Atrium | Eine Perle Ewigkeit

  • ~ pars prima ~
    ~ sequitur secunda ~


    Der foculus war bereits im Atrium aufgestellt, zwei Schalen mit glühenden Kohlen daneben, und unweit ein kleiner Tisch, auf welchem die Opferutensilien, eine ausgewählte Räuchermischung und eine Kanne Wein aus den unerschöpflichen Vorräten des flavischen Kellers bereit standen. Auch die Lämmer waren in einen angrenzenden Raum gebracht worden, von wo aus sie zur Schlachtung in das Atrium hinein geführt werden würden. Obgleich zu erwarten stand, dass die Tunika, welche er zu der Opferung trug, den folgenden Tag nicht mehr im Haushalt der Villa Flavia würde erleben, so hatte Gracchus nicht erst sich umgezogen, verschwendete er doch selten nur einen Gedanken daran, was aus Tuniken wurde, allein deswegen schon, da sein Schrank stets mit neuen Kleidungsstücken sich füllte ohne dass dies in seinem Bewusstsein lag - ob dessen auch die Toga, welche er über der hellen Tunika trug, aus feinem, dunkelblaufarbenem Stoff mit goldfarbenen Stickereien an den Rändern beschaffen war. Zufrieden erfasste Gracchus mit einem umherschweifenden Blicke, dass alles für die Opferung bereitet war, und sah sich nach seinem Sohn um.

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  • Die Petition seines Vaters, die Sciurius dem Knaben überbrachte, entsprach innerhalb der Mauern der Villa Flavia Felix selbstredend der Unentrinnbarkeit eines Gesetzes, weshalb Manius Minor unverzüglich sein Spiel unterbrach. Den Andeutungen des väterlichen Vilicus zufolge handelte es sich bei dem Beschluss für des Opferritus um ein durchaus inexpektables Unterfangen, dessen Kontingenz nicht nur den jungen Flavius, sondern auch die gesamte Sklavenschaft disturbierte. Da indessen Manius Maior bisweilen derartige Anwandlungen exhibierte, quittierte Manius Minor den Kontext lediglich mit einem Schulterzucken und machte sich auf, die adäquate rituelle Bekleidung eines Opferhelfers anzulegen.


    Dementsprechend erschien er, ausstaffiert mit einer weißen Tunica, gehalten durch einen festen Gürtel und bekränzt mit Zweigen des Laurus Nobilis im Atrium, wo man bereits die Utensilien für ein derart umfangreiches Opfer präpariert hatte. Artig grüßte er seinen Vater, ehe er versuchte dessen Intentionen zu kontextualisieren.
    "Salve, Vater! Was ist denn der Anlass dieses Opfers? Ist etwas geschehen?"
    Obschon es sich durchaus auch lediglich um eine irrationale Anwandlung des älteren Flavius handeln konnte, vermutete der Knabe eine Kausalität hinter einer derartig aufwändigen Zeremonie, die sich seiner Kenntnis entzog, über die er dessenungeachtet auf dem Weg ins Atrium beständig spintisiert hatte, ohne dass seine Bemühungen ein positives Ergebnis nach sich gezogen hätten.

