Insula Potiti Gabinii Funduli

  • Zwei Tage! Und damit auch zwei Nächte. Ein sanftes Lächeln schlich sich auf Axillas Gesicht. Dass ihr Mann zwischendurch auch einmal bei der Curia vorbeischauen würde, war zwar bedauerlich, aber sie kannte das ja schon. Imperiosus arbeitete einfach immer. Jeden Tag. Es war Träumerei, zu denken, er käme hierher, ohne irgendeine Arbeit sonst noch damit zu verbinden. Aber dennoch war er hier, bei ihr, zumindest eine Weile, und es war einfach schön so. Allein die Vorstellung, in seinen Armen heute Nacht einschlafen zu können, gab ihr ein warmes und sicheres Gefühl.
    “Sei nicht allzu streng mit ihnen. Der Iulius hat mich vor einigen Wochen zum Essen eingeladen. Er ist furchtbar langweilig und steif“, Axilla winkte fast schon mit gelangweilter Geste ab, als sie an der Stelle der Erzählung war. Der Iulius war wirklich nicht unbedingt ihr beliebtester Gesprächspartner für die nächste Zukunft. “...aber sein Collega Cassius war ausgesprochen nett. Also sei nicht zu streng mit den beiden und ärger sie nur ein bisschen.“

  • Ich lachte spontan auf als Axilla mir ihre Vorstellung von meiner Arbeit preisgab, "sie nur ein wenig ärgern" wirklich äußerst amüsant! Die hiesige Curia würde wahrscheinlich schon völlig fertig sein wenn ich nur zur Tür reinkam, zumindest war das der Eindruck den ich immer bekam auf meinen "verdeckten Einsätzen" ...


    "Nagut ich verspreche dir es wird keine Kreuzigungen oder enthauptungen geben! Vielleicht nur etwas auspeitschen!"


    sagte ich mit einem schelmischen Grinsen und zog meine Frau zu mir herran, um ihr einen Kuss zu geben und tief in ihre Augen zu sehen ... manchmal glaubte ich ihr Innerstes erblicken zu können wenn ich nur lange genug in ihre wunderschönen Augen sah ...

  • Jetzt musste Axilla doch nochmal lachen, wenn auch nicht zu laut, um den kleinen Cossus – wie war ihr Mann auf den Namen gekommen? Axilla musste sich daran wohl gewöhnen – nicht zu wecken. “Das gibt doch so häßliche Striemen“, scherzte sie mit halb bedauerndem Tonfall weiter, der aber so gar nicht zu dem Strahlen in ihrem Gesicht passen wollte. Sie genoss die Nähe zu Imperiosus, seinen Kuss, das Gefühl, als er sie an sich presste und schmiegte sich ganz dicht an ihn. Nur ganz kurz bedauerte sie ein wenig, dass gewisse Zuneigungsbekundungen nicht möglich sein würden so kurz nach der Geburt. Erst musste sich in ihrem Unterleib alles ausreichend erholen und regenerieren, was nach einer Woche nicht gegeben war.
    Sie gab ihm noch ein Küsschen auf die Wange. Dann eins auf die Nase. Und schließlich noch einen Kuss auf den Mund. Es war kindisch und albern, aber auch, wenn diese Ehe unter rein logischen Gesichtspunkten angefangen hatte und Axilla es nie für möglich gehalten hätte, sie hatte gelernt, Imperiosus wirklich zu lieben. Nicht so heiß und unvernünftig, wie sie sich zuvor schon verliebt hatte, nicht so berauschend und betäubend, aber beständig, tief und aufrichtig. Und Axilla war nunmal kindisch und albern. Zumindest manchmal noch, wenn sie nicht von dem Gefühl beinahe erdrückt wurde, erwachsen, vorsichtig und vernünftig sein zu müssen.
    [color=blue“Wann erwarten sie dich denn in der Curia? Heute noch, oder erst morgen?“[/color] Zwei Tage war ja so lange auch wieder nicht, als dass es da viel Zeit gab. Vor allem, da Axilla ja vom Iulius schon wusste – oder sich zu erinnern glaubte – dass Imperiosus da die Finanzen prüfen sollte. Und das konnte auch länger als einen Tag dauern oder Rückfragen erforderlich machen.

  • | Cito


    Der Duumvir Iulius war noch immer ein vergleichsweise junger Mann, dem es infolge dessen - und natürlich auch dank göttlichen Beistands, diverser Genesungswünsche und viel Ruhe - von Tag zu Tag stetig besser und besser ging. Und so fand er nach und nach auch die Zeit und Kraft sich um die diverse liegengebliebene Korrespondenz der letzten Zeit zu kümmern, was den Cursor Cito nun heute, just zwei Tage bevor der Iulier in die Curia und in sein Amt als Duumvir zurückkehren wollte, zur Insula des Potitus Gabinius Fundulus führte. Mit dabei hatte er eine Nachricht seines Herrn, die er an passender Stelle abgab...


    Ostia, A.D. XVI KAL FEB DCCCLXIII A.U.C.

    Ad
    Iunia Axilla
    Insula Potiti Gabinii Funduli
    Ostia, Italia



    M. Iulius Dives Duumvir Iuniae Axillae s.d.


    Es freut mich, dass ich dir nach den unschönen Ereignissen der vergangenen Decemberiden hiermit nun auf deinen letzten Brief antworten kann. Ich hoffe, dein Sohn entwickelt sich gut und ihr seid beide gesund und wohl auf!


