzugrübeln. Kaum, dass sie auch nur einen Schritt auf das Anwesen machten, flog die Tür auf und eine ältere Frau flog geradezu auf Archias zu, ehe sie in ihrem Schritt stockte und Axilla anstarrte. Was mit der Erklärung ihres Mannes auch nicht unbedingt besser wurde, eher... entsetzter. Axilla wusste ja, dass sie von oben bis unten voll mit Staub war, dass ihre Tunika nicht unbedingt alle Konventionen einer matronenhaften Gewandung erfüllte und sie selber grade ziemlich unspektakulär aussehen musste, aber dennoch hatte sie nicht mit so offensichtlichem Entsetzen gerechnet. Und sie hatte gedacht, dass Archias ihren Gensnamen bei der Vorstellung dazusagen würde, was er aber dann beim zweiten Anlauf gleich nachholte. Immerhin war sie ja doch nicht ganz irgendwer, wenigstens einen Namen hatte sie vorzuweisen, auch wenn der vielleicht dieser Tage nicht ganz so viel Gewicht hatte.


    Axilla mühte sich nur, möglichst würdevoll und gerade dazustehen und diese etwas merkwürdige Begrüßung über sich ergehen zu lassen. Sie hatte gedacht, Archias hätte seinen Eltern schon längst geschrieben, dass er mit ihr verheiratet war und war daher mit der Situation jetzt doch etwas überfordert. Sie hatte zwar nicht erwartet, mit Freudenstürmen empfangen zu werden, aber dass Archias' Eltern so gar nichts davon wussten, hatte sie nicht geahnt. Oder dass diese Überraschung gar so entsetzlich sein würde für seine Mutter. Sein Vater stand nur im Hintergrund und grinste vor sich hin, was wenigstens ein kleiner Lichtblick war. Humor war besser als Entsetzen.
    Archias Mutter fing sich auch gleich wieder und lud sie erstmal ins Haus ein, was Axilla auch nochmal eine Last nahm. Sie hatte schon befürchtet, sie dürfe wohl gar nicht reinkommen. Archias' Mutter sah nach wie vor nicht wirklich glücklich aus, und Axilla, die ohnehin schon immer ein Problem mit Frauen gehabt hatte, fühlte sich ganz und gar furchtbar hilflos.
    “Ein wirklich sehr schönes Anwesen“, gab sie sich einen Ruck und versuchte, nicht gar so verschreckt zu wirken. Vielleicht war der erste Eindruck ja noch irgendwie zu retten. “Aber vielleicht sollten wir uns erst einmal den Reisestaub abwaschen, sonst machen wir noch alles schmutzig?“ Und es würde Axilla die Gelegenheit geben, sich wenigstens ein bisschen herzurichten und wenigstens einen anständigen zweiten Eindruck zu machen. Auch wenn sie sich alles andere als sicher war, ob Archias' Mutter sie so schnell aus ihren Fängen lassen würde, eben um einen besseren Eindruck zu machen. Sie hatte eher das Gefühl, die Frau würde sich gleich mit Freuden auf ihren Aufzug stürzen und sie nach allen Regeln der Kunst niedermachen. Und so hatte Axilla ja nicht die geringste Handhabe dagegen.

  • Caenis drehte sich direkt rum und schritt würdevoll auf das Haus zu. Axillas Frage kommentierte sie zuerst mal mit einem prüfenden Seitenblick (Caius und sie folgten ihr). Caius' Mutter war gern in Gesellschaft, sie mochte Feiern und Gastmahle und wusste, wie man sich entsprechend verhielt, auch wenn man was ganz anderes dachte. Caenis schürzte nur ganz kurz die Lippen, bevor sie Axilla antwortete, und Caius hielt sich da erstmal ganz raus.


    »Aber du hast ja kaum etwas gesehen bisher, Kind«, waren dann die Worte, die sie erwiderte. Caenis lupfte die Augenbrauen dabei ein wenig, so dass das belehrend wirkte und nicht geschmeichelt, auch wenn das Axilla vielleicht gar nicht auffallen würde. Caius jedenfalls hatte seine Mutter verstohlen beobachtet, und ihm war das aufgefallen. Ihn ärgerte das sehr, zumal er nicht wusste, ob diese kleinen Seitenhiebe alles sein würde, was da kam, oder ob das noch direkter kommen würde. Und wenn das der Fall war, konnte er falsch oder falsch entscheiden, das ging ihm jetzt überhaupt erst auf. Er konnte sich auf Axillas Seite stellen und sie verteidigen (und damit komplett falsch liegen!) oder er konnte sich raushalten und sie machen lassen (und damit auch komplett falsch liegen).