  • In all seiner kindlichen Perfektion erfüllte Minor mit seiner Ankunft das Atrium, und in eben jenem Augenblicke war Gracchus dessen sich sicher, dass nur der Weg nach vorn die rechte Richtung konnte sein, denn es war nicht nur sein Leben, welches er mit seinem Tun bestimmte, sondern gleichwohl die Zukunft seines Sohnes - seiner Kinder.
    "Salve, Minimus. Nein, es ist nichts geschehen, zumindest nichts, ob dessen du müsstest in Sorge verfallen"
    , suchte er alle Befürchtungen des Knaben zu zerstreuen und legte in gleicher Intention seine Hand ihm auf die Schulter.
    "Ich werde den Göttern Opfer bringen, um mich ihrer Zustimmung zu versi'hern. Du erinnerst dich wohl als du noch sehr klein warst, war ich eine lange Zeit in Achaia. Kurz zuvor hatte der Senat mich zum Praetor gewählt, doch konnte ich dies Amt nicht erst antreten, da ... nun, es war nicht der Wille der Götter, dass ich zu dieser Zeit meine Pfli'ht sollte erfüllen."
    Er stockte kurz, ehedem er fortfuhr und dabei langsam mit seinem Sohn zu dem foculus hin schritt.
    "Die Wahlen zum Cursus Honorum stehen kurz bevor, und ich denke, es ist ein guter Zeit..punkt, dieser Pflicht für das Imperium Romanum wieder Folge zu leisten, gleichwohl es mir fern liegt, dem Staate Unannehmli'hkeiten zu bereiten - und dies ist es wohl zu einem Amte nicht antreten zu können."
    Selbstredend wollte er auch gerne verhindern, dass die Götter ihn neuerlich zu Fall brachten.
    "So werde ich der Götter Wille erkunden, und raten die Opfer davon ab, werde ich nicht erst antreten zu dieser Wahl, denn gleich wie sehr meine eigene Intention mich dazu drängt, gleich wie groß die Kompromittierung mag sein, sich vor seinen Pfli'hten zu drücken – gegen der Götter Wille zu agieren ist stets zum Scheitern verurteilt."
    Dass der Zeitpunkt der Wahlen viel zu bald schon angesetzt und seine Vorbereitung darauf mehr als schlecht war, ignorierte Gracchus dabei geflissentlich, denn es schien ihm, als wäre eben dieser Zeitpunkt der einzig mögliche und so er nun zögerte, würde er nie mehr sich aufstellen lassen, würde er den Larven kampflos sein Leben überlassen.
    "Das verstehst du doch, Minimus?"

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  • Mit größter Offenheit erfolgte die Replik des Manius Maior, anspielend auf jene lang verstrichene Zeit, als er der Urbs Aeterna wie auch seiner Familia den Rücken gekehrt hatte, was sich damals dem Verständnis des infantilen Manius Minor gänzlich entzogen hatte. Die Bewertung jener Umstände gleich einem Prodigium entzogen sich zwar auch heute noch dem Verständnis des Knaben, der nur mit überaus rudimentären Kenntnissen des Ius Divinum aufwarten konnte, doch erschien es ihm umso impressiver, dass sein Vater jeglicher persönlicher Ruhmsucht entbehrte und lediglich darauf bedacht war, der Res Publica, die er so liebte, nicht zur Last zu fallen und die Unsterblichen nicht zu inkommodieren. Durchaus erschien er dem jungen Flavius so als ein strahlendes Vorbild, gleich jenen mythischen Gestalten eines Horatius Cocles oder eines Quinctius Cincinnatus, von denen sein Paedagogus Artaxias ihm seit jüngsten Tagen berichtete.
    "Certe."
    erwiderte er dann voller Stolz, dieses ehrenhaften Ansinnens teilhaftig sein zu dürfen. Rasch überblickte er neuerlich die Szenerie, identifizierte die Opfergeräte und erwartete dann an der Seite seines Vaters den Beginn der Handlungen.