    Betreffs des Tempelbaus, der mittlerweile auch vom ostiensischen Ordo Decurionum befürwortet worden ist, würde ich es begrüßen, wenn dein Architectus am dritten oder vierten Tag der Ludi Palatini zur achten Stunde * in mein Officium in der Curia Ostiensis kommen könnte. Ich werde an beiden Tagen zur jeweiligen Zeit keine weiteren Termine haben und entsprechendes Kartenmaterial vorbereiten lassen.
    Die gesamte Weihungszeremonie des Bauplatzes wird, je nachdem wie schnell wir meine Vorstellungen vom fertigen Tempel und die Kenntnisse deines Archtiektus zur Machbarkeit ebendieser auf einen gemeinsamen Nenner bringen können, auf jeden Fall zeitnah nach jener Abstimmung erfolgen. Einer der städtischen Auguren Ostias hat sich bereits dazu bereit erklärt diese Aufgabe zu übernehmen. **


    Sim-Off:

    * fiktives Datum / fiktive Zeit
    ** bräuchte zu ggb. Zeit dann das Aedituus-Pwd.


    Zu guter Letzt seist du als die Person, welche den Kontakt zwischen dem Architectus und den Verantwortlichen des Tempelneubaus hergestellt hat, hiermit schon einmal pro forma zu den erwähnten Weihungen eingeladen, sofern du diesen beiwohnen möchtest. Sobald ein genauer Termin feststeht, wird natürlich noch einmal ein Schreiben an dich gerichtet werden.


    Mögen die Götter dich und die Deinen schützen!
    Vale bene!


    http://imperiumromanum.net/ima…gel_gens_Iulia_Tabula.png


    SCITUM PER SIGNUM DUUMVIRI:

    MARCUS IULIUS DIVES
    DUUMVIR - OSTIA


    Nachdem die Nachricht ihren Weg zu ihrem Adressat gefunden zu haben schien, machte sich der Sklave mit der ihm namensgebenden Eile auf noch weitere Tabulae und Briefe zu überbringen und zuzustellen...


    Sim-Off:

    Edits: Sig & Briefsiegel eingefügt



    CURSOR - MARCUS IULIUS DIVES

    ir-senator.png Iulia2.png

    CIVIS
    DECURIO - OSTIA
    INSTITOR - MARCUS IULIUS LICINUS
    IUS LIBERORUM
    VICARIUS DOMINI FACTIONIS - FACTIO VENETA

    Klient - Marcus Vinicius Hungaricus

    4 Mal editiert, zuletzt von Marcus Iulius Dives ()

  • Noch nie hatte Axilla so Angst gehabt wie in diesem Moment, als sie zur Tür der kleinen Wohnung hereingekommen war. Die Nachrichten, die sie überall auf den Straßen zu hören bekam, waren schrecklich. Nun, eigentlich nicht schrecklich, aber... SCHRECKLICH.
    Axilla hatte den Göttern mehr als ein Mal am Hausaltar ein Opfer dargebracht, um Salinators Sturz gebeten und darum, dass der wahre Kaiser, Cornelius Palma, die Macht erringen möge und damit den Geist von Valerianus endlich zur Ruhe betten konnte. Aber dennoch hieß das nicht, dass sie jetzt, da die Truppen aus Germania über jene der Prätorianer und aus dem Osten gesiegt hatten und nach Rom marschiert waren, keine Angst hatte. Sie hatte sogar ganz entsetzliche Angst.
    Mit rasendem Herzen schloss sie hinter sich die Türe und zog den Riegel vor. Die Sklaven vor ihr blickten sie verwundert an, und Axilla scheuchte sie erst einmal weg. Sie konnte jetzt nicht reden, konnte es nicht erklären. Sie brauchte Zeit, um nachzudenken. Was konnte sie tun?


    Wenn die Gerüchte stimmten – und es gab wenig Anlass für Zweifel oder Skepsis – dann waren die Legionen aus dem Norden deutlich schneller in Rom angekommen, als Axilla sich das auch nur je erträumt hätte. Und es war absolut kein schöner Traum, dass sie dies bewerkstelligt hatten. Sie hatten die Stadt abgeriegelt und sich rings herum aufgestellt. Es war unmöglich, eine Botschaft nach Rom zu bekommen, die von ihnen wohl nicht bemerkt werden würde. Noch dazu, wo die Tore des Pomeriums sicherlich geschlossen worden waren und wohl kaum jemand einen Sklaven mit einer Botschaft für ihren Mann einfach so durchlassen würde, nur weil der mit einer Schriftrolle winkte.
    Axilla war allein. Ihr Mann war nicht da, ihr zu helfen. Auch die Männer, die sie um Hilfe hätte bitten können, waren alle in Rom, und sie hatte keine Möglichkeit mehr, bei diesen Zuflucht zu finden. Dennoch war sie im Moment mehr denn je überzeugt, dass es richtig war, dass ihre Kinder im Moment nicht in Rom waren. Hier in Ostia waren sie, obwohl weniger geschützt, doch sicherer dank der Anonymität, mit der sie hier aufwachsen durften.


