Hauptverhandlung IUD PUB VII/DCCCLX - Faustus Octavius Macer vs. Marcus Decimus Livianus

  • "Oh mann, ist das zäh, nicht gerade dein bester Tag" dachte sich Mattiacus. Der Zeuge brachte ihn nicht in seiner Verteidigungsstrategie nicht gerade weiter, wollte er doch von ihm hören, was Livianus bei der Adoption gesagt hatte und was ihn dazu bewegt hatte, dem Freigelassenen das Bürgerrecht zu verleihen. Besser er übergab den Zeugen jetzt der Anklage, als dass er den sichtlich gelangweilten Prätor noch weiter gegen sich aufbrachte.


    "Hm, nun gut. Noch eine letzte Frage: Was empfindest du, wenn du an den ehemaligen Prätor und deine vermeintliche Adoption denkst?"


    Die Frage hatte eigentlich nichts mit der rechtlichen Beurteilung von Livianus' Verhalten zu tun, bewegte Mattiacus aber dennoch. Er wollte wissen, welchen Eindruck Livianus als Prätor gemacht hatte.

  • Irgendwie verstand Promotus die Frage nicht so recht. Was sollte er denn empfinden. Ärger, was denn sonst? Da bekam man das Bürgerrecht, ging dann zu den Legionen, ackerte sich ein Jahr lang ab und dass für Nichts?


    Eigentlich nur Ärger und ein wenig Unverständnis. Nicht, weil mir der Praetor Decimus Livianus das Bürgerrecht verliehen hat obwohl ich es nicht hätte bekommen dürfen, nein, sondern wie ich schon gesagt habe, es ein Jahr oder noch länger gedauert hat bis man darauf kam, dass ich es hätte nicht bekommen dürfen und man mir nach dieser Zeitspanne in der ich das Bürgerrecht schon inne hatte und bei der Legion gedient habe, man nun meinen zu müssen, es mir wieder abzuerkennen. Ich kenne mich mit der römischen Rechtsprechung zwar nicht so gut aus, aber dies ist meines Erachtens ein Unding!

  • Ob der Verteidiger es wollte oder nicht, aber in Modestus Augen waren die letzten Worte des Zeugen ein indirekter Angriff auf ihn selbst. Und das nahm er dem Ankläger natürlich übel. Wäre dies nicht schon die letzte Frage von Decimus Matticus gewesen, dann hätte er die Befragung auch dann schon vorzeitig beendet. Schließlich hatte das auch nicht mehr das geringste mit dem Fall zu tun. Der Libertinus jammerte hier doch nur herum, weil er eine Ausbildung bei den Legionen genoßen hatte und jetzt nicht Legionär werden konnte! Als ob ein Mann, der mit dem Gladius umzugehen wusste, jemals hungern musste. Für solche Mänenr gab es dutzende Möglichkeiten und hatte er im Publicum eben nicht den Procurator gesehen, der für die Gladiatorenschulen zuständig war? Der Kerl konnte froh sein, als Libertinus überhaupt die Ausbildung bei einer Legion genoßen zu haben!


    "Damit ist die Befragung durch den Verteidiger beendet. Möchte der Ankläger noch Fragen an den Zeugen richten?"


    sagte Modestus und bemühte sich so gut es eben ging, sich seine Langeweile nicht anmerken zu lassen. Dann wandte er seinen Blick dem Octavier zu und wartete auf eine Antwort. Ansonsten konnte man die Beweisaufnahme auch gleich schließen, was ihm durchaus recht war.





    QUINDECIMVIR - QUINDECIMVIRI SACRIS FACIUNDIS
    SODALIS FACTIO ALBATA - FACTIO ALBATA

  • Als die Befragung durch den Verteidiger endlich geendigt hatte, durfte nun Macer Fragen stellen.


    Doch er hielt es für schlauer, den Prozess lieber fortlaufen zu lassen, der Zeuge war ohnehin nutzlos und würde keine brauchbaren Antworten bringen.


    Keine Fragen. Sagte er trocken und blickte zum Praetor.

