Tablinum | Sponsalia von Sextus Aurelius Lupus und Flavia Nigrina

  • Ebenso wenig wie ihr Vater kam Nigrina dazu, zu antworten, als Piso schon etwas von sich gab. Was Aetius dachte in diesem Moment, blieb für Nigrina schleierhaft. Wenn ihr Vater wollte, war er ein Meister der Beherrschung, er wollte nur häufig nicht, sah es nicht ein, sah keinen Grund dazu. Diesmal sah er es offenbar. Nigrina selbst hingegen war für einen Moment sprachlos – was ihr selten geschah. Dann baute sich Druck in ihr auf, ein Druck, der nach einem Ventil suchte. Ihre Augen begannen gefährlich zu glitzern, die Brauen zogen sich bedrohlich zusammen, und ihre Nasenflügel bebten leicht. Oh ja, sie war kurz davor, in die Luft zu gehen. Nach allem, was Piso sich gegenüber dem Aurelier schon geleistet hatte – und Nigrina dachte tatsächlich so, schon allein angesichts des Eklats im Theater –, und nachdem er heute, auf IHRER Verlobungsfeier, in TRAUER erschien, als sei das hier ein trauriger Anlass, wollte er nun auch noch einen Gast hinauswerfen lassen? Sie kannte diesen Duccius Vala nicht, hatte nicht die geringste Ahnung, wer das sein mochte, aber das tat in diesem Moment nichts zur Sache. Das war ihre Feier – und ein wenig noch die des Aureliers, so viel gestand sie ihrem zukünftigen Ehemann dann doch zu –, und Piso hatte nichts, aber auch GAR NICHTS zu melden.


    Aber auch jetzt kam sie nicht dazu, etwas zu sagen. Oder gar zu tun, was ihr durchaus auch als Alternative möglich schien. Piso war immerhin ihr Bruder, da gab es ein gewaltiges Repertoire an kleinen und größeren Racheaktionen, die ihr auf Anhieb in den Sinn kamen... Aber dazu kam es nicht. Denn Lupus begann zu lachen. Und DAS machte sie für einen weiteren Moment sprachlos, denn auf die Idee wäre sie nie gekommen. Einfach zu lachen. Und mit ein paar einfachen Worten darüber hinweg gehen, was Piso gesagt hatte. Sicherlich, das war Nigrina auch klar, war das frech, und wäre ihr das passiert, sie wäre höchst beleidigt gewesen – und einem Teil von ihr war auch klar, dass ihr das passieren konnte und wohl irgendwann würde, immerhin würde sie diesen Mann heiraten –, aber jetzt, in diesem Augenblick, war das wohl die beste Reaktion. Alles andere hätte nur zu einem Eklat auf der Feier geführt, und DAS war etwas, was sie um jeden Preis vermeiden wollte – aber genau durch ihre eigene, erste Reaktion wohl provoziert hätte. So aber schwieg sie, schwieg auch noch, als Piso antwortete, schon allein weil sie sich nicht ganz sicher war, ob sie sich unter Kontrolle hatte. Erst als Lupus ihre Hand nahm und ihr einen sachten Kuss darauf gab, zwang sie sich zu einem leichten Lächeln. „Spätestens wenn deine Gäste dir ihre Begeisterung ausdrücken, wirst du sehen, dass auch die Feste selbst es wert sind“, antwortete sie, scheinbar leichthin, während der Klang ihrer Stimme unterschwellig noch etwas von dem reizbaren Geschöpf verriet, das sie ebenso sein konnte. Das nächste Lächeln, dass sie ihrem baldigen Verlobten jedoch schenkte, hatte schon wieder ihre typische, hintergründige Note.


    [Blockierte Grafik: http://img824.imageshack.us/img824/9339/paps.png]


    Und das war der Moment, in dem Aetius vortrat. „Dann schreiten wir mal zur Tat, nicht?“ Er drehte sich zu den Anwesenden um. „Verehrte Gäste, darf ich um eure Aufmerksamkeit bitten! Ich danke euch allen für euer Kommen zu diesem Anlass, der ein freudiger ist, sowohl für die beiden Gentes als auch für die beiden jungen Menschen, die heute hier im Mittelpunkt stehen... Amore, more, ore, re, iunguntur amicitiae* hat das Brautpaar in die Einladung geschrieben, und ganz diesen Worten gemäß wollen wir nun dafür sorgen, dass zwischen den Familien der Aurelier und der Flavier ein weiteres, starkes Band geknüpft wird.“ Als Aetius begonnen hatte zu reden, hatten zwei Sklaven das als den Hinweis verstanden, der es – für sie – war, und hatten auf dem dafür vorbereiteten Pult die Verträge ausgebreitet, zu dem Aetius nun schritt.



    Sim-Off:

    Durch Liebe, Sitte, Wort und Gegenstand, schließt sich der Freundschaft festes Band.

  • Memme. Das war das erste, was Sextus über Piso dachte. Nein, im Grunde war es das einzige, was er über ihn dachte. Weibischer hätte eine Drohung nicht daherkommen können als so, wie der Flavier sie vortrug. Keinen Sinn für subtile Politik, der Mann, und kein Gespür dafür, dass Sextus, nett wie er war, ihn gerade vor einer Blamage gerettet hatte und ihn sein Gesicht wahren ließ. Soweit dies angesichts des Trauerflors denn möglich war. Hand aufs Herz, selbst Brutus und Cassius hatten durch ihre Abwesenheit auf der Beerdigung von Iunia Tertia Ruhm erlangt (und damit ein sarkastisch gemeintes Sprichwort begründet). Nur sein künftiger Schwager war dazu wohl nicht in der Lage. Sei es wie es sei, Sextus nahm ihn nicht besonders ernst, und seine Drohung noch viel weniger. Um den schönen Schein zu wahren nickte er ihm also nur einmal kurz zu und begab sich dann mit Nigrina zu dem Tisch, den Aetius gerade vorbereiten ließ.


    Da lag er, der Vertrag. Schönes Papier, sorgfältig beschrieben, glatt gestrichen, nur darauf wartend, unterschrieben und gesiegelt zu werden. Beinahe schon unscheinbar in seiner Schlichtheit, und doch so präsent wie nichts anderes in diesem Raum. Zumindest für Sextus. Wenn er diesen Vertrag unterschrieb, konnte er sich die Unterstützung der (meisten) Flavier versichern. Es würde ihn politisch und gesellschaftlich voran bringen, würde ein festeres Band zwischen ihren Familien knüpfen. So Celerina und Corvinus (die zu diesem Zeitpunkt noch lebten) keine Kinder haben würden (und das würden sie ja nicht mehr, nur konnte Sextus das zu diesem Zeitpunkt nicht wissen. Und hätte er es gewusst, er hätte nicht so vorteilhaft dieser Möglichkeit gedacht), war diese Ehe die Hauptverbindung zu den Flaviern derzeit. Eine gute Ausgangsposition. Noch dazu die vielen Kleinigkeiten, die mittels Mitgift an ihn erst einmal übergehen würden und die so beinahe beiläufig in dem Text erwähnt wurden. Und darüber hinaus würde er die Patria Potestas seines Vaters los sein, hatte dieser ihm doch jenes zugesagt. Dazu noch das Wissen, dass Nigrina keine bucklige, zahnlückige Hexe war, sondern durchaus repräsentativ. Ja, er konnte wahrlich nicht klagen und gestattete sich ein leichtes Lächeln, als er an den Tisch schritt.


    Kurz überflog er noch einmal die Verträge. Er setzte unter nichts seinen Namen, was er nicht gelesen hatte, und auch, wenn die Schriftstücke mehrfach abgeändert worden waren, ehe sie in ihrer finalen Form nun vorlagen, und er diese bereits kannte: Er überflog es dennoch. Es war nicht so, als ob er Aetius nicht traute. Nur: Er traute ihm nicht.
    Aetius gebot den Gästen auch sogleich Schweigen, indem er eine kleine Rede hielt und somit die einzelnen Gespräche untereinander kurz unterbrach.
    “Ich danke dir, Flavius Aetius, für diese schöne Einleitung. Und mehr noch natürlich für dein Vertrauen, mit dem du mir deine Tochter Nigrina übergeben willst. Ich kann aufrichtig sagen, dass es mir eine große Freude ist, dieses Band der Freundschaft auf diese angenehme Weise zwischen unseren Gentes zu knüpfen.
    Und euch, meinen lieben Gästen, möchte ich für euer zahlreiches Erscheinen herzlich danken. Ihr sollt Zeugen eben jenen Bandes sein, und die Freude dieses Tages mit uns teilen.“

    Im Grunde war das hier rein politisch. Da war nicht viel von Vertrauen oder von Freude, oder gar Freundschaft, die man feiern sollte. Es war ein Mittel zum Zweck, für alle Beteiligten. Aber man wollte ja den schönen Schein wahren und der ganzen Welt versichern, dass es eben doch nicht nur darum ging, die eigene Position möglichst effektiv zu zementieren. Das klang einfach nicht so schön wie Worte von Liebe, Sitte, Wort und Gegenstand, die der Freundschaft Band schlossen. Und letzten Endes war der schöne Schein manchmal wichtiger als jede kalte Wahrheit. Grundleitsatz eines jeden aufrechten Politikers.