  • "Sehr gut"
    , erwiderte Gracchus erleichtert, hatte er doch ein wenig befürchtete, sein Sohn würde sein Handeln nicht nachvollziehen können, welches schlussendlich ihm auch als Zögern konnte ausgelegt werden - wurden die Götter doch durchaus bisweilen herangezogen, Entscheidungen zu den eigenen Gunsten zu begründen.
    "So lasse uns beginnen."
    Ein wenig umständlich zog Gracchus eine Stoffalte seiner Toga über den Kopf und nahm von Sciurus eine gläserne Schale voll Wasser und einen Pinsel aus weißfarbenem Ochsenschwanzhaar entgegen, welchen er in die Flüssigkeit tunkte, um mit einem sublimem Lächeln und einem undeutlichen Murmeln einige Tropfen über Minor zu spritzen. Hernach wiederholte er diese Prozedur bei sich selbst und führte die rituelle Reinigung auch über Sciurus durch, welcher ihm bei der Schlachtung der Lämmer würde assistieren. Hernach trat er vor den foculus hin, breitete die Arme zur Seite und wandte den Blick zum compluvium empor.
    "Götter unserer Ahnen, Götter unserer Gegenwart, Götter des Imperium Romanum!
    Ianus, aller Anfang und Ende!
    Iuppiter, Allgestalter!
    Iuno, Allgebärende!
    Minerva, Allwissende!
    Mars, Allstreiter!
    Apollo, Allschaffender!
    Dis Pater, Allzerstörer!
    Hört mich an, Götter Roms, und gewährt mir, Manius Flavius Gracchus, Sohn des Titus Flavius Vespasianus, Eure Bea'htung!"

    Leicht drehte Gracchus sich zur Seite, um nun von seinem Sohn die Räucherung entgegen zu nehmen.

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  • Augenscheinlich war sein Vater mitnichten geneigt, Zeit bar jedweder Exigenz zu dilapidatieren. So benetzten rasch wenige Wassertropfen das Haupt des Knaben und er vernahm jene überaus umfangreiche Anrufungsformel, mit der der ältere Flavius die Majorität des gesamten Götterpantheons anzurufen schien. Zur rechten Zeit, wie er sie dank seiner Experienzien unzähliger Opferhandlungen im privaten, wie bisweilen gar publiken Bereich zu identifizieren in der Lage war, ergriff Manius Minor die Acerra, die das wohlduftende Harz der Burseraceae beherbergte, und präsentierte sie mit devotem Blick Manius Maior.

  • Aus der von seinem Sohne angereichten Schale entnahm Gracchus einige Körner des hellen, durchscheinenden Harzes und streute diese über die glühenden Kohlen in den Gefäßen zu den Seiten des foculus, aus welchen sogleich der helle Rauch sich empor hob und den sanften Duft nach Myrrhe durch das Atrium trug, und durch das compluvium hinaus in die Gefilde der Götter.
    "Götter unserer Ahnen, Götter unserer Gegenwart, Götter unseres Imperium Romanum!
    Ianus, aller Anfang und Ende!
    Iuppiter, Allgestalter!
    Iuno, Allgebärende!
    Minerva, Allwissende!
    Mars, Allstreiter!
    Apollo, Allschaffender!
    Dis Pater, Allzerstörer!
    Nehmt diesen Wein, Götter Roms, und gewährt mir, Manius Flavius Gracchus, Sohn des Titus Flavius Vespasianus, Euer Wohlwollen! Für das Imperium Eurer Söhne will ich meine Pfli'ht leisten, und den Weg gehen, der den meinen bestimmt ist.""

    Neuerlich wandte Gracchus sich zu seinem Sohn.

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  • In tiefster Devotion verharrte der Knabe, während der von ihm dargereichte Weihrauch gen Himmel strömte um das Auge der Götter dem Geschehen im Atrium der Villa Flavia Felix zuzuwenden. In dieser großen Innerlichkeit gefangen strömten dabei die Worte seines Vaters gänzlich an seiner Attention vorbei den weißen Wölkchen der Opfergabe hinterher. Als Manius Maior sich darob zu ihm umwandte, griff die infantile Hand Manius Minors erstlich nicht zum Wein, sondern neuerlich zur Acerra, ehe er sich besann und, seiner Experienzen zum Danke, den Gutus ergriff, dessen Suszeptibilität zum nichtintendierten Vergießen seines Inhalts im Gegensatz zu dem Urceus, den er bei jener deplorablen Assistenz anlässlich der Staatsopfer zu Ehren des Dies Natalis Imperatoris Caesaris Augusti mit sich geführt hatte, gering war.