  • "Dann ist der Zeuge entlassen. Die Beweisaufnahme ist hiermit beendet und wir werden Morgen mit den abschließenden Reden beginnen. Die Verhandlung ist bis dahin vertagt.


    erklärte Modestus und ein Lictor trat an den Libertinus heran um ihn wegzuführen, während Modestus sich von der Sella Curulis erhob und im Inneren der Basilica Ulipa verschwand.





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  • Vom nun doch recht raschen Ende der Zeugenbefragung war Macer einigermaßen enttäuscht. Er hätte zwar auch kaum noch Ideen gehabt, welche geschickten Fragen Anklage oder Verteidigung dem Zeugen hätte stellen können, aber insgesamt kam ihm das Ergebnis nun doch recht dünn vor. Mit dem Gefühl, heute keinen allzu spannenden Prozesstag erlebt zu haben, erhob er sich von seinem Platz im Zuschauerraum und verließ die Basilica. Sicher versprachen die abschließenden Reden für den nächsten Prozesstag noch einmal Spannung.

  • Auch für Durus war das Verfahren mehr und mehr überraschend. Scheinbar hatte keiner der beiden sich eine ordentliche Strategie zurechtgelegt, die er dann mit Hilfe von Zeugen und Beweismitteln durchzog. Vielmehr wirkte alles ein wenig lustlos, wie beide lediglich Fakten präsentierten und dann einen scheinbar unvorbereiteten Zeugen präsentierten.


    Aber das erleichterte im Prinzip nur die Arbeit der Iudices, die sich nun zur Urteilsfindung zurückziehen konnten.

  • Mattiacus packte seine Unterlagen zusammen und verließ ebenfalls die Basilica. Zuhause würde er sich überlegen, wie er mit seiner Strategie noch ein günstiges Ergebnis herbeiführen konnte.



    Sim-Off:

    Bin das Wochenende bei einem Seminar im Schwarzwald. Sonntag abend kann ich wieder was posten. Bis dann :)

  • Am Tage des Abschlusses ging Macer mit gemischten Gefühlen in Richtung Basilica. Allzu ungewiss war dann doch der Ausgang der Verhandlung, obwohl er optimistisch war, dass zumindest die Sache mit dem Bürgerrecht für Macer ausgetragen wird.


    In der Basilica setzte sich Macer auf die gewohnte Position und wartete darauf, dass der Praetor die Abschlussreden verlangte.

  • "Der Prozess Faustus Octavius Macer gegen Marcus Decimus Livianus wegen Rechtsbeugung wird hiermit fortgesetzt. Der Ankläger hat das Wort."


    verkündete Modestus nachdem er sich wieder auf die Sella Curulis begeben hatte. Dies würde der vorletzte Tag der Verhandlung sein. Heute konnten die beiden Advocati noch einmal das Wort ergreifen und sich für ihre jeweilige Sache einsetzen. Danach würde die Sitzung vertagt werden, um am nächsten Tag das Urteil zu verkünden, welches zumindest für Modestus schon feststasnd. Einer der beiden Männer würde schon einiges aufbieten müssen, um seine Meinung noch zu ändern.





