Nach der Feier im Kreise der Familie war es für Lucius an der Zeit, auf dem Forum der Öffentlichkeit präsentiert zu werden. Diesen Teil der Liberalia hatte der Junge nicht sehr intensiv herbeigesehnt - er hasste große Auftritte vor der Menge, vor allem, wenn er auch noch Reden halten musste. Aber es führte kein Weg daran vorbei - morgen würden die Wahlen stattfinden und er musste der Bevölkerung des wichtigsten Vicus von Mogontiacum ja noch mitteilen, warum sie ihn zu wählen hatten. Seine etwas verpatzte Rede während der Cena für die wichtigen Männer des Vicus hatte den Alten dazu veranlasst, noch einmal mit ihm ins Gericht zu gehen. Deshalb hatte er die Rede ein bisschen umgemodelt und weniger strikt an das Muster gebunden, das Eumenius ihnen eingebläut hatte. Trotzdem war er höchst nervös, als der kleine Zug aus Familiaren und Klienten das Forum erreichte.
Wieder einmal - wie so oft in den letzten Tagen, wenn er irgendwelche "Wahlkampfveranstaltungen" besuchte - wischte er sich den Angstschweiß aus dem Gesicht und schmierte ihn an seine niegelnagelneue Toga Virilis. Dann steuerte er mit etwas unsicheren Schritten den Platz an, von dem aus der Ausrufer die Decreta der Decurionen verkündete und der Duumvir Recht sprach. Wenn hier jemand stand, wusste man, dass er etwas für alle zu sagen hatte.
Er blickte in die Menge: neben der Familie und Freunden seines Vaters waren auch einige Schaulustige gekommen, darunter sein Redelehrer Eumenius, der ihn mit einem abschätzigen und zugleich neugierigen Blick ansah. In den hinteren Reihen konnte er außerdem seine Mitschüler entdecken - wenn er sich blamierte, würde er gnadenlosem Gelächter ausgesetzt sein, so viel war sicher!
Er räusperte sich und öffnete den Mund - aber irgendwie steckte in Knoten im Hals. Noch einmal fuhr er sich durch das Gesicht und räusperte sich erneut. Am liebsten hätte er einen Schluck Wasser gehabt.
"Bewohner von Mogontiacum! Vicani des Vicus Apollinensis!"
brachte er schließlich doch heraus.