    »Ja, das glaube ich auch«, erwiderte seine Mutter gerade wieder auf Axilla. Was hatte sie gesagt? Caius hatte das gar nicht mitbekommen.
    »Es wäre wirklich nett gewesen, wenn ihr vorher bescheid gesagt hättet. Jetzt muss ich erst noch die Zimmer herrichten lassen.« Caenis klang doch ein wenig beleidigt, überhaupt wirkte sie nicht wirklich in einer guten Stimmung, wie Caius fand. Er seufzte deswegen tief, aber Caenis fasste den Seufzer anders auf und bezog ihn auf ihre Worte, und bevor Caius etwas sagen konnte, griff sie schon wieder das Wort auf und schoss dabei einen scharfen Blick in seine Richtung ab.
    »Da brauchst du gar nicht seufzen, ihr schlaft selbstverständlich getrennt. Sie bekommt das Zimmer, das deine Seiena bekommen hat.« Caius schoss einen genauso scharfen Blick zurück.
    »Mutter, bitte«, sagte er genervt und rollte mit den Augen. Sowas musste ja wohl nicht sein. Zumindest hätte sie das nicht sagen können. Caenis aber erreichte in diesem Moment die Türschwelle, sah Caius und danach Axilla noch einmal kurz an und machte eine letzte, angemessen höfliche Bemerkung, bevor sie an Calvaster vorbei im Haus verschwand.
    »Nicodemus wird dir gleich das Bad zeigen.« Dann war sie weg und Caius und Axilla standen vor seinem Vater, der Axilla begrüßte, während Caius noch missmutig hinter seiner Mutter her starrte.


    »Axilla, hm?« sagte er, und wieder schmunzelte Calvaster. Dann machte er einen Schritt nach vorne und umarmte mit dem einen Arm seinen Sohn und mit dem anderen dessen Frau.
    »Salve Paps«, nuschelte Caius und drückte zurück.
    »Tja, da seid ihr selbst schuld. Du weißt doch, wie gern sie die Hochzeit planen wollte, Junge«, bemerkte Calvaster anschließend mit einem Zwinkern in Caius' Richtung, der nur nochmal mit den Augen rollte. Calvaster grinste, dann lächelte er Axilla an.
    »Ich bin Decimus Calvaster, aber du kannst ruhig Decimus sagen. Gehörst ja jetzt zur Familie. Das eben war Caenis, meine Frau. Hat dir Caius bestimmt schon erzählt. Jedenfalls, willkommen in Ravenna. So, jetzt schnell rein mit euch und ab ins Bad, sonst garantiere ich für nichts!« Calvaster winkte die zwei grinsend an sich vorbei und schloss dann die Tür. Der Sklave Nicodemus hatte einen Becher Wasser für Axilla in der Hand und wartete schon, um ihr das Bad zu zeigen. Ein Zimmer für sie wurde schließich grad noch fertig gemacht. Außerdem hatte Caenis entschieden, dass die Waschschüssel für den vielen Reiseschmutz nicht reichte. Caius ließ Axilla los und schickte ihr noch ein aufmunterndes Lächeln hinterher.

  • Archias Mutter konnte sie nicht leiden. Man musste kein Genie sein, um das zu merken. Selbst den Kommentar, den Axilla ja nur nett gemeint hatte, wies die Frau zurück und drehte es so, dass Axilla sich reichlich dumm vorkam. “Ja, aber das, was ich bisher gesehen habe, ist wirklich sehr hübsch“, versuchte sie es nochmal kleinlaut und zögerlicher, aber sie war nichtmal sicher, ob Caenis das gehört hatte.
    Und die anschließenden Vorwürfe waren noch schlimmer. Axilla konnte nur fragend zu Archias schauen, der sich aber auch nur halbherzig verteidigte. Und sie überhaupt nicht. Sie wusste doch nicht, dass es seinen Eltern wichtig gewesen wäre, die Hochzeit groß zu feiern. Und sie wusste auch nicht, dass Archias das alles so verschwiegen hatte. Gut, sie hatte nie gefragt, aber er hätte sie ja auch vorwarnen können. Als Caenis dann schließlich so rabiat betonte, dass sie in Seianas Zimmer schlafen würde, wollte Axilla am liebsten weglaufen. Es war nicht nur Seianas Zimmer, es war das Zimmer seiner Seiana. Die er wohl seinen Eltern vorgestellt hatte, bevor er sie geheiratet hatte. Für die er sich wohl nicht zu schämen hatte brauchen. Die die bessere Ehefrau gewesen wäre. Die von seiner Mutter wohl gemocht wurde.
    Axilla ließ Archias Hand los. Sie wollte nicht mehr hier sein. Die Situation überforderte sie jetzt schon. Am liebsten wollte sie sich wieder auf ihren Braunen schwingen und ihm wieder die Fersen in die Flanken drücken, so dass er lospreschte. Irgendwohin, nur weg hier. Ihr Mund fühlte sich ganz trocken an, und in ihrer Kehle saß ein Klos, so gewaltig, dass sie nicht sprechen konnte.