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  • Von dem als Beweis vorgelegten Dokument hatte Gracchus eine Abschrift sich anfertigen lassen, da er während der Verhandlung zwar einen simuliert interessierten Blick darauf hatte geworfen, von dem Inhalt jedoch kein Wort in sich aufgenommen, so dass er es später an jenem Tage von Sciurus sich hatte vorlesen lassen, was jedoch zu keinem verwertbaren Ergebnis hatte geführt. Der einzige Zeuge war gleichsam recht überflüssig erschienen, ob dessen Gracchus nun doch ein wenig gespannt war, welche Raffinessen Anklage und Verteidigung allfällig in ihrem Schlusswort noch mochten anführen, um die Iudices zu überzeugen.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Auch wenn sie die letzten Prozesstage nicht anwesend war und den Verlauf verfolgt hatte, heute am letzten Tag sah Axilla doch vorbei. Immerhin ging es um den Patron ihres Vetters Silanus. Den Mann, ohne den sie nicht nach Rom gekommen wäre, und ohne den sie das alles, was passiert war, nie erlebt hätte. Auch wenn Axilla nicht wusste, ob das gut oder schlecht war. Vielleicht wäre in Ägypten Urgulania dann nicht ermordet worden. Vielleicht hätte sie in Alexandria einen fähigeren Arzt gefunden, und die Abtreibung hätte funktioniert. Oder aber, sie hätte das Kind heimlich und gesund bekommen. Auf jeden Fall hätte sie nicht Archias geheiratet, und vielleicht wäre er noch am Leben...
    Nur als 'was wäre wenn' nützte nichts, die Dinge waren geschehen. Ebenso wie die Dinge geschehen waren, die nun zur Anklage von Decimus Livianus geführt hatten. Axilla nahm also im Zuschauerraum Platz und sah sich das ganze Spektakel erst einmal an.
    “Kaum zu glauben“, unterhielt sich eine Frau direkt neben ihr mit ihrer Sitznachbarin, und ihre Neugier nur unzureichend versteckend lauschte Axilla ein wenig dem Gespräch. “Sieh sie dir an, Vindulla. Senatoren, Großverdiener, in Collegien oder beim Militär. Und was sag ich dir: alle unverheiratet!
    “Ja, wirklich, Gemina, man müsste denken, dass sich die Damen darum reißen müssten. Wenn ich nicht schon so gut verheiratet wäre...“ “Na, und jünger, Vindulla, die brauchen Erben...““Na, was soll das denn jetzt heißen, meine Teuerste? Ich bin 29! Ich kann noch bestimmt einen Erben produzieren!“ “So meinte ich das gar nicht. Aber gegen eine fünfzehnjährige Jungfrau kommen wir beide wohl nicht mehr an.“ “Ja, aber dafür haben wir Erfahrung, Gemina. Stell unser Licht mal nicht unter den Scheffel! Nun, wo war ich? Achja, also, wenn mein Mann nicht so verflixt reich wäre, ich würde mich ja sofort dem Prätor an den Hals werfen!“ “Der Ärmste.“ “Was war das?“ “Hm, was meinst du? Nun, also ich weiß nicht. Meinst du nicht, der Decimus wär die bessere Partie?“ “Na, komm, also hör mal! Senator, Prätor, Quindecemvir... was will ich denn da mit einem Eques?““Also, bitte, Vindulla, du denkst ja auch nur von der hora sexta bis meridies! Geld, meine Liebe, Geld! So ein anständiger Ritter verdient das Dreifache von deinem ollen Senator! Noch dazu ist er ein Decimer.“ “Geld, Geld... Wer welches HAT muss keines VERDIENEN. Außerdem können sich die Senatoren sicher nicht beklagen. Und was es bringt, Decimer zu sein, sieht man hier doch: Nichts!“ “Na, na, unterschätz das mal nicht. Du denkst wieder zu kurz. Schau dir doch an, wo überall Decimer sind.“ “Na, wo denn?“ “Muss ich dir wirklich alles haarklein erklären, damit du es verstehst? Livianus hat die Legio in Germania, dieser Magnus hat die Classis, in Ägypten sitzt der Sohn von Livianus in der Legio, und die Acta haben sie jetzt ja auch unterwandert! Gut, Mattiacus müsste vielleicht schnell aus Rom flüchten, was dann ärgerlich wäre. Einen Hausstand auflösen und zu verreisen ist immer so nervenaufreibend...“ “Auflösen? Wovon sprichst du überhaupt?“ “Ich geb's auf...“