  • Mit dem Inhalt der Kanne füllte Gracchus eine gläserne Schale auf dem foculus voll mit der rotfarben schimmernden Flüssigkeit, ehedem er sie wieder seinem Sohn zurück gab.
    "Götter unserer Ahnen, Götter unserer Gegenwart, Götter unseres Imperium Romanum!
    Für das Amt des Praetors will ich meine Kandidatur bekannt geben, so es dem Wohl des Imperium Romanum dient, so es Euch konveniert! Darum nehmt diese Lämmer, Götter Roms, die ich Euch gebe in Freude, um Euer Urteil an..zunehmen."

    Ohne einer Weisung seines Herrn zu bedürfen, hatte Sciurus bereits das erste Lamm auf seinen Armen tragend in den weitläufigen Raum hinein gebracht. Ob der Kürze der Zeit zwischen Ankündigung und Ausführung des Opfers war das Tier mit einer starken Räucherung besänftigt worden, dass es einen dumpfen, zufriedenen Blick in den Augen trug. Nachdem er sein Opfermesser hatte in die Rechte genommen, tunkte Gracchus den Daumen der Linken in die mit Wein angefüllte Schale und strich sodann damit über die Stirne des Lammes.
    "Ianus, aller Anfang und Ende, dies Lamm für Dich, Ianus, mir, Manius Flavius Gracchus, Dein Urteil kund zu tun über Zustimmung oder Rückweisung meiner Absi'ht zur Kandidatur zum Praetor des Imperium Romanum, dass dies dem Imperium dienen mag!"
    Er hob den kleinen Kopf des Tieres an, um mit einem schnellen Schnitt des Messers dessen Kehle zu durchtrennen, dass das Blut in einem Schwall aus dem kleinen Körper schoss, ein Teil davon sich in den Falten der Toga absetzte, der Rest auf das Mosaik des Atriumbodens schwappte. Sorgfältig balancierte der Sklave den toten Leib auf seinen Armen, dass Gracchus mit dem Messer schlussendlich den Bauch konnte öffnen und dort heraus die dunkelrotfarbene, leicht ins Braune changierende Leber schneiden. Vorsichtig schob er mit den Fingerspitzen Gewebefetzen und Blut von der Oberfläche und legte das Organ schlussendlich auf eine silberne Platte. Mit einem Wink deutete er Minor ein wenig näher zu treten.
    "Die Oberfläche ist leicht rau, ein wenig wie feiner Sand. Die Form ist makellos und auch diese helleren Flächen sind gewöhnli'h, ebenso die weißfarbenen Verdickungen des Fettgewebes. Feste Knoten unter der Oberfläche oder aber dunkle Makel darauf wären ein Hinweis, dass Ianus meinem Vor..haben nicht gütlich gegenüber steht, doch diese Leber ist frei von göttlichem Missfallen, ob dessen das Opfer angenommen ist. Litatio."
    Obgleich das Ergebnis erfreulich war, so war es noch keine Zeit zur Freude, schlussendlich war Ianus nur einer der Götter, dessen Akzeptanz Gracchus sich wollte versichern. Ob dessen hatte Sciurus bereits das tote Tier zur Seite gelegt und das nächste Lamm herbei geschafft, über dessen flauschiges Fell über den Augen Gracchus neuerlich ein wenig Wein strich.
    "Iuppiter, Allgestalter, dies Lamm für Dich, Iuppiter, mir, Manius Flavius Gracchus, Dein Urteil kund zu tun über Zustimmung oder Rück..weisung meiner Absicht zur Kandidatur zum Praetor des Imperium Romanum, dass dies dem Imperium dienen mag!"
    Wiederum schnitt Gracchus dem Tier ohne ein Zögern die Kehle durch, um hernach auch dessen Leber ihm aus dem Bauch zu schneiden und auf die Zeichen des göttlichen Iuppiters hin zu begutachten.