    Und dann wurde sie umarmt. Sie wusste nicht wieso oder was los war, aber sie wurde umarmt. Von Archias Vater. Und beinahe hätte sie in diesem Moment einfach geheult. Das war einfach zu viel, ihre Ehe, das Schweigen zwischen ihnen beiden, die Ablehnung seiner Mutter. Jetzt hier einfach gehalten zu werden von jemandem, den sie nichtmal kannte, das löste einfach etwas in ihr aus, was sie nur schwer kontrollieren konnte. Aber sie beherrschte sich.
    “Salve“, war das einzige, was ihr in den wirren Gedanken noch einfiel, auch wenn es kleinlaut und schüchtern klang. Sie betraten das Haus und ihr wurde ein Becher Wasser gereicht, den sie unsicher mit beiden Händen nahm, um das leichte Zittern zu verbergen. Sie trank einen kräftigen Schluck und gab den Becher dann mit einem bemühten Lächeln wieder zurück.


    Der Sklave wartete kurz, ehe er sie aufforderte, ihm zu folgen. Axilla blickte noch einmal kurz zu Archias, der wohl vorhatte, die Wohnung mit seinem Reisestaub einzudrecken, und dann zu Levi. Sie gab ihm ein kleines Handzeichen, und der Junge nickte nur einmal, als er verstand. Sie würde frische Kleidung brauchen, etwas herzeigbares, wenn sie im Bad fertig war. Zu Archias sagte sie nichts. Nicht, weil sie böse mit ihm war – höchstens ein bisschen, weil er sie so auflaufen hatte lassen – sondern weil sie dachte, er wollte mit seinem Vater ein Männergespräch führen, wo sie sowieso nichts zu suchen hatte. Auch wenn sie als Kind solchen Gesprächen im Haus ihres Vaters immer gern gelauscht hatte.
    Sie folgte dem Sklaven schließlich in das Bad und bedankte sich bei ihm kleinlaut, ehe sie ihn rausschickte. Es waren noch zwei Sklavinnen hier, die ihr helfen würden, das würde ihr reichen. Auch wenn Nicodemus ein Sklave war, Axilla wollte sich vor ihm nicht ausziehen.


    Im Bad war es ein wenig kühl, fand sie. Allerdings hatte sie bis eben noch in der prallen Sonne auf einem Pferd gesessen. Sie ließ sich aus den staubigen Kleidern helfen, die eine der Sklavinnen gleich fortbrachte. Axilla nahm an, sie wollte sie waschen – wobei sie Caenis auch zutraute, die Sachen zu verbrennen.
    Um das Badewasser nicht einzusauen wusch sich Axilla erst an einer Waschschüssel so gut es ging den gröbsten Dreck von der Haut und spülte vor allen Dingen einmal die langen Haare durch, die den Staub geradezu aufgesogen zu haben schienen. Erst dann stieg sie in das Becken mit dem klaren Wasser und ließ sich die Seife anreichen.

  • Caius sah Axilla einen Moment hinterher. Sie hatte sich echt Mühe gegeben, und der Kommentar seiner Mutter war, gelinde gesagt, unter aller Sau gewesen. Caius schämte sich regelrecht für die Reaktion von ihr. Als Axilla im Haus verschwand, legte sein Vater ihm eine Hand auf die Schulter und drückte ihn kurz.
    »Komm, Junge. Setzen wir uns.« Ganz offensichtlich war es Calvaster genauso egal wie Caius, wenn der alles einstaubte. Aber sie blieben ja auch im atrium da war das noch zu verschmerzen. Caius lümmelte sich auf eine Liege, und ein Sklave drückte ihm etwas zu trinken in die Hand. Er hatte von der Reise einen leichten Sonnenbrand im Gesicht.


    »Deine Mutter ist glaube nicht begeistert«, bemerkte Calvaster.
    »Denk ich auch.« Sie musterten einander.
    »Die fängt sich bestimmt bald wieder.«
    »Lieber früher als später.« Calvaster schmunzelte und trank einen Schluck.