    Axilla sah zu den beiden Männern, über die ihre Sitznachbarinnen so fleißig diskutiert hatten. Wenn man das alles so erzählt bekam, war es wirklich ein Wunder, dass die noch nicht vergeben waren. Auch wenn Axilla eigentlich gekommen war, um sich die Schlussworte zur Verhandlung anzuhören, irgendwie war diese Fragestellung doch zugegebenermaßen interessanter als die Frage, wieviel Strafe Livianus zahlen würde müssen. Oder eben auch nicht, je nach Urteil. Wenn Axilla gewusst hätte, dass bei solchen Verhandlungen solch interessante Gesprächsthemen nebenzu getätigt wurden und nicht nur der reine Verlauf mitangehört wurde, sie wäre vielleicht doch schon früher gekommen. Sie hatte gedacht, sowas sei langweilig, aber mit dem ganzen Klatsch drumherum war es wirklich interessant. Sie besah sich die beiden Männer nochmal hier aus dem Zuschauerraum. Schnuckelig waren sie ja auch irgendwie, wenn auch schon etwas älter. Wirklich ein Wunder. Vielleicht sollte sie mal einen Artikel darüber schreiben, was denn da los war mit Roms Männerwelt. Oder besser, der Damenwelt.

  • Auch am folgenden Tag erschien Tiberius Durus, umgeben von seinen Klienten und Scribae in der Basilica. Immerhin hatte er nicht allzu oft die Ehre, als Richter zu fungieren - selbst, wenn der vielversprechende Prozess wohl etwas langweilig ausgefallen war. Auf seinem Subsellium sitzend wartete er so auf das Plädoyer seines ehemaligen Vorgesetzten in der Kanzlei.

  • Der Praetor eröffnete die Verhandlung, das Publikum verstummte allmählich und Macer erhielt das Wort. Er hatte diese Rede schon länger vorbereitet, weswegen er sich nicht mehr besonders sammeln musste, um sie in seinem Kopf vor sich zu sehen.


    Verehrte Iudices,


    Nach dem heutigen Tag ist das Urteil gefällt. Nach dem heutigen Tag wird geklärt sein, ob es rechtens ist, dass ein Praetor gegen ein Gesetz verstoßen darf, ohne dafür in Rechenschaft gezogen zu werden.


    Wir haben seit der Eröffnung dieses Verfahrens ledigleich ein einziges Beweisstück von mir gesehen, doch ist meiner Meinung dies völlig ausreichend. In dieser Sache bedarf es nicht eines Zeugen, denn diesen werden wir wohl nie unvoreingenommen zu sehen bekommen. Sowohl im Falle des Freigelassenen, als auch im Falle der Adoption des eigenen Sohnes gibt es nur Personen, die von einem Freispruch profitieren können.


    An dieser Stelle ein kurzes Wort zu unserem gestrigen Gast, dem Freigelassenen persönlich. Ich denke jeder in diesem Raum, der auch die letzte Verhandlung mitbekommen hat, weiß, welch schräges Bild er hinterlies. Seine Aussagen waren allezu unrelevant und ich keinster Weise entlasstend für den Senator. Selbst wenn seine Worte stimmen sollten und der Adoptivvater Lucius Quintilius Valerian hätte den Praetor etwa falsch unterrichtet, war Livianus der geschultere und sollte deshalb über das Vergehen, dass er begang im Klaren gewesen sein.


    Aufgrund dieser mageren Zeugenaussagen werde ich also meine Anklage nicht verändern. Das Dokument, dass ich vorgelegt habe beweist eindeutig, dass der Praetor Decimus Livianus fälschlicherweise dem Freigelassenen das Bürgerrecht verliehen hat und anschließend zur Adoption freilies. Und das ganze bei vollem Bewusstsein seines Verstandes, weshalb auch der Vorsatz zu erkennen ist. Er hätte wissen müssen, dass das Verleihen des Bürgerrechts an einen Freigelassenen rechtswidrig ist.


    Da unser ehrenwerter Praetor Annaeus Modestus bereits das Bürgerrecht und somit auch die Adoption des Appius Tiberianus Marhabal aberkannte und somit die Auswirkungen des Fehlhandels bereits beseitig hat, fordere ich nun erneut die Bestrafung des Verursachers, also die Bestrafung des Senator Decimus Livianus nach dem CodIur pars III §112.


    Er trank kurz, dann fuhr er fort.