    Nacheinander griffen Aetius und Sextus zu der fast schon übertrieben großen Feder, um ihre Namen unter den Vertrag zu setzen. Anschließend brachte einer der sprechenden Haushaltsgegenstände noch Siegelwachs, und ein Klecks und ein Hineindrücken von zwei Siegelringen später war der Vertrag auch schon unterschrieben.
    Nun ging es zu dem Teil, an dem seine Verlobte nunmehr einen Anteil hatte. Bislang hatte sie nur nicht protestieren dürfen, nun aber musste sie doch mitspielen. So also wandte er sich ihr zu, ergriff deutlich sichtbar für alle ihre Hände. “Nigrina, so du einverstanden bist, nimm dies als Zeichen meiner Zuneigung für dich.“
    Ein aurelischer Sklave trat heran mit einem kleinen, samtbezogenen Kissen. Darauf lag ein einzelner, goldener Ring, wundervoll gearbeitet. Sogar graviert war er, und Sextus ließ ihr einen Moment Zeit, die Inschrift zu lesen. Pignus amoris habes. Du hast meiner Liebe Pfand. Furchtbar albern und kitschig, wenn man ihn direkt fragen würde, aber Frauen mochten sowas. Außerdem war diese Inschrift nicht zu ungewöhnlich und damit angemessen. Hätte er sie nicht angebracht, hätte er wohl eher weibliches Missfallen fürchten müssen.
    Mit einem einfachen Griff also nahm er den Ring in seine Linke, und ihre linke Hand in seine Rechte. Er blickte sie direkt an, versuchte in ihrem Blick und dem feinen Lächeln zu lesen, wie sie wohl diese ganze Romantik hier aufnahm. Dies würde zu nicht unerheblichen Teilen bestimmen, wie er sich ihr gegenüber in der ersten Zeit der Ehe verhalten würde. Verhalten musste. Und ganz langsam, steckte er ihr den Ring an.

  • Erst die Ermahnung der Mutter lenkte die Aufmerksamkeit des Vaters auf seinen Sohn, welcher augenscheinlich sich unschicklich hatte betragen, und dass dies konnte geschehen, war zweifelsohne ein Säumnis in seiner Erziehung, welches niemandem sonst war zulasten zu legen denn Gracchus, der viel zu selten Acht hatte auf das Gebaren Minors, wiewohl viel zu selten diesen mit sich nahm, dass der Junge in den gesellschaftlichen Konventionen ein gewisses Maß an Sekurität konnte erwerben. Doch da Antonia alsbald durch die Komplimente Lupus' war abgelenkt und besänftigt, verlor auch Gracchus dies schnell wieder aus den Sinnen - eine Anzahl an Makeln in seiner Tadellosigkeit konnte der Vater dem Sohne bei der Last seines Erbes kaum verdenken, dass im Grunde nicht der Makel selbst bedenklich war, sondern nur die Reaktion der Mutter darauf, welche in diesem Augenblicke jedoch bereits dazu war übergegangen, die Leistungen Minors zu preisen, was Gracchus stellvertretend für seinen Sohn weit mehr unangenehm war, gehörten Strebsamkeit, Emsigkeit und Pflichteifer doch zu jenen Tugenden, welche ein Mann durch seine Handlungen musste beweisen, nicht über welche Worte mussten verloren werden. Des fragenden Blickes seiner Gemahlin indes wurde Gracchus nicht gewahr, war er doch durch die Worte der Aurelia abgelenkt - von welcher er nicht wusste, ob dies nun Flora oder Narcissa war, hatte er doch nicht darauf geachtet, ob Lupus bei der Vorstellung ihrer Namen je auf eine der beiden hatte gewiesen -, welche er mit einer Erwiderung wollte bedenken, als Aetius die Aufmerksamkeit der Gäste einforderte, und somit auch jene Gracchus' auf sich zog.
    "Lasst uns ein wenig näher heran gehen"
    , forderte er seine Familie, sowie die aurelischen Zwillinge schlussendlich auf, im Ansinnen, die Zeremonie zweifelsfrei bezeugen zu können, wie dies traditionell zwar erst zur Hochzeit wurde gefordert, jedoch auch für diese Verlobung Gracchus in Hinblick auf seine Zusage bereits essentiell erschien.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • [Blockierte Grafik: http://img824.imageshack.us/img824/9339/paps.png]


    Fließend, ohne sichtbares Zeichen und doch gewollt übergab Aetius das Wort an seinen zukünftigen Schwiegersohn. Mit einem Schmunzeln hatte er zur Kenntnis genommen, wie Lupus sich die Zeit nahm, die Verträge noch ein weiteres Mal zu überfliegen – er war ganz sicher ein Mann, der keine Skrupel hatte eine solche Schwäche bei anderen auszunutzen, aber abgesehen davon, dass der Aurelier nicht wie ein Mann auf ihn gewirkt hatte, der allzu vertrauensselig schien, war das hier ein anderer Rahmen. Aetius wollte ja, dass diese Ehe funktionierte, lange genug immerhin, dass er und seine Gens einen Vorteil davon hatten. Ein übervorteilter Bräutigam brachte niemandem etwas – ließ er es mit sich machen, standen die Chancen schlecht, dass er eine Position erreichte, die nützlich war, ließ er es nicht mit sich machen... nun, dann war die Verbindung dahin.



    Ein leichtes Nicken noch, bevor Aetius ebenso wie Lupus nach der Feder griffen und die Verträge nacheinander unterzeichneten. Nigrina unterdessen wartete, ein wenig näher bei dem Aurelier denn bei ihrem Vater, hatte der sie schließlich doch bereits an die Seite des Mannes gestellt, der bald der ihre sein würde. Es wäre gelogen gewesen zu behaupten, dass sie nicht aufgeregt war. Sie war es. Und sie genoss das Gefühl. Nach wie vor machte sie sich keinerlei Gedanken darüber, dass das hier letztlich hieß, dass sich ihr Leben nur allzu bald doch deutlich ändern würde, angefangen von der neuen Familie, in der sie leben, bis hin zu den Pflichten, die sie als Ehefrau haben würde. Das hier war das, was sie wollte, womit sie ihrem Vater seit gut zwei Jahren nun in den Ohren gelegen hatte. Verheiratet zu sein gab ihr schlicht einen völlig anderen Status als den, den sie jetzt hatte, davon war Nigrina überzeugt, und ebenso überzeugt war sie davon, dass ihr Vater einen Mann ausgesucht hatte für sie, der Potential hatte. Potential, viel zu erreichen. Sie konnte durchaus unterstützen als Ehefrau, und das hatte sie auch vor, aber er war derjenige, auf den es ankam, das wusste sie, das wusste ihr Vater. So oder so: je mehr ihr Mann erreichte, desto höher würde auch ihr Status sein. Sie ließ die Worte an sich vorbei plätschern, die seichten Versicherungen der Freundschaft, und lächelte dann, mit einem Hauch von Siegesgewissheit, der jedoch gleich darauf wieder verschwand, als die Verträge endlich unterschrieben wurden. Erst im Anschluss daran wandte sich Lupus nun ihr zu. Bereitwillig ließ Nigrina zu, dass er ihre Hände ergriff, und musterte ihn schweigend, während er sprach. Sie lenkte ihren Blick erst ab, als Lupus nach dem Ring griff, den ein Sklave gebracht hatte, und nutzte die Gelegenheit, die er ihr bot. Der Ring war schön und zeugte von Geschmack, und was sie besonders anerkannte war die Tatsache, dass er aus Gold gefertigt war und nicht aus Eisen. Sie legte Wert auf diese Art von Luxus, und dass ihr Zukünftiger an dieser Stelle wenigstens ebenso dachte – oder sie beeindrucken wollte, oder was auch immer –, gefiel ihr. Als sie jedoch die Inschrift las, wölbte sich die flavische Augenbraue ein wenig nach oben, und ein Blick traf den des Aureliers. Für einen kurzen Moment blitzte fast so etwas wie Spott in ihren Augen auf, während ihre linke Braue immer noch ein wenig hochgezogen war. Der Spruch war... süß. Nigrina kannte den Aurelier noch nicht gut genug, um sagen zu können, ob es zu ihm passte, oder welche Beweggründe ihn dazu gebracht haben mochten, den Ring mit diesem Spruch gravieren zu lassen – aber sie selbst fand es irgendwie amüsant. In jedem Fall war es ein weiteres Detail, das den Ring besonders machte. „Ich bin einverstanden“, lächelte sie und bewegte leicht ihren Kopf in der Andeutung eines Nickens, bevor der Aurelier ihr langsam den Ring ansteckte und damit die Verlobung nach der Unterschrift ein weiteres Mal besiegelte.