    »Und Seiana?« fragte Calvaster dann. Caius runzelte die Stirn und stellte seinen Becher mit einem lauten Klonken zurück auf das Tablett.
    »Paps, muss das sein?« beschwerte er sich. Calvaster sah ihn abschätzend an und schüttelte dann den Kopf.
    »Nein, muss nicht sein. Hast bestimmt deine Gründe gehabt. Aber sagen können hättest du wirklich was.« Aus seinem Mund hörte sich das nur bedauernd an, aber nicht zutiefst enttäuscht und dramatisch, wie es bei Caenis geklungen hatte. Caius seufzte und rieb sich über das Gesicht. Danach hatte er staubigen Schweiß an der Hand, den er einfach an der Tunika abwischte.
    »Bona Dea, als ob Mutter es zugelassen hätte, dass wir da heiraten, wo wir wollten und so, wie wir es getan haben«, moserte Caius brummig rum.
    »Erzähl mal.« Caius sah auf, sein Vater wirkte interessiert.
    »Die Kurzfassung?«
    »Die reicht mir.«
    »Na gut. Seiana und ich haben uns entlobt und Axilla und ich haben uns verlobt. Und dann waren die Rennen zu den Megalesia, und da hab ich sie dann geheiratet. Im circus. Das ist eigentlich auch schon alles. Wir haben nicht gefeiert, nur hinterher ein kleines Gastmahl für Freunde gegeben.« Caius fand, dass es gar nicht nötig war, die ganzen anderen Dinge zu erzählen. Dass Axilla eine schwere Zeit hinter sich hatte mit Leander und dem Kind und Urgulania und überhaupt, dass er Seiana hintergangen hatte und so weiter. Calvaster hatte zugehört und nickte jetzt.
    »Verstehe. Wär mir damals auch lieber gewesen.« Er lächelte seinen Sohn schelmisch an.
    »Nur hat deine Mutter immer schon auf Feste gestanden. Da kann man nichts machen. Aber bei den Rennen! Junge, Junge... Wie ist sie denn so? Deine Axilla?«


    In dem Moment kam Caenis wieder ins atrium, und gleich ruhte ihr Bick auf Caius, der zumindest mal augenblicklich die Füße von der Liege nahm und sich hinsetzte. Wortlos setzte sie sich in einen Sessel und ließ sich Wein reichen. Caius sah sie nachdenlich an, bis er den fragenden Bick seines Vaters auf sich ruhen spürte und sich ihm wieder zuwandte. Eigentlich hatte er gar keine Lust, jetzt weiterzureden, wo Caenis wieder da war und eh alles zerpflücken würde, was ihr nicht passte.
    »Sie ist...« Stolz und stur und stumm, zumindest gerade.
    »...liebevoll. Und gescheit und ehrgeizig«, sagte Caius, und Schweigen breitete sich aus. Caenis sah ein wenig missmutig drein, Calvaster lächelte versonnen und Caius wartete auf einen Kommentar. Und der ließ auch nicht lange auf sich warten.
    »Ist sie denn auch eine gute Ehefrau, Caius? Ich meine, warum hast du ihr den Vorzug gegenüber Seiana gegeben, sie macht doch kaum was her!«
    »Caenis...«
    »Mutter, du kennst sie doch gar nicht, was soll denn das?« Caius unterbrach seinen Vater, der wohl die gleiche Absicht gehabt hatte wie er jetzt. Und Caius wurde laut.
    »Ich mein, schön, ich hätte vielleicht was sagen sollen vor der Hochzeit oder halt spätestens nachher. Mein Fehler. Aber ich will nicht, dass du sie so...so behandelst wie vorhin. Oder dass du so über sie sprichst! Du denkst vielleicht, dass sie nichts Besonderes ist, aber für mich ist sie das, ob dir das passt oder nicht, und für mich macht sie definitiv etwas her


    Caenis blinzelte nur irritiert. Sie kannte ihren Sohn so nicht, und Calvaster hatte auch selten Widerworte gegen irgendwas (was daran lag, dass er sich seinen Teil meistens dachte, statt laut zu sagen, und dadurch seine Ruhe hatte). Sie reckte ein bisschen das Kinn vor.
    »Ich habe nie...« begann sie, aber Caius überfuhr sie im Ansatz.
    »Ma, bitte, das vorhin war wirklich unfreundlich. Du hast sie ja nicht mal richtig begrüßt! Und das mit Seiana, musste das denn sein?« Caius schüttelte den Kopf.
    »Ich will einfach, dass ihr sie kennenlernt, ist das falsch? Nur weil dir Seiana vielleicht besser gefallen hat, musst du noch lange nicht so eklig zu ihr sein!« Caenis sah inzwischen recht unglücklich aus, Calvaster leicht belustigt, dass Caius seiner Mutter Konter gab. Verstohlen grinste er.
    »Ich hab nichts gesagt, gut, das war blöd. Aber ich hab echt mit sowas gerechnet. Mir ist schon diese Feier hier beim letzten Mal auf die Nerven gegangen. Ich wollt das halt einfach selber machen, so wie ich das wollte und so wie Axilla das wollte. Und ein riesiges Fest wär einfach...das hätte einfach nicht gepasst.« Caius zuckte mit den Schultern und schnitt eine Grimasse. Caenis schwieg einen Moment, und Calvaster hielt sich ganz raus.