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  • Mit einigem Erstaunen hatte der Allgestalter und Göttervater zur Kenntnis genommen, mit welcher Sorgfalt und welchem Aufwand der Pontifex sich bei dieser vergleichweise kleinen Entscheidung der Zustimmung des Pantheon versichern wollte. Wahrlich, man konnte ihm nicht vorwerfen, nicht in Eintracht mit den Göttern leben zu wollen. In Zeiten, in denen die Würde heiliger Haine nicht mehr gewahrt wurde, war dies ein erfreuliches Zeichen. So fällte der Göttervater sein Urteil, welches Wohlgefallen an dieser Zeremonie und der geäußerten Absicht ausdrückte. Das ihm zugedachte Lamm würde keinen erkennbaren Makel aufweisen, so wie der Pontifex sich bemühte, durch eine erneute Kandidatur einen vergangenen Makel zu beseitigen.

  • Dank des festen Vorsatzes, im weiteren Vorrücken des Opfers den Worten seines Vaters geflissentlichste Anteilnahme entgegenzubringen, erschien erst jetzt, da die Opferprekationen an sein Ohr drangen, dieser Konnex, der das Amt des Praetor mit jenen juristischen Studien verband, denen er sich unter der Anleitung seines Onkels Piso unterzogen hatte. Augenscheinlich war sein Vater im folgenden Jahr geneigt, jene Position einzunehmen, die ihn regelmäßig zum Iudex Prior designieren würde, womit er wohl in vermehrtem Maße bei Gerichtsverhandlungen zu attendieren hatte, was wiederum zum Einen dem jungen Flavius den garstigen Klauen des Elementarunterrichts, namentlich der Mathematik zu entreißen vermochte, ihn zum Andern indessen verdammen würde, seinerseits an jenen nach infantilen Maßstäben temporär unlimitierten Sessionen zu partizipieren.


    Jenes inkonfundible Geräusch, das ein Tier, das im Begriff war seinen Geist auszuhauchen, artikulierte, erweckte den Knaben wieder aus seinen Gedanken. Zwar hatte sein Wissen um die Prädestination des Lammes ihn bereits a priori davon abgehalten, mit jenem possierlichen Lebewesen, dessen flauschiges Fell geradezu zu innigen Liebkosungen einlud, eine nähere, gar emotionale Beziehung einzugehen, doch stieß ihn bei jedem Opfer aufs Neuerliche jenes blutige Handwerk des Victimarius ab, das in diesem Falle gar von seinem eigenen Vater exekutiert wurde. Seine Nase sog jenen gräuelichen, metallischen Geruch von Blut ein, der im Magen des jungen Flavius ein inkommodierliches Gefühl hinterließ und ihm sämtliche Konzentration abverlangte, seinen spontanen Wunsch nach Entleerung selbigen Organes zu unterdrücken. Übertroffen wurden jene Impressionen jedoch noch dadurch, dass Manius Maior Manius Minor nun auch noch näher herbeizitierte, was entsprechend letzterem größte Anstrengungen abverlangte, seine durch größten Degout induzierte Starre zu überwinden.


    Einzig die Liebe zu seinem Vater vermochte ihm nun seinen Körper dahingehend zu disziplinieren, dass er seinen Blick nicht abwandte von dem noch warmen, blutüberströmten Klumpen, der offenbar die Leber jenes unschuldigen Geschöpfes darstellte, das man auf so grausame Weise seines Lebens beraubt hatte. Welche Intention die Götter damit verbanden, ihr Plazet ausgerechnet durch jene Teile des Tieres zu artikulieren, die durch abscheuliche Aktionen erst ans Tageslicht zu bringen waren, erschien ihm gänzlich uneinsichtig. Dementsprechend quittierte er die Darlegungen des älteren Flavius lediglich mit einem knappen Nicken, ehe er sich vorsichtig zurückschob mit dem festen Vorsatz, die weiteren Inspektionen der Vitalia auf diskrete Weise keines Blickes zu würdigen.

