All your base are belong to us - Rebellen im Hause

  • Man konnte nicht leugnen, dass Venusia überrascht war. Sie hatte mit vielen Besuchern gerechnet, aber nicht mit Seiana.
    "Salve Seiana, bitte komm doch herein. Setz dich."
    Venusia deutete auf einen Stuhl in der kleinen Sitzgruppe neben ihrem Schreibtisch. Sie hatte mit Seiana schon eine ganz Ewigkeit nicht mehr gesprochen und sie war neugierig was die Decima mit ihr zu besprechen hatte.

  • „Danke.“ Seiana trat ein, die Tür nach einem kurzen Blick zurück zu den beiden Wachhunden hinter sich schließend – langsam genug, dass sowohl die Soldaten als auch Venusia Einspruch einlegen könnten, sollte sich wirklich irgendwer Gedanken darüber machen, sie könnte hier etwas anstellen. Man gewöhnte sich schneller daran eine Gefangene zu sein, als Seiana geglaubt hätte... und so selbstverständlich sie die Soldaten, die sie stets begleiteten wenn sie durch die Principia ging, ignorierte, so selbstverständlich machte sie mittlerweile auch Blickwechsel wie diesen, über die sie sich im Grunde ärgerte, wenn sie ihr denn selbst bewusst wurden.


    Was in diesem Augenblick nicht der Fall war – zu sehr waren ihre Gedanken auf das kommende Gespräch gerichtet. Sie schloss die Tür hinter sich und ging weiter in den Raum hinein, nahm Platz auf dem Stuhl, den Venusia angedeutet hatte. „Ich habe gehört, du wirst-“ Magnus' Kinder, wollte sie eigenlich sagen, aber sie hielt sich rechtzeitig davon ab. „Deine Kinder aus Tarraco holen und nach Germanien gehen.“ Götter, wie schwer ihr das fiel. Sie war immer noch zutiefst davon überzeugt, dass es falsch war, die Kinder ihrer Familie zu entreißen und fern von ihr aufwachsen zu lassen. Dass sie, so jung wie sie noch waren, bald nur noch dem Namen nach Decimi sein würden, aber nicht mehr im Herzen, wenn es niemanden gab in ihrer unmittelbaren Nähe, der ihnen genau das nahe brachte – und wer sollte das sein, wenn nicht ein Decimus? Und wenn sie diese Gedanken zuließ, fühlte sie sich immer noch wie eine Verräterin an ihrer eigenen Familie, was der Grund war, warum sie sich bemühte so selten darüber nachzudenken.
    Aber das änderte nichts an den Tatsachen. Venusia würde die Kinder mitnehmen, mit ihrem schriftlich festgehaltenen Einverständnis... Und: es waren und blieben die Kinder ihres Onkels. Ihre Familie würde immer für sie da sein, auch wenn sie sich letztlich gegen sie entschieden, so wie es mit Livianus' Kindern gewesen war, die in Britannien bei ihren Großeltern mütterlicherseits aufgewachsen waren. Und das sollten sie auch wissen, ebenso wie die Mutter – auch wenn das hieß, dass Seiana ihren Stolz hinunter schlucken musste, um jetzt hier zu sein und so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung, als würde sie nicht am liebsten dafür sorgen, dass dieses Gespräch gar nicht nötig war. „Ich wollte nur sagen: wenn euch etwas fehlt, egal was – melde dich.“ Sie räusperte sich und zwang sich zu einem Lächeln. „In der nächsten Zeit mag es hin und wieder etwas schwierig werden, aber ich werde dafür sorgen dass ihr alles bekommt, was ihr braucht.“