    Schließlich räusperte sich Caenis.
    »Caius«, appellierte sie an seinen Verstand.
    »Wir wollen doch nur das Beste für dich. Du gehörst zur Kaiserfamilie!«
    »NA UND?« motzte Caius lautstark und so unvermittelt zurück, dass irgendwo jemand etwas fallen ließ und es leise auf dem Boden zerschellte.
    »Ich hab da nicht drum gebeten! Ich hab da nie Wert drauf gelegt! Und wenn ich jetzt die Frau heiraten will, die ich liebe, dann mach ich das halt! Das ist mir dann absolut egal, ob meine Mutter vielleicht Bedenken hat, weil sie aus der falschen Familie kommt oder ihr zu dünn oder zu...wasweiß ich ist!«
    »Caius, ich denke, wir sollten...« begann Calvaster in diesem heiklen Moment den Versuch, die Wogen glätten zu wollen, und machte eine beruhigende Geste mit seiner Hand, aber Caius würgte auch ihn ab.
    »Nein Paps, ich lass mir da nicht reinreden. Wenn ihr meint, ihr kommt mit ihr wegen irgendeiner Kleinigkeit nicht aus, über die ihr nicht wegsehen könnt, dann ist das so. Aber dann war das hier mein letzter Besuch und wir reisen morgen früh wieder ab. Ich hab keine Lust, mir ständig sagen zu lassen, was besser wäre und was ich anders machen soll, nur weil wir irgendwie mit Valerianus verwandt sind oder weil Mutter irgendwas nicht passt. Das ist unsere Entscheidung, und nicht ihre.« Caius schnappte sich seinen Weinbecher und stürzte den Rest darin runter, während Caenis nur dasaß und blinzelte und Calvaster ihn mit einem erstaunten Blick bedachte. Dass Axilla längst fertig sein konnte mit ihrem Bad, daran hatte Caius keine Sekunde nachgedacht. Er war auch gerade echt sauer auf seine Mutter. Und er fühlte sich ein bisschen komisch, weil er Axilla so in Schutz nahm, obwohl sie gerade Probleme hatten, die ihm fast unlösbar vorkamen.

  • Es dauerte eine Weile, bis der Staub von der Haut herunter war. Die Sklavin half Axilla dabei und ging nicht gerade zimperlich dabei vor, bis sie bemerkte, dass ein Teil der Verfärbung daher rührte, dass Axillas Haut eben gebräunt war und nicht etwa dreckig. Aber der größte Posten waren die Haare, die so offen Axilla bis zur Hüfte reichten und sich in wilden Wellen gern verknoteten. Es dauerte, bis diese durchgewaschen und mit Öl gespült waren, bis diese dann im Wasser noch ausgekämmt und erneut gespült waren. Axilla ließ die Prozedur über sich ergehen. Sie überlegte sogar einen Augenblick, ob sie auch gleich darum ersuchen sollte, dass die Sklavin sie enthaarte, aber zum einen hatte sie das vor ihrer Abreise erst gemacht und daher war alles noch sehr im Rahmen, und zum anderen hätte das vielleicht doch zu viel Zeit in Anspruch genommen. Sie hatte es zwar bestimmt nicht eilig, zurück zu kommen, aber ganz so verzögern konnte sie das ganze doch nicht.


    Schließlich stieg sie aus dem Wasser und ließ sich auf einer nahen Marmorbank nieder. Die Sklavin reichte ihr ein großes Handtuch, in das sie sich wickelte, und machte sich dann daran, mit einem kleineren die iunische Haarpracht wieder trockenzurubbeln.
    Mit einem Mal wurde es laut vom Gang her. Axilla konnte nicht viel verstehen, aber sie hörte Archias, wie er brüllte. Er regte sich auf. Sehr. Sie versuchte, wegzuhören, aber es ging nicht ganz. Sie bekam zwar nur Bruchstücke mit, aber die reichten auch schon. Er schnauzte. Wegen ihr. Oder besser gesagt, er stritt mit seinen Eltern, wegen ihr.
    Die Sklavin hielt in ihrer Bewegung inne, und Axilla wendete kurz den Kopf, um diese aus ihrer erschreckten Starre zu holen, auch wenn sie selber doch auch reichlich erschreckt war. “Die.. die Haare sollten hochgesteckt werden. Kannst du das?“
    Die Sklavin fing sich wieder und bejahte, fing an, die Haare mit einem großen Kamm fein säuberlich zu kämmen und dann einzelne Strähnen, eine nach der anderen, leicht einzudrehen und hochzustecken, so dass nach und nach eine durchaus modische Frisur entstand.