  • Eine Augenbraue verweilte leicht hochgezogen während der gesamten Prozedur, selbst noch als sie lächelte und einwilligte. Letzteres war wohl keine große Überraschung, wäre jede Weigerung an dieser Stelle doch mehr als ein Lapsus gewesen und hätte sowohl sie als auch die Flavier auf absehbare Zeit dem Gespött der Leute preisgegeben. Nein, zumindest insoweit war seine Frau wohl politisch akzeptabel, dass sie die Vorteile des Bündnisses wohl würde zu schätzen und selbiges zu pflegen wissen. Die Augenbraue hingegen war ein Novum, das Sextus nicht eindeutig zuzuordnen vermochte. Sie verriet eine gewisse Skepsis, doch zu was nun im Einzelnen, das zuzuordnen vermochte der Aurelier nicht. Selbst die Weisen vermochten nicht die Gedanken von Frauen zu lesen. Vermutlich, weil sie selten in denselben Sphären beheimatet waren, aber das war wiederum eine Frage für ein philosophisches Gespräch.
    Kurzum: Sextus hatte keine Ahnung, was genau ihr nicht ganz passte, aber solange sie mitmachte, war es ihm auch im Großen und Ganzen egal. Er steckte ihr also für alle sichtbar den Ring an den Ringfinger der linken Hand. Er ließ ihr und dem Publikum einen Moment Zeit, den Ring in all seiner Pracht zu bewundern, ehe er einen Schritt näher trat. Schließlich galt es noch eine Kleinigkeit zu erledigen, um der Verlobung Gültigkeit zu verleihen. In zeitgenössischen Schriften würde es heißen 'Umarmungen und Küsse wurden getauscht', aber ganz so kaltschnäuzig rational ging Sextus die Sache doch nicht an. Eine Hand griff ihr an die Taille, die zweite sanft an den Nacken, ohne sie festzuhalten. Der Kuss war zwar dem Rahmen entsprechend kurz und nicht zu innig, aber eindeutig mit der Verheißung auf mehr und lange genug, um zu registrieren, ob sie ihn zurückküsste. Als sie sich lösten, blieb sein blick noch einen Moment schweigend bei ihren Augen. Die 'Na, schon gespannt, wie es weitergeht'-Frage stellte er angesichts der Zeugen erstmal nicht. In seinem Blick aber lagen eindeutige Zeichen, dass das noch nicht das Ende der Jagd war. Nur einmal ein erstes Blutlecken.


    “Und natürlich verdient meine Verlobte noch ein Geschenk, mit dem ich meine Wertschätzung ausdrücken möchte.“ Natürlich bekam sie noch ein Geschenk. Heute würde sie wohl unzählige bekommen. Nur seines war eben das erste, das sie bekam, und jeder würde es sehen wollen.
    Und er hatte sich schwer überlegt, was er ihr schenken sollte. Es sollte protzig sein, aber nicht zu protzig. Es sollte an ihre kleine Unterhaltung im Theater erinnern, aber nicht zu sehr und vor allem nicht für andere erkennbar. Kurz hatte er überlegt, seinem neuen Preispferdchen ein eben solches zu kaufen, nur stellte sich direkt darauf die Frage, was eine Frau denn bitte mit einem Pferd anfing, noch dazu mit einem Rennpferd. Verschwendung in Ehren, aber das war doch zu dekadent. Und zu unnütz. Und es würde Gerede hervorrufen. So blieb nur das unverfängliche Feld des Schmucks. Und hierbei hatte Sextus, als er sich verschiedene Goldschmiede ins Haus hatte kommen lassen, auf dass sie ihm ihren Tand andrehten. Und daher bekam Nigrina eine besondere Einzelanfertigung.


    Ein weiteres Kissen wurde wie aufs Stichwort herbeigebracht, und darauf lag eine goldene Brosche. Durch eine geschickt angebrachte Öse mochte man sie auch als Kette um den Hals tragen, oder eben das ein oder andere Kleidungsstück mit ihr verzieren. Seine Frau würde dafür schon Verwendung finden, ansonsten würde sie das massive Gold hoffentlich als wertvoll genug erachten.
    Mit filigranen Details versehen hatte die Brosche die Form des Chiron, des nobelsten der Centauren. In den Händen hielt er einen fein gearbeiteten Bogen, den Pfeil nur halb angelegt und nicht durchgespannt, die Haltung des Pferdekörpers stolz. Sextus hatte die Idee passend gefunden, war Chiron doch nicht nur Lehrer des göttlichen Hercules ebenso gewesen wie des großen Achilles. Er war auch hervorragender Bogenschütze, so dass sich die Gelehrten nach wie vor nicht ganz einig waren, ob das Sternbild Sagittarius nun ihn oder doch einen anderen Centauren darstellte. Und so verband das Wesen 2 Dinge in perfekter Harmonie miteinander: Jäger und nobles Pferd – wenngleich Nigrina das letztere keinesfalls verstehen würde.
    “Für meine schöne Jägerin den Meister der Schützen“, flüsterte er ihr leise und mit einem schelmischen Ausdruck in den Augen zu. Erst danach wandte er sich lauter an die Gäste und an Aetius als Gastgeber.
    “Nun, Aetius, ich glaube, wir haben unsere armen Gäste genug auf die Folter gespannt. Nachdem das Offizielle nun abgeschlossen ist, erlaubst du, dass ich deine Tochter unter die Gäste entführe? Ich will ein wenig angeben.“ Laut und schalkhaft genug vorgetragen, um als Scherz durchzugehen – und es wurde auch mit einem Lachen der Gäste beantwortet – und doch genug Wahrheit darin, um selbstironisch zu sein. Und im Grunde fehlte nur das offizielle Einläuten des lockeren Teils (bei welchem Sextus aber dennoch das ein oder andere Geschäftliche noch abzuschließen gedachte).

  • Iunia Axilla..., murmelte der junge Flavier jenen Namen, den ihm der Nomenclator zuvor genannt hatte, im Geiste vor sich her, seine Aufmerksamkeit alternierend auf die Geschehnisse der fortschreitenden Verlobung und eben jene faszinierende junge Dame richtend. Eine Iunia also … Moment! … Dann musste sie doch mit Iunia Serrana, der ebenso jungen wie geduldigen Magistra des Flaviers verwandt sein. Immerhin …. So musste er sich nicht damit abfinden, dass jene so zauberhaft anmutende Schönheit völlig fremd und ohne jedwede Bezugspunkte für ihn bleiben würde. Durch die Verbindung der unbekannten Dryade, denn was anderes als die Anspielung auf eben jene mythischen Wesen sollte ihre Aufmachung wohl bezwecken, und ihrer Verwandten, der Aeditua Iunia Serrana, verlor die fremde Frau schon ein wenig jener zauberhaften Distanz, die sie durch ihr Aussehen und Auftreten im Empfinden des Flaviers geschaffen hatte, ohne dadurch jedoch Flaccus‘ Faszination für ihr Wesen auch nur im Geringsten zu schmälern. Etwas gelassener also, als noch kurz zuvor, beobachtete er die Iunia weiter, als sie auf jenen geschundenen Mann zutrat, dessen Anwesenheit an dieser Feier dem Flavier zwar etwas sonderbar anmutete, sollte er doch seinem miserablen Zustand nach eher in einem Lazarett denn bei einer Sponsalia sich aufhalten, jedoch kein Gespräch mit ihm begann.


    Zügig schritt die Feier unterdessen voran, schon waren die Verträge unterzeichnet, der Ring ausgetauscht, als der junge Mann sich – endlich! – ein Herz fasste und, wohl auch im Bewusstsein der Tatsache, dass eine Bekanntschaft nicht von selbst sich schließen würde, auf die Iunia zutrat. „Verrate mir doch eines …“, begann er, alle üblichen gesellschaftlichen Konventionen und Formalitäten beiseite lassend – konnte doch auch das Auftreten der jungen Frau nicht gerade als gewöhnlich bezeichnet werden – mit einer Anspielung auf ihren nymphenhaften Anblick. „Wie, bei den Göttern, konntest du deinen Baum dazu bewegen, dich ziehen zu lassen?“


    Ein freundliches Lächeln umspielte die wohlgeformten Lippen des jungen Mannes, während er sprach, anzeigend, dass seine Worte wohl durchaus als humorvoll inspiriert, aber in nahezu eben so bedeutendem Maße als, wenn auch latentes, so dennoch ernst zu nehmendes Kompliment an ihre außergewöhnliche Schönheit aufzufassen waren. Abwartend, welche Reaktion seine, durchaus poetisch gewagten, wenn auch durch das so gar nicht alltägliche Erscheinungsbild der Iunia förmlich provozierten, Worte bei eben jener dryadomorphen jungen Frau bewirken würden, blickte er, seine Faszination nur oberflächlich verbergend, tief in ihre smaragdgleichen Augen.

