ZitatOriginal von Lucius Petronius Crispus
Am Ende durfte Pythagoras sogar mit ihm im Bett schlafen. Den Griff fest umklammert und tief versunken in den weichen Kissen schlummerte er ein und hatte endlich Zeit, sich ein bisschen von dieser doch recht anstrengenden Reise in seine Zukunft zu erholen...
Lucius träumte einen wunderschönen Traum: Er stand im sonnigen Griechenland in einer Stoa und vor ihm stand ihm Euklid Rede und Antwort zu all den Fragen, die ihm während der Elemente-Lektüre aufgekommen waren. Gerade waren sie bei den irrationalen Größen nach Eudoxos von Knidos angekommen - eine ziemlich knifflige Sache, denn dass es zwei Zahlen gab, die keinen noch so kleinen gemeinsamen Teiler hatten, erschien dem jungen Petronier nicht unbedingt logisch. Deshalb fragte er nochmals genauer nach, wie man denn nun von den Längenverhältnissen in einem Pentagramm Schritt für Schritt auf irrationale Proportionen kommen konnte. Die Antwort war allerdings ein wenig verwirrend:
"Wach auf Domine! Wach auf!"
Zuerst war Lucius ein bisschen verwirrt, dann aber verschwamm die Welt vor ihm und er sah die Schwärze der Rückseite seiner Augenlider - ein Traum! Er zog an der Decke und grub seinen Kopf geradezu in das Kissen, das praktischerweise beide Ohren zugleich bedecken konnte. Doch nun berührte ihn sogar eine Hand und rüttelte ein bisschen an ihm.
"Aufwachen, Domine!"
Erst Stück für Stück wurde ihm bewusst, dass das Rütteln auffallend zaghaft war - Armin schüttelte ihn immer mit Schmackes und der Alte zog ihm normalerweise direkt das Kissen weg - und das Bett auffallend weich. Wo war er?
Er schlug die Augen auf und blickte in das Gesicht eines Fremden - nein, doch nicht: Jetzt kam ihm, wo er und wer der Kerl vor seiner Nase war: die Casa Accia, der Sklave von gestern Abend! Draußen dämmerte bereits der Morgen, trotzdem hatte der Sklave eine Öllampe in der Hand. Und er hielt noch immer nicht den Mund:
"Wach auf, Domine! Dein Vater ist bereits beim Frühstück!"
Schlagartig war Lucius wach. Wenn er etwas wusste, dann, dass der Alte es hasste, wenn er lang schlief. Daheim in Mogontiacum war er stets bei Sonnenaufgang aus dem Bett geworfen worden und auch während der Reise waren sie prinzipiell die Ersten gewesen, die am Frühstückstisch saßen - wenn überhaupt, denn sein Vater hatte oft gar nicht gefrühstückt. Sicher war aber jedenfalls, dass der Alte ihm die Hölle heiß machen würde, wenn er zu spät kam - was andererseits offensichtlich sowieso schon der Fall war. Verärgert brachte er deshalb endlich ein paar Worte hervor:
"Warum hast du mich nicht früher geweckt?"
"Ich - äh - wusste nicht, dass dein Vater schon wach ist. Er ist quasi direkt zum Frühstück gegangen und mir hat man - äh - erst jetzt Bescheid gesagt!"
rechtfertigte sich der Sklave. Lucius gähnte herzhaft - das klang wie eine typische Sklavenausrede! Er kroch aus dem Bett und richtete sich schweigend auf. Dann kratzte er sich am Kopf, knackste genussvoll er mit den Fingergelenken und gab seinem "Wecker" eine schallende Ohrfeige, dass dieser dreinblickte, als hätte ihn ein Pferd getreten.
"Ich hatte dir befohlen, mich zu wecken! Verpiss dich, ich brauch' dich nicht!"
knurrte er ihn dann an. So viel hatte er mit dem Alten doch gemein - er hasste Leute, die ihre Arbeit nicht ordentlich machten! Und sofern diese Leute unter ihm standen, durften sie das ruhig auch physisch spüren. Und außerdem hatte dieser Idiot ihm seinen schönen, mathematischen Traum verdorben!
Kurze Zeit später hatte er wieder seine Übertunica an und streckte den Kopf aus der Tür. Dort stand der Sklave von eben noch immer und rieb sich die Wange.
"Wo geht's zum Frühstück?"
fragte er unwirsch, während er sich noch den Gürtel - übrigens den, den andere Duccier aus einer unglaublich fern scheinenden Welt ihm geschenkt hatten - zuschnallte.