Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren! - Verhörraum I

  • Die Angst der Delinquenten, die im Laufe der Jahrzehnte in die Wände gesickert war, dampfte nun wieder daraus hervor. Sie kroch über Stilos Arme und kräuselten ihm eine Gänsehaut, als er durch die Tür schritt. Eine Gestalt wartete in der Dunkelheit, vom Fackellicht nur dürftig erhellt. Der Gardetribun war vor ihm eingetroffen und stand nun mit einigen Unterlagen am Tisch. Er war etwa so groß wie Stilo, aber schlanker. Finstere Gerüchte rankten sich um diesen Mann, doch wäre das anders, hätte er den falschen Posten.


    Stilo nahm nach dem Eintreten Haltung an, setzte seinen dienstlichen Blick auf, drosch sich die Faust auf die muskulöse Brust und sprach: "Tribun Decimus Serapio! Optio Seius Stilo, Cohortes Praetoriae." * Seine Stimme klang unangenehm hohl in diesen Mauern.


    Er war noch nicht instruiert worden, was genau heute passieren sollte. Er nahm an, beim Verhör als Schreiber zu assistieren, Gerätschaften zu reichen und zu gegebener Zeit ein Glas Wasser für den Delinquenten zu holen, das der Tribun dann vor dessen Augen gehässig selber trank.


    Sim-Off:

    * Ich weiß noch nicht, in welcher Zenturie oder Kohorte ich dienen werde, weshalb ich das hier offen ließ.

  • Ein tadelloser Salut, ein stattlicher Optio. Musca hatte ihn mir empfohlen, und auf dessen Rat hielt ich große Stücke.
    "Optio Seius. Rühren. Ich habe dich angefordert für die fünfte Centurie der dritten Cohorte. Melde dich später bei deinem Centurio, Paeonius Durus, er wird dich einweisen."
    (Dass sein Vorgänger auf höchst unglückliche Weise verschieden war, das würde Seius noch früh genug erfahren. Der Tesserarius hatte seitdem Optiostelle vertreten und sich wohl Hoffnung auf Beförderung gemacht, doch der war mir nicht kampferprobt genug.)
    "Neben Training, Wachdienst und Drill werde ich dich in einer besonderen Angelegenheit einsetzen. Sicher ist dir bereits zu Ohren gekommen, wie fatal der Christianerwahn sich in dieser Stadt ausgebreitet hat. Den gilt es einzudämmen und die Verbrecher zur Rechenschaft zu ziehen. - Wie sieht es mit deiner Erfahrung mit Verhören aus?"

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Stilo stellte sich bequemer hin, wobei er jedoch den Rahmen einhielt, den eine militärische Körperhaltung im Dienst vorsah. Er war sich bewusst, dass er als Neuling hier unter besonderer Beobachtung stand. Fehler sollte er sich nur im kleinen Rahmen erlauben und gegenüber dem Tribun am besten gar keine. So ließ er sich nicht anmerken, wie er gedanklich abkotzte bei der Aussicht, in Zukunft für den Drill verantwortlich zu sein. Der Wachdienst war da schon eher sein Geschmack - gemütlich auf der Mauer herumschlendern, plaudern, die Aussicht genießen, Leute beobachten.


    "Die Christianer sind in aller Munde", bestätigte er. "Ich habe noch nie jemanden verhört, Tribun."


    Paeonius Durus ... den kannte er nicht. Stilo grübelte, welcher der Zenturionen, die er schon gesehen hatte, das sein könnte. Hoffentlich nicht dieser fies aussehende Dürre.

  • „Dann beherzige primum: Jeder der Delinquenten hier hat einen Schwachpunkt – ein Wollen, ein Trachten, an dem du sie im Verhör packen und knacken kannst. Du kannst die Häftlinge einteilen, in die, die noch Hoffnung haben, hier mit heiler Haut oder zumindest lebendig herauszukommen, bei denen ist es einfach, Überleben ist der Hauptantrieb. Doch auch die anderen, die abgeklärt und fatalistisch erscheinen, auch irre Fanatiker wie die Christianer, auch die wollen doch immer noch irgendwas. Herauszufinden was es ist, das ist der Schlüssel, um sie zum Singen zu bringen. Und häufiger als man denkt, sind es banale Dinge. Die meisten wollen reden. Ausgedörrt von der Einsamkeit ihrer Zelle hungern sie nach anderen Menschen, nach Worten, sie gieren danach wie Hades-Schatten nach Widderblut.
    Secundum: Wir haben Zeit. Unterschätze nie die Macht des Schweigens. Früher oder später brechen sie fast alle. Wenn es eine Zeit lang nicht vorwärts geht, greif nicht voreilig zur Folter, du bekommst damit zwar schnell Ergebnisse, aber meist auch einen gigantischen Haufen Mist, sie produzieren dann die Aussagen von denen sie glauben, dass du sie hören willst, und das danach wieder auseinander zu sortieren ist langwierig und ineffizient. Sicher gibt es die harten Fälle, bei denen wir um die Methode nicht drum herumkommen, doch die sind selten. Faustregel ist auch dann, vorher erst mal das Potential der reinen Drohung mit der Folter auszureizen.“