  • Irgendwie hatte sie geahnt und befürchtet, dass es sich wieder um die Kinder drehen würde. Das letzte Mal hatte das Gespräch sie dermaßen aufgewühlt, dass sie sich davon mitreißen lassen hatte. Aber heute wollte sie es ruhig angehen lassen und auch ihr Gemüt kühl halten. Über die ganze letzte Zeit hatte sie Seianas Sichtweise verstehen gelernt und ihr stand auch nicht der Sinn danach ihren "Sieg" groß ausleben zu wollen. Sie wollte für ihre Kinder da sein und das konnte sie nur so. Also lächelte sie die Decima freundlich an und war doch überrascht, dass sie gar nicht mit ihr über ihr Vorhaben diskutieren wollte. Sie sicherte ihr die Unterstützung der Gens zu. Das freute und beruhigte sie sehr und so wurde der freundliche Ausdruck in ihrem Gesicht noch offener.
    "Ich danke dir und die ganze Gens für eure Unterstützung. Es freut mich sehr. Es ist für mich an der Zeit diese Stadt zu verlassen. Ich bin nicht für eine so große Stadt wie Roma gemacht."
    Kurz dachte sie nach. Sie wollte alles so klar und unmissverständlich ausdrücken wie es ihr möglich war. Seiana war zu ihr gekommen und sie wollte ihr unter gar keinen Umständen zu Nahe treten. Die Familie hatte genug durchgemacht.
    "Ich hoffe für euch alle, dass ihr alle bald wieder normal Leben könnt. Ich habe gesehen wie schlimm es Serapio ergangen ist. Ich hätte gern mehr für ihn getan als ihn nur zu besuchen. Aber als Frau hat man nicht immer so viel zu sagen wie man es manchmal gern möchte. Ich wünsche euch alles erdenklich Gute. Die Kinder werden immer wissen wohin sie gehören, das verspreche ich dir."
    Nichts konnte für Kinder schlimmer sein als nur die halbe Familie zu kennen. Sie würde da immer ehrlich mit ihnen sein.
    "Wenn sie später alt genug sindelnst zu entscheiden, werde ich die Letzte sein, die sie daran hindert ihr Leben hier bei euch zu leben."


    "Ich hoffe dir geht es soweit gut? Es ist nicht einfach hier so unter Beobachtung zu lebe, das kann ich nachvollziehen. Ist aber sonst alles soweit es möglich ist in Ordnung?"
    Eine Gefangene zu sein, war kein Spaß. Das kannte Venusia nur zu gut und sie hoffte ehrlich, dass es Seiana hier gut ging.

  • Seiana sah auf ihre Hände, die ineinander verschränkt in ihrem Schoß lagen. „Das ist selbstverständlich“, hörte sie sich auf den Dank erwidern, und sie meinte es auch so. Egal wie das nun zustande gekommen war, dass sie für Magnus' Kinder – und ihre Mutter – immer da sein würden, wenn diese etwas brauchten, war außerhalb jeder Diskussion. Trotzdem brachte sie es nicht fertig, Venusia wirklich anzusehen... bis diese auf ihren Bruder zu sprechen kam. Beinahe ruckartig hob Seiana den Kopf und sah sie an, gespannt auf das, was Venusia erzählen würde. Seit ihrem Besuch bei ihm hatte sie von ihm nichts mehr gehört, und sie hatte es nicht gewagt um einen weiteren zu bitten, war sich nahezu sicher, dass ihr eine solche Bitte abgeschlagen werden würde. Und es war ja auch wichtiger dafür zu sorgen, dass Faustus irgendwie mit dem Leben davon kam, anstatt die Gunst des Tribuns aufzubrauchen, indem sie um letztlich sinnlose Besuche bat – sinnlos jedenfalls, was die mögliche Rettung ihres Bruders anging.


    Sie sah also hoch, als Venusia ihren Bruder erwähnte, aber viel war es nicht, was sie zu Faustus sagte, und da sie gleich weiter sprach, verzichtete Seiana darauf nachzufragen. Allerdings wusste sie auch nicht so recht, was sie zu den Kindern sagen sollte... sie glaubte einfach nicht daran. Wenn sie in Germanien aufwuchsen, bei den Duccii, und wie Duccii, würden sie sich dorthin gehörig fühlen. Nicht zu den Decimi, weder in Rom noch in Tarraco. Und wenn sie je nach Rom kamen... nun, Secundus vielleicht. Aber Seiana hegte wenig Zweifel daran, dass er es dann tun würde, um hier Karriere zu machen, und nicht etwa weil er wirklich sein Leben bei der Familie verbringen wollte, die für ihn wohl kaum mehr sein würde als die seines vor Jahren gestorbenen Vaters. „Lass sie regelmäßig ihrer Ahnen gedenken. Nicht nur zu den üblichen Feiertagen, auch so... hin und wieder“, bat sie schließlich nur mit einer Stimme, die ein wenig belegt klang, und ohne es zu wollen musste sie an das Kind denken, das wohl niemals der Ahnen seines Vaters gedenken würde. Das nicht einmal wissen würde, wer seine Ahnen waren. Wenn es denn überhaupt noch lebte, hieß das – wäre das nicht der Fall, hätte sie wohl ein Problem weniger, aber der Gedanke es könnte so sein, ließ Seiana doch ein wenig frösteln. Sie hatte sich immer noch nicht mit dem Gedanken anfreunden können, dass es ihr Kind war, ihre Tochter – hier, wo sie sie nicht einmal in der Nähe hatte, nicht einmal die Gelegenheit sie zu sehen wenn sie denn wollte, weniger denn je –, aber trotzdem wünschte sich ein Teil von ihr, dass es dem Kind gut ging. Wieder räusperte sie sich, während sie zugleich die Gedanken verscheuchte. „Ich bin nicht mehr im Carcer wie noch zu Beginn meiner... meines Aufenthalts hier. Alles ist besser als das.“ Aus irgendeinem Grund wollte ihr das Wort Gefangenschaft nicht über die Lippen gehen, obwohl es die korrekte Bezeichnung gewesen wäre. „Mein Bruder... was hat er gesagt? Wie hält er sich?“