    Atticus und Manius waren noch draußen. Sie wussten von nichts und würden auch von nichts wissen. Aber Axilla hatte keine Zeit, die beiden zu suchen und ihnen alles zu erklären. Vor allen Dingen nicht die Sachen, die jetzt folgen würden. Folgen mussten. Dennoch wollte Axilla, dass beide möglichst sofort nach Hause kamen. Sie wollte ihren Sohn bei sich wissen, wenigstens heute noch einmal, ihn in die Arme nehmen. Auch wenn sie ihm nicht sagen durfte und konnte, was sie tun musste. Er würde es nicht verstehen. Auch wenn ihr Sohn weit mehr verstand, als man einem Jungen seines Alters wohl zutrauen mochte. Atticus war manchmal so ein erstes Kind, so nachdenklich und grübelnd. Viel klüger als seine Altersgenossen, aber dadurch auch viel ernster. Manchmal fragte Axilla sich, ob er wirklich ein Kind war, oder doch ein kleiner Erwachsener. Zumindest manchmal.
    Aber jetzt sollte er erst einmal nach Hause, und zwar gleich. Außerdem brauchte Axilla ein wenig Zeit für sich, um die Dinge vorzubereiten, die sie tun musste. Es mussten Vorkehrungen getroffen werden. Also ließ sie sich Feder, Tinte und Pergament bringen. Was sie vorhatte, hielt man besser so fest, nicht einfach auswischbar wie auf Wachs. Es war gewichtig und wichtig für sie, da konnte man teures Pergament verwenden. Danach schickte sie alle sklaven außer Malachi los, nach ihrem Sohn und seinem Milchbruder zu suchen.


    Als alle gegangen waren, ging Axilla zu der Truhe mit der Rüstung ihres Vaters. Vorsichtig steckte sie den Schlüssel ins Schloss. Sie musste kräftig ziehen, um den Riegel zu verschieben, das Messing schien etwas angelaufen zu sein. Vielleicht musste sie es einmal vernünftig fetten. Vielleicht... Axilla wollte nicht so weit in die Zukunft denken.
    Ganz vorsichtig nahm sie das Schwert ihres Vaters heraus, seinen Brustpanzer, um darunter die Lederrolle zu finden, die sie dort schon so lange versteckt hatte. Ganz vorsichtig nahm sie das Schriftstück heraus, öffnete den Tornister und zog ganz behutsam das Pergament hervor. Das kaiserliche Siegel wog schwer und prangte groß darauf. Ganz vorsichtig strich Axilla über die geschriebenen Worte. Das Testament des Kaisers. Sie hatte es so lange versteckt gehalten. Ihr Mann hätte es bestimmt vernichtet, ganz sicher hatte er den Auftrag dazu. Für Axilla war es eine Pflicht gewesen, es zu bewahren, und eine schreckliche Bürde. Und jetzt war es ein Schild. Der einzige, den sie hatte. Und sie musste sich einen weiteren schaffen.
    Sie nahm auch dieses Schriftstück mit zu dem Tisch und atmete noch einmal tief durch, versuchte Ordnung in ihre Gedanken zu bringen. Ihre Hand zitterte, als sie einen frischen Federkiel ansetzte.

  • Es war ein seltsames Gefühl, das zu schreiben. Auf der anderen Seite gab jede Zeile, die Axilla verfasste, ihr etwas mehr Ruhe. Sollte ihr etwas passieren, so war sichergestellt, dass es Atticus und Cossus gut gehen würde. Zumindest, sofern Palma kein Schlächter war, der sich an kleinen Kindern vergriff. Aber wenn die Götter wenigstens ein bisschen Gnade kannten, würden sie Axilla dieses winzige Stückchen Sicherheit nicht auch verwehren, wenn alles andere sich gegen sie wenden sollte.



    TESTAMENTUM IUNIAE AXILLAE


    Im Falle meines Todes verfüge ich, Iunia Axilla, Tochter von Atticus Iunius Cassiodor, Ehefrau des Gaius Pompeius Imperiosus, dass mein Vermögen wie folgt verteilt werden soll:


    Soweit im folgenden nicht anders verfügt wird, soll alles, was ich an Erbe zu vergeben habe, an meinen erstgeborenen Sohn, Titus Pompeius Atticus, gehen.


    Da mein Sohn zu dem Zeitpunkt, da ich diese Zeilen schreibe, noch nicht geschäftsfähig ist und da ich annehme, dass er einen Tutor für seine Handlungen und sein Vermögen benötigen wird, bitte ich den Prätor, der hierüber verfügt, den ehrenwerten Consular und Senator Spurius Purgitius Macer zu betrauen, in dessen Person sicher kein Fehler zu finden sein wird, der ihn von dieser Aufgabe ausschließt. Er soll das Vermögen meines Sohnes gut verwalten und mehren, ebenso bitte ich ihn, sich um die Erziehung und Ausbildung meiner beiden Söhne, Titus Pompeius Atticus und Cossus Pompeius Largus, zu kümmern und ihnen seine Fürsorge angedeihen zu lassen im Gedenken an die freundschaftlichen Gespräche und die Gefallen, die wir einander einst erwiesen.
    Wenn er die Zeit dazu findet und es als angemessen betrachtet, würde ich ihn bitten, meinen Sohn dem Kult des Silvanus bekannt zu machen. Ebenso möchte ich ihn bitten, dass zu den Totentagen, insbesondere der Parentalia, er meinen Sohn anhalten möge, am Grab der Iunii zu opfern und auch seines Großvaters, Atticus Iunius Cassiodor, zu gedenken, und vielleicht auch seiner Mutter. Desweiteren möchte ich ihn bitten, wenn es ihm angemessen erscheint, meinem Sohn die Laufbahn eines ritterlichen Tribunen zu ermöglichen.
    Als Dank für seine Tätigkeit und alle anderen gefallen soll er bis zur Volljährigkeit meines Sohnes die Hälfte der Erträge aus meinen Ländereien für sich beanspruchen und nach seinem Gutdünken verwalten. Ebenso soll er die Erträge aus Honig von meinen Ländereien bei Ravenna gänzlich und unentgeltlich für sich in Anspruch nehmen können, sofern er sie benötigt.