    Übereifrige Neulinge hatte ich zu Genüge erlebt… Darum erwähnte ich noch, obgleich der Optio auf Zack wirkte:
    „Tote können im übrigen nichts mehr sagen. Ich hatte mal einen Optio, der einen Gefangenen totgeschlagen hat, weil der nicht geredet hat. Später stellte sich heraus, dass derjenige schon lange keine Zunge mehr besaß.“
    Ich lächelte süffisant, als ich an den wackeren Iunius Seneca zurückdachte. „Sieh zu, dergleichen zu vermeiden.“


    Tertium: Die Christianer pflegen sich in Herzen hinein zu nagen wie Würmer in rote Äpfel, darum kann man nicht jeden auf sie ansetzen. Du wurdest mir als standhaft und entschlossen empfohlen. Lass dich nicht von ihrem Gequatsche beirren, Optio Seius, auch wenn es hin und wieder sinnvoll sein mag, zum Schein auf sie einzugehen. Und du wirst deinem Centurio natürlich regelmäßig Bericht über dein Vorgehen und deine Ergebnisse erstatten.“
    Seitdem mein alter Kamerad Silio der Sekte auf den Leim gegangen war, war mir (und Musca) klar, wie gefährlich es war, diese Leute zu unterschätzen. Ich hatte ja selbst einmal, als junger Urbaner, den Sirenensang deren seltsamer Poesie vernommen. „Und nähme ich Flügel der Morgenröte…“ daran erinnerte ich mich noch, den Rest hatte ich zum Glück vergessen.
    Quartum: lass alles protokollieren, jedes Steinchen kann wichtig sein im großen Mosaik. Wenn du dem Delinquenten ein Gespräch unter vier Augen vorgaukeln willst, nimm eines der Verhörzimmer wo der Schreiber verborgen sitzt.
    Und merke dir genau, was der Delinquent als Allererstes sagt. Es ist im Nachhinein, wenn sich das Gesamtbild ergibt, dann oft von unvermuteter Bedeutung.“


    Im Anschluß zeigte ich Seius die Verhörräume und machte ihn mit den erfahrenen Gardesoldaten für Kerkerdienst, Vernehmungen und deren Protokoll bekannt. Den Rest würde der Optio im Laufe der Zeit sich aneignen, oder von seinem Centurio beigebracht bekommen.
    Es gab dann doch noch eine Planänderung, denn durch die nächste großangelegte Verhaftungswelle wurde Seius erst mal auf einige der neuen Gefangenen angesetzt. Und ich selbst sagte mir: unterschätzen war das eine, überschätzen war aber ebenso fatal. Ich würde mir die Brandrednerin "Philo von Amastris" selbst vorknöpfen. Was sollte schon passieren?! Ausquetschen wie eine reife Limone würde ich sie, das war ich dem Schatten meiner lieben kleinen Nichte mehr als schuldig.



    Sim-Off:

    Simoff: Von der Zeit schon lange weit überholt, darum nur noch ein Szenenabschluß.

  • Stilo sah dem erfahrenen Mann ins Gesicht, bemerkte die blumigen Formulierungen, die auf eine feingeistige Ader verwiesen. Gern würde er ihm Fragen stellen, doch Decimus Serapio machte deutlich, dass seine Zeit ein wertvolles Gut war. Heute war Stilo nicht Schüler, nur Rezipient, und er hörte zu.


    Jeder Delinquent besaß einen Schwachpunkt, und sei es der bloße Wunsch, zu überleben. Er würde herausfinden, was sie wirklich wollten.

    Folter würde nur eine untergeordnete Rolle spielen. Er würde sich merken, was der Delinquent als Erstes sagte.

    Kein Christianer würde sich in sein Herz nagen. Er würde alles protokollieren. Auch im Verborgenen.

    Und er würde seinem Centurio regelmäßig Bericht erstatten.

    All das würde geschehen, wie Serapio es verlangte.

    Stilo hatte Zeit.


    Serapio nicht.


    Bald war er fort, hatte Stilo zurückgelassen in den Schatten mit einem Berg offener Fragen und viel Verantwortung. Dunkel war es hier unten, roch nach Stein. Keine kappadokische Sonne blendete und kein scharfer Wind fegte ihm Staub in die Augen. Ruhe. Keine Steppenräuber, keine Parther, nicht das Blut seiner Kameraden. Der geschützte Raum unterhalb des wirklichen Lebens würde ihn erden, der Kerker sein Refugium sein.


    An diesem Ort, der für die Gefangenen Todesangst verhieß und für die Prätorianer Melancholie, spürte Stilo inneren Frieden.

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