    Levi kam herein, noch immer reichlich staubig, und brachte ein frisches Kleid mit. Axilla sah kurz auf den hellgrünen Stoff. Es war eines aus Ägypten, was sie sehr gern eigentlich trug. Aber vermutlich war das 'etwas' luftig für den Geschmack von Archias' Mutter.
    “Haben wir noch was mit, was ein bisschen geschlossener ist? Oh, und meine sandalae. Und dann solltest du auch noch baden. Wenn das geht?“ Die letzte Frage ging an die Sklavin, die nur nickte. Sie würde Levi später zeigen, wo er sich säubern konnte. Vorerst aber ging er los und suchte in der Reisekleidung irgendwas, was etwas mehr nach Matrona aussah.


    Im Gang war es jetzt wieder etwas ruhiger geworden. Axilla legte nun ein anderes Kleid an, mit einem nicht gar so großzügigen Ausschnitt, dafür aber auch aus nicht gar so feinem Stoff. Eigentlich wusste sie gar nicht, warum sie das Kleid mitgenommen hatte, sie mochte es nicht besonders. Es war blau und nicht grün – allerdings nicht DAS blaue Kleid, das Archias ihr geschenkt hatte. Aber es war weit züchtiger als der Rest ihrer Garderobe. Die Sklavin half ihr dabei, die hohen Schnüre ihrer Sandalae um die schlanken Waden zu binden. Dass sie vergessen hatte, schmuck mitzunehmen, fiel Axilla erst jetzt auf, aber den konnte sie sich kaum ausleihen. Nur Urgulanias Ohrringe hatte sie mit, und so waren die das einzig funkelnde an ihr. Insgesamt kam sie sich vor, als wäre sie jemand anderes, wenn sie in den Spiegel sah. Aber sie wollte doch nur einen guten Eindruck machen!
    Als es schließlich nichts mehr gab, was sie vorschieben konnte, erhob sie sich und machte sich wieder auf in die Höhle des Löwen.

  • Na toll. Erst ließ Caius die Fetzen fliegen und dann herrschte Funkstille. Caius hielt seinen leeren Becher einem Sklaven hin, rammte ihm den regelrecht entgegen. Ihm wurde aufgefüllt. Caenis sah sich konzentriert die Wandmalereien an. Sie hatte die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst und sagte gar nichts. Calvaster fühlte sich sichtlich unangenehm. Er hatte für sich beschlossen, sich da rauszuhalten, zumal er fand, dass Caius seine Frau aussuchen musste und nicht Caenis. Aber er wollte auch keinen Streit, und deswegen sagte er nichts. Caenis hatte er schließlich deutlich länger um sich als seine Kinder. Also schwiegen sie sich an. Das konnte Caius ja inzwischen ziemlich gut, er hatte ja auf dem Hinweg mit Axilla geübt, dachte er sarkastisch. Außerdem fand er, dass seine Mutter dran war. Er hatte schließlich klipp und klar gesagt, was Sache war. Aber die zog es ja vor, die Klappe zu halten!


    Irgendwann schlich sich Levi durch das atrium, etwas Grünes in der Hand. Kurz darauf schlich er damit zurück. Als er mit etwas Blauem wieder kam und sich größtmögliche Mühe gab, wie Luft auszusehen, wandte Caenis schließlich den Kopf und sah ihren Sohn mit einer Mischung aus Vorwurf und Enttäuschung an. Allein deswegen war er gleich wieder auf dreihundertsechzig, obwohl sie nicht mal was sagte. Er hätte sie fragen können, was sie denn bitte so schaute, aber er presste nur die Zähne aufeinander und starrte angesäuert zurück. Das wollte er nämlich gar nicht hören.