    Meinen Sklaven in Ägypten sei mit meinem Tod die Freiheit geschenkt. Sie sollen von dem Vermögen aus meiner Farbmischerei jeder einen Aureus zusätzlich zu ihrem angesparten Vermögen dazu erhalten und können gehen oder im Haus der Iunii als Diener wohnen bleiben, wie es ihnen gefällt.
    Mein Sklave Malachi soll als Schützer meines Sohnes in seinen Besitz übergehen und mit der Volljährigkeit meines Sohnes seine Freiheit erlangen. Als Lohn für seinen langen Dienst soll ihm die Menge von 30 Aurei mitgegeben werden, und er soll sich das Leben damit aufbauen, welches er haben möchte.


    Meine Geschäftspartner, insbesondere die Duccii, sollen von meinem Tod Nachricht erhalten. Mein Farbmischer soll nach Germania alles an Farben und Tinte zu Händen der Freya Mercurioque verschicken und es ihnen als Dank für die langjährigen Geschäftsbeziehungen schenken.


    Titus Duccius Vala sei der versiegelte Brief, der diesem Testament beiliegt, bei meinem Tode zu übergeben, sofern er noch lebt. Sollte er tot sein, ist der Brief den heiligen Flammen der Vesta zu übergeben.


    Mein Sohn möge sich stets daran erinnern, dass die Besitzungen, die er hat, der Familie der Iunii entstammen,und so möge er stets und immer dafür sorge tragen, dass sie im Sinne der Iunii genutzt werden und der Familie, die sie erworben hat, den Stand sichert, den sie verdient.



    Der zweite Brief war schon etwas schwieriger zu schreiben gewesen. Aber auch das war nötig gewesen, und Axilla hoffte und betete, dass dieses Stückchen Papier ihren Sohn im Zweifel soweit schützen würde und ihm einen Freund an die Seite stellen würde, der nicht zuließ, dass ihm ein Leid geschah. Es war das wenigste, was sie tun konnte, und sie musste wirklich alles versuchen. Sie hatte darin keine wirkliche Wahl.
    Wann beides zugestellt werden konnte - an das Atrium vestae und an Vala, wenn es denn zum Äußersten kam - war fraglich. Aber zumindest hatte Axilla es versucht und niedergeschrieben.

  • Das Packen ging auf der einen Seite schnell, auf der anderen Seite erschreckend langsam. Axilla hatte nichts, was sie wirklich mitnehmen konnte, alle ihre Kleider waren eigentlich nicht für Reisen ausgelegt, sondern darauf, schön auszusehen. Auch wenn das ein oder andere jetzt einen wüsten Tintenfleck bekam, als sie mit ihren Händen grob durch ihre Truhe wühlte und die feinen Stoffe unbedarft einfach ins Zimmer warf, auf der Suche nach geeigneter Kleidung. Wirklich viel brauchbares kam nicht zum Vorschein, außer einer groben Wolltunika. Nach weiterem Wühlen in den Sachen der Sklaven kam noch eine brauchbare Paenula zum Vorschein. Eine ärmliche Ausbeute, aber es musste reichen. Axilla hatte keine Wahl, sie konnte jetzt nicht noch erst einkaufen gehen. Das, was sie kaufen musste, war schon viel genug.
    “Malachi? Kannst du reiten?“ Zwangsweise hatte der große Jude ihr helfen müssen bei ihren Vorbereitungen. Sie musste ihn mitnehmen. Sie konnte nicht allein reisen. Überhaupt konnte sie nicht als Frau reisen. Sie hatte noch keine Ahnung, wohin überhaupt sie gehen musste, und was sie dazu brauchte.
    “Nein, Herrin.“ Malachi antwortete wie immer knapp. Axilla hatte sich daran inzwischen gewöhnt. Sie brauchte nicht seine Gesprächigkeit, sie brauchte seine Hilfe und seinen Schutz.
    “Dann wirst du es lernen müssen. Nimm Midas mit auf den Pferdemarkt und lass ihn zwei Tiere aussuchen. Sie müssen nicht hübsch sein, nur robust. Nehmt das Geld aus der Truhe und beeilt euch.“
    “Domina“, gehorchte er sofort wie immer und ging los, den anderen Sklaven zu suchen und Pferde zu kaufen. Es würde teuer sein, aber das war etwas, das Axilla kaufen musste.
    Sie packte ein Bündel zusammen: Nur ein Kleid, noch eine Tunika aus der Truhen der Sklaven, eingewickelt in ein Bärenfell. Archias hatte es ihr geschenkt, als sie ihm nicht geglaubt hatte, dass er in Germania zurecht käme, als es kurz zur Debatte stand, dass er sich dort hinversetzen lassen wollte. Lustig, dass Axilla ausgerechnet jetzt daran denken musste. Aber es war egal, es würde sie in der Nacht wohl warm halten und war groß genug, dass sie sich zweimal darin einwickeln konnte. Auch wenn es ein wenig müffte.