  • "Hängt davon ab...", meinte Vala ohne durchblicken zu lassen ob er das jetzt negativ oder positiv meinte, "..meine Zeit ist gerade äußerst knapp bemessen. Ich werde es womöglich nicht schaffen die Klinken direkt zu putzen. Aber vielleicht stehen die Männer ja ohnehin auf meiner Liste... also lass hören, um wen geht es?"

  • Nicht gut. Seiana konnte gar nicht anders als die Worte negativ zu interpretieren. Wenn er wenig Zeit hatte... sie presste die Lippen aufeinander und gab sich einen Ruck. Er hatte versprochen, ihr zu helfen. Den Decimi zu helfen. „Senator Manius Flavius Gracchus.“ Den höchsten Trumpf, den sie hatten. „Senator Cnaeus Antius Postumus, er war unter Valerianus lange Jahre ein Gönner der Acta...“ Und ihr noch einen Gefallen schuldig, einen der groß genug war, und, was genauso wichtig war: er hatte sich explizit auf Seiten Palmas gestellt, nachdem es ihm gelungen war sich aus Rom zurückzuziehen. Davon kannte sie nicht allzu viele, die beide Kriterien erfüllten und hoch genug standen, dass ihr Wort genug Einfluss hatte. „Der Primus Pilus der Prima, Iulius Licinus... mein Bruder und er sind alte Kameraden, noch aus Zeiten des Parthien-Kriegs.“ Seiana warf dem Tribun einen Blick von der Seite zu, in der Hoffnung endlich irgendetwas zu sehen in seiner Miene, was ihr half einzuschätzen, was er wohl denken mochte.

  • "Da hast du mein Wort drauf. Sie werden ihrer regelmäßig gedenken."
    Das würden sie auf jeden Fall. Für Venusia war Familiengeschichte immer wichtig und dazu gehörte ja nicht nur ihre. Auch die Geschichte der Decimi gehörte für die Kinder selbstverständlich dazu. Magnus hatte ihr viel erzählt. Sie haben oft über die Familie gesprochen und irgendwann kannten beide die Geschichte des Anderen. Soweit sie es also vermochte, würde auch das thematisiert werden.
    "Mir war es leider nicht möglich mit ihm zu sprechen. Er schlief und ich wollte ihn nicht wecken. Ich habe lediglich einige Zeit bei ihm gesessen und ihm dies und das erzählt. Ob es zu ihm durchgedrungen ist, weiß ich nicht. Ich würde dir gern mehr erzählen und frohere Botschaft verkünden. Es ist mir leider nicht gegeben."
    Venusia senkte ihren Blick. Solch Nachrichten behagten ihr nicht und diese dann auch noch quasi überbringen zu müssen, noch weniger.
    "Welchen Eindruck hattest du von ihm als du bei ihm warst?"

  • "Zumindest Manius Gracchus stand ohnehin auf meiner Liste, das wird also kein Problem sein.", begann Vala, "Cnaeus Postumus allerdings nicht, ich werde sehen wie sich das einrichten lässt. Der Iulius sollte kein Problem darstellen, auch wenn er wieder in Mantua weilt, seine Reaktion also im Zweifelsfall länger brauchen könnte als die Verurteilung deines Bruders. Ich werde ihm schreiben, wie auch immer..."