    Als Axilla dann wieder kam und alle Augenpaare sich auf sie richteten, blieb sie erstmal verunsichert stehen. Caius hatte nicht gewollt, dass sie sich noch schlechter als eh schon fühlte. Er überlegte, ob er aufstehen und zu ihr gehen sollte. Allerdings war er noch dreckig und musste sich eigentlich waschen. Nur wollte er Axilla jetzt auf keinen Fall allein mit seiner Mutter lassen. Was also tun? Dreckig bleiben und sich zu viert anschweigen? Sich waschen gehen und Axilla dem Feind ausliefern? Caius hatte keine Ahnung.


    »Wisst ihr was?« ließ Calvaster in diesem Moment verlauten und stand schwungvoll auf.
    »Ich zeige dieser hübschen Dame jetzt den Rest des Hauses. Entschuldigt uns«, verkündete er, warf ein Lächeln in die Runde und fing einen unendlich dankbaren Blick von Caius auf bevor er auf Axilla zu ging und sie abholen wollte. Mit einem spitzbübischen Grinsen bot er ihr seinen Arm an.
    »Also, was möchtest du zuerst sehen. Den Garten vielleicht?« erkundigte er sich gut gelaunt bei Axilla.


    Caius entspannte sich langsam. Seinem Vater vertraute er. Niemand kannte Caenis besser als er.
    »Ich geh mich waschen«, sagte er aufgeräumt zu seiner Mutter, leerte den dritten Becher und stand auf. Er warf Axilla noch einen Blick zu, der vieles bedeutete: Eine Entschuldigung, Scham wegen seiner Mutter und Aufmunterung. Vielleicht bemerkte sie ihn ja. Und dann ging er ins balneum und ließ die verdrießliche Caenis allein im atrium hocken.

  • Irgendwie hatte Axilla gehofft, sich vielleicht doch unauffällig reinschleichen zu können. Natürlich wusste sie, dass das nicht klappen würde, natürlich wusste sie, dass sie im Mittelpunkt stehen würde. Nur, sie hatte eben doch gehofft, dass sie vielleicht niemand bemerken würde. Auch wenn dies wirklich ein winzig glimmender Funken Hoffnung war, aber sie hatte sich daran festgeklammert und sich Mut gemacht, als sie das Atrium betreten hatte. Nur natürlich war es nicht so gekommen und sie hatte sich von drei Augenpaaren angestarrt Gefühl, so dass sie am liebsten rückwärts wieder aus dem Raum getreten wäre. Niemand sagte irgendwas. Alle starrten sie nur so seltsam an. Axilla hielt den Blicken nur eine Sekunde stand, ehe sie den Blick wieder zu Boden richtete. Sie wusste, dass sie nicht unbedingt beeindruckend aussehen mochte, so völlig ohne Schmuck und alles, was eine Matrona eben so herrschaftlich aussehen ließ.


    Das Schweigen breitete sich bis zu dem Punkt aus, wo es unangenehm wurde. Das Bedürfnis, etwas zu sagen, selbst wenn es albern war, wurde übermenschlich. Axilla konnte sich nur nicht dazu durchringen, der vagen Hoffnung erlegen, vielleicht doch noch im Erdboden versinken zu können. Doch da erhob sich ganz plötzlich Archias Vater und meinte in freundlichstem Tonfall, er wolle ihr das Haus zeigen. Den Garten. Er kam auch gleich zu ihr herüber und bot ihr den Arm an, den Axilla erstmal ergriff, ehe sie auch nur darüber nachdenken konnte, was sie da eigentlich machte. “Ähm, ja, das.. wäre schön“, stotterte sie halblaut zusammen und konnte dann nur noch Archias nachsehen, der an ihr vorbei ging und ins Bad. Er sagte immer noch nichts zu ihr, schaute sie nur ganz komisch an, was Axilla nicht verstand. Worüber hatte er mit seinen Eltern geredet, während sie weg war? Er sah nicht glücklich aus, aber das sah er seit Wochen schon nicht mehr. Eigentlich nicht mehr, seit er Vala die Schüssel mit der Süßspeise über den Kopf gekippt hatte.
    Allerdings konnte sie ihm nicht die ganze Zeit nachschauen, bis sie ihren Hals hätte ausrenken müssen, und so blickte sie schnell wieder unsicher zwischen Calvaster und seiner Frau hin und her. Sie hatte keine Ahnung, wie sie mit den beiden umgehen sollte. Auch wenn der Vater ganz nett zu sein schien. Instinktiv trat sie einen kleinen schritt näher zu ihm, als wolle sie sich an seiner Seite etwas vor seiner Frau verstecken.

  • Calvaster führte Axilla ohne weitere Umschweife aus dem atrium und zum Peristyl. Dort angekommen, nahm er seine rechte Hand und tätschelte ganz kurz Axillas Arm, den sie in seinen eingehakt hatte. Über die Vorkommnisse im Haus verlor er aber sonst kein einziges Wort.