    Als alles zusammengeschnürt war, kam auch gerade Pulchra herein. “Die Jungs kommen gleich nach“, verkündete sie und sah besorgt aus. Noch besorgter, als sie das Bündel sah und wie hektisch Axilla herumwuselte.
    Diese nutzte auch gleich die Chance und zog die Amme ihres ältesten Sohnes mit sich weiter in den Raum, in dem sie schlief, hinein. “Pulchra! Es ist... ich kann es dir nicht erklären, was ich tun werde. Je weniger ihr alle wisst, umso besser ist es. Aber, du musst mir etwas schwören. Beim Leben deines Sohnes, beim Leben unserer beider Söhne, musst du schwören!“ Eindringlich sah Axilla die Frau an, die sie nun schon so lange kannte und der sie vertraute. Vertrauen musste. Und die auch dankbarerweise nicht nachfragte und nur kurz zögerte, ehe sie Axilla mit einem “Ich schwöre“ erlöste.
    Axilla atmete einmal durch, sah noch einmal an der Frau dabei, ob auch niemand lauschte. Aber die Sklaven waren noch nicht alle zurück und die Jungs ebenso wenig. Axilla wollte ihren Sohn nicht beunruhigen. “Ich werde eine Reise machen müssen. Ich muss versuchen, meine Familie zu retten. Wenn es... wenn Rom fällt und die Rebellen gewinne, schwöre mir, dass du meinen Sohn beschützt, als wäre es dein eigener. Lass nicht zu, dass ihm ein Leid geschieht. Ich habe hier einen Brief für Consular Purgitius. Wenn ihr hier fliehen müsst, versuche, zu ihm zu gelangen. Ich hab versucht, alles zu erklären. Versprich mir, dass du meinen Sohn dann sicher zu ihm bringst. Bitte.“
    Die Salvia zögerte und wurde unruhig. “Iunia, ich...“ “Bitte!“ Axilla bettelte eigentlich nie. Aber im Moment legte sie all ihre Verzweiflung in ihre Stimme. Sie musste sicher sein, dass ihre Kinder in Sicherheit wären. Pulchra zögerte noch einmal, konnte dem Blick Axillas aber nicht standhalten. “Ich schwöre es. Ich werde ihn hinbringen, wenn wir fliehen müssen, und ich werde ihn beschützen. Aber sag mir, wohin...?“ “Nein! Nein, ich kann, nicht, das geht nicht. Ich...“ Die Wohnungstür ging wieder auf, und Axilla verstummte. Atticus sollte ihre Unsicherheit nicht mitbekommen. Sie musste stark sein, für ihren Sohn.

  • Eine Kindheit in Ostia. Nicht besser oder schlechter als sonstwo. Atticus vermisste Rom nicht, er erinnerte sich kaum daran. Nur ein entferntes Bild von vollen Straßen und Lärm nachts, und von anderer Luft. Drückender, schwerer. Stinkender.
    Ostia war kleiner, mit anderer Luft. Hier roch es nach Salz und Fisch und Menschen, vor allem am Strand neben der Stadt, wo die Fischer ihre Netze auslegten und reparierten. Atticus sah gern dabei zu, beobachtete sie, wie sie ins Wasser gingen bis zur Hüfte und dann ihr Netz ins Wasser warfen mit einem gekonnten Schwung. Es sah faszinierend aus, wenn es sich öffnete wie ein Vogel, der die Flügel ausbreitete, und dann mit einem klatschen genau zwischen zwei heranrollenden Wellen landete und ganz langsam von dem Fischer an einem langen Seil zurückgezogen wurde. Manchmal waren dann Fische und Krebse darin, aber nicht immer. Atticus saß gern so stundenlang am Strand, grub die Zehen in den Sand. Auch im Winter, wenn es kalt war und der Sand fast schon gefror, zog er seine Schuhe aus und ging barfuß über den Strand. Er mochte das Gefühl sehr.
    Manius fand es langweilig. Er jammerte dann immer. Sie sollten zurückgehen. Sie sollten etwas unternehmen. Sie sollten schauen, was die anderen machten.


    Die anderen. Das waren seine Freunde. Jungs, die auch zu Kheiron, dem Griechen, in den Unterricht gingen. Sie waren in Manius' Alter. Sie waren alle stärker als er. Aber nicht größer. Außer Calvisius, aber der war auch schon zwölf und sein Vater war ein Riese. Er war ein Schlachter und hatte seinen Laden in der Straße hinter dem Serapisschrein.
    Sie waren älter, sie waren stärker. Trotzdem hörten sie auf Atticus, wenn er einen Plan hatte. Wie man einer gemeinen Schwester die 'Haare abschneiden konnte, ohne dass die Eltern oder Lehrer es mitbekamen. Wie man eine Lyra umbauen konnte, um damit improvisierte Pfeile zu verschießen. Wie man die noch älteren Schüler dazu brachte, einen in Ruhe zu lassen. Wann man besser weglaufen sollte. Wo man genügend Holz zusammenklauen konnte, um sich im Garten von Lucius einen schönen Verschlag zusammenzubauen, der auch hielt, bis die Köchin dringend Feuerholz gebraucht hatte, als es kälter geworden war.
    Trotzdem war Atticus lieber am Strand, auch ohne die anderen. Sogar ohne Manius, zumindest manchmal. Es war schön, den Möwen beim fliegen zuzusehen. Dabei musste er nicht nachdenken, konnte einfach nur zuschauen. Konnte überlegen, wie es wäre, so fliegen zu können. Wie die Welt wohl aussehen musste von da oben?