  • Sie könnte einfach zu ihm rübergehen. Wenn sie einfach nicht wartete, dass er sie bemerkte, sondern zu ihm rüberging... ein kleines Gespräch anfing... Oh, salve, hab dich gar nicht bemerkt... ich will ja nicht fragen, was dir passiert ist, aber... oh, und reizende Begleitung, die du mitgebracht hast, kennen wir uns?... nein?...ich? Oh, nein, ich bin allein hier, bin ja Witwe... aber sind ja viele vielversprechende Herren da... bist doch nicht eifersüchtig, oder?... ja, schönes Paar, gute Verbindung. Ich kenn ja Flavia Nigrina, und...


    Natürlich ging Axilla nicht zu Vala und fing auch kein Gespräch an. Zuerst sagte sie sich, dass sie das Gespräch mit dem Aurelier nicht stören wollte. Dann, dass sie die Gastgeber nicht stören wollte – auch wenn das eine alberne Ausrede war, da überall kleine Gespräche weitergingen. Sie stand nur da und machte sich Mut, um letztendlich doch nicht die paar Schritte noch zu machen, als sie angesprochen wurde.
    Ihr Vater hatte ihr immer und immer und immer wieder eingebläut, dass bei Erschrecken nichts schlimmer und tödlicher war als totales Erstarren. Wenn man schon nicht die Ruhe bewahren konnte, war Wut immernoch besser, als total zu verkrampfen wie ein erschrecktes Reh. Und dennoch reagierte Axilla gerade so, wie sie nicht hätte reagieren sollen – und weswegen sie sofort ein schlechtes Gewissen entwickelte – als sie unbekannterweise einfach angesprochen wurde. Aber es war in diesem Zusammenhang vielleicht gar nicht zu schlimm, blieb sie doch nach Außen hin unbeweglich stehen und hörte erst einmal, was der Mann ihr sagte, ohne zusammenzuzucken wie ein Lamm bei Donner. Einzig ihre Pupillen mochten ihr kurzes Erschrecken verraten, verwandelten sie das Grün doch in schreckgeweitetes Schwarz, ehe sie sich wieder normalisierten.
    Axilla löste ihren Blick nun gänzlich von Vala und seiner Begleiterin und besah sich den jungen Mann, der zu ihr getreten war. Etwa in ihrem Alter, braune Augen, und er sah sie direkt an.
    Was hatte er gesagt? Baum? Axilla rettete sich in ein offenes und ein wenig schüchternes Lächeln. Los, sei originell! gebot sie sich selber, als sie den Blick wieder zu ihm hob und ihn ein wenig neckisch fast anschaute. “Wenn ich das verrate, ist es ja kein Geheimnis mehr.“ Sie drehte sich ihm nun ganz zu. Kurz klackten ihre Fingernägel auf dem Metall des Bechers in ihren Händen, als sie ihre Nervosität zu überspielen suchte mit einer kleinen Geste. Sie musste zu Flaccus aufschauen, denn er war größer als sie. Und ein kurzer, unauffälliger Blick an ihm hinab verriet ihr, dass er Patrizier war. “Und wer sagt, dass ich überhaupt einen Baum habe, den ich fragen muss?“ Vielleicht ein bisschen sehr frech, aber Axilla schlug das Herz noch immer bis zum Hals. Irgendwie musste sie das überspielen.

  • Für einen Moment verharrten sie, als der Ring an ihrem Finger saß, dann trat der Aurelier noch näher zu ihr. Es war nicht so, dass Nigrina von diesem speziellen Part der Verlobungszeremonie sonderlich viel erwartet hätte. Auch wenn Lupus es durchaus bereits verstanden hatte, gewisse Erwartungen in ihr zu wecken durch die Art, die er im Theater an den Tag gelegt hatte, war das hier immer noch ein offizieller Kuss vor einer Menge Menschen, die alle zusahen, und der züchtig auszufallen hatte. Was in einem gewissen Widerspruch stand zu irgendwelchen Erwartungen, die sie hätte entwickeln können, hätte sie das zugelassen. Gerade deshalb jedoch überraschte sie der Kuss, den er ihr gab. Positiv. Sie hatte mit weniger gerechnet, vor allem mit weniger... weniger... Versprechen, das darin zu liegen schien, sowohl in dem kurzen Kuss und als auch in dem sachten Griff seiner Hände. Unwillkürlich verzogen sich ihre Lippen zu einem leichten, aber nichtsdestotrotz erwartungsvollen Lächeln, während sie seinen Kuss erwiderte, so gut ihr das in diesem Rahmen möglich war, und als sie sich gleich darauf wieder lösten und er sie ansah, war dieses Lächeln immer noch sichtbar. Ganz kurz fuhr ihre Zungenspitze über ihre Lippen, fast als wollte sie dem Geschmack nachspüren, den er darauf hinterlassen hatte mit den seinen, während sie ihm immer noch in die Augen sah. Oh, sie wusste, dass sie wohl eher die verschämte Braut hätte geben sollen. Das wäre das gewesen, was sich geziemt hätte. Sie hatte ja keine Ahnung, worauf ihr Zukünftiger wirklich Wert legte. Und allein der Rahmen, in dem sie sich hier befanden, forderte von ihr eigentlich, sich entsprechend zu verhalten. Aber so gut Nigrina auch war im Schauspielern, wenn es etwas Bestimmtes gab, was sie erreichen wollte – so wenig hatte sie Lust darauf, sich zu verstellen, wenn sie hatte was sie wollte. Und so senkte sie ihren Blick erst, als Lupus wieder das Wort ergriff, in einer gekonnten Mischung aus Verlegenheit und Freude. Nur ihre Wangen hatten mal wieder nicht den Anstand zu erröten, was es perfekt gemacht hätte. Ohne dazu passende Röte auf ihren Wangen also, dafür nun aber wieder mit einem Lächeln, das angemessen war, ließ sie sich das Geschenk reichen, das er ihr mitgebracht hatte. Wieder Gold, wie sie sah, was einen weiteren Pluspunkt bedeutete für ihn. Ein Centaur mit einem Bogen, bis ins kleinste Detail so fein gearbeitet, dass er fast lebendig wirkte. Im allerersten Moment war Nigrina sich nicht so ganz klar darüber, was ihn zu diesem Motiv bewogen hatte, aber als sie erneut seine Stimme hörte, diesmal deutlich leiser, zuckten ihre Mundwinkel in einem ebenso verstehenden wie amüsierten Lächeln. „Wenn du mir derartige Unterstützung an die Seite stellst, scheint es fast so, als wolltest du deinen Kopf tatsächlich verlieren.“ Ihre Stimme war ebenso leise wie die seine, bevor sie sich gemeinsam mit ihm wieder den anderen zuwandte.



    [Blockierte Grafik: http://img824.imageshack.us/img824/9339/paps.png]


    Aetius, den Lupus angesprochen hatte, stimmte in das Lachen einiger Gäste mit ein und nickte ihm jovial zu zum Zeichen des Einverständnisses. „Es sei dir vergönnt, Lupus.“ Ein Grinsen, anschließend ein unauffälliger Wink in Richtung der Sklaven, während Aetius, an alle Gäste gewandt, fortfuhr: „Nachdem der offizielle Teil nun abgeschlossen ist: genießt mit uns die Feier!“ Die Sklaven unterdessen begannen nun, das Menü aufzutischen, das in den Tagen und Wochen zuvor ebenso penibelst geprüft und aufgestellt worden war wie die gesamte Organisation der Feier.