    »Ist lange her, dass ich eine so hübsche junge Dame am Arm hatte«, bemerkte er mit einem amüsierten Seitenblick und zwinkerte dann.
    »Du kommst nicht aus Rom, oder? Hast viel zu viel Farbe dafür. Griechenland? Oder Spanien?« vermutete Calvaster und führte Axilla auf einem kiesbestreuten Weg in den Garten. Hier gab es rechts und links des Weges blühende Mohnblumen und kleine Rosenstämmchen, die bald blühen würden. Irgendwo plätscherte Wasser, aber das konnte man noch nicht sehen. Dafür konnte man von hier aus schon die Felder und Wiesen sehen, denn das Gelände fiel ein bisschen ab, das Haus war wie ein U gebaut und man konnte bequem über die halbhohe Umfriedungsmauer in die Ferne schauen. Vereinzelt standen Bäume und Zypressen an den Wegen, die von hier aussahen wie kleine Schlangen, und rechts gab es ein kleines Wäldchen, in dem ein See verborgen lag.


    »Ich kannte mal einen Iunius Gracchus«, sagte Calvaster grad. Mit dem hatte er zusammen gearbeitet, vor Jahrzehnten. Er fragte sich, ob Axilla näher mit ihm verwandt war.
    »War ein ganz netter Bursche. Wir haben oft zusammen gefeiert. Und dann hat er seine Tertia kennengelernt und ich hab Caenis geheiratet, und irgendwie haben wir uns aus den Augen verloren«, erzählte der alte Aelius bereitwillig und sah selber in die Ferne.

  • Sie traten nach draußen in den großzügigen Hof. Landhäuser waren anders als Stadthäuser, und Axilla merkte erst jetzt, wie sehr sie das Landhaus in Tarraco, in dem sie aufgewachsen war, doch vermisste, als sie so an Calvasters Arm entlangschlenderte. Sein leichtes Kompliment entrang ihr ein kleines schüchternes Lächeln, ab er auch das konnte ihr nicht ganz die Befangenheit nehmen. Vor allem, als sie seine nächste Frage anders auffasste, als sie vermutlich gemeint war. “Ich komme eigentlich aus Tarraco, aber ich hab die letzten anderthalb Jahre in Alexandria gelebt. Aber ich bin schon viel heller geworden. Und ganz bestimmt werd ich noch heller.“ Das gängige Schönheitsideal für eine römische Matrone war schließlich, möglichst blass mit roten Lippen, am besten noch mit einer blonden Perücke auf dem Kopf. Die römischen Männer standen auf den nordischen Typ, so sagte man, weshalb nicht nur eine Germanin ihre Haare ließ, damit eine Italikerin auf einmal hellblondes Haar zur Schau tragen konnte. Axilla würde sich zwar sicher keine Perücke aufsetzen, aber sie wusste, dass man von ihr wohl erwartete, irgendwie... vorzeigbarer zu sein. Und so hoffte sie, dass ihre kleine Verteidigung ausreichte, den wohl schlechten Eindruck aufzubessern.


    Dann fing Calvaster an zu erzählen, von einem Iunius Gracchus. Irgendwas klingelte bei Axilla, aber sie wusste nicht, wo sie den Namen zuordnen sollte. Der kam nicht aus ihrem Zweig der Familie und nicht aus ihrer direkten Ahnenreihe, das wusste sie, aber wo genau der einzuordnen war, hatte sie keine Ahnung. Vielleicht meinte er auch jemanden ganz anderen. “Der muss aus dem stadtrömischen Zweig sein... glaub ich. Ich kenne ihn nicht. Aber... meine Familie lebte auch ein wenig außerhalb.“ Was es nicht unbedingt besser machte, fand Axilla. Sie wusste, sie sollte mehr hermachen. Archias' Mutter hatte ja irgendwie recht. Sie kannte ihre Fehler. Und Archias war mit dem Kaiser verwandt, auch wenn ihm das wurscht war. Aber sie wusste ja, was Caenis dachte, und so sehr sich Axilla wünschte, es wäre anders, sie wusste, die Frau hatte im Grunde recht.
    Aber jetzt wollte sie nicht so sehr darüber nachdenken. Ihr Blick glitt über das Stück Land, zu dem hin sich der Hof öffnete. Ein Wald war gar nicht mal so weit weg. Alles schien sehr friedlich und weit zu sein. “Es ist wirklich sehr schön hier“ wiederholte sie noch einmal ihre Bemerkung von vorhin und hoffte, Calvaster nahm ihr das nicht so übel, wie seine Frau es getan hatte.

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