    Und so saß er auch am Strand, als Pulchra kam, und ihn und Manius Heim befahl. Manius schnaufte erleichtert, ihm war langweilig. Atticus atmetenur einmal tief durch und erhob sich. Der Sand klebte an seiner Tunika, die er schnell abklopfte. Er lief los, hinter seiner Amme und seinem Milchbruder her, ehe er nochmal schnell umdrehte und die vergessenen Schuhe flink vom Strand holte. Erst danach rannte er ihnen hinterher. Pulchra war vorgegangen, Manius hatte gewartet. “Weißt du, was los ist?“
    Manius zog eine Schnute und schüttelte den Kopf. Keine Ahnung.


    Der Weg nach Hause war nicht allzu weit. Die Erwachsenen redeten miteinander, aufgeregt wie immer. Atticus schnappte Wortfetzen auf. Es waren dieselben wie in den letzten Wochen und Monaten. Rebellion. Truppenbewegungen. Sieg. Niederlage. Tod. Zerstörung. Plünderung. Für Atticus waren es inzwischen nur noch Worte, die ihre Faszination schon lange verloren hatten. Anfangs war es aufregend gewesen, inzwischen war es immer dasselbe.
    Erst, als er die Tür zur Wohnung aufmachte und hörte, wie seine Mutter verstummte, merkte Atticus, dass etwas anders war. Langsam trat er ein und sah sich um. Es lagen Sachen unaufgeräumt in der Wohnung. Und seine Mutter sah angespannt aus.
    Ein ungutes Gefühl machte sich in Atticus breit, aber er wollte nicht, dass seine Mutter sich Sorgen machte. Zumindest nicht noch mehr Sorgen, als sie sich ganz augenscheinlich im Moment machte. “Mama? Warum sollten wir heim? Ist doch noch schönes Wetter draußen.“ Das klang neutraler als die Frage, was los war. Glaubte Atticus zumindest. Er stellte fein säuberlich seine Schuhe beiseite und versuchte, sämtlichen Restsand noch im Eingangsbereich zu lassen. Er sah seine Mutter nicht einmal an, damit sie nicht dachte, er würde sich sorgen. Wenn er so tat, als wär er beschäftigt und in Gedanken, machte sie sich weniger Sorgen um ihn.

  • Axilla atmete einmal tief durch und ließ Pulchra endgültig los. Ihr Sohn räumte noch artig seine Schuhe weg und fragte, warum sie ihn heim gerufen hatte. Ein wenig tat es Axilla leid, dass sie ihn aus seinem Nachmittag gerissen hatte. Vielleicht wäre es besser gewesen, ihn spielen zu lassen, ihn ganz im Unklaren zu lassen und einfach zu gehen, ohne Abschied. Vielleicht wäre es leichter gewesen. Er würde es nicht verstehen. Und Axilla würde es auch gar nicht erst versuchen, zu erklären. Sie verstand es ja selbst gar nicht.
    Sie lächelte, versteckte ihre Sorgen dahinter, wie sie es in vielen Jahren gelernt hatte. Lügen war dann leichter, die Menschen glaubten einem, wenn man nur unbekümmert lächelte. Niemand wollte Sorgen sehen. Und ihr Sohn sollte sie auch gar nicht sehen.
    “Titus. Es ist nichts. Es ist nur...“
    Axilla ging zu ihrem Sohn herüber, ging vor ihm auf die Knie, so dass sie sogar etwas kleiner war als er. Sanft strich sie durch seine wunderbaren, blonden Haare. Sie hatte so einen schönen Jungen. Jede Mutter sagte das von ihrem Sohn, aber Atticus war wirklich schön. Er hatte so ein sanftes Gesicht. Sie streichelte leicht über seine Wange und schließlich einmal über die Bulla um seinen Hals. Manchmal musste die Plakette mit seinem Namen darauf sie daran erinnern, dass er trotz allem kein kleiner Mann, sondern ein Kind war. Sie sollte ihn Kind sein lassen. “Ich muss euch für ein paar Tage verlassen. Ich mache... eine kleine Reise, sie dauert nicht lange.“
    Axilla sah kurz in seine Augen, ob sie ihn würde trösten müssen. Er war kein Kind, das leicht weinte. Er war so stark und so klug. Aber dennoch wusste sie nicht, wie er reagieren würde. Sie waren noch nie länger als einen Tag getrennt gewesen.

  • Das erklärte einiges. Atticus wich dem Blick seiner Mutter leicht aus und versuchte, möglichst ruhig zu wirken. Er machte sich aber Sorgen. Was für einen Grund konnte es schon geben, dass seine Mutter hier das halbe Haus durchwühlte und dann meinte, weggehen zu müssen, wenn auch nur für ein paar Tage. An die glaubte Atticus auch nicht, sonst wäre seine Mutter nicht so aufgebracht. Es musste etwas wichtiges sein. Etwas, das seiner Mutter Angst machte. Und das machte Atticus Angst. Er wusste nicht, was los war, aber es musste wirklich schlimm sein.
    Seine Mutter lächelte, aber er kannte das Lächeln. Das war nicht echt. Es kam nicht bis in ihre Augen. Es war das Lächeln, das sie hatte, wenn sie eigentlich traurig war und wollte, dass er es nicht mitbekam. Aber er bekam es mit. Er bekam alles mit. Und dass das hier noch schlimmer sein musste als die Male davor, wenn sie nicht weinen wollte – beispielsweise an den Tagen, nachdem Vater wieder nach Rom abgereist war und sie nicht weinen wollte – das war sehr beunruhigend.
    Aber seine Mutter gab sich so Mühe, und er wollte nicht, dass sie noch mehr Angst bekam, wenn sie merkte, dass er Angst hatte. Er war sich nicht ganz sicher, wie es jetzt richtig war, zu reagieren. Es war schwierig. Sie wollte sicher nicht, dass er weinte. Ein Mann weinte nicht. Aber er wollte auch nicht, dass sie dachte, es wäre ihm egal, wenn sie ging. Dann würde sie sich gekränkt fühlen.
    “Ich verstehe...“, antwortete er ein wenig ausweichend. Eigentlich verstand Atticus gar nichts. Er erwiderte das Lächeln seiner Mutter, aber so, dass es immer wieder leicht abbrach und sie es merkte. Sie sollte wissen, dass es ihm nicht leicht fiel, es aber überleben würde.