  • Seiana hatte Mühe ihre Enttäuschung zu verbergen, als Venusia bestätigte, dass sie ihr kaum mehr erzählen konnte als das, was sie ohnehin schon gesagt hatte. Unwillkürlich rieb sie sich mit dem Daumen ihrer Linken über den rechten Handrücken, drückte so fest zu, dass es weh tat. Es gefiel ihr nicht, wie schlecht es Faustus ging. Bisher hatte sie immer nur daran gedacht, ihn irgendwie zu retten, aber jetzt begann sie zum ersten Mal begann sich zu fragen, was dann. Was dann? Was, wenn es ihm nicht besser gehen würde? Was, wenn er einfach nicht mehr der Alte werden würde? Es ging ihm nicht nur schlecht, weil er verwundet worden war und seit Wochen und Wochen im Carcer saß. Er litt unter der Niederlage, darunter, dass die Rebellen gewonnen hatten. Die Verräter, die Kaisermörder... die, die er dafür hielt jedenfalls, nach allem was er herausgefunden, allen die er befragt hatte, und wenn Seiana ehrlich zu sich selbst war, war sie nach wie vor geneigt dazu das gleiche zu glauben. Sie war nur nicht ehrlich zu sich selbst, oder besser: sie vermied es, überhaupt darüber nachzudenken. Es spielte ohnehin keine Rolle. Wichtig war nur ihre Familie... Aber wie um alles in der Welt sollte sie ihrem Bruder helfen, wenn er um sich herum nur noch Verräter sah oder Opportunisten? „Keinen guten“, antwortete sie müde. So sehr sie versuchte, ihre Maske zu wahren, konnte sie doch nicht leugnen, dass sie sich danach sehnte, mit jemandem zu reden. Sie lebte zurückgezogen und ging selten aus sich heraus, aber auch sie brauchte Gespräche, sozialen Kontakt. Aber seit Wochen war sie allein – die Wachsoldaten zählten nicht, der Sklave, der ihr das Essen brachte oder sonst etwas, wenn sie etwas brauchte, noch weniger... der Duccius war der einzige gewesen, mit dem sie wirklich hatte reden können, und die Gespräche mit ihm konnte sie an einer Hand abzählen – und hatten nie sonderlich lange gedauert. Wohl das war der Grund, dass sie sich nicht so gut unter Kontrolle hatte wie üblich. „Seine Wunden sind immer noch nicht ganz verheilt, glaube ich, oder er ist krank geworden im Carcer. Aber schlimmer ist sein geistiger Zustand. Er war so... depressiv, als ich bei ihm war.“ Und am Ende war er in Wahnvorstellungen abgeglitten. Oder Fieberphantasien, was auch immer es gewesen sein mochte. „Er kommt nicht klar, und ich weiß nicht ob sich das ändern wird, sollte er... sollte er irgendwie mit dem Leben davon kommen.“

  • Venusia hatte genau diese Antwort befürchtet. Sie hatte nicht viel von ihm sehen können, es war zu dunkel gewesen. Aber soweit sie iformiert war, befand sich ihr Neffe schon sehr lange hier im Carcer. Man musste kein Augur sein um die Probleme, die so eine Gefangenschaft mit sich brachten zu sehen. Über die geistigen Wunden, brauchte man ihr auch nicht viel zu erzählen. Die kannte sie nur zu gut. Das Wissen darum stand ihr fast ins Gesicht geschrieben als sie Seiana versuchte Zuversicht zu geben.
    "Ich hoffe, dass er bald den Carcer verlassen kann wenn sich erst mal der neue Kaiser etabliert hat. Wenn ihr dann alle für ihn da sein werdet, sollte er wieder Hoffnung und Zuversicht finden und die Freude am Leben zurück gewinnen. Es tut mir wirklich leid, dass ihr das alles erdulden müsst. Deine Familie hat so viel für das Reich gemacht und so viele verdiente Persönlicheiten hervorgebracht und nun werden sie eingesperrt und zu Feinden des Landes gemacht. Das habt ihr wahrlich nicht verdient. Seid so gut es euch möglich ist für einander da. Das hat mir damals nach meiner Gefangenschaft sehr geholfen. Meine Familie war für mich da gewesen."
    Sie wusste aber auch, dass er die Erlebnisse wohl nie loswerden würde. Es gab Dinge, die begleiteten einen das ganze Leben.