  • Eine sonderbare Regung in den Pupillen der angesprochenen jungen Frau, gleichsam einem dunklen Schatten für kurze Zeit das satte Grün verdunkelnd, glaubte Flavius Flaccus wahrgenommen zu haben, als er seine Worte an die Iunia richtete, war sich jedoch im nächsten Moment schon selbst gänzlich unsicher, nicht vielleicht einer, in Anbetracht der Filigranität jenes Details durchaus in Erwägung zu ziehenden, trügerischen Sinnestäuschung erlegen zu sein. Schnell jedoch schlug der vermeintliche erste Schreck der jungen Frau zunächst in ein schüchternes Lächeln um, nur um schon einen Augenblick später sich in einen fast schon als neckisch zu bezeichnenden Blick zu verwandeln, als Anzeichen, dass sie zumindest soweit über den Dingen zu stehen schien, um mit der Situation zu spielen. Ein Phänomen, das dem jungen Mann durchaus angenehm war, schätzte er doch das geistreiche Wort, die blitzschnell agierende Unterhaltung, ganz in Tradition der witzreichen Carmina eines Horatius etwa. Dennoch registrierte der umsichtige Flaccus durchaus auch die kleinen Anzeichen leichter Unsicherheit, welche, sich gleichsam in marginalen Gesten manifestierend, den Anschein erweckten, als wäre das neckische Gebaren mehr der Schauspielkunst denn tatsächlicher Überlegenheit jener Frau zuzuschreiben. Dennoch versuchte der junge Mann durch ein offenes und freundliches Lächeln seinerseits, der evidenten Unsicherheit der jungen Frau - ob jene der Überraschung durch des Flaviers Worte, oder einer grundsätzlichen persönlichen Insekurität entsprungen war, mochte er nicht einzuschätzen - jede Grundlage zu entziehen. Nichtsdestotrotz konnte er nicht verhindern, dass die erste Worte Axillas eine seiner Augenbrauen unwillkürlich nach oben wandern und ein Schmunzeln auf seinem Gesicht sich breitmachen ließen. Vordergründig also auf das mythologische Spiel eingehend nahmen ihre Worte ironischen Bezug auf Flaccus‘ eigene Andeutung ihrer Wesensähnlichkeit mit einer Angehörigen eben jener Gruppe von Naturgottheiten, die gemeinhin als Nymphen bezeichnet zu werden pflegten. Dennoch, und durch einen kurzen Blick vergewisserte sich Flaccus noch einmal, kam er nicht umhin Axilla die Ähnlichkeit mit einer ganz speziellen Art der Nymphen zuzugestehen: der Dryaden.


    "Du wärst zumindest die erste, deiner Art, die ich kennen lerne, die es zuwege bringt, ohne Baum auszukommen ... ", erwiderte er also mit einem belustigten Lächeln ihre zugegeben freche Frage. "Eigentlich bist du ja die einzige, die ich kenne ...", fügte er noch hinzu, während das Lächeln auf seinem Gesicht immer breiter wurde. Zweifellos war sie sich nicht nur ihres Erscheinungsbildes, und der Assoziationen, die sie damit bei jedem, in irgendeiner Weise von den Musen berührten, Mann auslösen musste, bewusst sondern auch der mythologischen Tatsache, dass Dryaden eben an einen Baum gebunden waren, und unter der Trennung von eben jenem furchtbar zu leiden hatten. Umso amüsanter allerdings schien es, in welcher Weise sie den Mythos gleichsam variierte, sozusagen eine was-wäre-wenn-Version desselben schaffend. Und so hatte sie es geschafft, die Faszination und das Interesse des Flaviers auch über das bloße exotische Erscheinungsbild hinaus auf ihre Person selbst zu lenken und ihn dadurch, eher unbewusst, denn absichtlich oder gar berechnend, zumindest für weitere Worte und vielleicht sogar ein kurzes Gespräch an sich zu binden. Was an sich wohl durchaus als Kunstgriff zu bezeichnen war, vermochte doch sonst nichts so schnell das Interesse des jungen Flaviers erst zu wecken, und dann darüber hinaus auch nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern gar zu intensivieren.

  • Und wieder ein weiterer Schritt auf dem Weg hin zu mehr Macht geschafft. Und im Endeffekt war es doch leichter gefallen als angenommen. Zwar fühlte er nach wie vor kein Verlangen, sich an irgendwen zu binden, erst recht an keine Frau, aber wenn es ihm die Vorteile verschaffte, die er genießen wollte, so war ihm das durchaus recht. Und wenn es nur bedeutete, dass die Flavier bei der kommenden Wahl ihren Einfluss für ihn geltend machen würden und er so den angestrebten Posten erhalten würde. Und vielleicht heute noch den Haruspex Primus, den er bereits erspäht hatte, auf seine Seite zu ziehen.
    Doch zunächst einmal galt es, sich mit Nigrina sämtlichen Gratulanten zu stellen, die sich nun einstellten und der Flavia eventuell ein Geschenk überreichen mochten, so sie das nicht geflissentlich vergaßen oder aber bereits beim Ianitor abgegeben haben mochten.

  • Er war nett. Axilla musste sich gar nicht anstrengen, um zu lächeln, sie lächelte einfach so. Es schien ihr schon sehr lange her, dass jemand sie so angesprochen hatte. Um genau zu sein müsste sie wirklich überlegen, wann das denn das letzte Mal so gewesen war, so auf diese Weise. Vermutlich war das Vala bei seinem unfreiwilligem Bad im Hafen. Und davor... da musste sie wirklich überlegen. Der Kapitän, den Nikolaos anheuern wollte? Axilla wusste nicht einmal mehr so genau, wie der denn geheißen hatte. In jedem Fall tat es gut, solche Worte mal wieder zu hören. Und es war ja auch nichts dabei, oder?
    Ein wenig schüchtern wendete Axilla leicht ihren Kopf beim Lächeln weg und blickte einmal unauffällig zu Vala hinüber. Und seiner Begleiterin. Die so perfekt aussah. So hübsch. So edel. Und er hielt sie... Nein, sie hatte ganz sicher das recht, hier auch ein wenig neckisch zu sein und sich daran zu erfreuen. Wenn er sie nicht bemerkte, war das ja schließlich sein Pech und nicht ihre Schuld, und überhaupt war der Unbekannte hier vor ihr nett und charmant und witzig und Patrizier! So!


    Nachdem also dieser kleine innere Disput durch ein Machtwort innerhalb einer Sekunde entschieden wurde, fehlte nur die passende Antwort auf seine Feststellung. “Vielleicht gibt es ja auch nur eine wie mich?“ warf sie kokett in den Raum und stahlte ihn geradezu an. Bestimmt gab es auf dieser Feier zumindest keine wie sie, denn sie hatte sich ja gerade deshalb so angezogen. Elegant waren hier wohl alle, vermutlich die meisten der Matronen, und wohl auch besser als sie es gekonnt hätte. Daher, wollte sie sich zeigen, musste sie anders punkten. Und zumindest einer schien sie bemerkt zu haben, wenn auch sonst niemand.
    Dabei hatte ihr Gesprächspartner recht. Eigentlich gab es keine Dryades ohne Baum. Wenn ihr alter Baum starb, mussten sie einen neuen suchen, sonst starben auch sie. So wurde es erzählt, so fand man es in zahllosen Freskenmalereien. Axilla dachte kurz darüber nach, und dabei wanderten ihre Gedanken unweigerlich zu ihrem Baum. Denn ja, sie hatte einen gehabt, damals auf dem Hof der Villa rustica nahe Tarraco. Mit diesem Baum war sie so verwoben gewesen, dass ihr Vater sie schon immer Eichhörnchen genannt hatte. Fast immer saß sie auf diesem Baum, wenn er heimgekommen war, hatte ihn von dort schon auf eine Meile erspäht, in der freudigen Erwartung seiner Ankunft. Dort war sie immer glücklich gewesen, dort gab es keine Sorgen und keine Gedanken. Und wenn ihr Vater dann da war, dann war es perfekt gewesen. Wenn Axilla so gerade darüber nachdachte, dann war es auch nicht der Baum, an dem ihr Leben so gehangen hatte.


    Ihr Lächeln hatte sich kurz in wehmütiger Erinnerung verloren, während ihr Blick einen Moment in weiter Ferne verweilt war. Ertappt blickte sie wieder zu dem Unbekannten auf und schenkte ihm dieses Kleinmädchenlächeln, bei dem nichtmal ein Fels ihr ernsthaft noch böse sein konnte. “Und nicht alle Bäume sind aus Holz“, meinte sie nur mysteriös, als wäre das eine Erklärung für den kurzen Moment der Unachtsamkeit. Sie lächelte zwar wieder, aber diesmal erreichte es ihre Augen nicht mehr.
    “Und was ist mit dir?“

  • Nachdem Flavius Aetius wieder verschwunden war, blieb Durus ein wenig stehen und beobachtete das Treiben. Flavius Gracchus mit seiner Familie unterhielt sich mit seinem Klienten, was den alten Tiberier fast ein wenig neidisch machte, dass er nicht einmal eine Frau vorweisen konnte, ganz zu schweigen von einem leiblichen Sohn! Das war wirklich ungerecht!


    Dann begann auch schon die Zeremonie, Verträge wurden unterzeichnet, Geschenke überreicht und die Hochzeit war unter Dach und Fach. Als Patron empfand es der Tiberier als seine Pflicht, unter den ersten Gratulanten zu sein, sodass er sich sofort aufmachte.


    "Ich wünsche Euch beiden alles Gute! Möge Eure Hochzeit bald und unter einem guten Omen stattfinden, damit Iuno Euch gesunde Erben schenken kann!"