  • Sorgsam prüfte Gracchus die Leber des dem Göttervater geweihten Tieres, ließ ohne eine weitere Erklärung auch Minor wiederum einen Blick darauf werfen, und auch dort zeigte sich keinerlei Makel.
    "Litatio"
    , flüsterte er beinah ein wenig selbstvergessen, ehedem er seinem Sohn ein schmales Lächeln schenkte und sich neuerlich Sciurus zuwandte, welcher das nächste Lamm – ein weibliches diesmalig – hatte herbeigebracht. Gegenteilig zu seinem Sohn hatte Gracchus längst alles Unbehagen bei der Schlachtung eines Tieres – selbst eines so possierlichen wie eines kleinen Schafes – verloren, hatte indes auch als Junge niemals ein inniges Verhältnis zu Tieren aufbauen können - abgesehen von dem Eichkätzchen, welches in Rom in einem Baum vor seinem Fenster hatte gehaust, und auf welches er anfänglich in Achaia seine Sehnsucht nach der Familie hatte projiziert. Ob dessen tangierte ihn auch der neugierige Blick aus den großen, schwarzfarbenen Augen unter den buschig-flauschigen, weißfarbenen Locken des Lammes nicht, als er es Iuno und damit dem Tode weihte.
    "Iuno, Allgebärende, dies Lamm für Dich, Iuno, mir, Manius Flavius Gracchus, Dein Urteil kund zu tun über Zustimmung oder Rückweisung meiner Absi'ht zur Kandidatur zum Praetor des Imperium Romanum, dass dies dem Imperium dienen mag!"
    Ein schneller Schnitt, und mehr Blut sog sich in den Stoff der Toga, vergrößerte die Lache, welche zu Füßen der kleinen Opfergemeinschaft sich hatte gebildet, ein weiterer Schnitt und der tote Leib war geöffnet, die Leber daraus zu entfernen.

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  • Da Iuno gerufen und ihr ein Opfer dargebracht ward, kam sie auch in das Haus des Opfernden. Der Gewohnheit gemäß wollte sie schon ihre Liste zücken und ihre Gunst dem jeweiligen Sterblichen gegenüber überprüfen, da bemerkte sie, dass diese Art Gunst hier gar nicht gefragt war. Eigentlich war gar nichts gefragt, was Haus und Familie betraf.


    "Wie bitte? Praetor?" Iuno war ungehalten. "Deswegen ruft dieses Togamännchen mich? Was interessiert mich denn das? Das ist mir doch vollkommen Blutwurst!"

  • Ein missbilligender Blick angesichts dieser ungöttlichen Ausdrucksweise traf Iuppiters Göttergattin, doch der Göttervater enthielt sich eines weiteren Kommentars. Seine Frau schien gerade wieder ihre reizbare Phase zu haben, da wollte er kein Unglück riskieren.

  • Mit der Routine, welche nicht nur dies Opfer allmählich vermittelte, sondern gleichsam Gracchus in den Jahren seines Lebens und insbesondere jenen, welche er bereits im Cultus Deorum den Göttern diente, hatte aufgebaut, prüfte er die der Iuno geweihte Leber und konnte auch darin keine unnatürlichen Strukturen oder Verfärbungen entdecken. Auch die Herrin Roms mit all ihren vielfältigen Wirkungsbereichen mochte also seinem Vorhaben nicht ablehnend gegenüber stehen, als Göttin der Ratschläge, Erinnerungen und Mahnungen kein Versäumnis ihm vorwerfen und als Wächterin über das Werden der Stadt und des Reiches keine Ressentiments gegen seine Person hegen, wiewohl als Schirmherrin der Ehe und Familie keine aus seinem Ansinnen entstehende Gefahr für eben jene erkennen - so überhaupt den göttlichen Prinzipien derart extensive Intentionen konnten zugedacht werden, doch dies war eine metaphysische Erwägung, deren Reflexion sich Gracchus nur allzu gerne entzog so sie auf seine eigene Person sich bezog, wiewohl in diesem Augenblicke auch keine Relevanz barg.
    "Litatio"
    , bestätigte er darob erneut und nahm das Opfermesser wieder auf, um sich dem nächsten Lamm zu widmen, welches mit einem leisen Laut bereits sich schien ankündigen zu wollen, in Erwartung der göttlichen Minerva zur Freude zu gereichen.
    "Minerva, Allwissende, dies Lamm für Dich, Minerva, mir, Manius Flavius Gracchus, Dein Urteil kund zu tun über Zustimmung oder Rückweisung meiner Absicht zur Kandida..tur zum Praetor des Imperium Romanum, dass dies dem Imperium dienen mag!"