  • Atticus war so ein tapferer, kleiner Soldat. Axilla liebte ihren Sohn so sehr. Er war so perfekt. Sie sah zwar, dass er nicht so lächeln konnte, wie er wollte, aber er war sonst ganz ruhig und so furchtlos. Ein braver, perfekter Soldat. Sein Großvater wäre so stolz auf ihn!
    Axilla lächelte noch einmal etwas mehr und prägte sich sein Gesicht ganz genau ein, wie er jetzt dastand und so ruhig und gefasst das Schicksal akzeptierte, ohne zu weinen, ohne zu klagen. Ohne nach Gründen zu fragen. Sie hätte sich keinen besseren Sohn erdenken können. “Du musst mir etwas versprechen, Titus. Versprich mir bitte, dass du gut auf alle aufpasst. Und dass du brav auf Pulchra hören wirst, während ich weg bin. Versprichst du mir das, ja? Dass du brav auf dich und deinen Bruder aufpasst und auf Pulchra hören wirst?“ Es war eigentlich überflüssig, aber Axilla musste es hören. Sie musste die Worte hören und wissen, dass alles geregelt war, dass ihre Familie in Sicherheit war, zumindest, so gut sie dafür sorgen konnte. Alles weitere würde in den Händen der Götter liegen.

  • So langsam bekam Atticus wirklich Angst. Seine Mutter benahm sich so seltsam, als würde sie ihre Kinder nie wieder sehen. Warum sollte er ihr das jetzt versprechen? Natürlich passte er auf alle auf. Aber dass er es auch versprechen sollte, das ließ das komische Gefühl in seinem Bauch doch noch ein ganzes Stück anwachsen.
    Atticus fühlte sich mit der Situation überfordert. Er wusste nicht, was geschah, warum es geschah, und was er machen sollte. Warum er das versprechen sollte. Es war so viel, was er nicht verstand. Aber er wollte nicht, dass seine Mutter noch mehr Angst hatte wegen ihm. “Ich verspreche es. Ich werde auf alle aufpassen. Und auf Pulchra hören.“ Er schluckte. Seine Zunge fühlte sich so schwer an. Er wusste nicht, was er machen sollte. Aber das hier fühlte sich nicht richtig an.

  • Noch einmal streichelte Axilla über die Wange ihres Sohnes. “Mein tapferer, kleiner Soldat. Mein starker Mann“, redete sie mit sanfter Stimme. Ihr Sohn war wirklich einfach nur perfekt. Sie gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange, und einen längeren auf die Stirn, als sie Aufstand. Malachi kam auch gerade zur Tür herein und blieb im Türrahmen stehen. Axilla sah zu ihm fragend auf, aber wie immer tat er ihr nicht den Gefallen, stumm zu antworten und sah nur absolut ausdruckslos zurück.
    Das Gefühl, nicht gehen zu wollen, nicht gehen zu können, drängte sich langsam aber sicher auf. Wie konnte sie ihre Kinder nur allein lassen? Was für eine Mutter tat sowas? Konnte sie wirklich jetzt gehen und riskieren, tot im Straßengraben irgendwo zu verrotten, während ihre Familie sie brauchte? Aber auf der anderen Seite: was passierte, wenn sie blieb? Wenn die Häscher der Rebellen kommen würden? Würden sie, nach all diesem Kämpfen und Töten, wirklich so verständnisvoll sein und zwei Kinder verschonen, die zu Feinden heranwachsen konnten? Was sie mit Axilla machen würden, war dabei fast nebensächlich. Das würde sie ertragen können. Sie hatte es von Salinator auch ertragen, auch wenn er nicht wirklich gewalttätig geworden war und es auf dem Gebiet bestimmt noch Steigerungsmöglichkeiten gab, die Axilla nicht erfahren wollte. Aber wirklich wichtig waren ihr nur ihre Kinder. Und sie musste einfach alles versucht haben, um sie zu retten.
    Sie wusste nicht so recht, was sie ihrem Sohn noch sagen sollte, also wandte sie sich an Pulchra. Sie nahm den Brief, den sie zuvor geschrieben hatte, und drückte ihn ihr fest in die Hand. “Für Consular Purgitius, falls es dazu kommt“, flüsterte sie und sah der Frau noch einmal fest in die Augen. Diese nickte und steckte den Brief sicher in die Falte ihres Überkleides. Dann ging sie zu dem geschnürten Bündel, zog die Paenula über und nahm ihr Reisegepäck auf. “Malachi, geh doch noch bitte in den Vorratsraum und nimm Brot, Käse und etwas Schinken mit. Und einen Schlauch Essig.“
    Der Gladiator tat, wie ihm geheißen, und Axilla hatte noch einen kurzen Moment mit ihrem Sohn. Aber sie wusste immer noch nicht, was sie sagen sollte. Also log sie. “Es sind nur ein paar Tage, du musst dir keine Sorgen machen. Dein Vater kommt sicher auch bald, und dann gehen wir wieder nach Rom.“ Es war eine schlechte Lüge, und Axilla wusste es. Aber ihr fiel auch nichts besseres ein.
    Zum Glück brauchte Malachi nicht lange und kam mit einem weiteren, gepackten Bündel an. Axilla nickte nur kurz zu ihm und gab ihrem Sohn noch einen Kuss auf die Stirn. “Sei brav. Und denk daran, wie sehr dein Vater und ich dich lieben.“ Axilla hatte das nicht sagen wollen, aber sie musste es sagen.
    Bevor ihr Sohn doch noch weinen würde und damit ihren Willen, zu gehen, brechen würde, verließ sie fast hektisch das Haus. Erst, als sie die Treppe hinunter war und vor den Pferden – zwei braunen, kleinen, zottigen Tieren – stehen blieb, traute sie sich, auch nur umzuhören, ob Malachi auch nachkam. Was er tat. Er kam langsamer als sie die Treppe herunter und blieb hinter ihr stehen.
    “Mache ich das richtige?“ fragte Axilla, nicht einmal wirklich ihn, aber er war der einzige, der da war. Sie drehte sich zu ihm um und sah fragend auf. Er sah ein wenig ratlos zurück.
    “Was tun wir denn, Domina?“ fragte er nur einfach zurück.
    Sie sah einen Augenblick zu ihm auf und wusste es selbst nicht so genau. Was tat sie hier eigentlich? “Wir führen die Pferde am Zügel, bis wir aus der Stadt hinaus sind. Zieh eine Paenula an und sie zu, dass man deine Tätowierung nicht sieht. Du wirst mich nun Dominus nennen, nicht mehr Domina, und ich werde die Kapuze aufbehalten.“ In der einfachen und nur knielangen Tunika, mit der sie reiten würde können, würde es unter der Paenula hoffentlich nicht auffallen, dass sie eine Frau war und kein Mann. Zumindest auf ein wenig Entfernung sollte es gehen und damit das Risiko eines Überfalls ein wenig reduzieren. Axilla wusste, dass das keine Antwort auf die frage war, weder auf seine, noch auf ihre. Aber mehr fiel ihr nicht ein.
    Und Malachi antwortete dankbarerweise auch wieder nur mit einem “Ja, Dominus.“