    Er hatte kein Geschenk dabei - irgendwie hatte er es vergessen. Aber seine Anwesenheit war wohl ohnehin Geschenk genug :D

  • Sie war schön. Als die junge Frau mit einem Lächeln sich abwandte, konnte der Flavier für einen Augenblick ihr Antlitz ungestört mustern. Wieder fand sein Blick unwillkürlich den Weg zu ihren tiefgrünen Augen, von wo er sich jedoch schnell wieder entfernte, als Axilla ihre Aufmerksamkeit nach einem kleinen Seitenblick erneut ihm zuwandte und als Erwiderung auf seine Feststellung lediglich eine weitere kokette Frage in den Raum warf. Dem, ihre Worte begleitenden, Strahlen jedoch versuchte der Flavier schon gar nicht mehr sich zu erwehren sondern unterlag ihm kampflos, indem er es mit einem ebensolchen quittierte. Noch bevor er allerdings auf ihre Worte eingehen konnte, schien ihr Geist plötzlich, sich an einem fernen Ort aufhaltend, auf ein Geschehen weit weg von dieser Begebenheit, ja selbst weit weg aus dieser Zeit sich zu richten. Während der Blick der jungen Frau eine melancholische Trübung erfuhr und in weite Ferne sich richtete, versuchte der Flavier den lokalen und temporären Sphären, die wohl in ihrer Erinnerung aufzogen, nachzuspüren – vergebens. Doch obwohl er im Moment zwar keine Vermutung sich anzustellen getraute, wo ihr Geist weilte und welche Bilder in ihrer Erinnerung aufzogen, war die wehmütige Erinnerung, von der die eben noch strahlenden Züge der jungen Frau plötzlich überschattet zu werden schienen, dem jungen Mann selbst nur allzu gut bekannt. Auch Flaccus gab sich in einsamen Stunden oft völlig dem Gedenken an Nikodemos hin, jener Mensch, dessen Bande die Moiren wohl am stärksten mit den seinen verwoben hatten, zumindest erschien es dem jungen Mann so. Auch durch Athens Gassen ließ er seinen Geist schweifen, in wehmütiger Erinnerung der zahlreichen Diskussionen mit seinem Freund Polykarpos, die seinen Horizont sosehr erweitert hatten. Auch jetzt musste er einmal mehr an die beiden Männer denken, deren Verlust ihn so viel tiefer getroffen hatte, als der seines eigenen Vaters. Ein Umstand der ihn oft nachsinnen ließ über die Relativität familiärer Bindung, jedoch nie Schuldgefühle im Empfinden des Flaviers provozierte.


    Ein unschuldiges Lächeln der jungen Frau ließ auch Flaccus seine Aufmerksamkeit wieder aus der Vergangenheit auf das gegenwärtige Geschehen richten, während er, ebenso vergeblich wie zuvor, den Sinn der mysteriösen Worte der Iunia zu entschlüsseln suchte. Ein weiteres Lächeln Axillas führte das Gespräch jedoch schon fort und hieß ihn, die rationale Ergründung ihrer Worte auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Die nächsten Frage allerdings holte das Gespräch nun endgültig, aus mythologisch poetischen Sphären zurück auf den – nicht allzu harten – Boden gewöhnlicher zwischenmenschlicher Begegnungen. „Entschuldige, wo habe ich nur meine Manieren gelassen?“, schloss er mit einem freundlichen Lächeln an ihre Worte an, während er nach Axillas Hand griff und sie zu seinen Lippen führte, um einen Kuss über ihre Fingerspitzen zu hauchen. Kurz sog er den angenehmen Duft ihrer Haut ein, bevor er die Hand wieder sinken ließ. „Ich bin Flavius Flaccus und erst vor wenigen Wochen von Athen aus über Paestum hierher …“, mit einer Geste wies er um sich, „… nach Rom und in den Schoß der Familie gekommen.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen als er sprach, schließlich waren seine Worte keinesfalls fehl am Platz, angesichts des Wohlwollens und der Bereitwilligkeit, mit der man ihn hier empfangen hatte. "Und welches bezaubernde Wesen - wenn schon keine Dryade - habe ich das Vergnügen kennenzulernen?"

  • Eigentlich hatte Axilla gar nicht auf eine Vorstellung hinaus wollen. Im Grunde hätten sie ruhig weiter einfach herumalbern können. Aber so wusste sie wenigstens, wer das hier vor ihr war. Sie wollte gerade etwas zu seinen angesprochenen Manieren sagen, als er ihre Hand ergiff und einen Kuss auf die Finger hauchte. Was immer sie hatte sagen wollen, es war wie weggeblasen, und sie brauchte einen Moment, um sich zu fangen. Zeit, die Flaccus dazu nutzte, ein wenig von sich zu erzählen und sie nach ihrem Namen zu fragen.
    “Und ich hatte schon Hoffnung, vielleicht doch einem verkleideten Faun gegenüber zu stehen und keinem gewöhnlichen Sterblichen“, rettete sie sich kurz noch einmal in das kleine Spiel. “Und wer sagt dir denn, dass ich keine bin?“
    Sie drehte sich nur ganz leicht von ihm weg, nicht wirklich, aber doch so weit, dass sie im Profil zu ihm stand. Der Handkuss eben war doch etwas plötzlich gewesen, und auch, wenn Axilla sich gern neckisch gab und meist auch recht burschikos war, das war doch ein wenig seltsam. In Momenten wie diesen merkte sie halt doch, dass sie fernab von gesellschaftlichen Anlässen groß geworden war. In der Villa rustica hatte ihr niemand einen Handkuss gegeben, wenn sie mit aufgeschrappten Knien vom Wald zurückgekommen war, noch irgendwo Blätter im wilden Haar. Ihre Mutter hatte höchstens geschimpft, und dabei wieder einen Hustenanfall bekommen. Ihr Vater hatte sie in seine Welt entführt, die der Soldaten und der Schlachtpläne. Und nun wusste Axilla viel besser, wie man Steine aus Pferdehufen kratzte oder Splitter aus Händen zog, ja selbst, wie man ein Schwert hielt, es pflegte und eine Rüstung bei einem Mann an- und auszog, als wie man mit einem Handkuss umging. Und so konnte sie ihn auch jetzt einen Moment nicht direkt ansehen und versteckte sich einfach hinter der Maske, die sie eben so spielerisch aufgebaut hatte.
    “Ich bin Iunia Axilla. Und ich bin schon etwas länger in Rom, aber dennoch das erste Mal hier bei den Flaviern zu Gast. Nigrina hat mich eingeladen.“ Wie und wo sie sie kennengelernt hatte, erzählte Axilla lieber nicht. Feine Damen hatten wohl nichts bei Gladiatoren zu suchen, und Axilla wollte weder die frisch Verlobte noch sich selbst bloßstellen. “Davor wohnte ich bei meinen Verwandten in Alexandria. Und du stammst aus Athen?“ Irgendwas unverfängliches brauchte sie zum Nachfragen, als sie sich lächelnd ihm wieder etwas mehr zuwandte. Nachdem die erste Verwunderung überwunden war, hatte sie wieder genug Sicherheit, ihn direkt anzusehen. Und mehr noch, ihn anzulächeln. Sie fühlte sich gerade reichlich albern, dass sie sich von so einer Kleinigkeit so aus dem Takt hatte bringen lassen, aber vielleicht bemerkte er es ja auch gar nicht.

  • Zitat

    Original von Sextus Aurelius Lupus und Manius Tiberius Durus


    Nigrina musterte ihren Frischverlobten noch einen Augenblick lang, aber es war ihr unmöglich, in seiner Miene zu lesen, was er wohl gerade denken mochte. Und nach einem weiteren Augenblick trat auch schon ihr Vater heran und gratulierte ihnen, nicht ohne einen etwas kryptischen Hinweis auf ihr Geschenk zu geben – welches er ihr später geben würde –, bevor er das Feld anderen Gratulanten überließ.


    Der erste, der zu ihnen kam, war Tiberius Durus. Nigrina kannte bei weitem nicht alle Gäste. Der Begleiter der Vinicia beispielsweise sagte ihr gar nichts. Und sie hatte sich natürlich auch nicht die Mühe gemacht, sich zu allen Namen auf der Gästeliste mit Hilfe von Sklaven ein Gesicht einzuprägen. Aber die wichtigsten kannte sie natürlich – wenn nicht bereits seit ihrer Ankunft in Rom, wo sie die ersten Tage und Wochen dazu genutzt hatte, sich kundig zu machen über die Mächtigen der Stadt, dann spätestens seit den Vorbereitungen zu dieser Feier. Und sie wusste ebenso, dass der Mann vor ihr seit kurzem der Patron ihres Verlobten war. „Ich danke dir für deine Glückwünsche, Tiberius“, lächelte sie ihn an, während sie sich nichts davon anmerken ließ, dass sie die bloße Anwesenheit des Tiberiers eigentlich nicht für ein ausreichendes Geschenk hielt :D

  • Der Überraschung, die das plötzliche galante Verhalten des Flaviers bei jener jungen Frau ausgelöst hatte, wurde Flaccus zwar gewahr, konnte sie jedoch nicht so recht einordnen. Was hatte sie bloß erwartet? Sie warf sich hier in einem, wohl mehr als extravagant zu bezeichnenden Aufzug ins Getümmel, ohne mit solchem Verhalten zu rechen? Oder war ihre scheinbare Verblüffung ob der freundlichen Geste des jungen Falviers vielleicht gar Teil jenes seltsamen Spieles, das sie, einerseits durch ihr außergewöhnliches Auftreten, aber nicht minder auch durch ihre mysteriösen Worte inszeniert hatte? Fast schien es so, denn zunächst schien sie tatsächlich erneut das Gespräch in jene spielerisch mythologischen Sphären zurück erheben zu wollen, woher Flaccus selbst es soeben etwas wehmütig – hätte er selbst doch auch noch viel länger jenen Zustand des faszinierenden Maskenspiels aufrecht erhalten wollen – doch im Glauben, dass sie durch ihre Worte eben das, eine Vorstellung seinerseits, zu bezwecken gedachte, hinab in die gewöhnlichen Umgangsformen gesellschaftlicher Begegnungen gezogen hatte.