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  • Minerva gesellte sich zu den beiden anwesenden Göttern. Sie nickte ihnen freundlich zu. Natürlich hatte sie das Gezicke ihrer Kollegin mitbekommen und fragte sich was ihr wohl heute falsches über ihre Leber gelaufen war.
    "Iuppiter, Iuno. Ein Opfer für uns. Es sieht doch ganz gut aus."
    Minerva jedenfalls freute sich darüber, dass man ihr so zeitnah nach ihrer Rückkehr aus der Ägäis bereits ein Opfer brachte und dann auch noch in dieser kleinen Runde.
    "Der Sterbliche gibt sich aber wirklich viel Mühe und ich habe nichts vernommen, dass ihn als unwürdig für diesen Posten erklären würde. Er soll meinen Segen haben."
    Noch einmal schaute die Göttin die anderen beiden an. Der Sterbliche würde auch in diesem Lamm keinen Makel finden und sollte auch das Gefühl haben, dass Minerva an seiner Seite war. Sie würde ihn beobachten.

  • In der Prozedur seines Tuns hatte Gracchus beinahe schon seinen Sohn vergessen, doch als er die Leber des Lammes hatte begutachtet, zeigte er sie nun noch einmal Minor von allen Seiten.
    "Kein Makel."
    Sein linker Mundwinkel hob zu einem schiefen Lächeln sich empor, waren doch auch die Wirkungsbereiche der Minerva mannigfaltig und darob ihr Wohlwollen umfassend relevant.
    "Litatio."
    Der göttlichen Trias hernach folgte Mars, welchem Gracchus auf eigentümliche Weise war verbunden, hatte er doch in dessen Tempeln nicht nur seine kultische Karriere begonnen, sondern pries ihn noch immer alljährlich während der Riten der Salii Palatini, ob dessen er das diesem zugedachte Lamm eingehend begutachtete. Rotes Lamm war mehr eine Spezialität der Küche denn der Natur, doch Sciurus hatte dem hellen, braunfarbenen Fell ein wenig nachgeholfen, dass es durchaus in einem akzeptablen Rotbraun schimmerte und so dem Vater aller Römer konnte geweiht werden.
    "Mars, Allstreiter, dies Lamm für Dich, Mamarce, mir, Manius Flavius Gracchus, Dein Urteil kund zu tun über Zustimmung oder Rück..weisung meiner Absicht zur Kandidatur zum Praetor des Imperium Romanum, dass dies dem Imperium dienen mag!"
    Rotfarben war auch das Blut, welches dem Körper in gleichem Maße wie der letzte Lebenshauch entströmte, und Gracchus bemerkte, wie allmählich die Feuchtigkeit seine Toga hatte durchdrungen und in seiner Tunika sich absetzte, dass sie auch auf seiner Haut zu spüren war. Dennoch ließ er nicht sich beirren, entnahm dem Tier die Leber, um sie gemeinsam mit Minor ausgiebig zu untersuchen.