  • Mit dem Flavier würde er also definitiv reden. Immerhin etwas. Seiana war erleichtert, dass wenigstens das klappen würde. Bei den beiden anderen klang der Duccius dagegen nicht sonderlich positiv. Der eine: mal sehen. Der andere: würde wohl zu spät sein. Verurteilung, echote es in ihrem Kopf. Seiana verschränkte die Arme und ballte die Hände dabei zu Fäusten, so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten – was man im Dämmerlicht des Abends alledings kaum noch würde erkennen können. Verzweifelt überlegte sie, zum ungezählten Mal, wen sie noch fragen könnte – aber außer den dreien wollte ihr keiner einfallen. Keiner, der nach den Wirren des Kriegs noch genug Einfluss besaß und auf der richtigen Seite gestanden hatte, oder wenigstens neutral genug geblieben war, dass sein Wort Gewicht haben würde. „Ich fürchte sonst gibt es niemanden, dessen Hilfe sich auch lohnen würde. Dennoch danke. Wenn du Senator Flavius überzeugen kannst...“ Seiana räusperte sich. „Vielleicht hilft es was“, beendete sie den Satz murmelnd, mehr zu sich selbst als zu ihm.

  • „Ich hoffe dass er überhaupt den Carcer verlassen kann. Lebend. Dass er in Rom bleiben darf...“ Lezteres war eher als Frage formuliert, und sie bezweifelte es, wenn sie ehrlich war. Jedenfalls wenn Faustus sich nicht tatsächlich zusammenriss und sagte, was gehört werden wollte. Auch wenn er noch jung und nicht lange Praefectus Praetorio gewesen war, würde man trotzdem kaum dulden, wenn er hinausposaunte, was er vom neuen Kaiser wirklich hielt. Wessen er ihn beschuldigte. Sie rieb sich über die Stirn. „So ist das Leben. Wir sind weder die ersten noch werden wir die letzten sein...“ Sie sah hoch, Venusia in die Augen, und bemühte sich um ein Lächeln. „Am Zusammenhalt wird es nicht scheitern, wir werden füreinander da sein. Für Faustus, wenn er... freikommen sollte. Und die Decimi werden hoffentlich auch wieder bessere Zeiten erleben. Wir werden nur Geduld brauchen.“ Und die Gnade eines Kaisers, der sich erst einmal etablieren musste. Seiana hoffte so sehr, dass er gnädig sein würde. Dass Faustus da sein würde, um die hoffentlich besseren Zeiten auch noch zu erleben.

  • "Die Flavii Romiliani gehörten bisher nicht zu den Familien in Rom, zu denen ich gute Kontakte pflege... ich hoffe also, es würde ausreichen da als Mittler aufzutreten, denn mein politisches Gewicht bei jenen dürfte gen Null tendieren... optimistisch geschätzt.", wandte Vala ein, "Zudem kann ich schlecht einschätzen, wie es um das Gewicht des Praetoraten überhaupt steht. Es ist eine Weile her seit er ein nennenswertes Amt bekleidet hatte, zudem verschwand er im Bürgerkrieg quasi von der Bildfläche ohne sich einem der Rebellenheere anzuschließen. Wenn du mich fragst: Parteinahme die sich jetzt auszahlen könnte sieht sicherlich anders aus."

  • Seiana bemühte sich um ein Lächeln. „Nun, sollte es nicht reichen, hilft es vielleicht wenigstens dir, Kontakte für die Zukunft zu knüpfen.“ Im Gegensatz zu so häufig war ihrem Lächeln diesmal anzusehen, dass es bemüht war, und es gefror auch recht bald – und verschwand dann ganz. Sie wollte nicht hören, was der Duccius ihr zu sagen hatte. Sie wollte nicht hören, dass Flavius Gracchus womöglich gar keinen relevanten Einfluss haben könnte. Sie hatte sich diese Gedanken auch selbst schon gemacht... und trotzdem war er derjenige, von dem sie sich – abgesehen vom Duccius selbst – noch am meisten versprach. Er hatte auf der Liste der Proskribierten gestanden; auch wenn er sich keinem der Heere angeschlossen hatte, siedelte ihn das doch auf Seiten des Cornelius an. Andererseits: er war nach Rom zurückgekehrt... war zu Faustus gekommen. Und der hatte ihn nicht ausgeliefert, sondern beschützt. Hieß das nicht, dass zumindest ihr Bruder wohl geglaubt haben musste, dass der Flavius zu Unrecht auf dieser Liste gestanden hatte? Wenn es so war, hatte der Duccius freilich Recht: die Fürsprache des Flavius, wenn er sie denn überhaupt gewährte, würde kaum etwas bringen. Seiana schlang die Arme um ihren Oberkörper, als es sie unwillkürlich fröstelte, und starrte stur vor sich hin, während sie weiter durch das Lager gingen. Ihre Stimme klang stumpf, als sie weiter sprach. „Zumindest einen Versuch ist es wert. Und ich wüsste niemanden sonst, der sich in der momentanen Lage für meinen Bruder verwenden würde... und wenigstens die Chance hätte etwas zu bewirken.“ Und sie konnte kaum den Duccius bitten, seine Kontakte einzusetzen. Wenn sie glauben würde damit Erfolg zu haben, würde sie es sogar tun... würde ihn anflehen, wenn es sein musste. Aber sie glaubte nicht daran, dass es etwas bringen würde. Abmachung hin oder her – der Tribun würde kaum so dumm sein, sich auf so etwas einzulassen. Schon gar nicht in der jetzigen Lage, in der sich ihre Familie befand. Sie konnte sich vermutlich schon glücklich schätzen, wenn er selbst ein gutes Wort für Faustus einlegte.