    Der zweite Fall wurde in der laufenden Verhandlung weniger behandelt. In dieser Sache scheint mir auch keinerlei Diskussionen oder Beweisaufführungen nötig. Es ist hier Sache der Iudices zu entscheiden, ob die Verwandschaft des Praetors und seines Adoptivsohnes durch den Strafgesetzteil zu beurteilen ist oder ob es sich, wie mein Kollege hier andeutet um ein ziviles Problem handelt.


    Daher bleibt mir auch hier nur die Forderung nach Bestrafung des Decimus Livianus nach dem CodIur pars III §112.


    Damit war er durch, jetzt konnte er nichts mehr für seine Sache tun. Die Richter hatten zu entscheiden.

  • "Nun gut, dann erteile ich hiermit dem Verteidiger Marcus Decimus Matticus das Wort."


    verkündete Modestus nachdem die Rede des Ankläger wohl beendet war. Dann sah er zu dem Decimer herüber und erwartete seine letzten Worte, bevor er die Verhandlung wieder vertagen würde, um das Urteil mit den anderen Iudices zu besprechen.





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  • Auch Seiana war die Befragung des Zeugen und der bisherige Prozessverlauf immer langweiliger vorgekommen. Mehr als einmal fragte sie sich, was den Octavier dazu getrieben hatte, Anklage zu erheben. Ihm brachte es nicht den geringsten Vorteil. Dem Libertinus war das Bürgerrecht bereits wieder entzogen worden. Und die Anklage bezüglich Faustus' Adoption hielt Seiana ohnehin für lächerlich. Weit interessanter als die Verhandlung selbst war das, was um sie herum getratscht wurde. Seiana kam gar nicht umhin, das ein oder andere mitzuhören, auch wenn sie sich bemühte, es auszublenden – bis irgendwann, irgendwo schräg hinter ihr, Worte fielen, die ihre Aufmerksamkeit erregten. Schau dir doch an, wo überall Decimer sind. Ihr Blick blieb nach vorne gerichtet, ihre Aufmerksamkeit jedoch richtete sich nun nach hinten. Die Legio in Germania. Die Classis. Ägypten. Die Acta. Für einen Moment zuckten ihre Mundwinkel, als sie das hörte, aber die Andeutung – die sie im Gegensatz zu der Gesprächspartnerin jener Frau durchaus verstand –, stimmte sie nachdenklich.


    Und dann begann der Octavius mit seinem Schlussplädoyer – und er bestand in beiden Punkten auf einer Verurteilung ihres Onkels. Obgleich er selbst betonte, dass es im Ermessen der Richter lag zunächst einmal zu entscheiden, ob der zweite Fall überhaupt in die Kompetenz dieses Gerichts fiel. An seiner Stelle hätte Seiana wenigstens so getan, als sei sie selbst davon überzeugt, dass es eben so war, wenn sie denn schon eine Verurteilung forderte.

  • Diese Verhandlung bereitete Mattiacus ein wenig Kopfschmerzen. Schließlich ging es hier um seinen Bruder. Aber nichts destotrotz war auch sein Ehrgeiz geweckt. Von einem Neuling ließ er sich nichts ins Bockshorn jagen. Keinen Prozess hatte er verloren. Er war der Magister Iuris. Dies würde er jetzt auch unter Beweis stellen.


    Er räusperte sich kurz, stand auf und ging in die Mitte des Saales, so dass ihn alle hören konnten.


    "Verehrte Iudices, geschätzter Kollege,


    der Tag der Entscheidung naht. Die Entscheidung darüber, ob es Unrecht war, den letzen Wunsch eines Römers zu erfüllen und seinen Sklaven zu einem Mitglied unserer Bürgerschaft zu machen, oder nicht.


    Wir haben aus seinem eigenen Munde erfahren, wie es an diesem Tag zuging und was geschehen war. Einige von euch werden jetzt meinen, dass die Aussage keinen Gewinn brachte, aber dennoch: Lasst es mich nocheinmal zusammenfassen:


    Ein Soldat, ein Prätorianer, kommt mit einem Mann zum Prätor. Beide sind sich einig, dass dies ein besonderer Tag werden soll, denn heute wird der Mann, ein durch Testament Freigelassener, ein Mann Roms werden und ab diesem Tag ein Bürger sein. Der Prätor gibt zu Bedenken, dass er nicht zuständig ist, sondern der Prätor Peregrinus. Und dennoch verleiht er dem Mann das Bürgerrecht. Ihr alle habt die Urkunde gesehen.
    Später wird ihm dieses jedoch entzogen. Ein Gesetz steht anscheinend dagegen: die Lex Germanica Servitium besagt, das ein Freigelassener nicht Bürger werden kann.