  • Und dann war sie weg. Atticus schaut seiner Mutter hinterher, als diese schon fluchtartig das Haus verließ. Er verstand gar nichts. Was passierte hier? Er war sich ziemlich sicher, dass er nichts angestellt hatte, trotzdem fühlte er sich schuldig. Vielleicht hätte er etwas machen oder sagen sollen. Zumindest hätte er wissen sollen, was denn los war. Immerhin war er ja der Mann im Haus – oder würde es sein, sobald er die Bulla ablegte – und seine Mutter war nur eine Frau. Er musste sie doch irgendwie beschützen. Bestimmt hätte er irgendwas tun sollen.
    Aber jetzt war es zu spät. Sie war weg. Hier war Chaos. Und er hatte keine Ahnung, was er machen sollte. Oder was dazu geführt hatte, dass die Situation so war, wie sie jetzt war. Ihre Berührung brannte irgendwie noch immer auf seiner Wange, und Atticus fühlte den Klos, der sich in seinem Hals gebildet hatte, immer schwerer. Er konnte kaum noch schlucken.


    Seine Amme kam auf ihn zu, sah ihn sorgenvoll an. Atticus konnte den Blick kaum ertragen. “Alles in Ordnung, Titus?“ fragte sie leise und sanft. Atticus nickte, sagte aber nichts. Er war sich nicht sicher, ob er einen Ton sagen konnte.
    Sie merkte es. Sie merkte meistens, wenn etwas in ihm einen Aufruhr verursachte. Sie hatte ihn an ihrer Brust gesäugt und jede Krankheit und jeden Kratzer mit ihm erlebt. Natürlich wusste sie, wenn etwas mit ihm nicht stimmte. Aber Atticus wollte das jetzt nicht. Als sie gerade tröstend ihre Hand auf seine Schulter legen wollte, rannte er los. Raus, durch die Tür, knallte sie laut hinter sich zu. Er hörte noch ihr hinterhergebrülltes “TITUS!“, blieb aber nicht stehen. Seine Mutter war nicht mehr im Hof, als er die Treppe fast hinunterfiel, so schnell, wie er sie hinabrannte. Er hatte zu viel Schwung und konnte sich auf der letzten Stufe nicht mehr halten, knallte in den staubigen Hof und schrappte sich die Handballen auf. Tränen rannen über seine Wangen, aber er wollte nicht weinen. Auch wenn es jetzt in Ordnung war, immerhin blutete er. Das war dann zwar immer noch nicht wirklich männlich, aber entschuldbar. Er rappelte sich wieder auf die Beine, versuchte, sich dabei so wenig wie möglich auf den Handballen aufzustützen, was in einigen ulkigen Verrenkungen mündete, und kam gerade wieder hoch, als er die Schritte auf den Stufen hinter sich hörte. Also rannte er los, rannte weiter, in die Stadt. Er wusste, es würde Ärger geben, er sollte nicht ganz allein losrennen, ohne zu sagen, wohin er ging. Das wusste er und normalerweise hielt er sich daran. Aber jetzt, in diesem Moment, wollte Atticus einfach nur allein sein.

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