  • Venusia vermochte nicht selten tröstende Worte zu finden, die auch wirklich Hoffnung stiften konnten, aber in diesem Moment fiel ihr da nichts ein. Sie kannte den neuen Kaiser nicht. Das war eine Unbekannte, die aber alles entscheiden würde und falsche Hoffnungen schüren, war ihr ein Grauß.
    "Er wird den Carcer verlassen können und das lebend. Dafür werde ich zu allen Göttern beten. Es wird wohl wirklich eine ganze Menge von Faustus abhängen. Ich hoffe sehr, dass ihm rechtzeitig einfällt was die richtigen Worte sind. Manchmal ist es wirklich besser das zu sagen was andere hören wollen."
    Die Wahrheit war für Venusia immer wichtig. Aber hier hatte auch sie irgendwann einsehen müssen, dass man in bestimmten Momenten damit lieber hinter dem Zaun halten sollte. Das hier war so ein Moment. Als Seiana sie anlächelte, lächelte sie ehrlich zurück. Wieviel Geduld mussten die ersten Duccii damals haben bis sie einigermaßen akzeptiert wurden. Ähnlich musste es ihrer angeheirateten Familie nun auch gehen.
    "Ihr werdet das alles durchstehen und danach wieder gut dastehen. Die besseren Zeiten werden kommen. Da bin ich mir sicher."
    Das war sie sich wirklich.
    "Ich würde gern mehr für euch tun. Aber wer bin ich hier schon?"
    Hier konnte sie nichts ausrichten. Das mussten andere tun.

  • „Danke“, erwiderte sie leise, und sie meinte es auch so. Sie glaubte Venusia, dass sie für Faustus beten würde, und Seiana war dankbar dafür – und flehte selbst inständig darum, dass die Götter sie erhören würden, auch wenn sie sich kaum erlaubte Hoffnung zu hegen. „Mögen die Götter geben, dass er die richtigen Worte findet.“ Was auch immer die richtigen Worte waren in einer solchen Situation. Sie wusste es ja selbst nicht – wenn der Cornelius wirklich nicht längst schon eine Entscheidung getroffen hatte über die Zukunft ihres Bruders, wer konnte dann schon wissen, was genau er würde hören wollen von ihm, damit er ihn verschonte? Selbst wenn Faustus gewillt wäre, ihm genau das zu sagen – und daran hatte Seiana Zweifel –, würde er das situationsbedingt abschätzen müssen. Was es nicht gerade einfacher machte...


    Seiana seufzte lautlos und versuchte, diese Gedanken zu verdrängen. Sie grübelte ohnehin zu viel, jetzt, wo sie so viel Zeit hatte, mehr noch als früher – aber es brachte einfach nichts. Sie konnte dadurch weder die Zeit beschleunigen noch irgendetwas zu ihren Gunsten verändern. „Im Moment, denke ich, kann kaum jemand etwas für uns tun. Wir müssen einfach geduldig sein...“ Das Lächeln wurde tatsächlich ein wenig leichter, nicht mehr ganz so bemüht. „Es tut schon gut zu wissen, dass wir nicht ganz alleine da stehen. Ich danke dir dafür.“ Sie räusperte sich und machte eine verlegene Geste. Sie war eigentlich nur gekommen, um sicher zu stellen, dass der Kontakt nicht abriss, zu Magnus' Kindern und ihrer Mutter, wenn sie schon nichts mehr dagegen tun konnte, dass sie nach Germanien gingen... Deutlich zu machen, dass sie trotz allem da sein würde, dass sie Familie waren, dass sie helfen würde, wenn sie Unterstützung brauchten. Sie hätte nie erwartet, hier Trost zu finden. „Nun, ich... das war eigentlich alles, was ich wollte. Ich möchte dich nicht weiter stören, du hast sicher noch einiges vorzubereiten.“