    „Glaub mir, als Faun oder Satyr hättest du als Nymphe nur wenig mit mir zu lachen ….“, meinte er sodann mit einem doppeldeutigen Lächeln, waren jene Geschichten, die von den Angehörigen jener beiden Gruppen und ihren „Abenteuer“ mit den filigranen Naturgöttinnen erzählten doch in ihrer Gesamtheit eher einschlägiger Natur. „Du solltest also beruhigt, sein, dass du nur einen gewöhnlichen Sterblichen vor dir hast, den du durch deinen Anblick verzaubern kannst…“, fuhr er fort, ein Lächeln auf den Lippen. „Eigentlich hast du recht …“, meinte er sodann, während er in gespielter Anstrengung die Stirn runzelte, „..und wenn ich mich recht erinnere, hast du den Pflanzen am Eingang zuvor einen sehr sonderbaren Blick zugeworfen…“, fuhr er in gespieltem Ernst fort, bevor sich seine Lippen zu einem breiten Grinsen verformten und damit seine Worte nun endgültig eher im Bereich des Albernen denn in jenem des geistreichen Wortspiels angesiedelt waren.


    Auch die junge Frau schloss sich nun seiner eigenen Vorstellung an – und sagte ihm zunächst nichts Neues. Ihren Namen und die dadurch sich ergebende Verbindung zu jener Aeditua, die so bereitwillig seine Ausbildung übernommen hatte, hatte der Flavier ohnehin bereits von einem Sklaven erfahren, die nächsten Worte allerdings ließen ihn hellhörig werden. Sie war also eine Bekannte Nigrinas, einer Verwandten, die Flaccus in seiner kurzen Anwesenheit in Rom leider noch nicht einmal richtig kennenlernen hatte können. Lediglich in den letzten Tagen vor der Sponsalia war ihre Präsenz in der Villa unüberseh- und hörbar gewesen, eine Tatsache, die wohl zum Großteil aus der Unfähigkeit der Sklaven ihren – völlig legitim – hohen Ansprüchen gerecht zu werden, resultiert hatte. Zu einer längeren Begegnung war es jedoch, sehr zum Bedauern des jungen Flaviers, noch nicht gekommen, aber vielleicht würde sich das ja schon zu diesem Anlass ändern ….


    Mit einem Lächeln wandte Axilla sich sodann wieder etwas näher dem jungen Mann zu und ließ eine Bemerkung fallen, die nun tatsächlich das Interesse des Flaviers erweckte: „Nein, leider …“, erwiderte er ihre Frage nach seiner Abstammung, wenngleich er im Herzen wohl tatsächlich mit jener Stadt am meisten verbunden war, „… meine Eltern hatten sich in Paestum niedergelassen, wo ich auch meine Kindheit verbrachte. Lediglich die letzten Jahre bin ich bei einem Freund in Athen, Polykarpos, untergekommen.“ Das sollte wohl reichen ... über die Umstände seines Aufenthalts und vor allem seiner Rückkehr nach Italien musste Axilla ja nicht sofort bescheid wissen. Nun jedoch zu jener Frage, die ihn tatsächlich interessierte: „Du warst in Alexandria?“ Seine Augen begannen in einer Weise zu glänzen, die wohl allein Nikodemos richtig zu deuten gewusst hätte, war es doch das selbe Strahlen, das auch die Augen des jungen Flaccus stets erfüllt hatten, wenn der alte Mentor von fernen Ländern und Städten, von Göttern und grauenvollen Ungetümen zu erzählen begann… „Erzähl mir doch von Alexandria!“, forderte er die Iunia also mit einem fast schon flehentlichen Unterton auf, während die Faszination, die seine Augen strahlen ließ, sich noch zu intensivieren schien.

  • Wer von patrizischer Würde, vom Prunk einer Verlobung, vom Stolz einer alten Familie, vom noblem und blaublütigen Prachtstück der Herrscherin der Welt und ewigen Stadt Rom sprach, der konnte sicher nicht Piso meinen.
    Die Niederlage vorne bei der Verlobungsstätte hatte ihn zusammenknicken lassen wie ein morsches Regals. Dieser Aurelius hatte ihm im übertragenen Sinne in die Eier gehaut, und seine Schwester hatte nichts getan, aber auch nichts zu seiner Verteidigung – die war nur dagestanden und hatte müde gegrinst, als Lupus einen Scheißkübel über die Ehre der Flavier ausschüttete. Und sein Vater hatte auch nur mitgespielt bei diesem Schmafuh, der Piso immer unwirklicher vorkam. Wieso war Lupus immer der strahlende Held und er der glänzende – vor lauter Pisse, die Lupus über ihm geschwemmt hatte – Verlierer? Piso verstand das Leben nicht mehr. Vielleicht sollte er auch ein Arsch werden, dann würden ihn alle mögen. Er musste einfach nur Drohungen rumschleudern an Personen, die viel höher standen als er, und schon war alles geritzt. Diesem Corvinus sollte er vielleicht noch eine raffiniert formulierte Drohung schicken. Oder am Besten gleich dem Kaiser!
    Wie man vielleicht merkte, war Flavius Piso an dieser Stelle schon reichlich betrunken. Sicher nicht trunken vor lauter Freude über die Verlobung seiner Schwester, sondern vor lauter Wein, den er in den letzten Minuten runtergegurgelt hatte. Der Wein war unverdünnt gewesen, sodass er richtig schön Pisos Sorgen hinwegspülte. Nun ja, es stimmte nicht. Pisos Sorgen waren noch immer da, aber der Flavier konnte ihnen jetzt etwas mehr Witz herausringen. Vielleicht konnte er ein Gedicht daraus schustern.


    Oh, hört, Unsterbliche, des Piso Lot,
    der ehrenvoll dem Lupus unterlag!
    Der miesen Kröte, die ganz ohne Not,
    so machte, dass sie niemand jetzt mehr mag!
    Buhuschluchzheul,
    das ist des Piso Moritat.
    Mimimi.


    Grosse Dichtkunst. Jaja.
    Schwankenden Fußes begann der Dichtmeister, der schon ziemlich dicht war, mit einem fast vollen Weinbecher in der Hand, herumzustolpern. Er trank einen tiefen Schluck und wankte hinüber zu Axilla, an der sich jetzt wohl schon Flaccus ranmachte. Jawohl, Flaccus, sicherlich! Mach du nur, mein Guter, dachte sich Piso. Geh ihr an die Wäsche, das ist nicht schädlich, sonst wäre halb Rom jetzt schon tot!
    Er ging unsteten Ganges also hin und blieb leicht ungleichgewichtig vor ihnen stehen. Er nickte Flaccus schnell zu und hob dann in die Richtung von Axilla eine Augenbraue. “Na geh. Wie schaust du denn aus? Hicks... du traust dich was... eine feine Witwe bist du...“, hauchte er ihr einen nicht gerade netten Atem entgegen. Indigniert drehte er sich, nachdem er sie sorgsam taxiert hatte – was für eine lächerliche Zeichnung an diesem Bein da –, um und stolperte wieder fluggs zurück in die Menschenmasse rein, aus der er gekommen war. Weiter aufhalten wollte er jetzt nicht – Flaccus sollte ja auch mal seine Runde haben, wie so viele andere zuvor schon –, aber seine Meinung wollte er nur mal schnell deponiert haben. Denn das durfte er ja wohl noch! Man lebte ja schließlich in einer [strike]Demokratie[/strike] Republik. Einmal dem Namen nach.

  • “Ach, wer weiß, vielleicht hättest du dann für mich getanzt und ein wenig musiziert?“ Es war ja nicht so, dass Faune ausschließlich den Nymphen nachstellten, um mit ihnen zu kopulieren. Den Geschichten nach feierten sie ja auch ganze Nächte hindurch mit verzaubernder Musik, und das hier war vielleicht kein mystisches Fest im Wald, aber doch immerhin eine Festivität. Da wäre ein musizierender und tanzender Patrizier sicher ein Hingucker gewesen.
    Bei seinen Schmeicheleien musste Axilla ein wenig lachen. Sie konnte es nicht unterdrücken, und so kicherte sie ein wenig vor sich hin. “Das ist aber auch wirklich ein sehr schöner Busch, den ihr hier habt, das musst du zugeben.“ Sie hatte keine Ahnung, was für eine Pflanze das war, geschweige denn, wie sie hieß. Aber sie war wirklich hübsch und blühte, selbst jetzt im Herbst.