    Mein werter Kollege meint, das hätte einem Prätor bekannt sein müssen, und dass er damit schuldhaft handelte." Mattiacus machte eine kleine Pause und sah hinüber zum Ankläger.


    "Schuld ist die persönliche Vorwerfbarkeit der Tat, so liest man es in den Büchern. Wir machen dem Täter den Vorwurf, dass er falsch gehandelt hat. Aber ich frage euch: Ist es schuldhaft, ja ist es verwerflich, einem alten Soldaten den Wunsch zu erfüllen, einen Mann als sein Kind anzuerkennen, damit dieser auch Soldat werden kann?


    Ihr alle wisst, dass Livianus selbst ein verdienter Krieger Roms ist und er wollte an diesem Tag nicht das Gesetz brechen, sondern einem Soldaten aus Kameradschaft helfen. Und frage euch: Ist es verwerflich, wenn Soldaten aus Solidarität zusammenstehen? Nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch vor der Bürokratie?


    Ich sage nein. Livianus kann man dies nicht vorwerfen, denn er hat nicht aus mangelndem Respekt vor dem Gesetz gehandelt, sondern aus Mitgefühl. Und Mitgefühl ist nichts, was man persönlich vorwerfen kann.
    Erinnern wir uns außerdem, was der Zeuge gesagt hat: Livianus sagte zu den beiden Erschienenen, dass er nicht zuständig sei, nicht aber, dass er die Adoption überhaupt nicht wegen des Gesetzes vornehmen könne. Die Motive des ehemaligen Prätors waren, wie bereits gesagt, ganz andere, als die Absicht, das Recht zu beugen. Ihm hier Vorsatz zu unterstellen, halte ich für sehr fernliegend. Ich bleibe also dabei: Vorsatz und Schuld sind nicht gegeben. Weder in dem einen, noch in dem anderen Fall."


    Mattiacus ließ seine Worte nocheinmal wirken, bevor er von neuem Ansetzte:


    "Ich bleibe also bei meinem Standpunkt, den ich schon in meiner Eingangsrede betonte. Ich hoffe meine Worte sind euch allen noch in Erinnerung und ich brauche mich nicht zu wiederholen: Legt man § 112 CodIur richtig aus, so muss man zu dem Ergebnis kommen, dass weder in dem einen, noch in dem anderen Fall ein Amtsmissbrauch vorliegt.


    Man kann Livianus nicht den Vorwurf der schuldhaften Rechtsbeugung in beiden Fällen machen. Denn er hat das Gesetz richtig ausgelegt.


    Wie mein Kollege ausgeführt hat, hat der derzeit amtierende Prätor" dabei blickte Mattiacus Modestus an, "die Entscheidung wieder rückgängig gemacht. Es ist ein ganz normaler und nicht unwahrscheinlicher und ungewöhnlicher Fall, dass die Verwaltung in ihrer Praxis Fehler macht. Decimus Livianus mag in den Augen einiger hier einen Fehler gemacht haben. Sein Amtsakt wurde rückgängig gemacht. Ein Schaden für die Rechtsgemeinschaft der Bürger ist also damit nicht entstanden. Dies sind ganz normale Vorgäng innerhalb des Verwaltungsapparates, die vorkommen können. Und diese als ein Verbrechen zu qualifizieren, ist mehr als unangemessen, es ist schlichtweg verfehlt und falsch.


    Auch für den Fall der Adoption des Decimus Serapio bleibe ich bei meinem Standpunkt: Die Adoption gehört als Personenstands- und Familienangelegenheit zur Sphäre des Zivilrechts. Der Strafgesetzteil ist daher hier nicht anwendbar.