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  • Mars kam gerade aus der Schmiede, wo er den Arbeitsfortschritt an seinem neuen Schwert begutachtet hatte, und wollte die Versammlung der kapitolinischen Trias eigentlich ignorieren, als man ihn dazu rief. Normalerweise war er ja nicht gefragt, wenn seine Eltern mit Minerva zusammen hockten und über das Schicksal der Welt entschieden. Aber vielleicht ging es ja heute mal nicht um die ganze Welt oder aber einen großen Krieg. Er nahm dies zum willkommenen Anlass, erstmal die alte Kampfkollegin Minerva nach ihrer Rückkehr aus der Ägäis zu begrüßen und sich erst dann um den Anlass für die kleine Götterversammlung zu kümmern. "Worum geht's? Eine Praetur? Und da macht er einen Aufwand, als wolle er dem gesamten Barbaricum zugleich den Krieg erklären?" Mars reagierte ganz offenbar ähnlich aufbrausend wie seine Mutter, wenngleich er weniger desinteressiert war. "Aber naja, der Mann war eben früher mal Marspriester, der weiß was sich gehört. Und sein Sohn stellt sich ja auch ganz putzig an", kommentierte er die Geschehnisse. "Ist das sein Sohn, der kleine Kerl da? Ob der wohl auch das Lamm so liebevoll angemalt hat?" Der Kriegsgott konnte der ganzen Maßnahme jedenfalls eine Menge Sympathie entgegen bringen.

  • Nach eingehender Prüfung und einem flüchtigen Blick zu Minor hin nickte Gracchus leicht.
    "Litatio."
    Im Grunde hatte er nicht an der Akzeptanz des Mars gezweifelt, war ihm doch nichts in Sinnen, das ihm jemals dessen Missgunst hätte angedeutet. Ganz anders indes bei den noch ausstehenden zwei Opferungen, vor deren Ergebnis Gracchus am meisten Furcht hegte. Nicht nur über Heilung wachte Apollon, sonder gleichsam brachte er auch Krankheit, und obgleich die Gens Flavia traditionell stets eng verbunden mit dem Gott der Künste war, so hegte Gracchus doch insgeheim die Befürchtung, dass es nicht die Larven allein, dass es eben jener mochte sein, welcher ihm zürnte. Auch das diesem zugedachte, weißfarbene Lamm begutachtete er darob noch einmal genauer, dass es in seiner Lebendigkeit makellos war, ehedem er mit einer Daumenspitze voll Wein es dem Himmlischen darbot.
    "Apollo, Allschaffender, dies Lamm für Dich, Apollo, mir, Manius Flavius Gracchus, Dein Urteil kund zu tun über Zustimmung oder Rückweisung meiner Absicht zur Kandidatur zum Praetor des Imperium Romanum, dass dies dem Imperium dienen mag!"
    Wie schon zuvor floss nach dem Kehlschnitt reichlich Blut, doch Gracchus wusste, dass dies zwar ein gutes Zeichen, doch kein Garant für die Annahme eines Opfers war. Sorgsam öffnete er die Bauchdecke des toten Lammes und hielt für einen Augenblick die Luft an, ehedem er die Leber zur Prüfung entfernte.

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  • Auf seiner Wolke liegend betrachtete Apollo mit gelindem Desinteresse das Treiben des Sterblichen in der Villa Flavia und zupfte dabei nachdenklich seine Kithara. Eigentlich war er ja nicht gerade ein großer Staatsgott der Römer, daher betrachtete er sich eigentlich als nicht zuständig!
    Dann bemerkte er, dass eine ganze Menge anderer Götter auch schon dabeistanden und offensichtlich ein ähnliches Geschenk wie er erhalten hatten. Und wenn er es sich recht überlegte, war das Lamm eigentlich keine schlechte Gabe! Daher zuckte er mit den Schultern und nahm sie an. Und weil er Orakelgott war, versteckte er auch noch gleich eine Weissagung in der Leber - allerdings so gut, dass wohl nur ein erfahrener Haruspex sie herauslesen konnte!
    Mit einem nachdenklichen Blick auf die anderen Götter meinte er dann: "Ich glaube, ich überlasse dieses staatstragende Zeugs lieber euch! Holt mich, wenn er eine Stadtgründung plant!" Damit schwebte er wieder davon, um an seinem neuesten Lied zu feilen.

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