    Doch dann war Flaccus mit einem mal ganz gefangen, als sie Alexandria erwähnte. Er selbst sagte nur wenig zu Athen, nur dass er dort wohl nicht herstamme, sondern nur gewohnt hatte. Ein wenig erinnerte sie das an sie selbst, stammte sie doch auch nicht aus Alexandria.
    “Oh, was willst du denn wissen?“ fragte sie offen und ebenfalls deutlich gelöster als noch vor Augenblicken. Axilla LIEBTE Alexandria. Sie war dort nur zwei Jahre gewesen, und dennoch fühlte sie sich mit der Stadt, dem Land, den Menschen dort immer verbunden. Und das würde wohl auch immer so bleiben. “Vielleicht sollte ich mit dem Paneion anfangen?“ setzte sie gleich wieder etwas neckischer hinzu, ehe er antworten konnte. Das Heiligtum von Pan und Dionysos war sicherlich etwas, das am ehesten zu ihrem bisherigen Gespräch passte. “Es ist wirklich wunderschön. Es erhebt sich über die Stadt wie ein grüner Berg. Oben drauf steht das Heiligtum des Pan, ein ganz kleiner Tempel, fast nur das Kultbild und ein kleiner Altar. Aber es ist wirklich wunderschön und passt zu ihm. Und die Aussicht! Du kannst die ganze Stadt überblicken, bis weit hinaus aufs Meer! Und wenn du in die andere Richtung siehst, ins Land, dann siehst du den Lacus Maetoris und den Nil, wo alles so sattes Grün ist, und weiter nach Osten, wo die Wüste beginnt, verschwimmt der Blick in der Hitze, und auf dem Boden spiegelt sich der Himmel und du siehst Berge, obwohl sie Meilen entfernt sind...“ Axilla merkte, wie sie in sehnsüchtiges Schwärmen verfiel und lächelte verlegen, blickte zu Boden. “Und am Fuß des Berges ist der Park. Tausend Pflanzen, eine bunter als die andere. Orchideen von solcher Schönheit, wie ich sie noch nirgends gesehen habe. Und ein Tierpark mit wilden Tieren. Dort hatten sie einen Elefanten, und eine Giraffe, ein paar Löwen, Hyänen.. andere, von denen ich keinen Namen weiß.
    Wenn die Sonne untergeht, verwandelt sie das alles in sattes Gold, als würde für einen Augenblick alles von Midas berührt. Und dann, wenn es dunkel ist, werden an allen Wegen dort Fackeln angezündet. Feuerspeier treten auf und andere Schausteller. Ich meine, sie sind infam, das ganz ohne Frage, aber... wenn sie tanzen und jonglieren, das ist wirklich, als würde man kurz einen Blick nach Arkadien werfen dürfen.“
    Das verlegene Lächeln wurde immer stärker. “Ich weiß, das klingt albern. Aber es ist wirklich wunderschön dort.“


    Und dann wurde sie unterbrochen. Gerade, als sie versuchte, sich wieder etwas weniger schwärmerisch zu geben, kam Piso herüber gewankt. Wortwörtlich, denn er hatte wohl ordentlich Wein getrunken. Und er war aggressiv dabei. Er trat direkt auf sie zu, lallte sie anklagend an. “Du bist betrunken“, wich sie angeekelt einen kleinen Schritt beiseite, als er ihr seinen schalen Atem ins Gesicht hauchte. Und sie verstand nicht ganz, was er hatte. Archias war schon eine Ewigkeit tot und unter der Erde. Sollte sie Zeit ihres Lebens nun ihm nachtrauern, nur weil er sich ohne Grund vom Tarpejischen Felsen geschmissen hatte? Weshalb war Piso ihr so böse? Sie verstand es nicht ganz, hatte noch nie verstanden, was er an ihr auszusetzen hatte. Um sie – vor ihrer Ehe – betrunken zu machen und in sein Bett zu zerren, war sie gut genug gewesen. Aber nicht als Frau seines Freundes. Und jetzt das hier! Sie verstand es nicht, aber es war ihr unendlich peinlich.
    Nachdem Piso also weitergetorkelt war, nachdem er ihr Aussehen runtergeputzt hatte, blieb sie nur da stehen und drehte etwas verlegen den Becher in ihren Händen. Sie holte zweimal Luft, um etwas zu sagen, aber irgendwie fiel ihr nichts ein. Ein schlechtes Gewissen machte sich in ihr breit, und sie fühlte sich wieder klein und nichtig und fehl am Platz. Nichts mehr von der lockeren Fröhlichkeit von gerade eben, auch wenn sie versuchte, ihr Lächeln zu behalten. “Ich... es tut mir leid, das war...“ Sie hatte keine Erklärung. Sie konnte nur hoffen, dass Flaccus nun nicht von ihr so angewidert war, wie es sein Vetter ganz offensichtlich war.

  • Nach einem letzten, schamhaften Blick auf die supraterrestrisch Duplikation von seinem Antlitz ließ Manius Minor sich von Manius Maior zu den neuerlichen Geschehnissen schieben, die den Anlass dieses Konventes bedeutender Persönlichkeiten bildete. Dabei führte, wie der junge Flavius erkannte, eine, insbesondere aufgrund des starken frontalen Faltenwurfes im Rahmen seiner Gestik, überaus irritierende Persönlichkeit das Wort, die dem Gebahren nach zu den flavischen Domini zählte, sich dessenungeachtet jedoch gänzlich seiner Kenntnis entzog und somit einer entfernteren Stirps angehören musste. Um dem stechenden Blick dieses älteren Herren zu entkommen, wich er daher einen weiteren Schritt hinter die wallenden Gewänder seiner Mutter zurück.


    Die erfolgenden Handlungen indessen evozierten kaum den Enthusiasmus des Knaben, gehörte doch das Unterzeichnen von Verträgen und der Austausch von in infantilen Augen nutzlosen Schmuckstücken kaum zu dem, was die Augen eines Knaben von neun Jahren zu bannen vermochte, zumal besagte nicht gänzlich geheure Person daran teilhatte.

  • Zitat

    Original von Flavia Nigrina und Manius Tiberius Durus


    Nachdem sein Schwiegervater in spe sich nun mit den besten Wünschen verabschiedet hatte und sich selbst ins Getümmel stürzte, folgten auch gleich die ersten Gratulanten. Natürlich ließ sich sein Patron nicht nehmen, sich direkt unter die ersten Gratulanten zu gesellen und ihnen seine besten Wünsche zu übermitteln. Sextus gab sich dankbar und geehrt, wenngleich ihm die Vorstellung, bald schon ein schreiendes Kind um sich zu haben, nicht gefiel. Und mochte es noch so sehr ein Erbe sein und sein Kind, es war ein schreiendes, kleines Wesen, das den Körper seine Vorzeigefrau deformieren würde. Er selbst hatte es damit nicht so eilig, aber er konnte sich schon denken, woher dieser Wunsch beim Tiberier rührte.
    “Ich danke dir herzlich für die Glückwünsche. Und ich hoffe, dass dir dieses Glück auch vergönnt sein möge.“ Was ja dank Laevinas eigensinniger Flucht nicht funktioniert hatte. Aber Sextus blieb ganz ruhig und freundlich, als er ungerührt fortfuhr. “Und ich hoffe, dass du die Feier genießt. Da fällt mir gerade ein, hattest du schon das Vergnügen, meine Cousinen kennen zu lernen? Zwillinge, Aurelia Narcissa und Flora. Narcissa soll dem Kaiser als Vestalin vorgeschlagen werden, so er sie annehmen mag.“ Sextus hoffte, dass sein Patron schnell genug verstand, was der Aurelier hier gerade durch die Blume ansprach. Flora war noch zu haben. “Ich fürchte nur, ich kann mich heute nicht selbst ausreichend um die nötige Unterhaltung der beiden kümmern bei den vielen Gästen.“
    Wenn das mal keine Glanzvorlage war. Sextus wusste, dass Corvinus mit dem Tiberier schon gesprochen hatte, ihm gegebenenfalls einen Ersatz für Laevina anzubieten. Auf so einer ungezwungenen Feier wie dieser konnte er ja eine der noch ledigen Aurelierinnen kennenlernen und sehen, ob sie denn gefiele. Und das käme Sextus bei seinen momentanen Planungen doch sehr gelegen. Die Aurelier brauchten wieder eine profunde Bindung zu den Tiberiern.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!