    Wie in meiner Eingangsrede beantrage ich wiederum die Feststellung der Unschuld und den Freispruch von beiden Vorwürfen für Marcus Decimus Livianus."


    Bevor Mattiacus wieder auf seinen Platz zurückkehre, wandte er sich nocheinmal an das Richterkollegium.


    "Wie mein Kollege bereits gesagt hat, wird heute darüber entschieden, ob und wie ein Prätor zur Rechenschaft gezogen wird, für dass, was er während seiner Amtszeit getan hat. Daher sollte das Urteil, welches heute gefällt wird, nicht nur alle gewesenen Amtsträger interessieren, sondern auch jene die heute ein Amt innehaben, sollten sorgsam darüber entscheiden, wie ihre eigene Amtszeit rechltich bewertet wird und was ihnen in Zukunft blühen könnte. Der Vorwurf des Amtsmissbrauchs würde wie ein Damoklesschwert über allem hängen, was ein Amtsträger tut. Diese weitreichenden Folgen auf die Rechtsfortbildung sollte das Richterkollegium bei seiner Urteilsfindung beachten. "

  • Modestus verfolgte die Rede des Verteidigers aufmerksam. Sie war ausgefeilter als die des Octaviers, aber Modestus konnte trotzdem nur Ja, Ja und Ja sagen, wenn der Decimer seine rethorischen Fragen stellte. Das interessasnteste an der Sache war, dass sein Hauptargument war, dass er nicht aus bösem Willen gehandelt hatte, aber das spielte keine Rolle. Er hatte es getan und damit war die Sache gegessen. Viel interessanter war doch, dass er offen eingestand, dass Decimus Livianus die Adoption vorgenommen hatte obwohl er wusste, dass dies in den Amtsbereich des Praetor Peregrinus fiel. Das war eigentlich nichts anderes als ein Eingeständnis, dass sein Klient Amtsanmaßung begangen hatte. Die Zeit würde zeigen, ob aus dieser Aussage allein nicht noch ein weiterer Prozess erwachsen würde. Doch als er das Ende der Rede hörte, traute er kaum seinen Ohren. Wagte es dieser lächerlich Decimer ihm, dem amtierenden Praetor Urbanus, in aller Öffentlichkeit zu drohen? Wutentbrannt starrte er den Verteidiger an. Er hatte nicht geglaubt, dass dieser es schaffen würde sein Urteil noch zu ändern, aber nun zog er eine Haftstrafe für Decimus Livianus ernsthaft in Betracht. Allein um den unverschämten Advocatus eine Lektion zu erteilen. Und sollten sie ihn danach ruhig verklagen. Nach diesem Prozess war sich Modestus sicher, dass es mindestens zwei Anwälte in Rom gab, die er vor Gericht mühelos besiegen konnte.


    "Wir Iudices werden uns nun zurückziehen und das Urteil beraten. Bis zu dessen Bekanntgabe ist die Verhandlung vertagt."





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  • Die abschließenden Reden fielen so aus, wie Macer das in etwa erwartet hatte. Knapp und etwas ungeschliffen die der Anklage, ausgefeilt und alle rhetorischen Register ziehend die der Verteidigung. Aber trotzdem war Macer diesmal von der Rede des Decimus Mattiacus nicht so beeindruckt, wie er es von seinen bisherigen Reden war. Vielleicht hätte der Decimer nicht so deutlich auf die militärische Karte setzen sollen, denn hier hatte Macer zumindest das Gefühl, sich genauso gut auszukennen, weshalb er von den Erklärungsversuchen auch keineswegs überzeugt war.


    Dem funkelnden Blick seines Klienten auf dem Richterstuhl konnte er außerdem entnehmen, dass sich der Verteidiger mit seinem Schlusswort beim Richter wohl eher unbeliebt gemacht hatte, anstatt ihn zu beeindrucken. Macer hatte das Gefühl, dass das Urteil damit schon so gut wie gefallen war. Aber die Urteilsverkündung würde er sich trotzdem nicht entgehen lassen.

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