  • "Aber ich bitte dich, du störst nicht. Ich bin auch nicht über die Störung traurig. Manchmal braucht man einfach auch mal eine Pause von der Arbeit, die man gerade erledigt. Aber du hast recht. ich habe noch einiges zu erledigen und vorzubereiten. Darum sollte ich mich wohl wirklich wieder kümmern."
    Es war auch noch genügend Arbeit da. Dennoch war sie froh gewesen sich damit eine Zeit lang nicht beschäftigen zu müssen.
    "Ich wünsche dir und deiner Familie alles erdenklich Gute."
    Venusia stand auf und ging zu ihrer Besucherin hinüber. Sie war sich nicht sicher ob wie sie sich von ihr verabschieden sollte. Meistens neigte sie ja Leute zu umarmen wenn sie sich mit ihnen verstand. Aber bei Seiana war sie sich nicht sicher wie das vielleicht ankommen würde und so versuchte sie sich einfach in einer offenen Position mit der sie auf jede Abschiedsform reagieren konnte.

  • Arbeit. Seiana kam nicht umhin, Venusia zu beneiden darum, dass sie das hatte. Sie selbst sehnte sich danach, endlich wieder etwas zu tun zu haben, etwas, das auch Tage füllend war. Seit sie den Carcer hinter sich gelassen hatte, seit ihre Unterkunft deutlich besser geworden war, gab es auch nichts mehr, was sie davon ablenkte, dass sie nichts zu tun hatte. Nicht, dass sie deswegen zurück in den Carcer wollte, das nicht... dennoch war das ein Nachteil daran, hier untergebracht zu sein.
    Deswegen verabschiedete Seiana sich auch eher zögerlich. Ein bisschen Gesellschaft tat ihr gut, das merkte sie – aber sie wusste auch, dass sie nicht lange hier bleiben konnte. Sie wollte nicht zur Last fallen, wollte nicht dass Venusia merkte, wie sehr sie sich nach Gesellschaft und Ablenkung sehnte. Sie wollte stark wirken... wie immer. „Ich wünsche dir eine gute und sichere Reise... und lass von dir und den Kindern hin und wieder hören.“ Sie lächelte erneut, und dieses Mal ging es ihr leichter von den Lippen, auch wenn es fast ein bisschen traurig wirken mochte. Sie erhob sich ebenfalls, als Venusia aufstand, und stand dann für einen Moment beinahe unschlüssig da. Sie berührte selten andere Menschen, selbst zum Abschied nur dann, wenn es einem Akt der Unhöflichkeit gleich gekommen wäre, es nicht zu tun. Trotzdem reichte sie Venusia in einer ehrlichen Geste die Hand, und das nicht nur deshalb, weil sie sich vielleicht nicht wiedersehen würden, bevor die Duccia schließlich abreiste, sondern auch, weil das Gespräch Seiana gut getan hatte, mehr, als sie sich eingestehen wollte.

  • "Ich werde versuchen euch regelmäßig Informationen über uns zukommen zu lassen."
    Venusia hatte die ihr gereichte Hand ergriffen und hielt sie einen Moment. Nach all den Geschehnissen war sie sehr froh, dass das Gespräch so gelaufen ist.
    "So bald wir angekommen sind, werde ich gleich einen Brief abschicken und wenn es per Bote ist."
    Danach würde sie zusehen das so regelmäßig wie möglich einzurichten. Sie hoffte, dass sie es schaffen würde.
    "Dann werde ich mich mal wieder an die Arbeit machen. Alles, alles Gute!"
    Vermutlich glich das gerade einem Rausschmiß. Wobei...nicht nur vermutlich, es war einer. Aber Venusia wurde immer ganz rührselig wenn sie sich verabschiedete und das wollte sie nicht. Jedenfalls nicht offen vor anderen. Also musste sie dieses Abschiedszeremoniell etwas beschleunigen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!